Protocol of the Session on March 15, 2017

Eine Konzeption allein genügt nicht. Der Landtag als Gesetzgeber muss schon bei der Frage der Zusammenlegung der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung durch entsprechende Änderungen der sächsischen Ausführungsgesetze zu § 305 der Insolvenzverordnung und des Sozialgesetzbuches befasst werden. Zudem hat sich – wie schon erwähnt wurde – der Bayerische Landtag bereits vor zwei Jahren intensiv mit dem Thema befasst, und es gibt von den verschiedenen Trägern schon entsprechende Konzepte.

Wir verbinden mit unserer Zustimmung zu Ihrem Antrag die Hoffnung für die Hilfesuchenden, dass sowohl die Konzeption als auch die entsprechenden Änderungsgesetze noch in dieser Legislaturperiode dem Landtag vorgelegt werden.

Da es sich um unsere Forderungen handelt, werden wir dem Antrag natürlich zustimmen.

(Beifall bei den LINKEN)

Nun die AfD-Fraktion. Herr Abg. Hütter; bitte sehr, Sie haben das Wort.

Danke schön. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Viele Sachsen haben beim Auskommen mit ihrem Einkommen Probleme. Die Nachfragen bei den Schuldnerberatungen sind ein Fingerzeig dafür. Stark gestiegene Energiepreise, Trennung oder Scheidung, niedrige Löhne oder zu hohe Kosten für Mieten – die Ursachen für Überschuldung sind vielschichtig.

Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen in Sachsen hat sich in den vergangenen 15 Jahren verzehnfacht. Im Jahr 2000 waren es noch 323, im Jahr 2015 3 901. Zwischenzeitlich gab es einen Höhepunkt von über 5 000 in den Jahren 2006 bis 2008.

Wir sehen, es handelt sich leider um ein weitverbreitetes Problem. Solch eine Insolvenz hat in der Regel eine

Vorgeschichte, nämlich Überschuldung. Diese Überschuldung steht nicht für sich allein.

Meine Damen und Herren, Überschuldung führt zu Verarmung und sozialer Ausgrenzung. Überschuldung bedeutet für die Betroffenen eine völlige Destabilisierung ihrer Existenz. Zu Unrecht wird in der öffentlichen Diskussion Überschuldung regelmäßig auf materielle Probleme verkürzt. Es ist festzustellen: Die kritischen Verhältnisse belasten Partnerschaften schwer und wirken sich negativ auf die Entwicklung von Kindern aus.

Schuldnerberatung hilft in solchen Fällen. Schuldnerberatung ist unverzichtbar für die Stabilisierung überschuldeter Menschen. Überschuldete Menschen haben ohne eine qualifizierte Schuldnerberatung kaum mehr eine Chance, die aus der Überschuldung resultierenden Probleme allein zu lösen. Die soziale Schuldnerberatung der Wohlfahrts- und Verbraucherverbände erfüllt auch die Aufgabe einer wirtschaftlichen und sozialen Stabilisierung. Schuldnerberatung wirkt präventiv. Durch Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit wird ein wichtiger Beitrag geleistet. Es wird aufgeklärt über Risiken und Verlockungen, es wird ein Beitrag geleistet, der es verhindert, dass Menschen in eine Verschuldungssituation geraten.

Die Beratung überschuldeter Menschen ist eine notwendige und sinnvolle Hilfe. Schuldnerberatung mit ihren verschiedenen Elementen ist eine umfassende und komplexe Tätigkeit. Dazu gehören sowohl die sozialen Schuldnerberatungen als auch die Verbraucherinsolvenzberatung als wichtige Komponenten. Die Mitarbeiter der Beratungsstellen verdienen unseren Respekt und unsere Anerkennung für ihre häufig nicht einfache Arbeit.

Eine Zusammenführung von Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung – so die Intention Ihres Antrages – ist sinnvoll. Eine Zusammenarbeit findet ja heute schon weitgehend statt. Insoweit ist der Antrag von uns zu unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Herr Abg. Zschocke, bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorredner haben es alle gesagt: Die Zusammenführung von Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung ist sinnvoll und natürlich längst überfällig; denn beide Angebote lassen sich kaum voneinander trennen. Insolvenzberatung ist sehr oft ein Mittel im Prozess der Schuldnerberatung. Wenn man es zusammenführt, schafft dies Synergien, und das ist auch hilfreich, weil im Zuge der Insolvenzrechtsreform die Beratungen aufwendiger geworden sind.

Es wird vor allem für die Betroffenen einfacher. Wenn Sie sich vorstellen: Es kann sehr belastend sein, wenn man die Folgen einer gescheiterten Ehe, einer schweren Krankheit, von Arbeitsplatzverlust oder zum Beispiel

Spielsucht erst bei der Schuldnerberatung auf den Tisch legen und dann noch einmal bei der Verbraucherinsolvenzberatung offenbaren muss. Herr Fischer, Sie haben völlig recht, ein ganzheitlicher Beratungsprozess aus einer Hand ist natürlich ein gutes Ziel. Deswegen werden wir den Antrag der Koalition wegen dieser Zielstellung unterstützen.

Trotzdem, meine Damen und Herren, komme ich nicht umhin, die inhaltliche Ausgestaltung dieses Antrags zu hinterfragen: Warum verzichten Sie völlig darauf, der Staatsregierung eigene Vorstellungen vom Wie dieser Zusammenführung mit auf den Weg zu geben? Regieren heißt doch, Prozesse zu gestalten und eigene Lösungen zu entwickeln und nicht nur das nachzuvollziehen, was die Staatsregierung 2018 vorlegt. Sie beziehen sich ja sogar auf einen bereits erfolgten Prozess, Herr Fischer. In Bayern hat der Landtag schon 2011 die Zusammenführung der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung unter dem Dach der Kommunen beschlossen. Es gibt ja konkrete Erfahrungen zu dieser Zusammenführung. Es sind dabei auch Finanzierungsprobleme offenkundig geworden. All das berücksichtigen Sie in Ihrem Antrag nicht.

Ich verstehe auch nicht, warum Sie im Zuge der Erarbeitung einer Konzeption nicht gleich die aktuelle Förderpraxis auf den Prüfstand stellen; denn Interessenbekundungsverfahren aller drei Jahre erzeugen einen erheblichen Druck auf die Träger der Beratungsstellen. Um gute Qualität zu entwickeln, braucht es verlässliche Förderung. Eine Festbetragsfinanzierung, wie es jetzt gehandhabt wird, ermöglicht zum Beispiel keine Tarifanpassung oder führt zu Stellenkürzungen bei Tarifanpassungen. Auch der Sachkostenanteil pro Beratungseinheit wäre doch vor dem Hintergrund steigender Betriebskosten zu überprüfen.

All das wollen Sie jetzt nicht tun. Statt Nägel mit Köpfen zu machen, wollen Sie wahrscheinlich eine Art sozialpolitische Aktivität simulieren in einem Bereich, in dem wir uns alle einig sind. Ihr konkretes Handeln beschränken Sie auf so ein unambitioniertes Ersuchen an die Staatsregierung ohne jegliche inhaltliche Vorgabe. Ich kann daraus nur schlussfolgern: Offenbar ist die Arbeit in dieser Koalition so zum Stillstand gekommen, dass einfach nicht mehr an inhaltlicher Bewegung möglich ist, und das kann sich zum Problem entwickeln – Frau Pfau hat es auch schon ausgeführt –, weil im Falle einer Delegation der bisher staatlichen Förderung der Verbraucherinsolvenzberatung an die Kommunen dann auch sichergestellt werden muss, dass diese Kosten erstattet werden. Dafür muss Vorsorge im Landeshaushalt getroffen werden, denn die Kommunen werden es nicht akzeptieren, wenn sie im Ergebnis einer Zusammenführung die in Verantwortung des Landes liegenden Aufgaben irgendwie querfinanzieren müssen.

Deshalb, Frau Lang, reicht ein Impuls oder eine Willensbekundung des Landtags nicht aus. Ich denke vom Ergebnis her. Am Ende müssen die zusammengeführten Beratungsstellen in der Lage sein, die Aufgaben stabil, profes

sionell und in hoher Qualität zu erfüllen. Damit Verbraucherinsolvenz gelingt, sind bestimmte Leistungsinhalte, Verfahrensabläufe und Mindeststandards dafür unabdingbar. Da ist Bayern kein gutes Vorbild, weil die dortige CSU bisher eine angemessene Ausstattung der gemeinsamen Beratungsstellen verhindert.

Wenn also am Ende des sächsischen Prozesses die Kommunen mit dieser Verantwortung allein bleiben, geht Ihr Antrag in seiner Zielstellung von heute nach hinten los.

Meine Damen und Herren, Ihr Antrag weicht vielen notwendigen Erklärungsbedarfen aus. Unsere Zustimmung zu diesem Antrag bedeutet nicht, dass wir das akzeptieren; wir erwarten Klarheit über den weiteren Prozess. Insbesondere die Finanzierungsfrage darf sich nicht zu einem Schwarzer-Peter-Spiel zwischen Land und Kommunen entwickeln.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es noch Redebedarf für eine zweite Runde? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Jawohl, deutlich zu erkennen. Frau Staatsministerin Klepsch, Sie haben das Wort; bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank für diesen Antrag! Aus den Worten der Vorredner ist deutlich geworden, dass hier sicherlich eine fraktionsübergreifende Zustimmung zu diesem Antrag vorliegen wird.

Lassen Sie mich noch einmal ganz kurz auf den Inhalt eingehen. Die Schuldner- und die Verbraucherinsolvenzberatung sind quasi zwei Seiten derselben Medaille. Sie haben in der Praxis viele Gemeinsamkeiten. Eine Zusammenführung ist demzufolge einfach nur richtig. Ich glaube, das ist sehr deutlich geworden.

Neben Bayern, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern sind wir ein weiteres Flächenbundesland, das diesen Weg gehen will. Ich gehe davon aus, dass dem weitere Bundesländer folgen werden.

Noch einmal ganz kurz ein Blick auf die Situation, wie sie gerade ist. Die soziale Schuldnerberatung umfasst die Schuldnerberatung nach SGB XII und SGB II. Es gibt bei uns im Freistaat Sachsen 48 Schuldnerberatungsstellen. Sie befinden sich in der Trägerschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Diese wiederum wird von den Landkreisen und kreisfreien Städten finanziert. Es handelt sich hierbei also um eine kommunale Aufgabe.

Im Jahr 2015 wurden für soziale Beratungen insgesamt rund 4 Millionen Euro ausgegeben. Rund 24 000 Bürgerinnen und Bürger konnten im Freistaat Sachsen beraten werden.

Nun ist nicht jeder, der eine soziale Schuldnerberatung in Anspruch nimmt, ein Bürger, dessen Fall in einem Insol

venzverfahren mündet. Aber wenn der Klient doch zahlungsunfähig ist, dann wird er letztlich an eine Verbraucherinsolvenzberatungsstelle weitervermittelt.

Für die Förderung stehen in unserem Doppelhaushalt insgesamt 2,1 Millionen Euro zur Verfügung. Wir haben 29 Träger, die nach der Förderrichtlinie meines Hauses unterstützt oder finanziert werden.

Wenn man hierbei noch einmal die Statistik bemüht, dann ist zu verzeichnen, dass die Zahl der bei Gericht eingeleiteten Verbraucherinsolvenzverfahren rückläufig ist.

Abgeschlossene außergerichtliche Einigungsversuche der Verbraucherinsolvenzberatungsstellen sind dagegen

gestiegen.

Wenn wir von Verbraucherinsolvenzberatung sprechen, dann sprechen wir von einer Aufgabe des Freistaats Sachsen, und genau dabei sind wir natürlich beim Kern der Sache. Ich denke, Frau Lang ist darauf schon sehr ausführlich eingegangen.

Die soziale Schuldnerberatung und die Verbraucherinsolvenzberatung haben unterschiedliche Angebotsstrukturen, und – das ist die besondere Schwierigkeit – es sind eben verschiedene Finanzierungsverantwortlichkeiten.

Das Konzept der Verzahnung wird vor allem die Herausforderung in sich tragen, diese unterschiedlichen Finanzierungsverantwortlichkeiten miteinander in Einklang zu bringen.

Der Weg zu einer einheitlichen Lösung muss die kommunale Selbstverwaltung und die Landeskompetenzen miteinander vereinen, ohne dass die jeweilige Interessenlage dabei infrage gestellt wird. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, aber die Vorteile liegen einfach auf der Hand, in erster Linie natürlich die Vorteile für die Schuldnerinnen und Schuldner. Sie würden davon profitieren, weil alle Verfahren aus einer Hand kämen und dadurch möglicherweise auch von einer Person.

Die Träger würden davon profitieren. Sie würden nur noch einen Finanzierungsantrag stellen müssen, bekämen nur noch einen Bescheid und hätten auch nur noch einen Verwendungsnachweis zu erstellen.

Natürlich würden auch die Bewilligungsbehörden Vorteile haben; denn der Verwaltungs- und Prüfaufwand würde sich dadurch ebenfalls deutlich verringern.

Noch einmal zusammenfassend ausgedrückt: Die angestrebte Zusammenführung der sozialen Schuldnerberatung und der Verbraucherinsolvenzberatung ist ein richtiger Schritt und letztlich ein weiterer Baustein für eine glaubwürdige Sozialpolitik unseres Freistaats Sachsen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir hörten gerade die Frau Staatsministerin. Wir sind jetzt am Ende der Aussprache angekommen. Das Schlusswort geht jetzt noch einmal an die einbrin