Protocol of the Session on November 10, 2016

Danke schön. Es ist aus dem Jahr 1994. Da gibt es eine ganze Menge Punkte, in denen uns der Bund mit seinen Regelungen tatsächlich voraus ist. Ich glaube, dass wir viele Regelungen anpassen können.

Wir haben einen Workshop zur Ausarbeitung eines modernen Gleichstellungsgesetzes durchgeführt. Eingebunden waren Sie auf jeden Fall; ich weiß nicht, inwieweit Sie dabei sein konnten. Dort haben zahlreiche Institutionen, Einrichtungen, Vereine und Verbände eine ganze Reihe von Hinweisen und Vorschlägen eingebracht. Jetzt sind wir gerade dabei, dies alles in einem Gesetzentwurf zu bündeln. Damit sind wir fast fertig, sodass wir in die nächste Runde gehen können.

In Kürze tagt auch unser Gleichstellungsbeirat; dort wird das Thema ebenfalls beraten. Es gibt tatsächlich vieles, was der Bund geregelt hat und was wir in Sachsen ebenfalls möchten. Eine Nachrangigkeit können wir diesbezüglich durchaus vorsehen. Es gibt aber auch Punkte, bei denen wir sagen: Wollen wir dies in Sachsen nicht für uns regeln?

Einen solchen Punkt habe ich genannt. Das SMI verfolgt zum Beispiel gerade ein Modellprojekt zur Erprobung anonymisierter Bewerbungsverfahren. Das sind Aspekte, die wir im Frauenfördergesetz noch nicht geregelt haben. Deswegen benötigen wir wirklich ein modernes Gleichstellungsgesetz.

Frau Zais für die Fraktion GRÜNE, bitte.

Sehr geehrte Frau Staatsministerin! Welche Maßnahmen sehen Sie oder sieht die Staatsregierung vor, um die Verständigung zwischen der Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern, deren Sprache nicht deutsch ist, zu verbessern?

Wir haben in unsere Richtlinie Integrative Maßnahmen einen ganzen Komplex aufgenommen, bei dem es um Schulung, Weiterbildung und Qualifizierung geht, gerade im Hinblick auf interkulturelle Schulungsangebote. Dies wird übrigens auch von den kommunalen Vertretern und den Verwaltungen stark reflektiert. Wir haben eine ganze Reihe von Schulen, Vereinen und Verbänden, die sich dieser Thematik angenommen haben. Das wird wirklich sehr stark angenommen; es ist eine sehr gute Maßgabe, die wir in unsere Förderrichtlinie aufgenommen haben. Ich glaube, dass dies sehr dazu dient.

Hinzu kommen natürlich auch andere Maßnahmen. Gemeinsam mit dem Innenminister haben wir schon drei Bürgermeisterkonferenzen durchgeführt, um dort – außerhalb der Protokolle, sage ich einmal – auf viele Fragen, die kommunal aufschlagen, zu antworten, damit auch die Führungsspitze einer Gemeinde, einer Stadt oder eines Landkreises diesbezüglich Fragen beantworten kann.

Wir haben unseren Lenkungsausschuss, wo wir diese Themen ansprechen und wo es oft auch ausgearbeitete

Vorlagen gibt, bei denen man sich darauf verlassen kann, wen man ansprechen kann, wenn es beispielsweise gerade um das Thema Bürgerversammlung geht: Wie führe ich eine Bürgerversammlung durch, wenn es um solche Themen geht, damit es eine gute Versammlung mit vielen Informationen wird?

Klar ist, dass wir im Schulungsbereich eine große Aufgabe haben. Ich selbst fahre oft durchs Land. Nächste Woche bin ich in einer Polizeidirektion, um mich mit den Führungspersönlichkeiten über dieses Thema auszutauschen. Da passiert also eine ganze Menge, speziell in Richtung Schulung, aber auch beim Erfahrungsaustausch.

Bei den Bürgermeisterveranstaltungen arbeiten wir mit Best-Practice-Beispielen: Warum klappt es in der einen Kommune gut und in der anderen Kommune nicht so gut? Ich merke oft, dass über Recht und Gesetz oder über Richtlinien nicht alles zu regeln ist, sondern dass manchmal auch die Durchführung der Maßnahmen ein Schlüssel für eine gelingende Integration sein kann.

Wünscht die SPDFraktion noch eine Frage zu stellen?

(Iris Raether-Lordieck, SPD: Wenn wir noch Zeit haben!)

1 Minute 56 Sekunden. Bitte, Frau Raether-Lordieck.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Ministerin, Sie haben nun eine ganze Menge zu dem berichtet, was Sie antidiskriminierungspolitisch vorhaben. Sie haben auch schon etwas zu weiteren Maßnahmen gesagt. War das die komplette Liste, oder kann man zu den Maßnahmen, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, noch mehr erfahren?

Wir haben das Konzept zur Antidiskriminierung aufgestellt. Dort haben wir verschiedene Komplexe vorgesehen. Ich nenne den Aktionsplan der Sächsischen Staatsregierung zur Umsetzung der UNBehinderrechtskonvention. Da gibt es ein Maßnahmenpaket – ich glaube, das kann ich jetzt nicht im Einzelnen ausführen, aber die Konzeption ist bekannt. Dort sind Integration und Antidiskriminierung enthalten, wobei wir beispielsweise auch mit Maßnahmen wie unseren Wegweiserkursen arbeiten. Es geht dort nicht nur um eine Sprachmittlung im Umfang von 15 Stunden, sondern vor allem um 20 Stunden Alltagsorientierung und Wertevermittlung. Dies zielt, wie ich vorhin ausgeführt habe, in Richtung kulturelle Verankerung.

Enthalten sind auch die Servicestellen für Sprach- und Kulturmittler. Das sind Einrichtungen, die wir neu aufgebaut haben, die es zuvor nicht gab und die im Bereich Antidiskriminierung wirklich eine große Rolle spielen können. Wir haben auch das Demokratie-Zentrum im Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“, wo es speziell um Extremismus, insbesondere um Rassismus und Antisemitismus, geht und darum, demokratische Werte zu stärken.

Ich habe die Liste hier komplett vorliegen, kann jetzt aber nicht alles vorlesen. Es ist tatsächlich ein weit gefächertes Feld. Deswegen war es mir wichtig, dass wir das heute noch einmal ansprechen, weil ich manchmal das Gefühl habe, dass Antidiskriminierung in dem einen oder anderen Kopf vielleicht nur etwas mit sexueller Vielfalt zu tun hat. Es umfasst viel mehr, nämlich das ganze Themenfeld und alle Ressorts in unserem Freistaat Sachsen.

Die Fragezeit ist damit punktgenau abgelaufen. Ich bedanke mich bei Frau Staatsministerin Köpping für die Beantwortung der Fragen

(Beifall bei der CDU, der SPD sowie vereinzelt bei den LINKEN)

und schließe damit den Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 3

Jugendberufsagenturen

Drucksache 6/3981, Prioritätenantrag der Fraktionen CDU und SPD,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Über diese Initiative können wir in der Reihenfolge CDU, SPD, DIE LINKE, AfD, GRÜNE diskutieren; anschließend erhält die Staatsregierung das Wort, wenn sie es wünscht. Ich erteile jetzt Herrn Abg. Dierks für die CDUFraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Übergang von der Schule in die Berufswelt ist wohl die entscheidendste Veränderung im Leben eines jungen Menschen auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben. Umso wichtiger ist es für uns als Koalition, dass die Berufs- und Studienwahl reibungslos funktioniert und im besten Fall für jeden jungen Menschen die persönlich richtige Wahl darstellt. Wir wollen, dass jeder junge Mensch im Freistaat seines eigenen Glückes Schmied ist.

Der erfolgreiche Berufseinstieg ist aber nicht nur für die jungen Menschen im Freistaat von besonderer Bedeutung. Der Freistaat und gerade die mittelständische Wirtschaft brauchen jeden einzelnen jungen Menschen hier, um auch unter schwierigen demografischen Bedingungen den benötigten Nachwuchs zu finden.

Offen bleibende Lehrstellen und die bereits jetzt und in den kommenden Jahren nur sehr schwer zu besetzenden Arbeitsplätze sind Herausforderungen, denen wir entschieden entgegentreten müssen. Eine Arbeitslosenquote von etwa sieben Prozent der 15- bis 25-Jährigen in Sachsen sollte Ansporn genug sein, jungen Menschen beim Übergang in die Berufswelt noch besser zur Hand zu gehen und sie dabei zu unterstützen. Die beste Vorsorge gegen Ausbildungsabbrüche und Arbeitslosigkeit sind passende und tragfähige Übergänge von der Schule in die Ausbildung und später dann in den Beruf.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

So gilt es, Jugendliche in der Phase des Umbruchs zu begleiten und frühzeitig zu unterstützen – sowohl im Elternhaus als auch in der Schule. Ist der Übergang in Ausbildung und Beruf für junge Menschen schon im Allgemeinen ein großer, ein einschneidender Schritt, der

von Unsicherheiten geprägt ist, so ist er umso schwerer für jene Jugendlichen, die aus den unterschiedlichsten Gründen individuell beeinträchtigt sind oder aus schwierigen sozialen Verhältnissen kommen.

Dabei ist das Angebot an Hilfestellungen groß; das ist überhaupt nicht infrage zu stellen. Auf der anderen Seite ist es aber auch sehr schwer zu fassen und zu überblicken. Die Arbeitsagentur nach SGB III, das Jobcenter nach SGB II und die Träger der Jugendhilfe nach SGB VIII haben alle eigene Budgets, eigene Angebote und eigene Ansprechpartner. Bei derart unüberschaubaren Strukturen kommt es in der Praxis bei diesem Orientierungs- und Unterstützungsprozess nicht selten zu Brüchen.

Jugendberufsagenturen als gemeinsame Anlauf- und Beratungsstellen schaffen hier Transparenz, harmonisieren Abläufe und vereinfachen die Koordination. Sie bieten umfassende Beratung und Orientierung ab der 7. Schulklasse sowie individuelle Hilfestellung und Begleitung bis zur Aufnahme einer Ausbildung oder Arbeit – und das aus einer Hand.

Ein Schulabschluss ist Voraussetzung für einen gelingenden und erfolgreichen Berufseinstieg. Ein Drittel aller arbeitslosen Jugendlichen verfügt nicht über einen Hauptschulabschluss. Ich sehe durch eine zielgenaue Ansprache auch die große Chance, die Zahl der Schulabbrecher nachhaltig zu verringern.

Wer seine Möglichkeiten kennt und ein Ziel vor Augen hat, lernt motivierter und mit Sicherheit zielstrebiger und strebsamer. Die Etablierung von Jugendberufsagenturen erreicht eine gezielte Förderung von Schulabgängern durch die Zusammenarbeit von Schule, Schulsozialarbeit – ich denke, über dieses Thema werden wir demnächst auch noch einmal sprechen –, Jugendhilfe, Arbeitsagentur und Jobcenter.

Deshalb haben CDU und SPD sowohl im Bund als auch im Freistaat die flächendeckende Schaffung von Jugendberufsagenturen in ihren aktuellen Koalitionsvertrag geschrieben. Wir haben zusätzlich zu den finanziellen

Mitteln des Bundes im kommenden Doppelhaushalt insgesamt 500 000 Euro aus Landesmitteln für eine virtuelle Jugendberufsagentur eingeplant, um auch gezielt passfähige Angebote für ländliche Räume zu schaffen.

Gleichzeitig müssen wir die rechtlichen Hürden, insbesondere des Datenschutzes, anpassen. Die Schulgesetznovelle sieht dafür im § 63 a die notwendigen Rahmenbedingungen vor, um im Sinne des Allgemeininteresses auch die notwendigen Daten der Schüler entsprechend an die zuständigen Stellen übermitteln zu können.

Die teilweise seit dem Jahr 2010 laufenden Modellprojekte von Jugendberufsagenturen in ganz Deutschland haben erste Erfahrungen gebracht, und auch im Freistaat Sachsen gibt es bereits seit fast zwei Monaten ein Pilotprojekt der Jugendberufsagentur in Leipzig. Daran sollten wir anknüpfen und jungen Menschen die beste Unterstützung bieten, die ein Staat, die eine Gesellschaft, die auch die Politik jungen Menschen bieten kann, nämlich diejenige Unterstützung, die einen Start in ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Für die SPDFraktion Herr Abg. Homann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Einstieg und zum besseren Verständnis möchte ich mit einem Beispiel beginnen: Halten wir uns einen verschuldeten Jugendlichen vor Augen, der in eine Handyvertragsfalle getappt ist. Er hat gerade die Schule abgeschlossen und sucht einen Ausbildungsplatz. Im Gespräch mit einem Berufsberater stellt sich heraus, dass familiäre Probleme bestehen und die Schulden im beträchtlichen Maße angestiegen sind. Er ist frustriert. Er sieht für sich keine Perspektive. Er hat keine Lust, Bewerbungen zu schreiben, oder wählt aus mangelnder Sorgfalt den falschen Ausbildungsberuf.

Dieser Jugendliche ist in Deutschland nicht alleine. Es ist eine große Errungenschaft des Sozialstaates, dass wir für diesen jungen Menschen zahlreiche Unterstützungsangebote haben: Familienhilfe, Berufsberatung, Schuldnerberatung, Jugendamt – um nur einige zu nennen. Um diesem jungen Menschen bei der Lösung seiner Probleme zu unterstützen, müsste er aber zu mindestens vier verschiedenen Institutionen gehen, zu unterschiedlichen Trägern mit unterschiedlichen Angeboten, unterschiedlichen

Logiken und außerhalb der Metropolen auch in vier unterschiedlichen Städten. Diese Hürden halten wir für viel zu hoch; das wollen wir ändern.

Deshalb führen wir mit den Jugendberufsagenturen ein neues Modell ein. Das bedeutet kurz gesagt: Bei den Jugendberufsagenturen sollen alle Partner unter einem Dach sitzen und im Sinne der Jugendlichen zusammenarbeiten. Um an dieser Stelle nicht falsch verstanden zu werden: Vielen sächsischen Jugendlichen gelingt der

Übergang von der Schule in den Beruf ohne Probleme; aber eben nicht allen. Das hat verschiedene Gründe. Über die wollen wir aber nicht länger philosophieren, sondern wir wollen etwas ganz praktisch verbessern. Wir wollen nicht länger hinnehmen, dass in Sachsen jungen Frauen und Männern der Sprung in die Ausbildung und in die existenzsichernde Beschäftigung nicht gelingt. Deshalb setzen wir auf dieses neue Modell.

Das klingt alles so einfach, ist es aber nicht. Die Herausforderung, die dahintersteckt, ist durchaus komplex. Bislang war es so: Treten Schwierigkeiten auf, wie in meinem Beispiel genannt – schlechte Leistungen in der Schule, persönliche familiäre Probleme, Drogenprobleme, Ausbildungsabbruch –, stehen den Hilfesuchenden – wie eingangs beschrieben – verschiedene Einrichtungen zur Verfügung. Die sind aber in unterschiedlichen Rechtskreisen verankert: im SGB II in der Grundsicherung, im SGB III bei der Arbeitsförderung, im SGB VIII in der Jugendhilfe und im SGB IX bei der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Verstehen Sie mich nicht falsch, es ist gut, dass wir eine Vielzahl von Einrichtungen und auch Gesetzen haben, die Jugendliche unterstützen. Das Problem ist nur, dass diese im Moment nicht im Sinne der Jugendlichen zusammenarbeiten können und dürfen. Alle Institutionen arbeiten nach eigenen Regeln an unterschiedlichen Orten. Frust und Fernbleiben sind deswegen kein Einzelfall.