Protocol of the Session on May 18, 2017

Zentrale Akteure sind dabei zunächst die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen und der Insolvenzverwalter. Erst wenn alle Möglichkeiten ausgereizt sind, soll der Staat einsteigen.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Eine Auffanggesellschaft ist die Ultima Ratio und steht nicht am Beginn der Debatte.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Was auch nicht geht: falsche Erwartungen bei den Betroffenen zu wecken, die wir am Ende nicht einhalten können. Ich kann nicht über das Land fahren, zündeln und mich dann beschweren, dass die Feuerwehr nicht in der Lage ist, das Feuer zu löschen. Das geht nicht, sehr geehrte Frau Kollegin Pinka.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Der Staat ist nicht allmächtig – das haben wir abgeschafft. Der Staat hat sich weitestgehend aus der Wirtschaft herauszuhalten.

(Beifall des Abg. Jörg Urban, AfD)

Eine Bemerkung sei mir noch erlaubt: Die aktuellen Entwicklungen sind sehr bedauerlich – es ist ein schwerer Schlag –, dass wir diesen Standort und die Arbeitsplätze in Gefahr sehen müssen. Aber die wirtschaftliche Situation in Freiberg ist heute eine ganz andere als bei der letzten Krise von SolarWorld 2013.

Wir sind viel breiter aufgestellt. Unser Mittelstand ist gesund. Wir haben viele produktive Unternehmen, die flexibel und auch solidarisch sind; sie sind in der Lage, einen Teil dieser Arbeitnehmer zu übernehmen. Auch das muss beachtet werden.

(Beifall der Abg. Lars Rohwer und Patrick Schreiber, CDU)

Die Redezeit!

Sehr geehrter Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

Letzter Satz!

Freiberg stürzt nicht ab!

Herzlichen Dank und Glück auf!

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Bevor Herr Brünler für die Fraktion DIE LINKE das Wort nimmt, gibt es eine Kurzintervention von Frau Dr. Pinka. Moment! – Jetzt.

Entschuldigung! Aber dort hinten ist kein Mikrofon. Deshalb muss ich immer hierher eilen. Vielen Dank, Herr Präsident.

Entweder hat mich Herr Kollege Ittershagen gestern – leider – nicht verstanden, oder er hat schlecht zugehört. Dabei habe ich es vorhin wiederholt: Am liebsten ist mir der Erhalt des Standortes so, wie er ist. Das ist die Maximalforderung. Aber es gibt ja verschiedene Szenarien.

Ein Szenario ist, dass der Insolvenzverwalter es – begleitet durch uns – schafft. Ich habe vorhin Beispiele genannt, was der Staat tun kann. Er kann sich immer während eines Insolvenzverfahrens begleitend einbringen. Der Minister muss nicht warten, bis drei Monate Insolvenzzeit um sind. Er kann schon heute Vorschläge unterbreiten; einige habe ich vorhin genannt. Sie haben mir wahrscheinlich einfach nicht zugehört.

Also: Erstes Szenario – wir schaffen es, diesen Standort in Gänze zu erhalten.

Zweites Szenario: Teile des Unternehmens werden ausgegründet. Einen Vorschlag habe ich vorhin gemacht: Solar Innovations wird zu einem An-Institut an einer Hochschule entwickelt. Das haben wir mit unserer Hochschulentwicklungsplanung selbst in der Hand.

Drittes Szenario: Wir können den Standort so nicht halten. In drei Monaten gibt es keine Lösung. – Dann müssen wir darüber nachdenken, wie wir mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgehen bzw. wie wir begleitend eingreifen können. Dann stellt sich auch die Frage einer Auffang- oder Transfergesellschaft.

Wir haben schon heute viele Möglichkeiten in der Hand, Herr Ittershagen. Und da hören Sie mir gefälligst das nächste Mal ordentlich zu!

(Beifall bei den LINKEN)

Das war die Kurzintervention von Frau Dr. Pinka. – Jetzt reagiert der angesprochene Vorredner, Herr Kollege Ittershagen.

Liebe Kollegin Pinka, liebe Jana!

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Nein! – Heiterkeit)

Wir können gemeinsam, auch über Parteigrenzen hinweg, für eine gute Sache streiten. Aber es muss wenigstens ein bisschen was mit Realismus zu tun haben.

Wenn ein so großes Schiff wie SolarWorld in die Insolvenz geht, dann hat das eine Ursache. Gegenüber wem stellen wir jetzt die Forderung nach Erhalt des gesamten Standortes? Der Staatsregierung gegenüber? Sie kann das nicht realisieren. Wem gegenüber stellen wir also diese Forderung?

Noch einmal: Es gibt Szenarien, die abgearbeitet werden müssen. Dann haben wir Klarheit, was vom Standort übrig bleibt. Wenn wir das wissen, dann können wir überlegen, was wir mit den Menschen machen, die keine

Perspektive in diesem Unternehmen haben. Das ist meine Überzeugung.

(Beifall bei der CDU – Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Jedes Szenario braucht aber Begleitung!)

Jetzt geht es in der zweiten Rederunde weiter. Das Wort hat Herr Kollege Brünler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Insolvenz von SolarWorld ist ein trauriger Höhepunkt im Niedergang der deutschen Solarindustrie; diesmal betrifft es ganz besonders Sachsen.

Was mich nicht wirklich überrascht, aber doch traurig macht: Nicht alle hier im Landtag scheinen das zu bedauern. Nicht anders kann man die Äußerungen der AfD werten. Deren Redner hat wieder durchblicken lassen, dass die Solarindustrie eh nur ideologisch motiviert und ein Strohfeuer gewesen sei. Diese Einschätzung, meine Damen und Herren, lässt vollkommen außer Acht, wie sich die weltweite Entwicklung vollzieht. Insofern trifft der Titel der Aktuellen Debatte den Nagel auf den Kopf: „Solarindustrie: Weltweit im Steigflug, in Freiberg vor dem Absturz?“

Es stellt sich in der Tat die Frage: Warum? – Nun kommt die Entwicklung bei SolarWorld nicht vollkommen überraschend; auch das ist in der Debatte schon mehrmals gesagt worden. Andere Produzenten, auch solche in Europa, haben erkannt, dass es wahrscheinlich aussichtslos ist, im Massengeschäft gegen die riesigen, auf Skaleneffekte setzenden chinesischen Produktionskapazitäten anzuspielen. Auswege wären: Spezialisierung, Hochpreisnischen, innovative Verbindungen mit Speichertechnologien. SolarWorld ist einen anderen Weg gegangen und hat versucht, weiterhin im Massengeschäft mit günstigen Solarmodulen einen Platz zu behalten.

Wir haben uns bisher über SolarWorld unterhalten. Doch schauen wir auf die Welt, wagen wir einen weltweiten Blick: Wie sieht die Situation aus? – Kommen wir im Wettbewerb mit der Forderung nach Schutzzöllen gegen billige Importe weiter, oder kommen wir damit nicht weiter? Die Vergangenheit hat es gezeigt: Nein, damit kommen wir nicht weiter.

Die Frage ist: Sind Schutzzölle überhaupt sinnvoll, auch jenseits von Schlupflöchern? – Wir haben gestern über einen großen Klassiker, der besonders der CDU wichtig ist, nämlich über Luther gesprochen. Lassen Sie mich einen Klassiker ins Feld führen, der uns wichtig ist: Marx. Auch er hat sich schon – aus seiner damaligen Sicht heraus – mit Schutzzöllen beschäftigt. Er hat festgestellt: Nein, Schutzzölle helfen in der Regel nur, den Fortschritt auszubremsen. Mit Schutzzöllen kann man sich kurzfristig Konkurrenten vom Leibe halten. Langfristig führen sie niemals dazu, dass Arbeitsplätze erhalten werden.

Nun haben wir die Situation, dass China den Weltmarkt mit riesigen Mengen preiswerter Solarzellen flutet, und zwar zu Preisen unter den Herstellungskosten, finanziert durch milliardenschwere Staatskredite.

Warum machen die Chinesen das? Ihr Ziel ist es beileibe nicht, den Weltmarkt dauerhaft mit Solarzellen zu Dumping-Konditionen zu überfluten. Nein, auch die Chinesen wollen in langer Frist Gewinne machen. Auch der Verweis auf das geringe Lohnniveau, zu dem man hier mit China – bei einer weitgehend automatisierten Massenproduktion – eh nicht standhalten könne, hilft, glaube ich, nicht weiter. Der Schlüssel sind die Stückzahlen. Das heißt, Erfolg oder Misserfolg auf dem Weltmarkt entscheidet sich daran, wer die größten Stückzahlen liefert.

Genau das haben die Chinesen erkannt. Sie haben erkannt, dass wir hier von einer Schlüsseltechnologie reden. Deren Ziel ist es, auf diesem Gebiet Weltmarktführer zu werden bzw. zu bleiben. Das kann man „unfair“ nennen. Man kann es aber auch einfach „Wirtschaftspolitik“ nennen.

Nun bin ich, meine Damen und Herren, nicht dafür, eins zu eins den chinesischen Weg zu kopieren. Aber ein klares Bekenntnis bzw. eine Unterstützung der Solartechnologie hier vor Ort müssen wir einfordern.

Sie hätten die Chance gehabt, dies gestern im Rahmen einer Debatte über unseren Dringlichkeitsantrag zu tun. Darauf haben Sie leider verzichtet. Sie haben über unseren Dringlichkeitsantrag nicht einmal reden wollen – unter Verweis auf die Geschäftsordnung.

(Staatsminister Martin Dulig: Die auch für Sie gilt! – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ach?)

Na ja, nee.

(Staatsminister Martin Dulig: Ach so?)

Es ist in der Tat so: Wir hätten gestern darüber reden können. Sie haben es nicht gewollt. Wir hätten gestern das Signal aussenden können, dass es der Politik in Sachsen wichtig ist, dass Sachsen ein Solarstandort ist und bleiben soll.

Herr Kollege Homann, es geht nicht darum, hier die Diskussion zu führen, wer schuld daran ist, dass es so weit gekommen ist. Heute geht es vielmehr um die Diskussion darüber, wie wir hier weiter vorankommen können und welche Zukunft die Solartechnologie in unserem Lande hat.

Dazu gehört es in der Tat, sich Gedanken darüber zu machen, was passiert, wenn die Fortführung aus der Insolvenz heraus scheitert. Doch bis es so weit ist, muss die Staatsregierung im Interesse der Beschäftigten und des Freistaates alles in ihrer Macht Stehende tun, um das Signal, dessen Aussendung wir gestern versäumt haben, nun endlich zu senden sowie die Erarbeitung eines tragfähigen Fortführungskonzeptes zu unterstützen und zu flankieren. Die Staatsregierung darf nicht warten, bis der Insolvenzverwalter ein endgültiges Ergebnis vorgelegt hat.