Protocol of the Session on February 2, 2017

von Schule und Jugendeinrichtungen stattfinden, sondern mit Unterstützung durch staatliche und zivilgesellschaftliche Einrichtungen und Organisationen, die auf diesem Gebiet tätig sind.

So weit der Exkurs in die Fachwelt, hier konkret Ceylan und Kiefer als Quelle.

Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass wirksame Maßnahmen nur bedarfsgerecht, zielgruppenorientiert und ressortübergreifend ausgerichtet werden sollten. Dafür braucht es Maßnahmen und Strukturen, die einzelnen Präventionsebenen gerecht werden, auf diese abstellen und individuelle Lösungsansätze ermöglichen. Genau darauf zielt unsere Arbeit ab und setzt an dieser Stelle an.

Im Freistaat Sachsen wie auch auf Ebene des Bundes laufen derzeit mehrere Projekte, um frühzeitig einer möglichen Radikalisierung entgegenzuwirken. Solche Projekte und Programme sind außerdem in der unmittelbaren Vorbereitung und befinden sich kurz vor der Umsetzung.

Ein wichtiger Ansatzpunkt kann dabei sein und ist der Bereich Schule. Das SMK hat dem dahin gehend Rechnung getragen, dass es sich ab diesem Jahr verstärkt der Vermittlung demokratischer Werte widmen möchte. Diesem wird beispielsweise durch Bildung eines neuen Referates zum 1. Februar sowie durch Einsetzung einer Expertenkommission Rechnung getragen. Auch spielt das Thema in der Lehrerweiterbildung eine Rolle, so beispielsweise in einer Fortbildung Mitte Februar zum Thema „Salafismus – ein Jugendphänomen“.

Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt sind die Asylunterkünfte. Hier hat das Innenministerium unter anderem dadurch reagiert, dass es entsprechende Materialien zur Information unter dem Thema „Islamistische Radikalisierung unter Flüchtlingen erkennen“ – eine Kurzinformation für in der Flüchtlingsarbeit Beschäftigte – zur Verfügung gestellt hat, wodurch letztendlich auf Beratungsmöglichkeiten hingewiesen und konkrete Verantwortlichkeiten benannt werden, an die sich Ratsuchende wenden können.

Das Landesamt für Verfassungsschutz führt ferner zielgruppenorientierte Informations- und Sensibilisierungsveranstaltungen sowie Beratungsgespräche zum Thema „Islamismus“ und „Islamistische Radikalisierung“ durch.

Im Bereich der Justiz werden, wie in der Begründung des vorliegenden Antrags auch deutlich gemacht wird, bereits Programme zur Toleranzentwicklung bei extremistisch gefährdeten Jugendstrafgefangenen umgesetzt. Kollege Lippmann hat darauf hingewiesen. Gleichwohl stellt die zunehmende Zahl ausländischer und extremistischer Gefangener die Bediensteten vor ganz neue Herausforderungen. Herr Staatsminister der Justiz hat dazu bereits gestern hinreichend ausgeführt. Die Bediensteten sollen künftig unter anderem in entsprechenden Fortbildungsmaßnahmen noch besser für den Vollzugsalltag mit Gefangenen aus unterschiedlichen Kulturkreisen und mit unterschiedlichen – teils extremistischen – politischen und

religiösen Überzeugungen befähigt werden. Ein entsprechender Handlungsleitfaden für die Bediensteten wird hierfür erstellt.

Zum Thema Landespräventionsrat Sachsen. Derzeit wird das Demokratiezentrum aufgebaut, welches das Ziel hat, die bestehenden Netzwerke und Bemühungen im Bereich der Demokratiestärkung und Extremismusprävention zu bündeln. Unter Berücksichtigung bereits vorhandener Strukturen und Möglichkeiten sowie länderspezifischer Erfordernisse und Bedarfe kann auch ein qualifiziertes Beratungsangebot im Hinblick auf Strategien gegen demokratie- und rechtsstaatsfeindliche islamistische

Bestrebungen angeboten werden. Das Konzept setzt verstärkt auf den Kontakt zu muslimischen Organisationen und Gemeinden. Die Arbeit soll im Verbund von staatlichen Stellen und freien Trägern geleistet werden. Noch sind sicherlich nicht alle Details geklärt, aber wir befinden uns auf einem guten Weg.

Hinsichtlich Ihres Antrages bleibt noch zu bemerken, dass dieser aus unserer Sicht einen unzureichenden Fokus auf den Bereich der Familien legt. Diese spielen aber im Rahmen einer effektiven Prävention eine wichtige Rolle und sollten nicht außen vor gelassen werden. Auch dem wollen wir mit unseren Maßnahmen Rechnung tragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie Sie den Ausführungen entnehmen können, laufen im Freistaat Sachsen wie auf der Ebene des Bundes derzeit mehrere Projekte und Programme bzw. sind im Entstehen. Uns eint das Ziel, frühzeitig einer möglichen Radikalisierung entgegenzuwirken. Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geht in die richtige Richtung. Gleichwohl sehen wir es so, dass der Antrag in der Sache abschließend erledigt ist und von daher keine Zustimmungsfähigkeit besitzt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Nach Herrn Kollegen Kiesewetter spricht jetzt Herr Kollege Stange für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Der Antrag der GRÜNEN ist mehr als zeitgemäß und seine Annahme und Umsetzung dringend geboten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Seine Notwendigkeit ergibt sich schlichtweg aus der Tatsache, dass trotz aller Bemühungen um Integration auf der einen Seite und Bekämpfung terroristischer Bedrohungen auf der anderen Seite bislang nicht zu erkennen ist, wie sich Sachsen grundsätzlich auf ein sehr soziales Problem, nämlich den Zusammenhang von Ausgrenzung und Radikalisierung und damit verbundener gravierender Sicherheitsrisiken, die Gefahr terroristischer Anschläge –

was uns offensichtlich auf lange Zeit, vermutlich mehrere Jahrzehnte, beschäftigen wird –, einstellt.

In gewisser Weise erinnert diese Zaghaftigkeit und Zögerlichkeit im Bereich nachhaltiger Präventionsarbeit an die gestrige Debatte um den Fall al-Bakr und das Versagen sächsischer Sicherheitsstrukturen, die den Eindruck erweckt, man habe in Sachsen den Schuss zum Beginn einer Neuausrichtung öffentlicher Sicherheit in Deutschland und europaweit nicht gehört.

Auch im Bereich der Radikalisierung und ihrer Bedingungen sowie einer diese Radikalisierung zurückdrängenden Prävention hat die Sächsische Staatsregierung augenscheinlich noch nicht wirklich zur Kenntnis genommen, auf welche neuen Entwicklungen es sich einzustellen gilt, und zwar nicht nur bezüglich der Verbesserung dieser oder jener Einzelmaßnahme, sondern auch im Sinne einer wirklichen Neuorientierung.

Um es noch einmal zu sagen: Deshalb ist der hier vorliegende Antrag in seinem Grundanliegen vollständig zu unterstützen, und das umso mehr, als er auf eine Konzeptausschreibung und -erarbeitung abzielt, in deren Realisierung die genauen Inhalte eines möglichen Präventionskonzeptes erst noch genauer zu debattieren sind. Das heißt dann auch, dass die unter a) bis f) aufgeführten Einzelthemen in Ihrem Antrag nicht als abschließend zu betrachten sind.

Um das Argument der notwendigen Neuorientierung im Bereich der Präventionsarbeit auf Radikalisierung und Terrorismus zu untersetzen, sei beispielhaft auf das im Rahmen von „Horizon 2020“ finanzierte gemeinschaftliche Forschungsprogramm „ProTon“ verwiesen. Es zielt darauf ab, das bestehende Wissen zum Prozess der Rekrutierung und Ausprägung von Netzwerken der organisierten Kriminalität und des Terrorismus – OCTN, Organised Crime and Terrorist Networks – in einer, wie es heißt, innovativen Verbindung von Sozial- und Computerwissenschaft zu erforschen, um eine faktengestützte Politik zur Prävention und Bekämpfung dieser Phänomene auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene zu befördern. Dieses Projekt ist mit Bezug auf das Thema des in Rede stehenden Antrages deshalb so interessant, da es die zu beherrschende Komplexität eines nachhaltig auf die Zukunft gerichteten Präventionsprogramms im Bereich von Radikalisierung und Terrorismus sichtbar macht.

Vor diesem Hintergrund müssen wir trotz grundsätzlicher Zustimmung zum Antrag dennoch die Frage aufwerfen, ob eine wirkliche Neuausrichtung – und nur darum kann es aus unserer Sicht hierbei gehen, wenn Entstehungssituationen radikalisierter Gewalt zuverlässig aufgehoben werden sollen – im Bereich der Prävention von Radikalisierung nur auf das Teilproblem islamistischer Radikalisierung in Sachsen beschränkt wird. Sie haben dazu auch weitergehend ausgeführt. Natürlich kann man dagegen förmlich einwenden, dass eine zu große Ausweitung des Inhalts von Präventionsprogrammen das beste Anliegen zerstören kann.

Andererseits muss doch gefragt werden, ob es wirklich erfolgversprechend ist, wenn lediglich ein Teilbereich, noch dazu unter religiösem Bezug, und damit immer in der Gefahr einer unzulässigen Diskriminierung der betreffenden Religion, von Radikalisierung erfasst werden soll. Hier sind wir der Auffassung, dass es eines strategischen Ansatzes zur Prävention von Radikalisierung in unserer Gesellschaft bedarf. Wir sehen uns darin zum Beispiel durch die Position der OSZE gestärkt, die einen Ansatz der Prävention von Terrorismus und der Vorbeugung von gewaltsamem Extremismus, der zu Terrorismus führt – so die sinngemäße Übersetzung des Titels der Studie der OSZE von 2014, an der im Übrigen auch deutsche Experten teilgenommen haben –, verfolgt.

Der Deutsche Präventionstag spricht in ähnlicher Weise von Prävention, von Radikalisierung und demokratiefeindlichem Extremismus, nachzulesen auf der Homepage des Präventionstages, auf der unter dem genannten Thema eine Vielzahl entsprechender Beiträge zu finden ist. Im Englischen ist der komplexere Ansatz, der sich nicht nur auf Terrorismus oder gar religiös unterscheidbare Teile von Terrorismus bezieht, unter dem Kürzel „VERLT“ bekannt. Ausgesprochen heißt das „Violent Extremism and Radicalization that Lead to Terrorism“.

Uns scheint, dass nur ein solcher komplexerer Ansatz zielführend ist, da er einerseits an die gesellschaftlichen Wurzeln von Radikalisierung heranführt und es deshalb andererseits überhaupt ermöglicht, die interdisziplinäre Natur eines effektiven Präventionsprogramms und die notwendige Vielschichtigkeit der einzubeziehenden

gesellschaftlichen Kräfte zu erkennen und zu gestalten.

Nur um ein paar Stichworte bzw. Gedanken in den Raum zu werfen: Lokale Radikalisierung ist mit grenzenloser Radikalisierung durch das Internet zu verbinden, was im Umkehrschluss bedeutet, dass es keine rein lokalen oder regionalen Lösungen geben kann, sondern dass Vernetzung über den regionalen und nationalen Rahmen hinaus von Beginn an mit zu denken und zu gestalten ist.

Das sind Dimensionen, die in Sachsen und in den Ministerien noch nicht ausreichend wahrgenommen werden – so unsere Auffassung. Um hier wirklich im Sinne einer effektiven Präventionsarbeit in Sachsen voranzukommen, müssen bestehende Rahmenbedingungen grundsätzlich überdacht werden, wenn Sie so wollen, infrage gestellt werden.

Es muss zwar angesichts der Erfahrungen mit der mangelnden Innovationskraft der Sächsischen Staatsregierung bezweifelt werden, ob mithilfe dieses Antrags oder ähnlicher parlamentarischer Initiativen der Schutz oder Weckruf vernommen und mehr noch in eine ernst gemeinte Neugestaltung der Präventionsarbeit im Bereich der Radikalisierung von Menschen in unserer Gesellschaft begonnen wird. Wir jedenfalls geben die Hoffnung nicht auf und hoffen, dass es mit diesem Antrag gelingen mag. Wir werden ihm zustimmen und bitten Sie, Gleiches zu tun.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Nun ist die SPD-Fraktion an der Reihe, Herr Abg. Homann. Bitte sehr, Herr Homann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Radikalisierung und islamistischer Terrorismus sind ohne Frage eines der großen Themen und eines der großen Probleme, die uns im Moment beschäftigen. Die Bedrohung ist akut. Die Bedrohung ist da. Daran gibt es nichts schönzureden: Berlin, al-Bakr in Sachsen, aber natürlich auch Paris, Nizza und im Übrigen weltweit. Ich glaube, die meisten Todesopfer von islamistischen Terroristen auf der Welt sind Muslime. Das will ich an dieser Stelle einmal gesagt haben.

Wir haben eine reale Bedrohung, und wir sind gut beraten, an dieser Stelle mit klugen und überlegten Ideen, nicht nur bei der Frage der Repression, sondern auch auf der Ebene der Vorbeugung, der Prävention, zu überlegen, wie wir diesem Problem begegnen können.

Beim islamistischen Terrorismus gilt, wie in anderen Formen von Terrorismus auch, dass dieser aus einer weiteren Abschottung und einer weiteren Radikalisierung einer ohnehin schon radikalen Gruppe entsteht. Das bedeutet natürlich, dass, wenn das die Analyse ist, gegen akuten Terrorismus nur der starke Staat hilft. Langfristig hilft gegen Terrorismus – im Übrigen neben einer gerechten Friedenspolitik – nur eine gute Integrationspolitik. Gute Integrationspolitik ist in Deutschland die beste Prävention gegen die Radikalisierung von Muslimen.

Teil einer guten Integrationspolitik muss natürlich die Präventionsarbeit sein, auch und vor allem, um Musliminnen und Muslime – im Übrigen Muslime mit deutschem Pass und ohne deutschen Pass – vor der Radikalisierung und Indoktrinierung durch radikale Islamisten zu schützen. Das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen.

Deshalb greift der Antrag der GRÜNEN hier ein richtiges und wichtiges Thema auf. Am Ende ist dieser Antrag eigentlich ein Lob an uns, denn genau an einer solchen Konzeption arbeiten wir aktuell.

Ich will dabei nicht ins Detail gehen, denn das kann die Frau Staatsministerin, die dann sprechen wird, ohne Frage viel besser tun als ich. Ich will es nur einmal im Groben beschreiben, wie wir dazu kommen. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat ein, wie ich finde, an vielen Stellen zu Recht gelobtes Programm „Demokratie leben“ aufgebaut. Das hatte Herr Lippmann schon richtig dargestellt.

Dieses Programm „Demokratie leben“ hat verschiedene Bausteine. Einer dieser Bausteine ist der Punkt „Deradikalisierung“. Wir in Sachsen arbeiten mit diesem Programm „Demokratie leben“. Es war bis zum Ende letzten Jahres beim Innenminister Markus Ulbig zugeordnet, jetzt ist es bei Frau Staatsministerin Petra Köpping zugeordnet.

Im Rahmen dieses Programm „Demokratie leben“ laufen schon seit dem letzten Jahr die Vorbereitungen zur Aufstellung einer solchen Strategie.

Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle – auch wenn es hauptverantwortlich bei Frau Köpping liegt – für die gute und kollegiale Zusammenarbeit und die Vorarbeit, Vorbereitung und Mitarbeit bei den Kollegen Ulbig und Gemkow ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Jetzt geht es darum, dass wir das Ganze konkret machen und in Sachsen umsetzen. Ich bin frohen Mutes. Wir fassen viele Projekte und auch viele Probleme in diesem Land an. Deshalb noch einmal: Neben einer konsequenten Repression ist die Prävention extrem wichtig. Wir haben das in Sachsen erkannt und sind jetzt dabei, in Sachsen ein solches Programm auf den Weg zu bringen. Die Voraussetzungen dafür sind vorhanden. In diesem Sinne hat sich dieser Antrag eigentlich durch Regierungshandeln erledigt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die AfD-Fraktion Herr Abg. Wendt. Bitte sehr, Herr Wendt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, die islamistische Radikalisierung muss verhindert werden. Darüber sind wir uns sicherlich alle einig. Wir sind uns sicherlich alle auch darin einig, dass sich die Gefahr islamistischer Radikalisierung durch die unverantwortliche Politik der offenen Grenzen und die Möglichkeit, ohne oder mit gefälschten Ausweispapieren ins Land zu kommen, massiv erhöht hat. In diesem Zusammenhang muss man zwischen Personen unterscheiden, die bereits radikalisiert ins Land kommen, und denen, die sich hier erst radikalisieren.

Um sich dieses Themas anzunehmen, bedarf es einer grundlegenden Strategie, belastbarer Zahlen und einer Gefahrenanalyse, um ein effektives Programm auflegen zu können. Ja, auch wir möchten den Fokus auf den politisch und religiös geprägten Extremismus richten. Nicht ohne Grund haben wir dies in den letzten Haushaltsverhandlungen mittels Antrag gefordert, der leider von allen anderen Fraktionen abgelehnt worden ist.