Doch zunächst ein paar Worte zur Art Ihrer Großen Anfrage, meine Damen und Herren von der AfD. Ich hoffe, es macht in diesem Haus keine Schule, parlamentarische Arbeitsnachweise per Textgenerator zu erstellen.
Eine Kleine Anfrage herzunehmen und sie dann so, wie man die Erstellung von Serienbriefen per Adressliste automatisiert, anhand einer Handwerksliste im Copy-andpaste-Verfahren auf über hundert Fragen aufzublasen, das ist mir in diesem Parlament noch nicht untergekommen. Mit einer einzigen Frage oder auch zwei Fragen hätten Sie genau das vollumfänglich abfragen können, was Sie hier zu einer Großen Anfrage aufgeblasen haben. Herr Kollege Pohle hat das schon formuliert, ich kann mir das sparen. Auf eine Kleine Anfrage hätten Sie die gleiche Antwort bekommen und hätten es vermieden, sich einmal mehr lächerlich zu machen. Aber das ist letztlich Ihre Sache. Ihre Intention jedenfalls, Aufmerksamkeit um jeden Preis zu erzielen, und sei es eben um den Preis der Lächerlichkeit, um bei Handwerksbetrieben parlamentarische Aktivität zu demonstrieren, werden Sie damit nicht erreichen.
Doch nun zum wichtigen Thema: Stärkung des Meisterbriefs und geeignete Wege dazu. Nicht aus Ihrer Großen Anfrage, sondern erst aus Ihrem gestrigen Entschließungsantrag wird klarer, was Sie eigentlich im Sinn haben. Offensichtlich gedenken Sie, aus einer Gefahrengeneigtheit ein Kriterium entwickeln zu lassen, um dort die Meisterpflicht wiedereinführen zu können, wo sie heute nicht mehr besteht. Den nötigen Bewertungsmaßstab soll die Sächsische Staatsregierung entwickeln und wissenschaftlich untersetzen. Dafür wollten Sie mit Ihrer Großen Anfrage offenbar eine Datengrundlage erheben – eine Datengrundlage übrigens, die selbst die Handwerkskammer für nicht beschaffbar hält, die darin auch wenig Sinn sieht.
In der Handwerksordnung selbst taucht das Unterscheidungskriterium „Entstehen von Gefahren für die Gesundheit oder das Leben Dritter bei Ausübung“ gar nicht auf. Es wird lediglich in der Gesetzesbegründung sowie bei der Beschreibung von Problem und Lösung vorgebracht. Damit wird begründet, wie im Gesetz die Einordnung der Handwerke in die Listen A und B 1 vorgenommen wird.
Insofern liegt es zunächst ja nahe, neue Erkenntnisse zu Gefahren im heute nicht zulassungspflichtigen Handwerk zu beschaffen und dieses Unterscheidungskriterium dann erneut einzusetzen, um für eine Gesetzesänderung zur Veränderung der Anlagen A und B 1 der Handwerksordnung zu argumentieren. Das liegt angesichts der Begründung des Dritten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung dermaßen nahe, dass dies längst geschehen wäre, wenn es ohne rechtliche Risiken möglich wäre. Denn sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat haben ihre
Eine gänzliche Revision der Novelle von 2004 wäre auf diesem Weg ohnehin nicht zu erreichen. Das wäre höchstens für einzelne derzeit zulassungsfreie Handwerke gangbar, doch keinesfalls ohne gravierende Risiken; denn Kläger gegen nationale Berufszugangsschranken aus dem Bereich des europäischen Wettbewerbs wird es auf jeden Fall geben, und ungeschicktes salamitaktisches Vorgehen anhand zurechtgebogener Kriterien in der Hoffnung, es merkt ja keiner, verbietet sich.
Es kann manchmal eine sehr vernünftige Strategie sein, sich um die Absicherung des Bestehenden zu kümmern, anstatt es durch ungeschickte Änderungsversuche aufs Spiel zu setzen. Das ist wie vor Gericht: Man kann einen Vergleich akzeptieren und damit halb zufrieden nach Hause gehen, oder vollständig recht haben wollen mit dem Risiko, alles zu verlieren. Doch darin besteht ja für die AfD und nur für Europagegner wie die AfD gerade die Win-win-Situation. Kann man sich mit einem solchen Ansatz durchsetzen, dann hat man gewonnen. Geht das gründlich schief, kann man das im eigenen Interesse zur Organisation öffentlicher Empörung gegen die EU instrumentalisieren.
Für das Handwerk in der Bundesrepublik, für seine Ausbildungsfähigkeit, seine Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsfähigkeit allerdings ist das Thema viel zu wichtig, um es mal eben auf den Spieltisch zu werfen, meine Damen und Herren. Türen, die offen sind, muss man nicht einrennen. Sowohl der Bundesrat als auch der Bundestag haben sich erst kürzlich wieder zum Meisterbrief bekannt. Sie haben sich zuletzt im März gegen das EU-Dienstleistungspaket positioniert und dieses gerügt. Man ist also allerseits willens, die Meisterpflicht zu erhalten und wenn möglich auszuweiten, soweit dies mit EU-Recht kompatibel ist.
Insofern bedarf es keines Vorstoßes vonseiten der Sächsischen Staatsregierung. Vielmehr ist auf Fachebene im Bund und in der EU zu klären, wie das derzeitige, in Deutschland durchaus bewährte System der nationalen Berufsreglementierung und Reglementierung von Ausbildungsinhalten in der Abwägung mit europäischer Öffnung und Harmonisierung stabilisiert und wenn möglich auf der Basis seiner Erfolgsbilanz über den nationalen Geltungsrahmen hinaus ausgeweitet werden kann. Wenn Sie demnächst im Bundestag sitzen, meine Damen und Herren von der AfD, können Sie zeigen, ob Sie so viel Fachebene auch können. Noch einmal: Das Thema ist zu wichtig, um es mit EU-feindlicher Herangehensweise in irgendein Schussfeld zu treiben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte, wie wir die hohe Qualität des Handwerks halten und weiter fördern können, müssen wir selbstverständlich immer wieder führen. In diese Debatte gehört natürlich auch der Meisterbrief. Er ist aber nicht der ausschließliche Garant dafür,
dass die Leistung eines Handwerkers Qualität hat. Darum sollte die Diskussion weniger aufgeregt, sondern sachlicher geführt werden.
Es gehört selbstverständlich auch dazu, über die positiven Aspekte zu sprechen, die der Meisterbrief hat. Der Große Befähigungsnachweis im Handwerk sollte aber nicht zur Grundvoraussetzung an sich verklärt werden. Lassen Sie uns Augenmaß halten! Es geht in der Diskussion um die mögliche Einschränkung eines Grundrechts, das der Berufsfreiheit. Lassen Sie uns das jeweils am besten geeignete Mittel wählen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Handwerks zu stärken!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die konjunkturelle Lage des sächsischen Handwerks ist sehr gut. Das ändert nichts daran, dass es viele Handwerksbetriebe schwer haben, im Wettbewerb zu bestehen. Manchen Unternehmen – immerhin sind knapp drei Viertel Kleinst- und Kleinbetriebe – bleibt oft nur, sich unter steigendem Wettbewerbsdruck auf die traditionellen Stärken des Handwerks zu besinnen: besondere Kundennähe, individuelle Lösungen, hohe Qualifikation. Gerade die Meisterausbildung im Handwerk wirkt hierbei als umfassendes Qualitätsversprechen dafür, dass die Ausführung der Leistungen hohen Verbraucherschutzinteressen genügt, dafür, dass betriebswirtschaftliches Know-how vorhanden ist und das Unternehmen damit größere Chancen hat, auch Engpässe zu überstehen, dafür, dass Nachwuchs gefördert und viele junge Menschen ausgebildet werden. Darin sind sich alle einig.
Streiten kann man aber um die Frage, in welchem Verhältnis die Zielrichtung der Handwerksnovelle 2004 zu den langfristigen Wirkungen der Novelle steht. Das ist aber nicht einfach zu beantworten, weil die Reform der Handwerksordnung von Ereignissen wie der EU-Osterweiterung oder den Hartz-Reformen überlagert wurde. Sicher ist, dass die gesamtwirtschaftlichen Bedingungen in Deutschland bei dem damaligen „kranken Mann Europa“ zum Zeitpunkt der Novelle andere waren, als es sie heute sind.
Erstens. Zahlreiche Verbände, Parteien und Organisationen beklagen die Abschaffung der Meisterpflicht. Über die Probleme scheint übergreifende Einigkeit zu herrschen.
Zweitens. Um die Meisterpflicht als Berufszulassungsschranke wieder einzuführen, ist eine sehr hohe verfassungsrechtliche Hürde zu überwinden. Deshalb:
Drittens bedarf es zwingend einer sehr sachlich nüchternen und präzisen Auseinandersetzung mit dem Thema. Das ist bis heute nicht geschehen. Sehr kritisch sehe ich, dass die Handwerksnovelle auf Bundesebene immer noch nicht evaluiert ist.
Ihre Große Anfrage hilft bei dieser Auseinandersetzung auch nicht weiter. Um Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Novelle zu gewinnen, sind Ihre Fragen wenig hilfreich und sehr unpräzise. Insgesamt gilt: Die kritische Entwicklung im Handwerk sollte nicht auf der Basis der Handwerksnovelle pauschalisiert werden. Der Einfluss der Handwerksordnung auf die Studierneigung junger Menschen etwa ist fraglich. Die Ausbildungszahlen gingen auch vor 2004 deutlich zurück.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es muss gerade im Sinne der sächsischen Handwerksbetriebe das Ziel sein, zu präzisen Analysen und Schlussfolgerungen zu kommen. Die Handwerksnovelle ist, rückblickend gemessen, an ihren Zielen meiner Meinung nach über ihre Ziele hinausgeschossen. Gerade deshalb aber sollte die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen eine Lehre aus der Reform von 2004 sein. Nur auf der Basis konkreter Erkenntnisse lassen sich die am besten geeigneten Mittel wählen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Handwerks zu stärken und die Ausbildungsleistungen hochzuhalten.
Die Staatsregierung unterstützt dies beispielsweise gezielt durch die Instrumente der Innovationsförderung. Wo darüber hinaus Mindestqualifikationen im Handwerk sinnvoll und notwendig sind, muss offen diskutiert werden. Nur sollte die Diskussion sachlich erfolgen, statt zu pauschalisieren und zu instrumentalisieren. Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und ihre Ausbildungsleistungen. Es geht in erster Linie um den Zweck, nicht um die Mittel. Wir wollen, dass sich das Handwerk in Sachsen weiter gut entwickeln kann. Daran arbeitet die Sächsische Staatsregierung gemeinsam mit dem sächsischen Handwerk.
Meine Damen und Herren! Damit ist die Behandlung der Großen Anfrage beendet. Ich rufe jetzt den Entschließungsantrag der AfDFraktion in der Drucksache 6/9872 auf. Herr Beger, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir uns als Parlamentarier zu Recht darüber Gedanken machen, ob unsere Gesetze rechtssicher sind und nicht wieder von Verfassungsrichtern kassiert werden könnten, wenn wir dafür Kriterien aufstellen, dann müssen diese Kriterien überprüfbar sein und überprüft werden. Darauf zielt unser Entschließungsantrag ab, in dem unter anderem gefordert wird:
Erstens entsprechende Daten zu eingetretenen Drittgefährdungen zu erheben und zweitens einen Bewertungsmaßstab zu entwickeln und wissenschaftlich zu untersetzen, mit dem es aufgrund der ermittelten Daten möglich ist, rechtlich und faktisch jene Berufe in die Anlage A der Handwerksrolle zurückzuführen, die danach ein Gefahrenpotenzial für Dritte entfaltet haben.
Meine Damen und Herren! Das Argument der Drittgefährdung – wir erinnern uns – sollte das Kriterium sein, um die Handwerksordnung und die Meisterpflicht europarechtsfest zu machen. Nach der EU-Osterweiterung musste und wollte man wohl reagieren, um den Arbeitsmarkt weiter zu vereinheitlichen – mit allen Konsequenzen, auch auf Kosten der Berufsqualifikation. Wir haben hier in Sachsen noch teilweise hohe Standards bei den Fachberufen. Im akademischen Bereich haben wir diese Standards schon weitgehend dem europäischen Homogenitätsgedanken geopfert. Wo soll das hinführen? Warum setzen wir uns nicht für eine hohe Qualität der Ausbildung ein, anstatt jedwede Qualität nach unten zu nivellieren?
Ja, liebe Staatsregierung, es ist schwer, Daten zu erheben – das muss man zugeben, aber es ist nicht unmöglich. Man könnte aktuelle Daten zur Drittgefährdung beispielsweise über Zivilstatistiken, Gutachten oder Befragungen erlangen. Die inflationäre Antwort „Dazu liegen der Staatsregierung keine Informationen im Sinne der Fragestellung vor“ kann doch auf Dauer nicht Ihren Ansprüchen genügen – oder doch?
In der Zielstellung, das Handwerk zu fördern und seine Bildungsstandards zu schützen, können wir gar nicht so weit auseinanderliegen. CDU und SPD haben in ihrem Antrag mit dem Thema „Meisterbrief erhalten“ selbst gefordert, sich auf europäischer Ebene für Gewerberegelungen einzusetzen. In diesem Sinne lassen Sie uns gemeinsam genauer hinsehen, wie wir die Meisterberufe schützen können.
Ich denke, eine transparente Analyse der Gefahrengeneigtheit der Berufe der Anlage B 1 der Handwerksordnung ist hierzu methodisch ein erster und wichtiger Schritt. Im Interesse des Handwerks stimmen Sie unserem Antrag zu und setzen Sie sich auch im Bundesrat für das Handwerk ein, damit auch die nachfolgenden Generationen noch sagen können: „Ehre, deutsches Volk, und hüte treulich deinen Handwerksstand! Als das deutsche Handwerk blühte, blühte auch das deutsche Land!“
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Ihrem Entschließungsantrag ist zu konstatieren, dass im Feststellungsteil zunächst einmal nichts Falsches steht. Der Teil mit den Forderungen ist dann aber doch problematisch. Ich habe bereits in meinem
Redebeitrag zur Großen Anfrage deutlich gemacht, dass es nicht zielführend ist, dass die Sächsische Staatsregierung einen Maßstab entwickeln soll, aus einer Gefahrengeneigtheit als Argument heraus eine rechtssichere Novelle der Handwerksordnung zu errechnen. Die Staatsregierung wird einen solchen Maßstab schon gar nicht entwickeln können, weil sie die notwendigen Daten nicht erheben kann; das war bereits der Handwerkskammer nicht möglich.
Damit hat sich dann auch die Forderung erledigt, auf der Basis der erhobenen Daten einen Vorstoß im Bundesrat zu unternehmen. Irgendwie muss Ihnen das auch selbst gedämmert haben, dass das in den Punkten 1 bis 3 alles nicht funktioniert. Deshalb soll in Ihrem Punkt 4 alternativ statt anhand einer Datenbasis anhand windelweicher, kulturell gewachsener Sachverhalte darauf hingewirkt werden, dass die Meisterpflicht wieder ausgeweitet wird. Die Risiken dabei wären aber mindestens dieselben wie anhand der Einschätzung zur Gefahrengeneigtheit. Wie zuvor schon diskutiert, wären das europarechtliche Risiken, die am Ende selbst den heutigen Standard aufs Spiel setzen könnten. Es dürfen nicht noch mehr Gewerke von der Meisterpflicht ausgenommen werden – das gilt es zu sichern. So sieht es auch die Kammer.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte natürlich hier nicht der AfD das Podium allein überlassen.
Zu Ihrem Antrag ist Folgendes zu sagen: Den Entschließungsantrag 6/9872 werden wir ablehnen, denn er ist doppelt schlecht: Er ist handwerklich schlecht und er ist kurzsichtig.
Lassen Sie mich das in gebotener Kürze begründen: Handwerklich schlecht und überflüssig ist, dass Sie uns zum wiederholten Male über Tatsachen abstimmen lassen. Die Bedeutung des Handwerks für die sächsische Wirtschaft ist hinlänglich bekannt und gewürdigt. Dass der Rückgang der Handwerksbetriebe in Sachsen zwar eine unangenehme Tatsache, aber nicht Folge der Handwerksnovelle ist, sondern der Demografie und wahrscheinlich der von mir angerissenen negativen Rahmenbedingungen ist, sollte selbst Ihnen einleuchten.