Protocol of the Session on December 13, 2016

Für die SPDFraktion Frau Abg. Kliese, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kennen Sie den „Tiptoi“?

(Christian Piwarz, CDU: Ja!)

Ja? Herr Piwarz kennt ihn.

(Christian Piwarz, CDU: Bei dem lernt man immer etwas dazu!)

Der „Tiptoi“ ist ein karottenartiger Stift, ein modernes Spielzeug. Damit lernen Kinder zum Beispiel die Abfolge der Jahreszeiten, die Kontinente oder das Leben im Urwald kennen. Mittels einer Software führt ihnen der „Tiptoi“ vor, welche Geräusche ein Orang-Utan macht oder wie die Instrumente im Orchester klingen. Auch Blinde und Sehbehinderte verwenden einen „Tiptoi“, zum Beispiel in der Ausbildungsstätte des Blindenhilfswerks in Chemnitz. Sie benutzen den Stift, um herauszufinden, in welchem Schrank sich jeweils die Gläser, Teller, Tassen befinden und Ähnliches. Der „Tiptoi“ gehört zu den Hilfsmitteln, die blinden und sehbehinderten Menschen das Leben täglich ein bisschen leichter machen, aber auch nicht ganz billig zu haben sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einige von Ihnen lesen vielleicht gern „Harry Potter“. Im November ist der jüngste Harry-Potter-Band in Brailleschrift erschienen. Während wir den „Harry Potter“ für 20 Euro kaufen können, ist er in Brailleschrift deutlich teurer und besteht aus drei Bänden. Die Schrift ist also viel größer, nimmt viel mehr Raum in Anspruch. Das heißt, Ihr Regal ist relativ schnell voll, wenn Sie Harry-Potter-Fan sind. Um beispielsweise solche Mehrkosten ein wenig ausgleichen zu können, gibt es das Landesblindengeld. Bisher waren es 333 Euro im Monat. – Jetzt werden Sie sich sagen: 333 Euro oder 350 Euro für „Harry Potter“ und den „Tiptoi“ ist vielleicht ein bisschen zu hoch gegriffen.

Nehmen wir einmal ein anderes Beispiel: Wenn Sie als blinder oder sehbehinderter Mensch am Computer arbeiten wollen und sich eine Brailletastatur kaufen, stellen Sie fest, dass diese im Laden für 2 200 Euro – Minimum – zu haben ist. Das sind die Preise, mit denen blinde und sehbehinderte Menschen zu tun haben, wenn sie etwas tun wollen, was für uns ganz selbstverständlich ist, zum Beispiel am Computer eine E-Mail schreiben. Die technischen Hilfen sind also ziemlich teuer.

Um ehrlich zu sein: Oftmals verwenden blinde und sehbehinderte Menschen dieses Geld, diese 333 oder 350 Euro, auch einfach für das tägliche Leben – zum Beispiel ältere Menschen, weil sie häufiger als andere von Altersarmut betroffen sind. Wir haben heute Vormittag darüber gesprochen, dass es Menschen mit Behinderung, die leistungsberechtigt sind, bisher kaum möglich war, Geld zu sparen, weil ihre Ersparnisse angerechnet worden sind. Das sorgt im Umkehrschluss natürlich dafür, dass sie im Alter wenig Geld zur Verfügung haben. Außerdem sind sie auch häufiger als andere von Arbeitslosigkeit oder Niedriglohn betroffen. Die 350 Euro sind also manchmal auch nur ein notwendiges Zubrot.

Nun erhöhen wir das Geld. Der mit der Gesetzesänderung verbundene Zeitdruck der letzten Wochen – das hat Kollege Krasselt schon ausgeführt – hat dazu geführt, dass das Gesetz im neuen Jahr noch einmal aufgerufen werden muss; denn wir wünschen uns, dass nicht nur blinde Menschen in Sachsen in den Genuss einer Erhö

hung kommen, sondern auch schwerstbehinderte Kinder, Gehörlose und hochgradig Sehschwache unterstützt werden. Genau vor fünf Jahren hatten wir im Plenum schon einmal davon gesprochen, dass der Nachteilsausgleich auch für gehörlose Menschen angepasst werden sollte – Horst Wehner war damals schon dafür und hat mir zugehört; das macht er auch heute. – Das ist einer der Gründe, weshalb wir das Thema im neuen Jahr noch einmal aufrufen müssen. Es ist einfach eine Frage der Gerechtigkeit, dass die Nachteilsausgleiche für alle Arten von Behinderungen, die darüber geregelt werden, gleichermaßen prozentual erhöht werden. Ich freue mich schon, wenn wir das Anfang des kommenden Jahres gemeinsam diskutieren.

(Heiterkeit des Abg. Horst Wehner, DIE LINKE)

Bis dahin würde ich mich freuen, wenn Sie heute erst einmal unter den gegebenen Prämissen Ihre Zustimmung geben könnten. Ich hoffe, dass die Menschen, die blind oder sehbehindert sind, zumindest ein klein bisschen von dieser Erhöhung profitieren können, und sei es durch den Kauf eines neuen Harry-Potter-Bandes.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Für die AfDFraktion Herr Abg. Wendt, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit ihrem Gesetzentwurf möchte die Staatsregierung im Wesentlichen das Blindengeld von derzeit 333 Euro auf 350 Euro erhöhen. Dies macht die Staatsregierung, weil mit Inkrafttreten des PSG II eine Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade stattfindet. Man muss sich zu Recht die Frage stellen, ob es seitens der Staatsregierung zu einer Anhebung der Sätze gekommen wäre, wenn es keine Umstellung gegeben hätte, und – Herr Krasselt – hierbei handelt es sich nicht um eine moderate Erhöhung, sondern um eine geringfügige Erhöhung – das wäre vielleicht die richtige Definition gewesen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ist doch das Gleiche!)

Mit der Einbringung unseres Landessehhilfengesetzes, das von allen Fraktionen im letzten Plenum abgelehnt worden ist, wollten wir einen zusätzlichen Nachteilsausgleich schaffen, der nicht im Landesblindengeldgesetz verankert werden konnte. Zudem hatten wir auch das Landesblindengeldgesetz im Blick und sind deshalb von den halbherzigen Schritten der Staatsregierung enttäuscht; denn man sollte nicht verschweigen, dass es sich nicht um eine Art Geschenk an die Blinden handelt: Selbst eine marginale, geringfügige Erhöhung um etwa 5 % gleicht nicht einmal die Teuerungsrate der letzten zwei Jahrzehnte aus.

Deshalb muss man wirklich von einem Armutszeugnis sprechen, und dieses hat sich die CDU, die seit über 20 Jahren unseren Freistaat Sachsen regiert, redlich

verdient. Eigentlich hätte die Steigerung viel höher ausfallen müssen, aber da haben wir mit der CDU, und nun auch mit der SPD, wohl die falschen Parteien in der Regierungsverantwortung. Deshalb findet dies zulasten der Betroffenen keine Berücksichtigung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion DIE GRÜNEN Herr Zschocke, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Motivation der Staatsregierung für diesen Gesetzentwurf war, den § 4, der die Kürzung des Landesblindengeldes ermöglicht, wenn Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch genommen werden, ab 01.01. mit dem Pflegestärkungsgesetz den geltenden Regelungen anzupassen. Mit anderen Worten: Damit auch ab 01.01. das Landesblindengeld gekürzt werden kann, müssen die im Landesblindengeld genannten Pflegestufen an die Pflegegrade angepasst werden – nicht mehr und nicht weniger.

Natürlich haben Sie das Landesblindengeld jetzt auf 350 Euro erhöht. Die Erhöhung basiert nach Aussage der Staatsministerin im Sozialausschuss nicht auf einer empirischen Berechnung, sondern sie sagt, es erfolge nach bestem Wissen und Gewissen, unter Abstimmung mit dem Kommunalen Sozialverband, der ja die Hälfte der Kosten trägt.

Mein erster Gedanke bei der Lektüre des Gesetzentwurfs war: Warum werden die anderen Nachteilsausgleiche für die anderen im Landesblindengeldgesetz genannten Gruppen, also Gehörlose, hochgradig Sehbehinderte, schwerstbehinderte Kinder, nicht gleichermaßen erhöht?

Das war dann auch die Reaktion des sächsischen Behindertenbeauftragten des Landesbeirates für die Belange von Menschen mit Behinderung, des Blinden- und Sehbehindertenverbandes, des VdK, Herr Wehner, des Landesverbandes der Gehörlosen und der Liga der Wohlfahrtspflege. Sie alle hatten sich im Rahmen des Anhörungsverfahrens zu dem Gesetzentwurf geäußert und konnten das nicht nachvollziehen. Der Tenor war immer der gleiche: Es gibt keinen sachlich ersichtlichen Grund, die anderen Nachteilsausgleiche der Höhe nach beizubehalten.

Oder anders herum gesagt: Das Argument für die Erhöhung, dass das Landesblindengeld seit der Einführung im Jahr 1996 trotz Inflationsrate und Kaufkraftverlust nicht erhöht wurde, trifft auch für die anderen Nachteilsausgleiche zu. Ergo: Es wurde einfach vergessen oder es ist zu spät daran gedacht worden.

Frau Klepsch, nun haben Sie wegen des 01.01. auf Eile gedrängt und uns im Ausschuss zugesagt, die weiteren Anpassungsbedarfe nächstes Jahr in Angriff zu nehmen und das Gesetz bis zur Sommerpause anzupassen. Wir würden es allerdings konsequenter finden, wenn wir es in einem Atemzug tun würden.

Deshalb haben wir einen Änderungsantrag vorbereitet, den ich, Frau Präsidentin, separat einbringen werde.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung. – Frau Ministerin Klepsch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie wichtig uns die Anliegen von Menschen mit Behinderung sind, ist in der heutigen Aktuellen Debatte sehr deutlich geworden. Nach dem Landesaktionsplan und der Kampagne „Behindern verhindern“, die der Freistaat Sachsen am 18. Oktober im Kabinett beschlossen hat, haben wir ebenfalls die Erhöhung des Landesblindengeldes beschlossen.

Bei den Vorrednern ist deutlich geworden, dass das Pflegestärkungsgesetz II des Bundes – die Umstellung von den drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade – ein Grund ist, dass unser Landesblindengeldgesetz geändert und zum 01.01. angepasst werden muss. Im gleichen Zug haben wir das Landesblindengeld von 330 Euro auf 350 Euro monatlich angehoben. Wir möchten gern, dass dies zum 01.01. kommenden Jahres in Kraft treten kann.

Ich möchte jetzt nicht näher auf die Details zu sprechen kommen, sondern es ist mir wichtig, an dieser Stelle Danke zu sagen. Dass wir heute, zwei Monate nach der Kabinettsbefassung, über dieses Gesetz beraten und es – so hoffe ich – auch beschließen können, verdanken wir in erster Linie den Mitgliedern des Ausschusses. Die Ausschussmitglieder haben aus meiner Sicht in einer außergewöhnlich straffen Verfahrensweise ermöglicht, dass wir heute aufgrund des durch den Bund verabschiedeten PSG II dieses Gesetz beschließen können. An dieser Stelle sei noch einmal Danke gesagt.

Ich möchte noch einmal zum Ausdruck bringen, was ich im Ausschuss und im Kabinett bereits gesagt habe: Wir wollen zeitnah, im Jahr 2017, die anderen Nachteilsausgleiche ebenfalls anpassen und ändern und dies im Landtag beschließen lassen. Nehmen Sie dieses Versprechen bitte mit. Ich bitte um Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz zur Änderung des Landesblindengeldgesetzes.

(André Wendt, AfD: Die Änderungsanträge!)

Das mache ich sofort. Es geht gleich los; immer mit Geduld.

Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration, Drucksache 6/7167. Dazu liegen drei Änderungsanträge vor.

Wir beginnen mit dem Änderungsantrag der Linksfraktion, Drucksache 6/7468. Wird noch einmal Einbringung gewünscht? – Nein, wird nicht gewünscht. Gibt es vonseiten der Fraktionen den Wunsch nach einer Aussprache zu diesem Änderungsantrag? – Das sieht nicht so aus. Deshalb können wir jetzt darüber abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Änderungsantrag mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 6/7509. Herr Zschocke, Sie haben Einbringung gewünscht.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte diesen Änderungsantrag gern einbringen, weil es uns wichtig ist. Mit diesem Änderungsantrag vollziehen wir den einzig logischen Schritt, indem wir die Nachteilsausgleiche für die anderen Gruppen erhöhen. Der Höhe nach orientieren wir uns an dem Vorschlag des Blinden- und Sehbehindertenverbandes, der für hochgradig sehbehinderte Menschen 40 % des Landesblindengeldes vorsieht. Wir sehen eine moderate Erhöhung bei 45 % des Landesblindengeldes vor. Die Vorschläge der anderen Fachverbände in den Stellungnahmen gehen in eine ähnliche Richtung.

Des Weiteren möchten wir dafür sorgen – das sage ich insbesondere im Hinblick auf die Beratungen im nächsten Jahr, Frau Klepsch –, dass taubblinde Menschen als Anspruchsberechtigte entsprechend den Hinweisen der Fachverbände im Gesetz explizit genannt und definiert werden. Sie erhalten als Nachteilsausgleich, wie bereits jetzt schon, die Summe aus dem Landesblindengeld und dem Nachteilsausgleich für gehörlose Menschen. Die neue Regelung, die wir vorschlagen, hat vor allem eine klarstellende Funktion. Vielleicht können Sie das nächstes Jahr berücksichtigen.

Ebenso greifen wir den Hinweis des Gehörlosenverbandes auf, dass gehörlose Menschen nur dann als gehörlos im Sinne des Gesetzes gelten, wenn sie ihr Gehör vor Erreichen des siebten Lebensjahres verloren haben. Zum Beispiel ein Kind, das aufgrund einer Meningitis sein Gehör mit acht Jahren verliert, hat nach der geltenden Rechtslage keinen Anspruch auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs aufgrund seiner Gehörlosigkeit, obwohl auch dieses Kind die deutsche Gebärdensprache erlernen muss, nutzen wird und mithin im Laufe seines Lebens erhebliche Kosten, insbesondere zum Beispiel für Gebärdendolmetscher, haben wird.

Daneben sorgen wir noch für eine begriffliche Harmonisierung, indem wir künftig nicht mehr von Gehörlosen sprechen, Herr Wehner, sondern von gehörlosen Menschen, dass wir nicht mehr von hochgradig Sehbehinder

ten, sondern von sehbehinderten Menschen sprechen. Ich bitte also um Zustimmung.