Protocol of the Session on August 30, 2017

Die weitere Rednerreihe: DIE LINKE, AfD, GRÜNE und Staatsregierung, wenn gewünscht. Es spricht jetzt Herr Böhme für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Titel der Aktuellen Debatte lautet unter anderem auch „Mobilität im Wandel“. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich habe hierzu nichts Hinreichendes von den Vorrednern gehört, eigentlich gar kein Wort.

(Andreas Nowak, CDU: Dann müssen Sie einmal zuhören!)

Wie soll Mobilität gewandelt werden und was sind Ihre Pläne dazu? Es geht Ihnen letztlich doch nur darum, Herr Nowak, dass Sie ein Software-Update für den Diesel bekommen und noch ein paar E-Autos auf der Straße fahren, aber ansonsten alles so bleibt wie es ist.

(Andreas Nowak, CDU: Das ist Quatsch! – Zuruf von der CDU: Zuhören!)

Meine Güte! Millionen Fahrzeuge wurden illegalerweise mit falschen Abgaswerten zugelassen. Ich frage mich, wie so etwas möglich sein konnte. Eigentlich weiß man es jetzt auch. Daher ist die Frage, was man dagegen tun kann.

Wir führen schon seit zwei Jahren diese Debatte auch hier im Landtag, angefangen beim VW-Skandal. Damals sagten Sie, Herr Dulig, in der Debatte noch, das sei ein Angriff auf die deutsche Automobilindustrie. Heute haben Sie schon deutlichere Worte gefunden.

Dennoch: Es gab bis heute nicht einen Bußgeldbescheid in Deutschland gegen die verantwortlichen Konzerne, die diesen Betrug zu verantworten haben. Genau das kann nicht wahr sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den LINKEN)

Wir leben nämlich in einem Staat, in dem es keine Unternehmensstrafen oder kein Unternehmensstrafrecht gibt. Wir leben in einem Land, in dem die großen Parteien, angefangen von CDU/CSU, SPD, FDP, ja, sogar die GRÜNEN, in den Jahren von 2011 bis 2015 knapp 4 Millionen Euro allein von BMW und Mercedes gespendet bekommen haben. Wir leben in einem Land, in dem der ÖPNV immer teurer wird, in dem die Autos immer größer und immer protziger werden und mittlerweile auch wieder dreckiger und lauter. All diese Entwicklungen gehen in eine völlig falsche Richtung und müssen beendet werden.

Wenn wir über Mobilität im Wandel sprechen, dann müssen wir auch darüber sprechen, wie der Autoverkehr in den Städten reduziert werden kann und trotzdem mehr Menschen mobil sein können. Es hilft nämlich nicht, immer weitere und breitere Straßen zu bauen oder das Ganze durch Elektroautos zu ersetzen. Es gibt die Straßen schon. Diese wurden in den letzten 25 Jahren aufgebaut. Was aber sträflichst vernachlässigt wurde, sind die Verkehrsmittel des Umweltverbunds, also Radfahren, Carsharing, Fußverkehr und ÖPNV.

(Sebastian Fischer, CDU: Das machen Sie einmal im ländlichen Raum!)

Schauen wir uns noch die Autobahnen an, weil Sie heute wahrscheinlich alle auf der Autobahn zum Landtag gefahren sind.

(Unruhe bei der CDU)

Sie wurden und werden immer voller. Städte wie Leipzig und Dresden werden immer mehr verstopft. Stau gehört zum Alltag.

(Sebastian Fischer, CDU: Und was ist mit dem ländlichen Raum! Der ist auch Sachsen! Himmel Arsch! – Heiterkeit bei der CDU)

Genau das müssen wir ändern mit einer nachhaltigen Verkehrspolitik, Herr Fischer.

Um es einmal klarzustellen: Auch wir wollen keine Fahrverbote;

(Zuruf von der CDU: Ach so!)

denn die 100 000 Betroffenen, die sich vermeintlich ein umweltfreundliches oder modernes Auto gekauft haben, können nichts dafür, wenn sie von den Autokonzernen verarscht wurden.

Die Frage ist aber auch, wie die Menschen vor schädlichen Umwelteinflüssen geschützt werden können, und das ist die Aufgabe des Staates. Das steht sogar in unserer Verfassung. In Artikel 10 heißt es dort – ich zitiere –, dass das Land den Boden, die Luft und das Wasser, Tiere und Pflanzen sowie die Landschaft als Ganzes einschließlich ihrer gewachsenen Siedlungsräume zu schützen hat. Weiter heißt es, dass Naturschutzverbänden Klagebefugnis einzuräumen ist.

Herr Nowak, natürlich hat dahin gehend auch aufgrund unserer Verfassung die Deutsche Umwelthilfe das Recht und eigentlich auch die Pflicht zu überprüfen – und eben notfalls über Klagen –, ob der Staat den Menschen vor Umwelteinflüssen schützt; denn Einzelpersonen können den Staat nicht auf saubere Luft verklagen.

Es sind nun einmal meist die Menschen, die von Abgasen und Lärm betroffen sind, die an Hauptverkehrsstraßen wohnen und kein eigenes Auto fahren.

Ja, bei der Debatte geht es um Verbraucherschutz. Wir sind dafür, dass die Betroffenen nicht bestraft werden.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Aber es geht vor allem auch um die Menschen, die unter den verschlechterten Umwelteinflüssen leiden und deren Gesundheit aufs Spiel gesetzt wird, dass ihnen geholfen wird; denn die Mehrheit der Menschen möchte, dass Kinder und ältere Personen in der Stadt saubere Luft atmen.

(Andreas Nowak, CDU: Und was ist auf dem Land!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Frau Kollegin Springer.

Ist Ihnen bekannt, worauf sich die Bewegung in der DDR, die letztlich zum Systemsturz geführt hat, gegründet hat?

Wenn Sie jetzt auf die Umweltbewegung anspielen, –

Genau das.

– so bin ich in einem Umweltverein, der damals auch gegen das DDR-Regime Position bezogen hat.

Dann sollten Sie sich einmal über dreckige Luft Gedanken machen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Erst die Rede, dann die Frage.

Es gibt dreckige Luft auf verschiedene Art und Weise. Was ist jetzt Ihre Argumentation, dass wir damals dreckige Luft hatten und heute weiterhin dreckige Luft sein darf, dass also keine Umweltgesetze gelten dürfen?

Ich verstehe gerade Ihre Argumentation nicht.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Die Autokonzerne haben Millionen und Milliarden Euro mit ihrem Betrug verdient. Es wäre an der Zeit, Geld von diesen zu verlangen, um die Luftqualität zu verbessern. Das ist auch tausendmal gerechtfertigter, als wenn die betroffenen Städte zukünftig Vertragsstrafen an die EU zahlen müssen, wenn diese ihre Grenzwerte nicht einhalten.

Also noch einmal zusammengefasst: Die Mobilitätswende gelingt nur und Fahrverbote können nur verhindert werden, wenn wir konsequent in einen ÖPNV investieren, Fahrpreissenkungen ermöglichen, Liniennetze ausbauen, Radwege prioritär planen und bauen, E-Lasten-Räder fördern und vieles mehr. Es gibt so viele Alternativen, die alle von Ihnen nicht angedacht und debattiert wurden. Es gibt genügend Vorschläge; die liegen alle auf dem Tisch. Es gibt genug Geld dafür. Es mangelt einzig am politischen Willen. Das ist die Kritik von uns.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Nach Herrn Böhme, Fraktion DIE LINKE, spricht jetzt Herr Urban für die AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Verbraucherrechte stärken – im Bereich der Automobilität heißt das doch in erster Linie, dass Autofahrern keine zusätzlichen Lasten aufgebürdet werden. Es bedeutet genauso, dass man den Verbrauchern keinen Mobilitätswandel aufzwingt, ohne Nutzen für die Gesellschaft und ohne Nutzen für die Umwelt. Die regierungstragenden Parteien CDU und SPD, die im Sächsischen Landtag diese Scheindebatte eröffnen, tun das genaue Gegenteil davon. Herr Nowak, ich finde es ja schön, dass Sie einen Großteil der Argumente aus unserer Pressekonferenz aufgegriffen haben.

(Heiterkeit des Abg. Andreas Nowak, CDU)

Die Hauptkritik haben Sie allerdings wieder ausgelassen. Sie führen hier eine allgemeine Diskussion zu allem Möglichen, was man machen könnte, aber Sie führen keine Diskussion dazu, wie man mit den Grenzwerten umgeht. CDU und SPD sind eben nicht bereit, notwendi

ge Korrekturen an den wissenschaftlich nicht haltbaren Grenzwerten bei NOX vorzunehmen.

(Beifall bei der AfD)

Für Arbeitsplätze sind sie 24-mal so hoch wie die Grenzwerte an viel befahrenen Straßen. Das ist doch absurd. Hinzu kommt, dass die Schädlichkeit von NOX in so geringen Konzentrationen wie 40 Mikrogramm pro Kubikmeter niemals toxikologisch nachgewiesen wurde. CDU und SPD halten an diesen ideologischen Grenzwerten fest und stellen damit die Betriebsfähigkeit von Millionen Dieselautos infrage.

Allein der Wertverlust von Dieselfahrzeugen in Deutschland aufgrund der drohenden Fahrverbote wird auf über 4 Milliarden Euro geschätzt. So werden Werte vernichtet, für die die Verbraucher hart gearbeitet haben. Am Ende wird aufgrund dieses ideologischen Grenzwertes für NOX und die Durchsetzung von Fahrverboten per Gerichtsurteil das Funktionieren unserer Volkswirtschaft gefährdet. Denn Dieselfahrer sind in der Regel Berufstätige, es sind Pendler, es sind Dienstleister, es sind Handwerker, es sind die Leistungsträger unserer Gesellschaft.