Angesichts dessen können wir zu Recht die Frage stellen, warum man dieses Mehr an Studienplätzen nicht zumindest probeweise nach Chemnitz gibt. Man könnte vielleicht eine Außenstelle der Lehramtsausbildung in Chemnitz implementieren, um das vereinbarungskonform zu machen. So könnte man auch testen, ob die dort ausgebildeten Lehrer tatsächlich in der Region verbleiben.
Fakt ist, dass von verschiedenen Seiten auf die bestehenden Probleme deutlich aufmerksam gemacht worden ist. Es scheint auch ziemlich offensichtlich zu sein, dass wir mit der jetzigen Struktur der Lehramtsausbildung diese Probleme nicht lösen können.
Es bleibt uns aber nicht die Zeit, wieder vier, fünf oder sechs Jahre zu warten; denn die Probleme in Chemnitz werden sicherlich nicht von allein harmloser werden. Wir werden uns am Ende nicht wieder hinstellen und sagen können, wir hätten es nicht gewusst.
Es gibt gute Partner, die bereitstehen. Die TU Chemnitz hat klar signalisiert, dass sie sich aktiv beteiligen will. Auch die Unterzeichner des Positionspapiers haben klar signalisiert – man kann sogar sagen, sie haben sich in dem Papier verpflichtet –, aktiv mitzuwirken. Nehmen wir sie doch einmal beim Wort und binden sie von Anfang an ein!
Als Letztes: Wenn Sachsen tatsächlich einmal in die luxuriöse Situation kommen sollte, mehr Lehrer ausgebildet zu haben, als in Sachsen gebraucht werden, dann können wir ja getrost die Klassenstärken senken.
Das war Frau Kollegin Kersten. Als Letzte in dieser Runde spricht Frau Kollegin Dr. Maicher für die Fraktion GRÜNE.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es um die Lehramtsausbildung geht, dann gilt seit jeher für Sachsens Regierung: Rein in die Kartoffeln, raus aus den
Der erste Punkt betrifft das Studium: zuerst das klassische Staatsexamen, dann Bachelor und Master mit gleichen Ausbildungszeiten, dann zurück zum Staatsexamen. Das hat zu massiver Unsicherheit unter den Studierenden geführt.
Der zweite Punkt betrifft die Orte der Lehramtsausbildung; das ist heute schon Thema gewesen. Zuerst war die TU Chemnitz ganz selbstverständlich Ausbildungsort. Dann wurde dort die Ausbildung eingestellt. 2013/2014 ist sie wieder eingerichtet worden. Erst sollten alle zentral an der Universität Leipzig ausgebildet werden; jetzt gibt es wieder an allen drei Standorten die Lehramtsausbildung.
Der dritte Punkt betrifft die Zahl der Lehramtsstudierenden. Bis 2012 hieß es: „Wir bilden viel zu viele aus!“ Das führte dazu, dass nicht alle Absolventen in Sachsen Referendariatsplätze bekamen. Das ist fünf Jahre her. Heute könnten wir diese Lehrerinnen und Lehrer gut gebrauchen.
Jetzt erfolgt – zu spät! – die Kehrtwende. Mindestens 2 000 Studienanfänger pro Jahr sollen in Sachsen ihr Lehramtsstudium aufnehmen. Wieder einmal viel zu spät und viel zu wenig, und das, obwohl wir alle hier wissen, wie lange ein Studium dauert, wann wer in den Ruhestand geht, welche Aufgaben auf die Lehrerinnen und Lehrer zukommen – darüber haben wir gestern im Zusammenhang mit dem Schulgesetz debattiert – und wie viele Seiteneinsteiger wir inzwischen brauchen.
Jetzt zur TU Chemnitz! Das Grundschullehramt an der TU Chemnitz ist wieder eingeführt worden, weil der Mangel an Grundschullehrern nicht mehr zu leugnen war und weil wir wissen, dass Grundschullehrerinnen und -lehrer gern in der Region, in der sie ihre Ausbildung absolvieren, verbleiben. Das haben wir im Übrigen seit Langem gefordert. Anstatt es richtig zu machen, ist es wieder ein halbgarer Kompromiss geworden, in diesem Fall: ein Lehramtsausbildung mit Verfallsdatum.
Das ist nicht attraktiv. In den Jahren 2024 und 2025 soll die Universität das Personal in ihren eigenen Stellenplan übernehmen oder eben rauswerfen. Das ist übrigens derselbe Stellenplan, der bis 2016 eine Kürzungsrunde nach der nächsten zu verkraften hatte, und das unter Schwarz-Gelb genau so wie unter Schwarz-Rot. Da ist schlicht kein Spielraum für die Universität, wenn wir nicht andere Fächer darunter leiden lassen wollen. Das sollte hier nicht der Anspruch sein, und dabei rede ich noch gar nicht von dem staatlich verordneten Studienplatzabbau, der die Universität Chemnitz ebenso trifft.
Im Hochschulentwicklungsplan bis 2025 steht, dass die Lehramtskapazitäten zeitlich befristet sind, obwohl die Lehrerbedarfsprognose der Staatsregierung auch für 2030
noch 1 120 Lehrerneueineinstellungen vorsieht. Die Folgen kann sich jeder ausmalen. Das sind befristete Professuren, das sind befristete Mitarbeiterverträge. Dort, wo wir Menschen auf diese Stellen bekommen, schauen sie sich natürlich auch nach attraktiveren Plätzen um und gehen wieder weg. Wir haben bis heute nicht alle Professuren berufen. Deswegen sagen wir ganz deutlich: Die Lehramtsausbildung in Chemnitz muss endlich verstetigt werden.
Die Stellen müssen in den sächsischen Haushalt. Die zeitliche Befristung muss aus dem Hochschulentwicklungsplan ersatzlos gestrichen werden. Die TU Chemnitz braucht Sicherheit, aber eben auch die Studierenden und die Region. Das Gleiche gilt auch für den Fall eines Oberschullehramts in Chemnitz. Auch hier wird sachsenweit deutlich unter Bedarf studiert. Dabei ist der Freistaat in der Verantwortung, für verlässliche Rahmenbedingungen zu sorgen, nicht die Universitäten, nicht die Wirtschaft, sondern die Lehramtsausbildung ist staatliche Daseinsvorsorge.
Stichwort Berufsschulausbildung. Tatsache ist auch hier, dass die Studierendenzahlen bei Weitem nicht ausreichen. Frau Staatsministerin, da ist es mir einfach zu wenig, wenn Sie in der „Freien Presse“ verkünden, dass bei der Ausbildung von Berufsschullehrern die vorhandenen Kapazitäten in Dresden nicht ausreichen. Ja, das stimmt, aber ich erwarte schon von der Wissenschaftsministerin, dass sie mit Interesse analysiert, genau schaut, warum das so ist, was zu tun ist und wie wir das ändern können, und dass sie dazu auch die entsprechenden Vorschläge macht.
(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN – Widerspruch der Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange)
Zur Wahrheit gehört auch, dass es nicht reicht, Studienplätze aufzustocken, wie wir das natürlich auch wollen, wenn die Rahmenbedingungen für das Studium nicht stimmen und am Ende Studienabbrüche drohen und die Studierenden das Land verlassen. Deswegen fordern wir GRÜNEN seit Langem endlich eine ordentliche Evaluierung des Lehramtsstudiums und der Rahmenbedingungen. Diese liegt bis heute nicht vor. Wir brauchen endlich ein Ende des ministeriell verordneten Hin und Her, mit einem Lehrerbildungsgesetz, das klare gesetzliche Regelungen schafft. Meine Fraktion wird das vorlegen. Wir brauchen gleiche Ausbildungslängen und gleiche Bezahlung für alle Lehrämter in Sachsen.
Zum Abschluss möchte ich noch etwas sagen: Nachdem die Wissenschaftsministerin Frau Stange über Wochen bei der Lehramtsausbildung – –
– in Chemnitz blockiert hat, habe ich mit Interesse vernommen, dass jetzt der Staatskanzleichef Dr. Jaeckel eingreift und Gespräche verspricht.
Ich hoffe, dass er sich nicht nur den regionalen Applaus in Chemnitz bei der IHK abholt, sondern tatsächlich die Staatsregierung etwas unternimmt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Unsere Debatte hat zwei Titel: Sicherung des Lehrkräftebedarfs ist auch regionale Wirtschaftsförderung. Ich möchte dies noch ein bisschen zuspitzen, indem ich die Aussage des Hauptgeschäftsführers der Chemnitzer IHK wiederhole, die er im Landtag bei der Anhörung im Oktober letzten Jahres gemacht hat, als er meinte, die Sicherung des Lehrkräftebedarfs scheine aus derzeitiger Sicht die wichtigste Aufgabe der Wirtschaftsförderung im Freistaat Sachsen überhaupt zu sein.
Schauen wir uns doch einmal die Region Südwestsachsen, die Region Chemnitz an. Hier leben über ein Drittel aller Sächsinnen und Sachsen. Über ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts wird hier erwirtschaftet, und man kann noch immer sagen, in dieser Region schlägt das industrielle Herz des Freistaates. Nach dem Volksbank-Ranking gehört die Region Chemnitz zu den Top-5
Im Gründungsradar 2016 ist sie hier die Nummer eins bei Gründungen sachsenweit. Das ist sie auch deswegen, weil sie nicht nur eine Schmalspur-Universität ist, die sich ausschließlich auf technische Fächer konzentriert. Es kommt hinzu, dass die Universität mit regionalen Schulen gut vernetzt ist, das heißt, hier gibt es ein Potenzial für Lehramtsausbildungen. Das zeigen auch die Bewerberzahlen an der Universität. Sie liegen zum Teil bei dem Zehnfachen dessen, was an Plätzen vorhanden ist. Es kommt noch hinzu, dass die meisten Bewerber aus der Region sind. Sie sind aus Chemnitz, aus dem Erzgebirge, aus Mittelsachsen, aus dem Vogtland, und sie sagen auch, dass sie tatsächlich in dieser Region bleiben und hier ihr Berufsleben führen wollen.
Sie sagen das im Moment unter erschwerten Bedingungen. Wir haben auch darüber schon gesprochen. Wir reden im Moment von einer befristeten Lösung an der Universität, was letztlich dazu führt, dass noch immer mehrere Professuren unbesetzt sind. Aber wenn wir die Bedürfnisse der Region anschauen, dann reden wir bei Weitem
nicht nur darüber, das zu verstetigen, was unsere Forderung ist, sondern wir reden auch über einen Ausbau.
Frau Kollegin Fiedler bzw. Herr Kollege Mann, es kommt nicht allein darauf an, wenn Sie sagen, sachsenweit reiche es im Durchschnitt schon. Nein, wir müssen auch einen regionalen Fokus haben, ansonsten passiert Ihnen das berühmte Statistikerbeispiel, dass der See im Schnitt nur einen halben Meter tief war, aber die Kuh trotzdem ersoffen ist.
Wir haben an der Universität eine Stärke im MINTBereich und – da waren die Aussagen in der Anhörung nicht so einhellig, wie Sie das vorhin sagten, Herr Kollege Mann – durchaus ein Potenzial, über Berufsschullehrer nachzudenken. Da reicht es mir persönlich nicht, wenn Frau Staatsministerin darauf hinweist, dass die Plätze in Dresden nicht ausgelastet sind. Wer sagt uns denn, dass gerade bei den Bedingungen hier vor Ort die TU Chemnitz in diesem Bereich nicht erfolgreicher sein könnte, als es die TU Dresden jemals war, zumal wir bereits jetzt wissen, dass die bisher Ausgebildeten definitiv nicht reichen werden?
Wir haben in Chemnitz auch Anknüpfungspunkte in dieser Richtung. Wir haben in Chemnitz eine Pädagogik mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung und einen Schwerpunkt Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Nebenbei bemerkt halte ich das, wenn wir an diesem Punkt nachsteuern, für eine Möglichkeit, den Fehler zu korrigieren, als für die Chemnitzer Universität bei den Studenten eine Zielzahl von knapp unter 10 000 festgelegt wurde. Das mag auf den ersten Blick als unwichtige Kleinigkeit erscheinen, aber oftmals sind es genau solche Kleinigkeiten, die letztlich große psychologische Wirkung entfalten.
Am letzten Samstag fand in Chemnitz eine Veranstaltung der IHK statt, auf der – das wurde schon von meiner Vorrednerin angesprochen – Staatsminister Jaeckel eingeladen war und dort auch zum Thema Lehrerausbildung gesprochen hat. Er sagte, rückblickend sei es ganz klar ein Fehler gewesen, die Lehramtsausbildung 1997 in Chemnitz beendet zu haben. Weiter sagte Dr. Jaeckel – schade, dass er heute augenscheinlich nicht da ist –, man müsse auch den Mut haben, falsche Entscheidungen zu korrigieren. Als er das sagte und gleichzeitig versprach, das Anliegen noch einmal mit in die Kabinettsrunde zu nehmen, hat er durchaus vor Ort Erwartungen geweckt, dass Mitnehmen mehr bedeutet, als kurz in der Kaffeepause darüber zu plaudern. Wenn Mitnehmen tatsächlich bedeutet zu helfen, die Region Chemnitz vor einer Wiederholung des Fehlers von vor 20 Jahren zu bewahren, dann hat er unsere Unterstützung als LINKE und auch die Unterstützung der Mehrzahl der Menschen in Südwestsachsen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal klarstellen, dass es für uns ein großes Anliegen ist, dass genügend Lehrer für die Region Chemnitz zur Verfügung gestellt werden, jetzt und perspektivisch, aber natürlich gilt das auch für die Oberlausitz, das Leipziger Land oder die Sächsische Schweiz. Wir haben eine Gesamtverantwortung für dieses Land und müssen ein Lehramtsausbildungssystem entwickeln, das allen Ansprüchen im Land Genüge tut. Wir brauchen vor allem ein System, das funktioniert und jetzt wirkt – wir reden häufig von Perspektiven in sieben Jahren – und für unsere Partner, die Universitäten, verlässlich ist.
Deshalb, Frau Kersten, ist die Lehramtsausbildung für uns kein Experimentierfeld, wo man mal etwas ausprobiert und schaut, ob es funktioniert, sondern wir brauchen etwas Funktionierendes, was kurzfristig die entsprechende Wirkung entfaltet. Wir haben in der Fraktion sehr wohl darüber diskutiert, ob man die Zahlen in der Grundschullehrerausbildung erhöhen sollte, beispielsweise in Chemnitz. Wenn uns Briefe erreichen, ist es ja nicht so, dass man sie einfach zur Seite legen und sagen würde, das wollen wir nicht, das machen wir nicht, sondern wir setzen uns sehr wohl damit auseinander.
Deshalb bin ich auch froh, dass die Lehrerbedarfsprognose jetzt vorliegt. Sie beziffert den Bedarf in sechs Jahren – wie ich vorhin schon erwähnt habe – auf 280 Stellen, mit 600 Plätzen an den Universitäten. Wir sind zu einem anderen Schluss gekommen und sagen, wir müssen uns stärker mit dem Oberschul- und dem Gymnasialbereich auseinandersetzen, damit wir perspektivisch genügend fertige Absolventen aus der Lehramtsausbildung haben, die diesen Bedarf abdecken können.