Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Opferschutz ist in einem modernen Rechtsstaat genauso wichtig wie die Verfolgung der Straftäter und letzten Endes der Straftaten. Mit dem dritten Opferrechtsreformgesetz vom 21. Dezember 2015 wurden weitere wichtige Schritte vollzogen, um den Schutzstandard der Opfer von Straftaten zu erhöhen.
Ein zentraler Punkt innerhalb dieses dritten Opferrechtsreformgesetzes war dabei die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren. Betroffene sollen durch den psychosozialen Prozessbegleiter, einen nicht rechtlichen Vertreter des Opfers im Strafverfahren, das heißt vor, während und nach der Hauptverhandlung, qualifiziert betreut und unterstützt und über den eigentlichen Ablauf eines Strafverfahrens informiert werden. So soll vor allem die emotionale Belastung des Verletzten reduziert und eine sogenannte Sekundärfiktivisierung möglichst vermieden werden. Darauf besteht unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen, unter anderem bei schweren Gewalt- und Sexualstraftaten, sogar ein Rechtsanspruch.
Im Falle einer Beiordnung des psychosozialen Prozessbegleiters durch das Gericht ist diese Begleitung für den Verletzten kostenfrei. Die gesetzliche Normierung der psychosozialen Prozessbegleitung ist aber mit den ge
troffenen bundesgesetzlichen Regelungen, die zum 1. Januar 2017 in Kraft treten, nicht abgeschlossen. Die Einzelregelungen sind den Ländern überlassen.
Im sächsischen Ausführungsgesetz wird vor allem geregelt, welche Personen und Stellen für die psychosoziale Prozessbegleitung anerkannt werden können und welche weiteren Anforderungen dafür an Berufsausbildung, praktische Berufserfahrung, speziell die Weiterbildung und regelmäßige Fortbildung, zu stellen sind. Ein psychosozialer Prozessbegleiter soll nach dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf grundsätzlich nur anerkannt werden, wenn er zusätzlich zur notwendigen fachlichen Qualifikation einer Opferhilfeeinrichtung angehört. Das dient der Qualitätssicherung; denn damit wird sichergestellt, dass der Prozessbegleiter über ausreichende Praxis in der Opferberatung verfügt. Über mögliche Ausnahmen von diesem Grundsatz haben meine Vorredner schon ausgiebig gesprochen. Das wird also prinzipiell genauso möglich sein. Deswegen glaube ich, dass Kritik an dieser Stelle auch nicht so richtig angebracht ist.
Im Landesgesetz soll auch das Anerkennungsverfahren geregelt werden. Das betrifft die Fragen, welche Stelle für die Anerkennung zuständig ist – das wird das Sächsische Staatsministerium der Justiz sein –, welche formalen Voraussetzungen für die Anerkennung zu erfüllen sind und unter welchen Maßgaben die Anerkennung erfolgen kann. So wird die Anerkennung auf fünf Jahre befristet, wobei natürlich die Möglichkeit einer erneuten Anerkennung besteht. Außerdem wollen wir mit dem Gesetz eine länderübergreifende Anerkennung und die Führung eines Verzeichnisses in Sachsen einführen, in dem alle Prozessbegleiter gelistet werden. Dadurch kann sich jeder Betroffene über psychosoziale Prozessbegleiter informieren, die in seinem Umfeld tätig sind.
Die Infrastruktur für die psychosoziale Prozessbegleitung muss in den nächsten Jahren im gesamten Bundesgebiet noch weiter aufgebaut werden. Psychosoziale Prozessbegleitung wird in Sachsen aber schon seit vielen Jahren an vielen engagierten Stellen an den größeren sächsischen Gerichtsstandorten erfolgreich angeboten. Herr Abg. Bartl hat es gesagt: seit Februar 2013 am Amtsgericht Leipzig und seit Mai 2015 am Amtsgericht in Chemnitz. Ich gehe davon aus, dass wir diese Personen, soweit sie die notwendigen Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllen, Anfang des kommenden Jahres dann auch zügig anerkennen können, sodass eine Grundversorgung mit psychosozialen Prozessbegleitern sichergestellt ist.
Die durch die psychosoziale Prozessbegleitung anfallenden Kosten ergeben sich letztlich aus dem Bundesgesetz. Der beigeordnete psychosoziale Prozessbegleiter erhält für die Wahrnehmung seiner Aufgaben aus der Staatskasse eine Vergütung von bis zu 1 100 Euro. Die Vergütung ist der Höhe nach vom Umfang des Tätigwerdens abhängig. Die Kosten für die psychosoziale Prozessbegleitung sind im Falle einer Verurteilung eines Angeklagten dann von diesem zu tragen. Das wird letzten Endes durch eine Erhöhung der Gerichtsgebühren erreicht.
Eine genaue Prognose der Fallzahlen der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ist momentan noch nicht möglich. Das Inkrafttreten des Bundesgesetzes zum 1. Januar 2017 wird absehbar mediale Aufmerksamkeit erhalten. Für das Jahr 2017 wird im Hinblick auf die zu erwartende Anlaufphase sachsenweit aktuell von 250 Fällen ausgegangen. Für die Folgejahre gehen wir davon aus, dass es bis zu 300 Fälle im Jahr werden könnten. Die notwendigen Haushaltsmittel sind im Entwurf des Haushalts 2017/2018 veranschlagt.
Vielleicht noch ein kurzes Wort zum Zeugnisverweigerungsrecht des Prozessbegleiters. Das ist angesprochen worden. Es ist also vorgesehen, dass in einem Merkblatt, das der Opferzeuge dann bekommt, darauf hingewiesen wird, dass der psychosoziale Prozessbegleiter kein Zeugnisverweigerungsrecht hat. Ich denke, das ist eine geeignete Form, darauf hinzuweisen. Insofern kann diese Unsicherheit ausgeräumt werden.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Damit kommen wir zur Abstimmung. Aufgerufen ist: Sächsisches Gesetz zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren, Drucksache 6/6450, Gesetzentwurf der Staatsregierung. Abgestimmt wird auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Verfassungs- und Rechtsausschusses, Drucksache 6/7179. Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen vorschlagen, paragrafenweise über den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung abstimmen zu lassen. Erhebt sich hier Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann machen wir das. Änderungsanträge gibt es keine.
Wer der Überschrift seine Zustimmung geben möchte, hebt jetzt die Hand. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit stelle ich Einstimmigkeit fest. Meine Damen und Herren! Darf ich fragen, ob ich die folgenden Paragrafen en bloc abstimmen lassen kann, wenn das nach der Überschrift schon so eindeutig ist? – Ja. Ich rufe sie einzeln auf und benenne die Titel und bitte Sie dann um Ihr Stimmverhalten.
§ 1 Anerkennung, § 2 Zuständigkeit, § 3 Antrag, § 4 Befristung/Auflagen, § 5 Länderübergreifende Anerkennung, § 6 Verzeichnis, § 7 Pflicht zur Verschwiegenheit, § 8 Verordnungsermächtigung, § 9 Übergangsregelung und § 10 Inkrafttreten. Meine Damen und Herren! Wer den genannten Paragrafen seine Zustimmung geben möchte, zeigt das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit stelle ich Einstimmigkeit fest, meine Damen und Herren.
Ich stelle nun den Entwurf Sächsisches Gesetz zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren in der in der zweiten Beratung beschlossenen Fassung als Ganzes zur Abstimmung. Wer
möchte zustimmen? – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Auch hier stelle ich Einstimmigkeit fest. Damit ist der Entwurf als Gesetz beschlossen.
Meine Damen und Herren! Auch hier liegt ein Antrag auf unverzügliche Ausfertigung dieses Gesetzes vor. Dem wird entsprochen, wenn der Landtag gemäß § 49 Abs. 2
Satz 2 der Geschäftsordnung die Dringlichkeit beschließt. Wenn es keinen Widerspruch gibt, würden wir dem so entsprechen. Möchte jemand wiedersprechen? – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir die Dringlichkeit festgestellt, meine Damen und Herren, und dieser Tagesordnungspunkt ist abgeschlossen.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Gesetz zur Änderung des Landesblindengeldgesetzes ist unser Tagesordnungspunkt. Das Zweite Pflegestärkungsgesetz bringt zum 01.01.2017 Änderungen. Unter anderem werden aus bisher drei Pflegestufen fünf Pflegegrade. Daran ist unser Landesblindengeldgesetz anzupassen. In diesem Zusammenhang wird das Landesblindengeld moderat auf 350 Euro monatlich angehoben. Allerdings bleiben gegenwärtig andere Nachteilsausgleiche unberücksichtigt. Grund dafür ist der recht geringe Zeitrahmen, der zur Verfügung stand, um dieses Gesetz zu verabschieden. Insbesondere sollten Sachverhalte des in Bearbeitung befindlichen Bundesteilhabegesetzes berücksichtigt werden, die gegebenenfalls eine Rolle spielen könnten.
Allerdings wird der sehr geringe Zeitrahmen – das Gesetz soll am 01.01.2017 in Kraft treten, um unnötige Rückrechnungen des Landesblindengeldes zu vermeiden – nicht dazu führen, andere Nachteilsausgleiche zum Beispiel für hochgradig Sehbehinderte, Gehörlose oder schwerstbehinderte Kinder zu vergessen.
Frau Ministerin Klepsch hat in der Sitzung des Ausschusses für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration zugesagt, noch bis zur Sommerpause die Nachteilsausgleiche der genannten Behinderten zu prüfen, im Ausschuss vorzustellen und zu beraten sowie gegebenenfalls einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.
In diesem Zusammenhang ist auch über die Nachteilsausgleiche für Taubblinde zu sprechen, und es sind gegebenenfalls Entscheidungen zu treffen.
Dass es sich dabei nicht um ein Lippenbekenntnis handelt, mögen Sie daraus erkennen, dass die finanziellen Mittel, die dafür gebraucht werden, im Haushalt 2018
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Notwendigkeit der Novellierung des Gesetzes ergibt sich aufgrund der ab Januar 2017 geltenden Pflegegrade nach dem Pflegestärkungsgesetz II, mit dem das XI. Sozialgesetzbuch geändert wurde. Das erscheint insofern nachvollziehbar.
Bei der Gelegenheit den Zahlbetrag des seit 1. Januar 1996 konstant gebliebenen Landesblindengeldes um 17 Euro monatlich anzuheben, erscheint auch begrüßenswert, meine Damen und Herren.
Unverständlich ist für uns, dass die Nachteilsausgleiche für hochgradig Sehbehinderte – Frau Staatsministerin, der Begriff Sehschwache stammt meines Erachtens noch aus der Zeit des sozialen Entschädigungsrechtes, als es um die Versorgung der Kriegsopfer ging, die einen Schaden an ihren Augen erlitten hatten –, Gehörlose und schwerstbehinderte Kinder nicht adäquat angehoben werden. Aber hier hat Herr Krasselt ja auf Ihre Aussage, Frau Staatsministerin, im Sozialausschuss Bezug genommen, als Sie zugesagt haben, bis zur Sommerpause einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten.
Meine Damen und Herren! Wir sind aber grundsätzlich der Auffassung, dass es hinsichtlich der Nachteilsausgleichsgelder für Blinde und Taube keine Unterschiede geben sollte. Der Nachteilsausgleich für Blinde muss nach unserer Auffassung genauso hoch sein wie für taube Menschen.
Die Bestimmung der Nachteilsausgleichsregelung erscheint uns insofern auch etwas antiquiert, weil bisher in dieser Regelung für Blinde auf den Bedarf für die Verrichtung der Dinge des täglichen Lebens Bezug genommen wurde. Der Bedarf ist ohnehin mit Eingliederungsleistungen oder mit Pflegegeldleistungen insoweit abgedeckt, sodass der Nachteilsausgleich vielleicht eine neue Definition erfahren sollte.
Der Blinde ist getrennt von den Dingen, das ist richtig. Der hörbehinderte Mensch aber, der Taube, ist getrennt von den Menschen und braucht für seine Kommunikation einen Gebärdensprachdolmetscher, um aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Der Gebärdensprachdolmetscher kostet eben Geld, und dafür ist auch ein Nachteilsausgleich in entsprechender Höhe – wie für Blinde – notwendig.
Schließlich möchten wir noch zu bedenken geben, dass die geplante Änderung zu einer Verschlechterung für derzeitig Leistungsberechtigte führen kann. Insoweit ist die Anregung aus den Reihen der AfD-Fraktion, eine Besitzstandsregelung einzuführen, nachvollziehbar und trifft auch unsere Intention. Nur können wir Ihrem Antrag keine Zustimmung geben, weil die Regelungen für die anderen Sachverhalte schon sehr konkret sind. Sie erscheinen uns aber nicht plausibel. Wir wollen einmal sehen, was der Vorschlag der Staatsregierung zur Sommerpause bringt.
Zur Besitzstandsregelung möchte ich noch begründen: Ein Empfänger von Landesblindengeld mit eingeschränkter Alltagskompetenz nach dem § 45 a des XI. Sozialgesetzbuchs und einer Pflegestufe 1 erhielt nach dem bisherigen Recht unter Anrechnung des Pflegegeldes 211 Euro Landesblindengeld. Nach der geplanten Änderung des § 5 Abs. 2 würde der Betroffene nur noch 186,50 Euro erhalten, da er automatisch nach der Reform des XI. Sozialgesetzbuchs in einen Pflegegrad 3 übergeleitet würde. Gleiches gilt auch für den Personenkreis mit einer Pflegestufe 2 mit eingeschränkter Alltagskompetenz, der dann in einen Pflegegrad 4 übergeleitet wird. Hier beträgt die Reduzierung des Landesblindengeldes dann rund 7 Euro. Insofern wäre eine Besitzstandsregelung nur allzu gerechtfertigt.
Nach all den genannten Gründen können wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen, aber wir werden uns enthalten.