Protocol of the Session on June 22, 2017

Erstens wollte man die wirtschaftliche Entwicklung des Handwerks stärken.

Zweitens wollte man Existenzgründungen erleichtern.

Drittens wollte man Arbeitsplätze sichern und schaffen.

Viertens wollte man Impulse für die Schaffung von Ausbildungsplätzen geben.

Fünftens wollte man dies möglichst alles europarechtsfest gestalten. – Auf den fünften Punkt komme ich später noch einmal zurück.

Meine Damen und Herren, ja, die wirtschaftliche Entwicklung stagnierte um die Jahrtausendwende herum, und ja, es gab Reformbedarf, insbesondere was die Betriebsleitung und -fortführung betraf. Inzwischen warnt jedoch das Institut für Weltwirtschaft (IWF), dass sich Deutschland und dabei insbesondere das Ausbaugewerbe in einer

gefährlichen Phase der konjunkturellen Überhitzung befindet.

Meine Damen und Herren, den darauffolgenden Abschwung werden wir nicht mehr durch Masse, sondern nur noch durch Qualität und Klasse kompensieren können. Die Qualität der Ausbildung ist das A und O für eine langfristige handwerkliche Tätigkeit. Ich selbst bin Handwerksmeister im Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk, und nicht nur ich, sondern viele meiner Kollegen in Sachsen und auch die Handwerkskammern fragen sich mittlerweile, welche Regelungen der Reform wirklich erfolgreich waren bzw. ob wir hier nicht wieder einiges ändern müssen.

Warum fragen wir uns das? Ich möchte Ihnen dafür gern ein persönliches Beispiel an die Hand geben: Im Frühjahr 2014 wurde ich von einem meiner Kunden aus dem Raum Dresden angerufen, um die beschädigte Fassade seines Hauses zu begutachten. Was war passiert? Wir lieferten als Fachhändler die vom Kunden bestellten Sandsteinplatten für seine Fassade. Mit der Verlegung der Sandsteinplatten beauftragte der Kunde einen Hausmeisterservice – mit der Begründung, dass dieser 35 % preiswerter war als ein Fachbetrieb. – So weit, so gut.

Die Hausfassade erstrahlte im Herbst 2014 in neuem Glanz – dann kam der Winter und mit ihm der Frost. Im Frühjahr stiegen die Temperaturen wieder in den Plusbereich. Was jeder Fachbetrieb weiß, ist, dass Fassaden in unseren Breitengraden enormen Temperaturschwankungen ausgesetzt sind und es dadurch zu enormen Spannungen kommen kann. Deshalb müssen gerade bei Arbeiten im Außenbereich ganz besonders die Untergrundarbeiten fachgerecht ausgeführt werden, bevor man mit der eigentlichen Verlegung der Platten beginnt, sonst erleidet man Schiffbruch – und diesen Schiffbruch durfte ich mir dann auch noch anschauen.

Was ich vor Ort zu sehen bekam, machte mich fassungslos. Die Sandsteinplatten, die eigentlich an der Fassade kleben sollten, lagen auf dem Fußweg breit verstreut. Wesentliche Teile des Sandsteinbelags hatten sich von der Fassade gelöst.

Beim Begutachten des Schadens musste ich leider feststellen, dass eklatante Fehler bei den Untergrundarbeiten und beim Verlegen der Platten gemacht worden sind. Das Fazit daraus: Gott sei Dank ist es zu keinem Personenschaden gekommen. In diesem Fall wog 1 Quadratmeter des Fassadenmaterials circa 80 Kilo. Sie können sich ja vorstellen, was passiert wäre, wenn Sie von den herabfallenden Steinen getroffen worden wären.

Was den Kunden betraf, kann ich nur sagen: Die 35 %, die er eingespart hatte, haben nicht einmal gereicht, um den Schaden zu reparieren.

Sehen Sie: Ich bin nicht der Einzige, der diese Erfahrung seit 2004 macht. Diese Vorfälle sind im Handwerk bekannt: Qualitätsmängel durch nicht fachgerechtes Arbeiten; Unfälle oder Beinahe-Unfälle; Firmen, die noch vor der Mangelbeseitigung wieder vom Markt verschwinden

und, und, und. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat etwas mit Meisterqualität zu tun.

Mit unserer Großen Anfrage haben wir hier angesetzt. Wir haben die Ausbildung thematisiert und Antworten erhalten, die teilweise erschreckend sind. So reduzierten sich die Gesellenprüfungen seit Inkrafttreten der Handwerksnovelle 2004 bis 2015 zum Beispiel bei den Gebäudereinigern um circa 70 %, bei den Fliesen-, Platten- und Mosaiklegern sogar um 95 %. Ja, Sie haben richtig gehört: um 95 %! Das, meine Damen und Herren, sind Auswirkungen der Handwerksnovelle 2004.

Wir haben unter anderem Fragen zur Drittgefährdung und zu Unfällen im Handwerk gestellt. Wir haben nach den Existenzgründungen sowie der Verweildauer am Markt gefragt. Antworten auf diese Fragen ist uns die Staatsregierung leider bis heute schuldig geblieben.

Wir sind mit den unzureichenden Aussagen der Staatsregierung so gut wie auf demselben Erkenntnisstand, den uns bereits das WISO-Gutachten im Mai 2016 geliefert hat. Darin heißt es wörtlich – ich zitiere –: „Die Wirkungen der Handwerksnovelle auf die Beschäftigung und damit zusammenhängende Indikatoren wie Qualifikationen und Löhne im Handwerk wurden bislang nur wenig untersucht. Dies liegt insbesondere an der Verfügbarkeit geeigneter Daten.“

Ich zitiere weiter: „Dass die Reform der Handwerksordnung in einzelnen Gewerbezweigen oder in einzelnen Betrieben dennoch gravierende … Wirkungen gehabt haben kann, steht natürlich außer Zweifel.“

Meine Damen und Herren! Allein in Sachsen sind über 300 000 Menschen im Handwerk beschäftigt. Sie leisten ganz überwiegend hervorragende Arbeit. Unsere duale Ausbildung ist einzigartig; darum beneidet uns die gesamte Welt.

Lassen Sie uns deshalb genau hinschauen, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen wir diesen Menschen bieten, und lassen Sie uns dort Korrekturen vornehmen, wo sie nützlich und dringend notwendig sind!

Wo genau Korrekturbedarf besteht, das sollte mit der Großen Anfrage ermittelt werden. Leider scheint die Staatsregierung überfordert oder ihr das Handwerk weitgehend egal zu sein. Zu mehr als einer Abfrage der Daten bei der Handwerksammer konnte sie sich jedenfalls nicht durchringen.

Somit bleibt festzuhalten, dass eine Fußball-Europameisterschaft oder ein Song-Contest statistisch wesentlich besser aufgearbeitet sind als ein Gesetz, welches die Eckpfeiler unserer Wirtschaft definiert. Hier läuft etwas massiv falsch.

Liebe Staatsregierung, wenn Ihnen keine Antworten vorliegen, können Sie doch einmal versuchen, diese zu ermitteln. Liebe Staatsregierung, vielen Dank – für nichts!

(Beifall bei der AfD)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Pohle.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung! Herr Beger, ich zitiere Sie: Sie wollen die Qualität des Handwerks verbessern. – Und weiter: Wir sind im Ziel vereint.

Das ist schön formuliert. Sie wollen offensichtlich die Koalition flankieren. Das gelingt Ihnen nicht.

Wer mich kennt, weiß, dass man mich nicht zweimal fragen muss, ob ich etwas zu sagen habe, wenn es um die Belange des sächsischen Handwerks geht. Mit dieser Anfrage aber haben Sie mich an den Punkt gebracht, zu überlegen, ob es sich überhaupt lohnt, zu diesem Tagesordnungspunkt das Wort zu ergreifen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Beifall der Abg. Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE)

Das Thema ist zu ernst, um daraus eine Scharade zu machen. Sie tun dies aber – ohne Not. In 104 Fragen auf 14 Seiten bedruckten Papiers erfragen Sie, was durch zwei Fragen in Erfahrung – oder eben nicht in Erfahrung – zu bringen gewesen wäre:

Erstens. Wurden in den durch die Handwerksnovelle 2004 von der Meisterpflicht entbundenen Gewerken doch Gefahrenpotenziale entdeckt? Wenn ja, welche?

Zweitens. Wie haben sich Betriebs- und Beschäftigtenzahlen in diesen Bereichen seither entwickelt?

Die Antworten auf diese beiden Fragen könnten hilfreich dabei sein, die Novelle der Handwerksordnung zu bewerten und Schlussfolgerungen für die weitere Entwicklung der Handwerkspolitik zu ziehen.

Die zweite Frage ist anhand der Veröffentlichungen des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks und der Handwerkskammern problemlos zu beantworten; dazu komme ich später.

Dass dem Wirtschaftsministerium zur ersten Frage so gar keine Erkenntnisse vorliegen, erstaunt mich freilich auch.

Wenn wir politische Entscheidungen treffen, die so auch anderswo getroffen werden, benötigen wir Datenmaterial, um deren Wirkungen prüfen und die Entscheidungen gegebenenfalls auch ändern zu können. Genau hierum scheint es der AfD-Fraktion aber weniger gegangen zu sein. Sie wollte offenbar eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für ihr wissenschaftliches und ihr Sekretariatspersonal initiieren, und das ist vollumfänglich gelungen. Leid tut es mir um das sinnlos verarbeitete Papier.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, damit es uns nicht leid um unsere auch vom Handwerk finanzierte Arbeitszeit tun muss, möchte ich mich dem Problem doch noch etwas intensiver widmen. Es ist kein Geheimnis, dass die Organisationen des Handwerks in der 2003 geführten Diskussion zur Novellierung des Handwerksrechts keine Verfechter der sogenannten „Liberalisierung“ waren. Sie warnten vor Qualitätsverlusten handwerklicher

Leistungen, vor dem Verlust von Ausbildungsplätzen und vor einem ungesunden Wachstum der Unternehmensanzahl in den Gewerken der Abteilung B 1, also jener Betriebe, die nicht mehr der Führung durch einen Handwerksmeister bedürfen. Die Verfechter der Änderungen erhofften sich dagegen Impulse für die Entwicklung des Handwerks, das zu dieser Zeit ohne Zweifel an Auszehrungserscheinungen litt.

Recht hatte offensichtlich jede der beiden Seiten – auf ihre Weise. Die mit der Novelle beschlossene Altgesellenregelung und die Durchbrechung des Inhaberprinzips gaben den Reformern recht. Beides erleichtert aus meiner Sicht die Chance auf Firmenübergaben und Firmenweiterführungen.

Anders die Entbindung von der Meisterpflicht: Die Bereitschaft, sich in diesen Bereichen der anstrengenden, langwierigen und teuren Meisterprüfung zu unterziehen, ist erwartungsgemäß enorm gesunken. Da der Meisterbrief kein Wert an sich, sondern der Nachweis der Befähigung zur meisterhaften Ausführung eines Handwerks und gleichzeitig zur Führung eines Unternehmens ist, gibt es durchaus Grund zur Sorge.

In meinem Kammerbezirk – Leipzig – qualifizierten sich beispielsweise im Jahr 2003 noch 17 Fliesenleger zum Meister; seit 2005 schwankt die Zahl zwischen null und sechs. Bei den Gebäudereinigern erfolgte seit 2007 gar keine Qualifikation mehr. Sie haben das in Ihrem Wortbeitrag schon angesprochen.

Die Unternehmenszahl stieg – wie prognostiziert – in den liberalisierten Gewerken enorm. Stellten diese Gewerke 2003 noch 11,3 % an den gesamten Handwerksbetrieben, so machten sie 2008 schon 22,6 % an der Gesamtzahl deutscher Handwerksbetriebe aus. Die Beschäftigtenzahlen und die wirtschaftliche Leistung nahmen hingegen nicht relevant zu. Das deutet eindeutig darauf hin, dass hier statt einer wünschenswerten Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen das Gegenteil erreicht wurde. Die Gründung prekärer Existenzen müssen wir aber politisch nicht fördern.

Hinzu kommt ein selten angesprochener Punkt: Nach Angaben der Bundesregierung gingen zwischen 2004 und 2009 fast 25 % der Gewerbeanmeldungen im B-1-Bereich auf Bürger aus den mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern der EU zurück. Die damit verbundenen Probleme hinsichtlich Billiglöhnerei, Unterqualifikation und

Schwarzarbeit bis hin zur grenzwertigen Ausnutzung unserer Sozialsysteme sind zumindest jenen bekannt, die sich intensiver mit der Handwerksthematik beschäftigen.

Am schwierigsten sind die Wirkungen auf die Berufsausbildung in den betroffenen Bereichen zu beurteilen. Eine Studie des Instituts für Mittelstandsförderung Bonn kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass sich weder positive noch negative Wirkungen auf die Ausbildung ableiten ließen. Wenn ich mir die Zahlen betrachte, glaube ich jedoch zu erkennen, dass der Rückgang an Ausbildungsplätzen im B-1-Bereich erkennbar höher ist als im

A-Bereich, also in den Berufsgruppen, die nach wie vor der Meisterpflicht unterliegen.

Das gleiche Bild liefern mir die Zahlen des Kammerbezirks Leipzigs, wonach die Zahl der Auszubildenden im 1. Lehrjahr von 2004 bis 2013 um 39,5 % sank, während sie im B-1-Bereich um 45,8 % abnahm.

Wie geht es dem sächsischen Handwerk nun, in den Jahren 2016 und 2017? Es geht ihm besser als zu Beginn des Jahrtausends. Mit der Novellierung des Handwerksrechts hat das aber weniger zu tun. Wir haben hier im Hause dazu hinlänglich debattiert; das hängt mit der höheren Krisenfestigkeit von KMU und der allgemeinen positiven Wirtschaftsentwicklung zusammen.

Ist deshalb alles in Ordnung? Nein, keineswegs. Als handwerkspolitischer Sprecher meiner Fraktion erreichen mich täglich berechtigte Klagen von Handwerkern, die ich aus meiner eigenen beruflichen Praxis nur bestätigen kann.

Stellvertretend möchte ich aus einem Brief der Kreishandwerkerschaft Erzgebirge zitieren. Die ellenlange Liste fängt an bei A wie Abfallentsorgung, Beispiel gesetzgeberisches Chaos bei der Styroporentsorgung mit Preisexplosion, geht über Arbeitsstättenrichtlinie, Dokumentationspflichten, Offenlegungspflichten, Soll