Protocol of the Session on March 16, 2017

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Noch eine Kurzintervention. Herr Lippold, bitte.

Vielen Dank. Herr Staatsminister Dulig, Sie haben ausgeführt, jetzt neue Ziele zu setzen würde den Regionalplanungsprozess stören. Das ist sicher richtig. Wir werfen Ihnen auch nicht vor, dass Sie jetzt den Regionalplanungsprozess nicht stören. Wir werfen Ihnen vor, dass Sie nicht rechtzeitig die Ziele Ihres Vorgängers durch die Ziele des Koalitionsvertrages ersetzt haben, also die 28 % durch die Ziele des Koalitionsvertrages; denn dann wären sie für den Regionalplanungsprozess rahmengebend gewesen, und Sie hätten die Probleme jetzt nicht, dass in dieser Legislaturperiode dort keine neuen Ziele durchsetzbar sind.

Zweites Thema, dass man die Frage der Bevölkerungsdichte in Sachsen anders sehen müsse. Das ging schon von Herrn Kollegen Heidan durch die Medien. Schauen Sie sich einfach dicht besiedelte Industrieländer wie Hessen, Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg an. Das sind alles Länder, die sehr viel schneller im Ausbau erneuerbarer Energien, auch der Windenergie, vorankommen. Sie sind hoch industrialisiert. Sie haben eine höhere Bevölkerungsdichte als Sachsen.

(Alexander Krauß, CDU: Wie sieht es in Baden-Württemberg aus?)

Baden-Württemberg ebenfalls. Das habe ich genannt, Herr Kollege.

(Alexander Krauß, CDU: Die sind nicht sehr weit!)

Nein, Sachsen ist eben nicht auf dem Weg zum Energiewendeland – darum ging es in der Debatte –, weil Sachsen Braunkohleland bleiben möchte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister.

Sehr geehrter Herr Lippold, Sie machen es sich wieder einmal zu einfach. Zu glauben, wenn wir allein 40, 45 oder 50 % in den Klima- und Energieplan hineingeschrieben hätten, dass wir auf einmal auch die entsprechenden Flächen in Sachsen hätten, ist doch eine Milchmädchenrechnung.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Gerd Lippold, GRÜNE)

Es bleibt am Schluss immer die Frage, wie viele Flächen man zur Verfügung hat. Die Planungsverbände vor Ort haben den schwierigen Abwägungsprozess, dass es entweder zulasten der Natur oder zulasten der Menschen geht. Von daher ist auch durch die reine Prozentzahl, die Sie als Ziel hineingeben, die Fläche nicht anders. Das ist das eigentliche Problem, vor dem wir stehen.

Zum Zweiten: Wenn Sie Hessen als Beispiel anführen, müssen Sie auch sagen, wir wollen in Sachsen – genau wie in Hessen – zum Beispiel Windenergie im Wald. Das wird in Hessen gemacht. Wir sind sehr vorsichtig, wenn es um das Thema Landschaftsschutz und das Thema Wald geht. Von daher: Was vergleichen Sie? Sie haben hoffentlich aktiv zugehört und meine Ungeduld bemerkt. Es geht nicht darum, dass ich etwas in dem Sinne verteidige, dass ich zufrieden bin. Ich bin nicht zufrieden. Ich würde Sie jetzt auch nicht damit überfordern, dass Ihr Maßstab der Zufriedenheit meiner sein müsste. Da werden wir weiterhin auseinanderliegen.

Aber es bleibt dabei: Ich bin verantwortlich für den gesamten Prozess und für den Weg dorthin. Dabei kann ich nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, sondern ich muss diese Frage – Fläche zugunsten der Windenergie, aber zulasten von Natur und Mensch – immer abwägen. Wir haben die Grenzen weggeräumt, die vorher künstlich gesetzt wurden. Aber es bleibt dabei, der Aushandlungsprozess in den Planungsverbänden muss geschehen. Sie haben jetzt mehr Spielräume als vorher, und ich hoffe, dass diese auch im Sinne der Windenergie genutzt werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren! Damit ist die Aktuelle Debatte beendet. Ich schließe den Tagesordnungspunkt und rufe auf

Tagesordnungspunkt 2

Befragung der Staatsminister

Für die Staatsregierung berichtet zunächst der Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, Herr Thomas Schmidt, zum Thema „Mehr Akzeptanz für Europa durch Bürokratieabbau – Die sächsische Vereinfachungsinitiative ELER-Reset“. Hierzu stehen laut Geschäftsordnung 10 Minuten zur Verfügung. In der anschließenden Fragestunde kann das Thema „Landwirtschaft nach der Milchkrise“ angeschlossen werden. Ich bitte jetzt den Staatsminister um seine Ausführungen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie auf Ihrem Computer zu viele Programme installieren, wenn Ihre Festplatte fragmentiert ist, wenn zu viele Cookies oder temporäre Internetdateien darauf sind, wird irgendwann ein Moment kommen, an dem er immer langsamer arbeitet und sich möglicherweise völlig verhakt. Was machen Sie dann? Sie werfen diesen Computer nicht einfach weg. Sie drücken die Reset-Taste. Sie bringen wieder Ordnung auf Ihre Festplatte, und er wird wieder sehr gut arbeiten.

Genau das ist unser Ansatz bei einem Vorschlag zur Neuausrichtung des „Europäischen Programms zur Entwicklung der ländlichen Räume“, von dem wir in den letzten 25 Jahren, seit wir davon Gebrauch machen können, sehr gut profitiert haben. Unsere Städte und Dörfer im ländlichen Raum haben sehr gut profitiert: Der Umweltschutz wurde gefördert, die Investitionen in die Landwirtschaft wurde gefördert. Wir wollen dieses Programm nicht etwa infrage stellen, wir wollen es wieder besser zum Laufen bringen.

Auch in der laufenden Förderperiode kommen wieder 879 Millionen Euro aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für den ländlichen Raum nach Sachsen. Wir kofinanzieren das noch, und dann sind es über 1,1 Milliarden Euro, die wir im ländlichen Raum für sinnvolle Maßnahmen zur Verfügung haben. Aber Geld allein macht nun mal nicht glücklich. Wir müssen das Geld mit entsprechenden Rahmenbedingungen so einsetzen, dass wir eine hohe Akzeptanz dieses Programmes haben, dass wir letztendlich auch eine hohe Akzeptanz zu Europa selbst haben. In dieser Zeit des Brexits, des Erfolges von populistischen Kräften in vielen Ländern Europas müssen wir uns intensiv die Frage stellen, wie die Zukunft der Europäischen Union aussehen soll. Unser Ansatz des „ELER-Resets“ ist ein Mosaikstein dabei, dieses wichtige Europa für uns zu erhalten; denn wir brauchen es so dringend wie noch nie. Davon sind wir überzeugt.

Wir haben uns mit dem Ansatz dieser Initiative „ELERReset“ als Erstes die Frage gestellt: Wenn denn alle Vereinfachung wollen, warum gelingt das eigentlich nie? Warum gelingt das nie, wenn es doch alle wollen? Es ist nach unserer Auffassung so: Entweder wird nur kritisiert oder es kommen Vorschläge, die in Teilen der einzelnen Förderprogramme Neuvorschläge bringen. In Brüssel wird das dann zusammengefasst und am Ende wird es meist komplizierter als vorher. Deshalb waren wir als Freistaat Sachsen, als Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft so verwegen, einen komplett neuen ELER-Entwurf zu entwickeln, einen Entwurf, den die EU-Kommission theoretisch eins zu eins übernehmen könnte. Es war ein Anstoß, um Diskussionen in Ganz zu setzen, um eine Diskussionsgrundlage zu haben. Wir sind heute selbst begeistert, dass diese Modellverordnung so große Wogen geschlagen hat. Nicht nur in Brüssel ist es auf große Akzeptanz gestoßen, sondern auch weit darüber hinaus.

Wir wollen mit dieser Modellverordnung ein völlig neues Fördersystem mit weniger zentralen Vorgaben, mit klaren, verbindlichen Regelungen und verhältnismäßigen Kontrollen erreichen. Es ist leider so, dass die heutigen Regularien der EU-Förderung selbst hoch spezialisierte Mitarbeiter unserer Verwaltung hier in Deutschland und Sachsen an ihre Grenzen bringen. Wir rümpfen manchmal die Nase über Länder, die erst viel später zur Europäischen Union hinzugekommen sind. Aber wie wollen diese Länder das leisten, wenn wir es kaum schaffen?

Das erste reguläre Programm für den Freistaat Sachsen zur Entwicklung der Landwirtschaft von 1994 hatte einen Umfang von 80 Seiten. Jetzt haben wir ein Programm, das 1 000 Seiten umfasst. Trotzdem sind die Ziele bzw. die Zielerreichung, also die Ergebnisse, auch nicht besser. Allein das drückt schon aus, wo wir wieder hinmüssen.

Hinzu kommen heute 24 EU-Verordnungen und rund 60 Leitlinien mit weiteren 2 000 Seiten Text. Diverse zusätzliche Regelungen, beispielsweise zum Beihilferecht oder auch Landesregelungen zum Lebensmittelrecht, sind hier noch nicht einmal eingerechnet. 1994 gab es lediglich fünf Verordnungen mit zusätzlich rund 30 Seiten.

Gegenwärtig kommt es bei der europäischen Förderung mehr und mehr nur noch darauf an, Verfahrensfehler und damit Anlastungen zu vermeiden. So werden die Programme dann auch versucht zu stricken, dass sie überhaupt umsetzbar sind. Die Zielerreichung sollte dabei im Mittelpunkt stehen, aber wir versuchen inzwischen, die Umsetzbarkeit für den Antragsteller, aber auch für unsere

eigene Verwaltung in den Mittelpunkt zu stellen. Das kann doch nicht der richtige Weg sein!

Gleiches gilt für die Kontrollen. Inzwischen kontrollieren uns bis zu zwölf Institutionen, und oftmals kontrollieren sie das Gleiche. Sie müssen sich das so vorstellen: Wenn ein einzelner Antragsteller mehrmals zum gleichen Thema kontrolliert wird, dann wird die Akzeptanz Europas dadurch nicht steigen.

Ich habe Ihnen schon das Beispiel eines Bäckers genannt, der in Ostsachsen einen Pasta-Kocher gefördert bekommen hat. Es handelte sich um eine Summe von insgesamt 3 500 Euro an Förderung. Er hat das Geld nicht veruntreut und das Ziel war zu 100 % erreicht. Er hat ihn jedoch wenige Tage früher bestellt, als er den Bescheid in der Hand hatte – der klassische Fehler. Hier könnte man sagen „Pech gehabt, das hätte er ja wissen müssen“. Die Meldung an die EU und die Kontrolle haben dazu geführt, dass man diesen Fehler statistisch hochrechnete und der Freistaat Sachsen musste 860 000 Euro Strafzahlung leisten, Anlastung genannt. Das kann man niemandem mehr vermitteln; hier sollte man einen Gang oder – besser gesagt – mehrere Gänge zurückschalten.

Wir hatten eine Kontrolle in fünf Bundesländern, wobei in zwei Bundesländern keine Fehler festgestellt wurden. Dennoch wurde die Fehlerquote aus den drei anderen Bundesländern für alle fünf festgesetzt. Sachsen war eines der beiden Länder, das keinen Fehler hatte. Das ergab für Sachsen 4 Millionen Euro Anlastung, die an die EU zu zahlen waren, obwohl wir keinen Fehler gemacht hatten. Allerdings haben wir dort energisch interveniert und konnten am Ende durch intensiven, großen Aufwand und Diskussionen diese Zahlung abwehren, sodass wir diese nicht leisten mussten. Aber allein die Tatsache, dass wir es theoretisch hätten zahlen müssen, drückt schon vieles aus.

Wir müssen uns bei der Bürokratiedebatte ehrlicherweise auch die Frage stellen: Wo kommt das alles her? Es ist unser Ansatz, nicht mit dem Finger auf Brüssel zu zeigen. Das ist einfach falsch. Es sind ganz oft Forderungen, die aus den Mitgliedsstaaten selbst kommen, wobei jeder nach seinen speziellen Problemstellungen im Land agiert. Brüssel muss das dann zusammenfassen und erklärende Texte dazu schreiben, die dann wiederum für alle gelten und das ganze System Schritt für Schritt verkomplizieren.

Es geht uns also um den Blick nach vorn und nicht um die Diskussion, wer hier Schuld hat. Darin werden wir uns nicht verfangen; das ist nicht unser Ziel. Wir wollen einfach nach vorn schauen und die Frage beantworten, wie wir es besser machen können. Daher dieser konkrete Vorschlag.

Wir haben hierfür Zustimmung aus verschiedenen Institutionen in Brüssel erhalten – aus der Generaldirektion, aus dem Europäischen Parlament. Wir haben die inhaltliche Diskussion von der technischen Umsetzung getrennt. Auch das ist ein Ansatz, wo wir gesagt haben: Eigentlich streitet man sich immer über Inhalte. Wie viel geht in den Naturschutz? Wie viel geht in Investitionen in die Landwirtschaft?

Wir haben gesagt: Egal, welche Schwerpunkte gesetzt werden, wir diskutieren über die technische Umsetzung. Das hat dazu geführt, dass wir eine sehr breite Zustimmung haben – vom Europäischen Bauernverband bis zu den europäischen Naturschutzverbänden, von den Städte- und Gemeindetagen ebenso wie von den Landkreistagen. Wir bekommen auch viel Zustimmung aus den Nationalstaaten.

Mit vielen Ministern aus den Mitgliedsstaaten habe ich darüber gesprochen. Ich habe im Europäischen Parlament im Haushaltskontrollausschuss vortragen dürfen. Es gibt hier anscheinend ein Bedürfnis, das sich mit unserem deckt.

Bei Fragen kann ich noch tiefergehende Ausführungen dazu machen. Zunächst einmal bis hierher vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Die CDU beginnt nun mit der Fragestellung.

Vielen Dank für Ihre Ausführungen, Herr Staatsminister.

Meine Nachfrage: Künftig soll zielorientierter und ergebnisorientierter gefördert werden. War das in der Vergangenheit so nicht der Fall?

Das war natürlich auch in der Vergangenheit schon der Fall. Die Förderung erfolgt immer zielorientiert. Was ich Ihnen beschrieben habe – also der Bürokratieaufwuchs, was alles einzuhalten ist und welche Indikatoren alle zu melden sind –, ist der Punkt, wo die Probleme im Verfahren liegen, wo leicht Fehler auftreten können. Das hat dazu geführt, dass man Schritt für Schritt hin zu einer Verfahrensorientierung kam, um ein Ziel zu erreichen, aber der Schwerpunkt sowohl bei der Entwicklung der Programme als auch bei den Kontrollen lag immer mehr auf dem Weg dorthin und weniger auf dem Ziel. Hier müssen wir wieder mehr zu einer Zielorientierung kommen.

Wenn wir das Ziel zu 100 % erreichen, aber ein Formfehler unterlaufen ist, weil beispielsweise ein Formular falsch ausgefüllt worden ist, eine falsche Rechnung eingereicht worden ist oder bestimmte Nachweise nicht vollständig erbracht worden sind, dann kann man sicherlich in dem einen oder anderen Fall einen Teil nicht fördern. Das darf aber nicht automatisch zu Sanktionen führen.

Wir brauchen eine Unterscheidung zwischen Fehlern und Betrug. Auch vorsätzlicher Betrug muss natürlich in Zukunft streng verfolgt werden; das muss vermieden werden. Hier dürfen wir also nicht lockerlassen. Bei normalen Formfehlern, die aber die Zielerreichung überhaupt nicht infrage stellen, muss es ein anderes Herangehen geben. Das meinen wir mit „mehr Zielorientierung und weg von der Verfahrensorientierung“. Hier müssen wir wieder hinkommen.

Nun Herr Stange für DIE LINKE, bitte.

Sehr geehrter Herr Staatsminister, vielen Dank, dass Sie uns heute zur Verfügung stehen.

Die Vorschläge, die Sie in Ihrem Vortrag eher kryptisch umschrieben haben, beziehen sich hauptsächlich auf das Verfahren und die ausufernde Bürokratie. Welche konkreten inhaltlichen Ziele und Schwerpunkte bringt der Freistaat in die Beratungen zur Ausgestaltung des ELER ab 2021 in diesem Bezug in die Debatte ein? Wie wurden die konkreten Punkte der Vereinfachungsstrategie, die Sie gegenüber der Kommission zur Vereinfachung des ELER vorgebracht haben, konkret durch die Kommission bewertet?

Wir haben – das können wir Ihnen gern zur Verfügung stellen – einen kompletten Entwurf entwickelt. Hier gibt es also einen unterschiedlichen Ansatz. Daher kann man auch nicht sagen, wie sich dieser verhält.

Wir haben einen komplett neuen Entwurf entwickelt, der der Kommission, dem Europäischen Parlament und allen Mitgliedsstaaten zur Verfügung steht. Ein Prinzip habe ich bereits genannt: Wir wollen hin zu einem sogenannten Single-Audit. Wenn zwölf Organisationen oftmals das Gleiche kontrollieren, dann kann das schlicht und ergreifend nicht sein.