Protocol of the Session on May 17, 2017

(Beifall bei den LINKEN – Zurufe von der CDU und den GRÜNEN)

Und jetzt sperren Sie gerne mal die Lauscher auf, Sie können noch kurz etwas lernen. Im Artikel 1 unseres Grundgesetzes – vielleicht ist es Ihnen noch nicht ganz bewusst – steht das Wort „Würde“, und ich sage Ihnen: Damit ist kein Konjunktiv gemeint.

(Beifall bei den LINKEN)

Lassen Sie mich kurz den Flüchtlingsrat Sachsens zitieren: „Die Inhaftierung aller Schutz suchenden Menschen aber ist an moralischer Entgrenzung nicht zu überbieten.“

Meine Damen und Herren! Sie verarschen heute nicht nur uns, wenn Sie darüber abstimmen,

(Zuruf von der Staatsregierung: Haben Sie gerade über Würde geredet?)

sondern Sie verarschen alle, die sich hier, mindestens in Sachsen, für Solidarität, für Nächstenliebe, für Frieden und für Toleranz jeden Tag einsetzen.

Danke für nichts.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Kollege Jalaß für die Fraktion DIE LINKE. Herr Kollege, ich weiß jetzt nicht, welche Möglichkeiten uns die Geschäftsordnung bietet. Wir sollen uns ja an unserer Kleidung mit Symbolen und anderem zurückhalten. Ich weiß jetzt nicht, wie es damit im Einzelnen ist. So schnell kann ich das gar nicht identifizieren. Ich kann Ihnen nur sagen: Ihr Auftritt jetzt

(Zurufe von den LINKEN und der CDU)

das nehme ich jetzt auf meine Kappe – ist parlamentarisch unangemessen.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Aber wir setzen uns hier mit Argumenten auseinander. Es ist eine Kurzintervention angemeldet. Bitte, Herr Kollege Krauß.

Lieber Kollege Jalaß, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie relativ klar gesprochen haben. Ich meine, dabei ist ja auch schon Gewinn. Wenn Sie von „christlicher Ideologie“ sprechen, dann muss man sich einmal durch den Kopf gehen lassen, was Sie zu einem Drittel oder einem Viertel der Einwohner hier sagen: dass sie ideologisch verblendet seien. Das, was Sie hier rübergebracht haben, ist das klassische DDR-Bild über die Kirchen.

(Lachen bei den LINKEN)

Das muss man ganz deutlich herausstellen. Sie sprechen von „christlichem Kladderadatsch“ usw. Ich bin dankbar, dass Sie so deutlich gesagt haben, was Sie wirklich von den Kirchen halten. Das sollte man, bitte schön, auch einmal ins Land hinaus transportieren. Dafür wäre ich dankbar.

(Beifall bei der CDU und der AfD sowie vereinzelt bei der SPD)

Jetzt noch einmal: Sie haben das Argument gebracht, es sei eigentlich relativ egal, aus welchem Grund heraus man Solidarität – wir würden als Christen „Nächstenliebe“ sagen – übt.

Ich glaube, es gibt einen gewissen Unterschied. Das können Sie an der Behindertenpolitik sehen: so wie sie zu DDR-Zeiten gemacht worden ist, mit einem kommunistischen Grundverständnis, und wie wir das heute machen. Ein behinderter Mensch ist in der Ideologie der LINKEN jemand, der nicht zur Wertschöpfung beiträgt, es ist kein Werktätiger.

(Lebhafte Zurufe von den LINKEN)

So ist man auch zu DDR-Zeiten damit umgegangen. Sie haben die Behinderten weggesperrt, Sie haben sich nicht um sie gekümmert. Das ist maximal in kirchlichen Einrichtungen passiert, dass man sich um diese Menschen gekümmert hat, weil man gesagt hat: Sie haben eine Menschenwürde, und diese Menschen kann man fördern.

(Zurufe von den LINKEN – Gegenrufe von der CDU)

Da hat man Ihr Menschenbild gesehen, weil Ihnen diese Leute relativ egal waren. Der Behinderte konnte ja nichts zur Wertschöpfung der Gesellschaft beitragen. Da ist unser Menschenbild ein anderes. Bei uns hat jeder Mensch eine Würde, egal, ob er behindert oder nicht behindert ist, ob er alt oder jung ist.

(Lebhafte Zurufe von den LINKEN)

Es zeigt sich dann auch, dass die christliche Fundierung im Weltbild eine andere ist als die, die Sie mit Ihrer Regierungspolitik zu DDR-Zeiten gezeigt haben. Darauf wollte ich gern noch einmal hinweisen.

(Beifall bei der CDU und der AfD – Zurufe von den LINKEN)

Das war eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Krauß. Sie bezog sich auf den Redebeitrag von Herrn Kollegen Jalaß. Dieser hat jetzt nach unserer Geschäftsordnung die Möglichkeit, auf diese Kurzintervention zu reagieren.

(René Jalaß, DIE LINKE: Nein, ich habe nur Mimimi gehört!)

Dann wird unsere Rederunde fortgesetzt. Als Nächste spricht für die AfD-Fraktion Frau Dr. Muster.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Koalition hat ein spannendes Debattenthema gewählt: „,Dem Volk aufs Maul schauen‘ – Luther heute – Kennen und leben christlicher Werte in unserer Zeit?“ Herr Jalaß, ich probiere es einmal mit Fakten.

Was meinte Luther mit der Redewendung „Dem Volks aufs Maul schauen“? Luther tat diesen Ausspruch, als er die Bibel in die deutsche Sprache übersetzte. Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise hatte ihn im Mai 1521 auf die Wartburg verbringen lassen. Luther war mit Reichsacht und Kirchenbann belegt. Luther setzte sich sofort hin und hat das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzt. Bereits im September des gleichen Jahres war er mit dieser Arbeit fertig.

Es war Luther geradezu eine Herzsensangelegenheit, für den einfachen Menschen eine verständliche Bibel zu schaffen. Wir spüren in der Lutherbibel noch heute seine Sprachgewalt, seine kluge Einbindung des Ober- und Niederdeutschen. Er prägte unsere deutsche Sprache und hat sie weiterentwickelt. Genau bei dieser Übersetzungsarbeit hat er den Spruch getan „Dem Volk aufs Maul schauen“. Er meinte auf keinen Fall, dem Volk nach dem

Munde reden, sondern er meinte, eine verständliche Bibel zu schaffen.

Nun zum zweiten Punkt der Debatte „Luther heute“. Luther heute können wir nur verstehen, wenn wir Luther in seiner Zeit kennen. Luther war Theologieprofessor. Nach seinem Bibelverständnis machen nicht gute Werke den Menschen gerecht, sondern – Korintherbrief – „allein Gottes Gnade“. Zwei Schlussfolgerungen hat er daraus in seiner Rechtfertigungslehre gezogen.

Erstens. Der Glaube führt zu einer direkten Beziehung zwischen Gott und dem Gläubigen. Das heißt, Mittler wie Priester sind fast überflüssig.

Zweitens. Gute Werke wie Mönchstum und Wallfahrten verlieren an Bedeutung. Luther befreite den Glauben von der Kirche, und er zentrierte ihn auf die Bibel.

Es gab Folgerungen. Nur eigene aufrichtige Reue führe zur Vergebung der Sünden. Luther geißelte den Ablasshandel in den 95 Thesen. Alle Predigten in der Kirche sollten in deutscher Sprache und nicht mehr in Latein stattfinden. Alle Bürger sollten die Bibel lesen können. Er, Luther, gründete Volksschulen für Mädchen und Jungen, damit sie lesen lernten und selbst die Bibel lesen konnten – zu einer Zeit von Leibeigenschaft und Analphabetismus ein ganz neuer Gedanke.

Übrigens wollte Luther keine neue Kirche gründen. Kollegin Raether-Lordieck hat es gesagt: Er wollte lediglich dem christlichen Glauben mit seinen christlichen Werten wieder Gewicht verleihen.

Nun zu den christlichen Werten. Ich selbst gehe gern in die Moritzburger Kirche – zu Weihnachten, Ostern oder gerade zum Konfirmationsgottesdienst –, und ich singe mit Leidenschaft im Kirchenchor. Sie werden sich fragen: Warum? Ganz einfach: Christliche Werte sind mir wichtig.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Davon merkt man aber nichts!)

Nächstenliebe, Achtung des anderen und friedliches Beisammensein sind mir sehr wichtig. Da bin ich gedanklich ganz bei Luther.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Nur mit dem eigenen Volk!)

Ich bin im Übrigen auch sehr traurig, Herr Jalaß, dass Sie die Rede gehalten haben. Frau Pinka hätte sicherlich etwas anderes ausführen können.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Echt?)

Aus diesem Grunde seien Sie gespannt auf den zweiten Teil.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Zuruf der Abg. Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE)

Das war Frau Kollegin Dr. Muster für die AfD-Fraktion. Nun kommt Frau

Kollegin Schubert zu Wort. Sie spricht am Ende dieser ersten Runde für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als Katholikin lasse ich es mir natürlich nicht nehmen, in diese Debatte zu Luther einzusteigen.