Protocol of the Session on August 30, 2017

Herr Ittershagen, da Sie damals noch nicht Mitglied des Parlaments waren, geht es jetzt weiter: In der Abstimmung zum Doppelhaushalt für 2013/2014 stellte sich der Ex-Minister hin und verweigerte als einziger Abgeordneter von CDU und FDP seine Zustimmung zu dem Entwurf. Seine Begründung: Der Bildungsetat sei für ihn nicht akzeptabel. Zur langfristigen Absicherung des Unterrichts jedenfalls tauge er angesichts der Überalterung des pädagogischen Personals nicht. Zitat

Prof. Wöller: „Ich möchte, dass auch in Zukunft vor jeder Klasse ein Lehrer steht.“ – Dezember 2012!

Im Juni 2014, also kurz vor den Sommerferien, kam es zu einer neuerlichen Eskalation angesichts der Erkenntnis, dass der Schulbeginn abgesichert werden müsste. Plötzlich wurden die Klassen vollgestopft, die Elternbescheide wurden nicht verschickt, es gab riesengroße Aufregung.

Es folgte wieder einmal ein Krisengipfel. Der Ministerpräsident schaltete sich ein. Frau Kultusministerin Kurth und Herr Finanzminister Prof. Unland konnten sich darauf einigen, dass Frau Kurth jetzt Lehrerinnen und Lehrer einstellen könne; sie habe jetzt freie Hand.

Das Jahr 2015 erspare ich mir. Da waren nämlich alle Mitglieder dieses Hauses schon dabei, auch wenn Herr Ittershagen es trotzdem nicht verstehen wird.

(Steve Ittershagen, CDU: Ich verstehe mehr, als Sie denken, Herr Kollege!)

Frau Kurth, die Frage, die ich eigentlich habe, ist: Wäre es nicht an der Zeit, dass die Männer, die dafür die Verantwortung tragen, nämlich der Finanzminister und der Ministerpräsident, sich heute endlich hinstellen und sagen würden, dass sie das Bildungschaos in diesem Land zu verantworten haben?

Es wäre an der Zeit, dass beide sich entschuldigen – bei den Eltern, bei den Lehrern und vor allen Dingen bei den Schülerinnen und Schülern. Das wäre angemessen!

(Beifall bei den LINKEN)

Da ich glaube, dass dies nicht ausreichen wird – das ist sicherlich nicht nur meine Position, sondern auch die von Herrn Wöller und Herrn Colditz –, dachte ich, dass es wenigstens ein kleines Erwachen bei der CDU-Fraktion geben werde, nachdem ein bekannter CDU-Politiker vor wenigen Tagen das Handtuch geschmissen hat und aus der CDU ausgetreten ist. Einer der Gründe für seinen Austritt war – Zitat –:

„Wenn der Staat aus dem Recht auf Bildung in unmittelbarer Argumentation die allgemeine Schulpflicht ableitet, muss er die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Doch der sächsischen CDU gelingt das immer weniger. Sie vernachlässigt die Allgemeinbildung, vor allen Dingen die politische, kulturelle und ethische Bildung.“

Dazu hat ja gerade Herr Sodann gesprochen.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Ministerpräsident, es gibt also zwei Möglichkeiten:

Erstens. Sie übernehmen die Verantwortung für das, was in den letzten Jahren hier im Bildungsbereich angerichtet worden ist.

Zweitens. Sie haben die Chance, Herrn Richter als Moderator einzustellen. Schließlich hat er schon einmal dem Innenminister geholfen, sein Asylchaos zu beherrschen. Vielleicht kriegt Herr Richter das auch bei der Kultusministerin hin, damit mehr Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden und die Bildungsmisere beendet wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Kollege Gebhardt sprach für die Fraktion DIE LINKE und eröffnete die dritte Runde.

Gibt es weiteren Redebedarf? – CDU-Fraktion? – SPDFraktion? – AfD-Fraktion? – Fraktion GRÜNE? – Ich kann keinen Redebedarf feststellen.

Damit hat die Staatsregierung das Wort. Bitte, Frau Staatsministerin, Sie können es jetzt ergreifen. Es spricht zu uns Frau Staatsministerin Kurth.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zurück zu dem Thema „Bildung und Schule“: Das Schuljahr im Freistaat Sachsen hat Anfang August begonnen – geordnet. Von „Chaos“ zu sprechen ist für mich reine politische Effekthascherei. Herr Sodann, das ist vor allem eine Ohrfeige für all die Lehrerinnen und Lehrer, die tagtäglich engagierte Arbeit an den Schulen leisten und unser Schulsystem auf einem guten Niveau halten. Ihnen ist herzlich zu danken!

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte einen kurzen Blick auf die Vorbereitung des Schuljahres 2017/2018 werfen. Es ist wahrlich ein kompliziert vorzubereitendes Schuljahr gewesen. Welche wichtigen Maßnahmen haben wir eingeleitet?

Das Maßnahmenpaket „Zukunftsfähige Schule für Sachsen“ wurde verabschiedet. Wir haben es umgesetzt. Circa 25 000 Personalmaßnahmen wurden in der Bildungsagentur getätigt, damit unser Schuljahr geordnet und – ich verwende bewusst diesen Begriff – planvoll beginnen konnte. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bildungsagentur dafür herzlich.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Wir haben eine dreimonatige Einstiegsqualifizierung für – jetzt möchte ich gar nicht den Begriff „Seiteneinsteiger“ verwenden – unsere hochschulqualifizierten Fachleute ohne pädagogische Ausbildung konzipiert, und wir setzen sie auch um.

Wir haben die Auszahlung aller geleisteten Mehrarbeitsstunden vorfristig tätigen können. Das ist eine enorme Leistung, die in Zusammenarbeit der Bildungsagentur und der Bezügestellen im Freistaat Sachsen möglich war. Verwaltung kann flexibel, dynamisch und gut funktionieren. Das ist dafür ein beredtes Beispiel.

Insgesamt 1 400 neue Lehrkräfte wurden eingestellt – so viele wie nie zuvor seit 1990!

Ja, 53 % sind hochschulqualifizierte Fachleute ohne pädagogische Ausbildung. Das kann mich, das kann uns nicht zufriedenstellen. Nur, ich stelle die Frage: Was ist die Alternative zur Einstellung der sogenannten Seiteneinsteiger? Die Alternative hieße Unterrichtsausfall. Diesen nehmen wir nicht hin. Aus diesem Grund haben wir diese Einstellungen getätigt. Ich bin stolz darauf, dass wir diese Zahl – 1 400 – gemeinsam geschafft haben. Ich bedanke mich bei all denen, die diesen Prozess unterstützt haben, ausdrücklich.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Ja, wir können heute nur die Lehrerinnen und Lehrer einstellen, die vor sieben, acht Jahren ihre Ausbildung begonnen haben.

(Patrick Schreiber, CDU: Vor 10 Jahren!)

Das ist ein Fakt, mit dem wir umzugehen wissen, und wir steuern gegen.

Wir haben das Einstellungsverfahren modernisiert und zum Beispiel bewerberfreundlicher ausgestaltet. 100 Lehrerstellen sind schulscharf ausgeschrieben, im Internet nachzulesen.

Wir haben Stipendien für Nachwuchslehrer aufgelegt. Wir haben die Anzahl der Ausbildungsplätze für Lehrerinnen und Lehrer an unseren ausbildenden Universitäten auf 2 375 erhöht.

Sachsen – ich erwähne das jetzt sehr bewusst; meine Vorredner haben es auch getan – hat zum zwölften Mal in Folge den Bildungsmonitor mit dem ersten Platz absolviert.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Frau Falken, bitte zuhören! – Mir geht es darum, dass der Bildungsmonitor auf 92 Fakten basiert, die valides Datenmaterial liefern und nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Dieser Bildungsmonitor besagt, dass unser sächsisches Schulsystem gut funktioniert und leistungsfähig ist. Das ist eine Aussage auf valider Basis. Das kann ich nicht bei allen Aussagen erkennen.

(Beifall bei der CDU)

Ja, das Ergebnis des Bildungsmonitors ist maßgeblich auf die Leistungen der Schulen und unserer sächsischen Lehrerinnen und Lehrer zurückzuführen. Das besagt übrigens diese Studie ausdrücklich.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Das sächsische Bildungssystem ist besser, als es insbesondere in Sachsen und von Sachsen dargestellt wird und als einige hier im Raum es wahrhaben wollen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle nicht verschweigen, dass wir auch Reserven haben. Ja, die haben wir, und wir haben einen großen Aufgabenberg zu bewältigen. Wir haben Reserven bei der Verbesserung der Quote der Schülerinnen und Schüler ohne Hauptschulabschluss. Gleichwohl, meine Damen und Herren Abgeordneten, möchte ich jedoch betonen, dass zwischen den Neuntklässlern in Bremen und Sachsen konstant ein Leistungsunterschied von 1,5 Schuljahren liegt immer wiederkehrend, so der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes Meidinger in der „Welt“ am letzten Samstag, 25. August.

Die Verlässlichkeit eines Schulsystems ohne ständige neue Reformen nennt Meidinger als Hauptargument für

gute Schulpolitik. Meine Damen und Herren, gute Schulpolitik kann auch im Föderalismus funktionieren. Schauen Sie doch in den Bildungsmonitor, schauen Sie doch in das Interview von Meidinger in der „Welt“. Sachsen, Thüringen und Bayern machen vor, wie Bildungsföderalismus mit guter Schulqualität einhergeht.

(Beifall bei der CDU – Sebastian Fischer, CDU: Sehr richtig!)

Ein wichtiger Schritt für eine zukunftsfähige Schule ist mit der Verabschiedung des novellierten Schulgesetzes getan worden. Zum Schuljahresbeginn haben wir zehn überarbeitete Verordnungen in Kraft gesetzt, es stehen jetzt fast 100 Einzelmaßnahmen zur Überarbeitung an. Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich sage Ihnen, dass wir dann, wenn wir diesen Prozess abgeschlossen haben, alle rechtlichen Grundlagen zur schulischen Bildung in Sachsen auf modernstem Stand haben. Unser Schulsystem kann auf dieser Basis für die nächsten Jahre eine sehr hohe Verlässlichkeit zeigen. Und dafür stehe ich als Kultusministerin mit dem gesamten Kultusministerium und den Abgeordneten der Koalitionsfraktionen.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Bildung und damit Schule ist nicht nur bei den drei zurückliegenden Landtagswahlen in diesem Jahr Kernthema gewesen. Wir schauen auf das Saarland, wir schauen auf NordrheinWestfalen und wir schauen auf Schleswig-Holstein. Seit Neuem ist Bildung auch ein Kampfthema bei der bevorstehenden Bundestagswahl. Der öffentliche Druck der Forderung nach Vergleichbarkeit von Bildungschancen und der Angleichung der Bildungssysteme wächst. Machen wir uns nichts vor: Im Qualitätsniveau der Bildungsabschlüsse gibt es weitreichende Unterschiede und diese Unterschiede, die ich gerade von Bremen und Sachsen benannt habe, sind Ausdruck unterschiedlich guter oder schlechter Bildungspolitik. Deshalb bin ich sehr für eine Anpassung des Qualitätsanspruchs der Bildung zwischen den einzelnen Bundesländern, zum Beispiel durch gemeinsame Prüfungsaufgaben im Abitur.

(Jörg Urban, AfD: Nach unten?)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, jedoch bin ich nicht für eine gepflegte Absenkung bzw. Niveaulosigkeit im Bildungssystem.