Vielen Dank. Können Sie mir bei Ihrem ganzen Auftritt, den Sie hier machen, sagen, wo die Würde der Toten und Verletzten bleibt?
Herr Wurlitzer, Sie haben eines nicht verstanden: Es geht nicht darum, dass wir uns in diesem Hohen Haus auseinanderdividieren lassen wollen, wenn es darum geht, Tote zu betrauern, wenn es darum geht, gemeinsam Anstrengungen zu unternehmen, um tatsächlich Anschläge zu verhindern und Kriminalität zu verhindern. All das liegt uns, glaube ich, in diesem Hohen Haus sehr wohl am Herzen.
Die Grundrechte, die Freiheitsrechte in den Verfassungen der Länder und des Bundes haben die Aufgabe, den Bürger vor einem übergriffigen Staat zu schützen. Das ist die Aufgabe. Da muss man ein bisschen in der Geschichte Bescheid wissen,
sich nicht zu sehr in dunkelsten Zeiten genüsslich verlieren wollen, sondern Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen.
Theresa May hat ganz bewusst gesagt – dem schließt sich der Tenor dieser Debatte, Herr Kollege Hartmann, und Herr Staatsminister, in Ihrer Pressemitteilung auch an –, wenn das wirklich der Tenor ist – wir opfern die Menschenrechte, die Grundrechte für die Sicherheit –, dann höhlen Sie die Verfassungsordnung an ihrer entscheidenden Stelle aus.
Damit „entrümpeln“ Sie in Ihrem Sinne gleich noch die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit. Tolle
Sie können ja dann eine Kurzintervention machen. – Nein, Herr Präsident, jetzt nicht; ich will erst einmal weitermachen.
Anis Amri – es lag doch gar nicht daran, dass man keine Informationen gehabt hätte; die waren da. Dann hat der eine gesagt, er ist nicht mehr ganz so gefährlich – und dann hat man auch gesagt, nicht mehr ganz so gefährlich –, und dann kommt der bayerische Innenminister und sagt: Hätten wir die Informationen gehabt, dann hätten wir die Kameras damit füttern können, und dann hätten wir ihn gefangen. Was für ein Unsinn, was für ein Unsinn!
Wissen Sie, wie viele Gesichter abgetastet werden müssen, bevor jemand vorbeikommt, den Sie suchen? Wissen Sie, in wie vieler Leute Privatsphäre Sie eingreifen, wissen Sie das? Was ist denn das für eine Argumentation, wenn es darum geht, Freiheit zu verteidigen?
Nein, meine Damen und Herren, das ist nicht der Weg, den wir als LINKE gehen wollen – wir brauchen etwas ganz anderes. Bei der Argumentation über Amazon, Google, Twitter, Facebook und was weiß ich nicht alles geben ja alle lustig etwas preis. Aber Achtung: Erstens machen sie das freiwillig und, zweitens, warum soll denn daraus ein Recht herausextrahiert werden, dass der Staat das auch darf? Warum denn?! Das ist doch ein Widerspruch zu unserer Verfassungsordnung, und das ist der zentrale Widerspruch zu unseren Rechten als Bürger – unseren Rechten als Bürger, nicht als Abgeordnete. Das ist die zentrale Frage.
Lassen Sie mich noch eines sagen, meine Damen und Herren: Sechsjährige Kinder – offengestanden, diese Überschrift ist uns ja eingefallen wirklich bei dieser Idee von Ihnen, sechsjährige Kinder erkennungsdienstlich zu behandeln. Haben Sie vorher einmal in der UNKinderrechtskonvention nachgelesen? Ich darf Ihnen anraten, diese dringend einmal zu lesen – es sind nur
26 Seiten, das schafft man auf einer Fahrt zum nächsten Termin –; 26 Seiten Bemerkungen des UN-Ausschusses über die Rechte der Kinder. Dort lesen Sie ganz anderes. Dort lesen Sie, dass es – unabhängig davon, wo die Kinder leben, wo sie herkommen und wo sie hingehen – Aufgabe der staatlichen Gewalt ist, diese Kinder zu schützen, nicht zu kriminalisieren; dass es die Aufgabe ist, sie zu fördern, nicht zu stigmatisieren. Das sollten Sie nachlesen, dann wissen Sie ganz genau, was Sie als Aufgabe für die Zukunft haben!
Noch etwas – Datenschutz: Diese IMK hätte mal etwas Sinnvolles getan in den drei Tagen – drei Tage, das muss man sich einmal vorstellen! –, wenn sie endlich einheitliche Speicher- und Löschfristen sowohl für öffentliche Videoaufzeichnungen als auch für Videoaufzeichnungen im privaten Raum gemacht hätten. Das wäre vernünftig gewesen: den Datenschutz zu stärken.
Kollege Stange hat gerade die zweite Runde eröffnet. Auf seinen Redebeitrag gibt es eine Kurzintervention – so vermute ich sicher zu Recht – von Herrn Kollegen Wurlitzer. Sie bezieht sich immer auf den vorherigen Redebeitrag. Bitte.
Sehr geehrter Herr Stange, dass wir heute hier diskutieren, ist der Tatsache geschuldet, dass wir offene Grenzen ohne Ende haben, dass diese Grenzen nicht kontrolliert werden und dass vor allem die Leute nicht kontrolliert werden, die hierherkommen.
Uns hat einmal jemand gesagt, das Grundrecht des Einzelnen endet am Grundrecht der anderen. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, wenn das Grundrecht einiger, die uns in die Luft sprengen oder verletzen wollen, hier ein Stück weit eingeschränkt wird, dann kann ich damit leben.
Ich glaube, auch wenn diese Konferenz zu spät kommt und vielleicht nicht alles ausgeschöpft wurde, was hätte gemacht werden können, ist das trotzdem ein guter Schritt; und laufend dagegenzureden hilft uns an dieser Stelle nicht weiter.
Ich hoffe, dass uns das, was in Berlin und im europäischen Ausland passiert ist, erspart bleibt und dass wir im Vorfeld Maßnahmen ergreifen, dass das nicht passiert.
Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Wurlitzer, ganz kurz: Es geht nicht um Betroffenenrhetorik, sondern vor allem darum, die richtigen Schlüsse aus Anschlägen, aus Kriminalität zu ziehen, und zwar in einer Angemessenheitsabwägung. Genau weil wir diese Angemessenheit als verletzt ansehen, haben wir diese Aktuelle Debatte beantragt, und darüber sprechen wir. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.
Wir fahren in der zweiten Rederunde fort. Herr Kollege Pohle spricht jetzt für die Fraktion CDU; bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal war ich der Meinung, der Linkspartei ein Kompliment für das Thema der Aktuellen Debatte erteilen zu können – Sie hatten ja ursprünglich ein anderes Thema –, denn nach den Vorkommnissen am Montag dachte ich mir, geht es eigentlich gar nicht aktueller. Am Montag hatte Deutschland und insbesondere auch Sachsen und Leipzig einen schweren Anschlag auf unser Bahnsystem zu verarbeiten.
Weshalb ich hier spreche: Zum wiederholten Male ist in meinem Wahlkreis ein Anschlag verübt worden und ich bin schon der Meinung, dass es gut gewesen wäre, wenn Sie das Thema ein wenig aufgegriffen hätten; denn genau an diesen Themen wird eine Innenministerkonferenz gemessen und es ist eben nicht der Fall, Herr Wurlitzer, dass diese Konferenz zu spät kommt. Sie müssten eigentlich feststellen, dass die Welt sich immer weiter dreht, und sie wird sich auch noch in tausend Jahren drehen. Im Grunde wird jede Innenministerkonferenz immer aktuelle Themen aufgreifen müssen.
Es wurde zum Beispiel auch von Herrn Stange kritisiert, dass die Innenministerkonferenz drei Tage gebraucht hat, um zu tagen. Herr Stange, Föderalismus bedarf nun einmal der Vielfalt in der Debatte, denn wir haben eine unterschiedliche Form der Kriminalität, der Innenarchitektur in Deutschland.
Herr Hütter, jetzt komme ich zu Ihrem Wortbeitrag: Ich glaube, keine Fraktion – schon gar nicht die CDUFraktion – trägt Ihr Wahlprogramm in der Tasche. Wir befassen uns schon einmal damit, damit wir dem Unfug entgegenwirken können; aber lassen Sie mal, das Thema innere Sicherheit ist bei uns in guten Händen und wir haben damit gute Erfahrungen gemacht, auch in Deutschland.
Nicht nur in Sachsen wird durch den Innenminister an der Spitze ein guter Job gemacht, sondern auch durch unseren Bundesinnenminister. Insofern gehen wir davon aus, dass