Protocol of the Session on May 18, 2017

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Die Fotovoltaik war nie wirklich wirtschaftlich

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Die Braunkohle war auch noch nie wirtschaftlich, Herr Urban!)

und ohne die indirekte Finanzierung mittels der EEGZwangsumlage hätte es nie einen größeren Bedarf an Fotovoltaik in Deutschland gegeben. Diese Branche wurde nicht nur indirekt, sondern auch direkt subventioniert. Allein SolarWorld hat in den Jahren 2003 bis 2011 130 Millionen Euro staatliche Fördergelder erhalten – unsere Steuergelder.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das ist üblich in der Bundesrepublik und in der Welt!)

Was wurde uns denn alles von der Solarindustrie und von der Politik, die sie unterstützt, versprochen? Tausende neue Arbeitsplätze und mittelfristig stabile Strompreise versprach man den deutschen Verbrauchern vollmundig.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Nun platzt mit SolarWorld eine der letzten großen Seifenblasen der deutschen Sonnenstrompolitik. Ein Wirt

schaftsmodell, das hauptsächlich auf politischem Lobbyismus und Subventionen basiert und eben nicht auf Innovationen, Herr Dr. Lippold, muss über kurz oder lang scheitern. Bei SolarWorld durfte der deutsche Steuerzahler und Stromkunde 17 Jahre lang dieses Scheitern bezahlen.

Stellvertretend für alle politischen Blender der deutschen Energiewende möchte ich einmal Herrn Trittin aus dem Jahre 2004 zitieren: „Es bleibt dabei, dass die Förderung erneuerbarer Energien einen durchschnittlichen Haushalt nur rund einen Euro im Monat kostet, so viel wie eine Kugel Eis.“ Heute würde man sagen: Fake-News!

(Beifall und Gelächter bei der AfD)

Heute, 13 Jahre später, wissen wir, dass man eine ganze Schulklasse einmal im Monat zum Eisessen einladen könnte.

Hat denn die Politik etwas aus dem Desaster der Solarbranche gelernt? Offenbar nicht. Mit dem Klimaschutzplan 2050 – den vor allem CDU und SPD umsetzen und damit 90 % des deutschen CO2-Ausstoßes einsparen wollen – entsteht wieder ein neuer, ungeheurer Druck auf den weiteren subventionieren Ausbau der erneuerbaren Energien.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Auf diese Weise werden neue Seifenblasen entstehen und das Platzen dieser Seifenblasen ist schon vorprogrammiert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Mit der AfD-Fraktion und Herrn Urban sind wir jetzt am Ende der ersten Runde angekommen. Ich bin ganz sicher, dass wir zu diesem wichtigen Thema eine zweite Runde in der Aktuellen Debatte eröffnen. Herr Dr. Lippold, Sie beginnen für die einbringende Fraktion der GRÜNEN.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Urban, ich spare mir jeden Kommentar zu dieser unglaublichen Grütze, die Sie hier abgeliefert haben – das ist wirklich unfassbar!

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Ich hatte versprochen, einige Beispiele zu nennen, wie es eine Staatsregierung auch industriepolitisch schon einmal richtig gemacht hat. Spät, leider sehr spät verstand man beispielsweise, dass man in Europa und auch hier in Sachsen Schlüsselkompetenzen im Bereich der Mikroelektronik nicht verlieren darf. Die Eckpunkte einer möglichen Strategie, um das zu verhindern, sind technologische Alleinstellungsmerkmale, Clusterbildung überkritischer Größe und die nötige Anschubförderung für Investitionen einer neuen Technologiegeneration. In einer global operierenden Branche lässt sich das nur umsetzen, wenn man den Schulterschluss mit den betroffenen

Bundesländern und dem Bund sucht, aber auch die europäische Dimension berücksichtigt.

Die Staatsregierung hat im Fall der Mikroelektronik genau das getan, und sie war auch bereit, zusammen mit dem Bund tief in die Schatulle zu greifen. So haben Sie jetzt Erfahrungen, wie man so etwas anpacken kann, wenn man es anpacken will, meine Damen und Herren – und Netzwerke. Diese sollten Sie jetzt in Sachen Schlüsselindustrie Fotovoltaik nutzen. Der beste Zeitpunkt dafür wäre schon vor einer ganzen Weile gewesen, der zweitbeste ist jetzt. Es kann gut sein, dass man damit scheitert; aber es nicht zu versuchen wäre unverzeihlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Am mangelnden Interesse für die Energiewirtschaft kann es nicht liegen, dass die erneuerbaren Energien in der Sächsischen Staatsregierung in jeder Hinsicht die Rolle eines ungeliebten Kindes spielen. Bei der Begleitung des Verkaufs der Vattenfall-Braunkohlensparte nämlich hatte die Staatsregierung keine Zeit und Mühe gescheut, auf hoher und höchster Ebene mit Kaufinteressenten und Verkäufern, mit allen am Prozess Beteiligten bundesländerübergreifend zu reden. Selbst Milliarden-Risiken für die öffentliche Hand sind ja im Freistaat auch nicht zu groß, wenn es ums Festklammern am energiepolitischen Gestern geht.

So fordern wir die Staatsregierung und den Wirtschaftsminister, aber auch den Ministerpräsidenten auf: Tun Sie wenigstens ab sofort alles, um das Know-how, die Forschungskompetenz und möglichst viele Produktionsarbeitsplätze des letzten großen europäischen Solarunternehmens auch am Standort Freiberg zu erhalten! Unterstützen Sie die Suche nach Fortführungsperspektiven und nach Investoren mit mindestens demselben Engagement, das Sie für die Braunkohle an den Tag gelegt haben! Es geht hier nicht um die letzte Generation eines auslaufenden Tagebaugeschäftes, sondern um ein Stück echter Zukunftsfähigkeit in Sachsens Industrie und Forschung.

Wir sollten uns gut erinnern an die Zeiten, als wir in Europa meinten, mikroelektronische Bauelemente oder Akkuzellen seien Commodity-Produkte und so etwas könne man genauso gut aus Asien beziehen, statt es selbst zu beherrschen. Inzwischen stellen wir fest, dass wir Gefahr laufen, dass uns das Schrittmaß der Innovationsfähigkeit unserer darauf angewiesenen Industrien von außen begrenzt wird. Basiskomponenten mit austauschbaren Eigenschaften kann man überall kaufen; erfolgen aber Technologiesprünge, so ist dann keineswegs mehr sicher, dass das Neueste auch zeitnah für unsere Unternehmen zur Verfügung steht.

Auch beim Thema Informationssicherheit begreifen wir allmählich, dass es kritisch wäre, wenn man eines Tages keine Kontrolle mehr darüber hätte, was eigentlich hardwaremäßig auf den importierten Mikrochips eingebaut ist.

Man darf Fehler machen, aber man darf nicht dieselben Fehler mehrmals machen. So, wie wir heute wissen, dass wir die Kompetenz zur Herstellung der besten Chips für

die Digitalisierung, für Industrie 4.0 und sichere Daten brauchen und die besten Akkuzellen für unsere wirtschaftlichen Chancen in der Mobilität der Zukunft, so werden wir morgen die Kompetenz zur Fertigung der besten Solarzellen brauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen sie, wenn wir als Industrieland bei der Frage mitreden wollen, wer die Systeme und Ausrüstungen liefert, die am Ende große Teile der Energieversorgung der Menschheit auf eine neue Basis stellen werden. Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau hat sich weltweit anerkannte Kompetenz bei Anlagen und ganzen Produktionslinien für die Fotovoltaikindustrie erarbeitet. Diese Kompetenz wurde Stück für Stück zusammen mit einer deutschen Fotovoltaikindustrie und einer Forschungslandschaft entwickelt, die es hier am Standort ermöglichte, immer die neusten Zellenkonzepte und kostengünstigsten Fertigungskonzepte in den neusten Maschinen und Anlagen zu implementieren, industriell zu erproben und in Entwicklungsnetzwerken dann so schnell zu optimieren, dass daraus Wettbewerbsvorteile entstanden.

Was meinen Sie denn, wohin diese Anlagenbauer gehen, wenn ihnen hier der industrielle Anwender und in der Folge auch die Technologiekompetenz im Forschungsbereich abhanden kommen? Sie gehen nach Asien – oder sie gehen einfach den Bach runter. Dutzende Forschungsinstitute und -gruppen forschen in Kooperation mit SolarWorld industrienah und sorgen bisher für Ausbildung und Qualifizierung des notwendigen Wissenschaftler- und Ingenieurnachwuchses. Niemand sollte hoffen, dass sich so eine Kompetenz auf höchstem Niveau halten ließe, wenn die industrielle Umsetzungsfähigkeit wegfiele.

Die Redezeit ist abgelaufen. Letzter Satz, bitte.

Hier drohen Kettenreaktionen, meine Damen und Herren, es droht der dauerhafte Verlust der heute noch vorhandenen Potenziale, mit einem PV2.0-Konzept neu durchzustarten.

Gegen diesen Verlust an Zukunftsfähigkeit müssen wir uns stemmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die einbringende Fraktion eröffnete die zweite Rederunde. An die Fraktion GRÜNE schließt sich die CDU an, und das Wort hat jetzt Herr Kollege Ittershagen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Globalisierung und deren Folgen werden halt immer unmittelbarer spürbar, bis hin in die kleinsten Regionen der Welt, bis hin in meine Heimatstadt Freiberg. Globaler Wettbewerb kennt natürlich immer Gewinner und Verlierer, auch wenn wir wissen, dass die Grundlagen natürlich nicht gerecht verteilt und verzerrt sind aufgrund unter

schiedlicher Voraussetzungen bei Standards, Löhnen und Produktionsweisen.

Egal, wie man’s nimmt, die Leidtragenden sind die betroffenen Mitarbeiter vor Ort – und, jawohl, an sie denke ich zunächst in allererster Linie, ihre Unsicherheiten, ihre Zukunftsängste. Wenn man mit diesen Menschen persönlich zu tun hat, wenn man wie ich in unmittelbarer Sichtweite zum Unternehmen wohnt, dann ist man mit mehr Interesse und vielleicht auch Emotionen bei diesem Thema. Alle Mitarbeiter erwarten Hilfe von der Politik unmittelbar und direkt, selbstverständlich. Auch ich bin im ständigen Austausch mit dem Oberbürgermeister und dem Insolvenzverwalter. Für meine Heimatstadt Freiberg bedeutet dies übrigens einen Verlust von knapp 6 % der Arbeitsplätze im Stadtgebiet und 1,5 Millionen Euro geschätzte Mindereinnahmen in den nächsten zwei Jahren.

Aber – und das gehört auch zur Wahrheit – bevor Politik eingreifen kann, müssen wir ein ordnungsgemäßes Insolvenzverfahren abarbeiten – das läuft seit Montag. Der Insolvenzverwalter ist bestellt und hat schon klare Aussagen getroffen: vorerst keine Kündigung der Mitarbeiter. Das Insolvenzgeld soll durch Banken vorfinanziert werden – damit sind die Löhne zumindest bis Juli gesichert.

Eines hat mich begeistert: Der Insolvenzverwalter bemerkte, er sei begeistert von den Menschen, die in dem Betrieb arbeiten und die zu dem Betrieb stehen.

Dennoch brauchen wir Klarheit, welche Unternehmensteile zu retten sind und welche nicht. Schnelle Lösungen sind dabei unseriös. Tragfähige Lösungen im Sinne der Mitarbeiter sind notwendig. Ich zitiere, Herr Präsident, meinen Oberbürgermeister: „Die Situation ist einfach zu wichtig, als dass wir Schnellschüsse machen. Zunächst müsse klar sein, welche Pläne der Insolvenzverwalter habe.“

Liebe Frau Pinka, ich höre eigentlich von Ihnen nur Lamento.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: So ein Unsinn!)

Das, was Sie gestern zur Begründung Ihres Antrages vorgebracht haben – ich konnte gar nicht darauf reagieren –; die Forderung nach einer Auffanggesellschaft, das war doch schon bemerkenswert. Wissen Sie, was das für ein Zeichen nach außen ist, wenn Sie zu diesem Zeitpunkt eine Auffanggesellschaft fordern?

(Zurufe von den LINKEN: Haben wir doch gar nicht! Sie haben nicht richtig zugehört!)

Natürlich! Die Forderung nach einer Auffanggesellschaft signalisiert, dass Sie innerlich den Standort und die Mitarbeiter schon aufgegeben haben, während wir als Koalition und die Staatsregierung bis zur letzten Minute um die Arbeitsplätze und den Standort kämpfen werden!

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aber die Leiharbeiter sind schon entlassen worden, das wissen Sie?!)

Zentrale Akteure sind dabei zunächst die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen und der Insolvenzverwalter. Erst wenn alle Möglichkeiten ausgereizt sind, soll der Staat einsteigen.