Das klingt alles so einfach, ist es aber nicht. Die Herausforderung, die dahintersteckt, ist durchaus komplex. Bislang war es so: Treten Schwierigkeiten auf, wie in meinem Beispiel genannt – schlechte Leistungen in der Schule, persönliche familiäre Probleme, Drogenprobleme, Ausbildungsabbruch –, stehen den Hilfesuchenden – wie eingangs beschrieben – verschiedene Einrichtungen zur Verfügung. Die sind aber in unterschiedlichen Rechtskreisen verankert: im SGB II in der Grundsicherung, im SGB III bei der Arbeitsförderung, im SGB VIII in der Jugendhilfe und im SGB IX bei der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Verstehen Sie mich nicht falsch, es ist gut, dass wir eine Vielzahl von Einrichtungen und auch Gesetzen haben, die Jugendliche unterstützen. Das Problem ist nur, dass diese im Moment nicht im Sinne der Jugendlichen zusammenarbeiten können und dürfen. Alle Institutionen arbeiten nach eigenen Regeln an unterschiedlichen Orten. Frust und Fernbleiben sind deswegen kein Einzelfall.
Deshalb sollen die Jugendberufsagenturen die verschiedenen Rechtskreise unter einem Dach zusammenfassen und Kooperationshemmnisse beseitigen, um Beratung und Förderung aus einer Hand zu ermöglichen. Dabei ist uns jeder Einzelne wichtig, ganz unabhängig von seiner schulischen Leistung oder seiner Herkunft. Wir wollen so in Sachsen die Möglichkeit schaffen, bei jedem Schulabgänger genauer hinzuschauen: Welche Perspektive hat er, welche Perspektive hat sie? Wer hat schon ein Studium oder eine Ausbildung begonnen? Wer hat schon eine Ausbildung abgebrochen? Wie organisieren wir schnell eine zweite und dritte Chance? Wer braucht Hilfe bei der Neuorientierung? Was steht einem Erfolg in der Ausbildung oder einem Berufseinstieg eigentlich noch im Weg? Genau hinsehen und handeln, das ist der Ansatz der Jugendberufsagenturen. Wir wollen Jugendliche nach dem Ende ihrer Schullaufbahn weiter begleiten, bis sie eine konkrete Berufsperspektive haben.
Das ist alles kein Selbstzweck. Wir als SPD verbinden damit die Hoffnung, dass wir die Aufstiegschancen für alle Menschen in diesem Land verbessern können. Wir wollen, dass die Leistungen junger Menschen stärker anerkannt werden, und ihnen dabei helfen, ihren selbstbestimmten Weg in die Gesellschaft zu finden. Deshalb soll mit diesem Antrag auch eine Botschaft an die jungen Menschen in Sachsen gehen: Wir brauchen euch in Zukunft alle! Wir kümmern uns um euch! Plant eure Zukunft in Sachsen, denn wenn es Probleme gibt, dann stehen wir an eurer Seite! Egal, ob Einser-Abiturient oder junger Mann mit schwierigen Voraussetzungen beim Sprung in die Ausbildung – alle werden beraten und
unterstützt. Ein ganz wichtiger Faktor: Die Jugendberufsagentur ist eine Anlaufstelle für alle. Niemand wird stigmatisiert. Es geht nicht darum, wenigen einen Stempel aufzudrücken, sondern darum, alle zu unterstützen.
Deshalb möchte ich mich auch ganz herzlich bei Herrn Staatsminister Martin Dulig bedanken, der dieses Vorhaben der Koalition entschieden unterstützt und mit der Eröffnung der Jugendberufsagentur in Leipzig am 12.09. schon ein erstes deutliches Zeichen gesetzt hat, dass hier auch die Regierung und das Parlament – eben die Koalition als Ganzes – zusammenarbeiten. Wir haben auch in dem gemeinsamen Entwurf des Doppelhaushaltes, auf den wir uns als Koalitionsfraktion geeinigt haben, festgelegt, dass wir in den nächsten zwei Jahren noch einmal 500 000 Euro extra oben drauflegen, um die Jugendberufsagenturen auch insbesondere im ländlichen Raum zu erproben und zu schauen, was dort möglich ist. Das heißt also: Regierungs- und Parlamentsfraktionen arbeiten hier gemeinsam.
In Sachsen soll zukünftig nicht mehr die Frage gestellt werden: Wer ist zuständig? In Sachsen soll es heißen: Wir sind gemeinsam verantwortlich, und wir kümmern uns.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition fordert die Staatsregierung in ihrem Antrag auf, die Jugendberufsagenturen, die es außerhalb von Sachsen zum Teil bereits länger gibt, zu fördern und Vereinbarungen herbeizuführen, die zu einer flächendeckenden Umsetzung führen. Zumindest in der CDU hat es augenscheinlich ein Umdenken gegeben. Noch in der letzten Legislatur hat die Staatsregierung auf eine Kleine Anfrage der LINKEN eher distanziert zum Thema Jugendberufsagenturen reagiert und mitgeteilt, bewusst von einer Umsetzung abzusehen, so wie zu aktiver Arbeitsmarktpolitik generell ein gestörtes Verhältnis bestand oder vielleicht noch immer besteht. Ja, zumindest das SMWA bemüht sich, andere Akzente zu setzen, was wir als LINKE auch durchaus wahrnehmen und im Grundsatz auch begrüßen.
Zunächst: Die konkrete Idee der Jugendberufsagenturen ist durchaus sinnvoll. Die Argumente sind bereits gefallen. Wir haben in den verschiedenen Leistungsbereichen individuelle Fördermöglichkeiten in den einzelnen SGB, aber auch bei den sonstigen Bundes-, Landes- oder kommunalen Programmen.
Allzu oft agiert hier jeder nur für sich, was heißt, dass besonders junge Menschen, die schon Probleme haben,
Fuß zu fassen, permanent zwischen den Leistungssystemen hin- und hergeschickt werden und sprichwörtlich von Pontius zu Pilatus laufen. Insofern ist die Idee der Zusammenfassung zunächst mehr als sachgerecht.
Aber die Jugendberufsagenturen sind durchaus ambivalent. So positiv der Gedanke ist, die Angebote zu bündeln, so sehr greift der Ansatz nach unserer Auffassung auch zu kurz; denn wenn es dabei bleibt, kommen eben die Jugendberufsagenturen in ihrem Grundcharakter nicht über die Art einer arbeitsmarktpolitischen Bürgerservicestelle für junge Menschen hinaus, eine Servicestelle, die überdies im Zweifelsfall, wenn der Jugendliche nicht so will, wie er soll, auch mal zu Sanktionen greifen kann, was dann ganz im Sinne der Vorschriften des SGB II Realität wird.
Im Wissen darum, dass die Begeisterung für die Idee im Freistaat noch nicht bei allen potenziell Beteiligten wirklich vorhanden ist, verstehen wir die Forderung, die betroffenen Akteure zu unterstützen, wie Sie es euphemistisch umschrieben haben, um eine verbindliche Kooperationsvereinbarung zu schließen. Ein Steuerungsinstrument kann letztlich aber nur dann funktionieren, wenn alle Beteiligten es tatsächlich mit Leben erfüllen wollen.
Dennoch glauben wir, dass Sie damit zu kurz springen. Warum glauben wir das? Lassen Sie es mich an drei konkreten Punkten benennen.
Zum Ersten schreiben Sie in Ihrem Antrag, dass Sie Berufsorientierung und -beratung verbessern und gleichzeitig die Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss reduzieren wollen. Beides ist richtig und wichtig. Schuldig bleiben Sie jedoch die Antwort, wie Sie das bewerkstelligen wollen, zumal rein durch die Bildung der Jugendberufsagenturen noch keine zusätzlichen Ressourcen vom Himmel fallen. Die im Haushaltsentwurf für das SMWA eingestellten Mittel allein werden das Problem nicht lösen können.
Zum Zweiten haben wir grundsätzliche Probleme insbesondere mit den Regelungen des SGB II, die durch die Jugendberufsagenturen nicht außer Kraft gesetzt werden. Neben Sanktionsdrohungen schwebt gerade über Jugendlichen mit Problemen immer noch der Vermittlungsvorrang nach § 3 Abs. 2 SGB II. Praktisch kann das bedeuten, dass Jugendliche in das erstbeste Angebot vermittelt werden, um kurzfristig ihre Bedürftigkeit zu beenden, ohne tatsächlich zu hinterfragen, ob damit eine dauerhafte Perspektive für sie verbunden ist. Grundsätzlich halten wir in diesem Zusammenhang eine Klärung für notwendig, ob die Angebote für hilfsbedürftige junge Menschen nicht doch stärker an der Logik der Jugendhilfe ausgerichtet werden müssen oder ob die derzeit geltenden Sanktionsregelungen tatsächlich der Königsweg sind.
Zum Dritten geht Ihr Antrag auf eine Betroffenengruppe überhaupt nicht ein. Gemeint sind junge Flüchtlinge und Asylberechtigte. Die werden in der geforderten Schwerpunktsetzung gar nicht erwähnt. Ist das Absicht oder nicht? Hier liegt durchaus ein Problem. Vielleicht wollten Sie mit den Jugendberufsagenturen erst einmal klein
anfangen, vielleicht wollten Sie sich dem Problem aber auch grundsätzlich nicht in diesem Rahmen widmen.
Fakt bleibt: Neben allen Problemen – und die Jugendberufsagenturen sollen explizit helfen, Probleme zu lösen – liegt gleichzeitig ein Potenzial. Das muss man dann aber wollen und hierzu die zuständigen Stellen einbinden. Dass dieser Punkt hier komplett ausgeblendet ist, macht den Antrag in unseren Augen ebenfalls unzureichend.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sehen im Bereich der Jugendberufsagenturen mit dem Ziel, vorhandene Angebote zusammenzuführen, durchaus einen sinnvollen Ansatz, gleichzeitig jedoch auch viele offene Fragen, die Sie mit Ihrem Antrag nicht auszuräumen helfen. DIE LINKE wird sich dementsprechend enthalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU- und die SPD-Fraktion setzen mit ihrem Prioritätenantrag die Jugendberufsagenturen auf die heutige Tagesordnung. Im März 2014 – ich zitiere die damalige Antwort der Staatsministerin Frau Clauß zu einer Kleinen Anfrage – hörte sich das noch so an: „Derzeit bestehen vonseiten der Staatsregierung keine Überlegungen, im Vorgriff solche Jugendberufsagenturen im Alleingang einzurichten, zu betreiben und zu finanzieren.“ Das möchte ich ohne jegliche Wertung so stehen lassen.
In ihrem Prioritätenantrag fordern die einbringenden Fraktionen heute einen Bericht zu den Ergebnissen des Projektes „Arbeitsbündnis Jugend und Beruf“. Dazu berichtigt die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme umgehend, es handele sich beim „Arbeitsbündnis Jugend und Beruf“ um kein Projekt, vielmehr sei von einer mittlerweile gescheiterten Vereinbarung zu sprechen.
Meine Damen und Herren! Wenn ich mir anschaue, wie der Antrag inhaltlich gestrickt ist, dann kommen wahrscheinlich nicht nur mir aufgrund der vorangestellten Ausführungen wirklich Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Anliegens.
Selbstverständlich ist der Übergang von der Schul- in die Berufsphase im Interesse der jungen Menschen, im wirtschaftlichen und im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Stichworte sind hier positiver Lebenslauf, Sicherung des Fachkräftemehrbedarfs, soziale und ökonomische Stabilität. Was Sie in Ihrem Antrag fordern und wie Sie es begründen, stößt aber teilweise schon an die Grenzen der Sinnhaftigkeit. Da heißt es, um ein Beispiel herauszugreifen: Schaffung einer Beratungsstruktur für alle betroffenen Jugendlichen aus einer Hand. In der Begründung heißt es dann: „Insbesondere sollen Jugendliche und Erwachsene bis 25 Jahre bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz und bei der Wahl des richtigen Studiums unterstützt und betreut werden.“
Ich habe eine Frage: Wenn jeder mit jedem in jedem Bereich und zu jedem Thema kooperiert, wo bleiben dann die Fachkompetenzen und Spezialisierungen? Auf der Strecke, darf man wohl vermuten. Wozu gibt es Studienfachberatungen an den Universitäten? Wozu gibt es spezielle Vorbereitungskurse und Eignungstests für manche Berufe? Das ist doch in einer allumfassenden Jugendberufsagentur bzw. einer Beratungsstruktur aus einer Hand, ohne einen gravierenden Qualitätsverlust zu erleiden, gar nicht zu erbringen.
Muss man einen angehenden Studenten bis zum 25. Lebensjahr in einer Jugendberufsagentur begleiten? Brauchen wir für eine Personengruppe, deren Ausbildung von Selbstständigkeit geprägt sein soll, einen zentralen Berufsbetreuer?
Wenn Sie in Ihrem Antrag sämtliche Ziele und Kompetenzen mit unerfüllbaren Erwartungen überfrachten, dann haben Sie am Ende die Eier legende Wollmilchsau oder – anders gesagt – nichts gekonnt. Wunsch und Realität sind eben zwei verschiedene Dinge.
Was dem Antrag wirklich fehlt, ist ein Verständnis für das grundlegende Problem beim Übergang von der Schul- in die Berufszeit. Das heißt, gute Bildung und gute Bildungsangebote für sämtliche Schüler. Wenn wir nicht bei der schulischen Bildung umfassend ansetzen, können alle möglichen Stellen beraten, bis sie schwarz werden. Es wird dann von Unternehmerseite immer wieder heißen: „Vielen Dank für Ihr Interesse an einer Ausbildung in unserem Betrieb. Leider ist unsere Wahl auf einen anderen Bewerber gefallen, der noch mehr dem Anforderungsprofil entspricht.“
Meine Damen und Herren! Wir leben in einer Gesellschaft, in der Noten und Leistungen zählen. Hier müssen wir die Schüler durch Angebote, Anreize und Perspektiven unterstützen. Wenn wir diesen Punkt außer Acht lassen, dann beraten wir fast ausschließlich für den zweiten Arbeitsmarkt. Das kann und darf aber nicht das Ziel für unsere Schulabgänger sein.
Lassen Sie uns die jungen Leute so früh wie möglich bei der schulischen Bildung abholen. Ob allerdings eine umfassende, ergebnisoffene Berufsberatung ab der 7. Klasse sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln. Welche Berufsvorstellungen sollen sich bei einem Siebtklässler überhaupt gebildet haben?
Meine Damen und Herren! Beratung kann nicht mehr und nicht weniger als eine Hilfestellung sein. Die Beratungsgrenzen sind weitgehend abgesteckt. Auch datenschutzrechtliche Klarstellungen, wie sie im Punkt IV gefordert sind, werden daran wenig ändern.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Antrag verfolgt lobenswerte Ziele. Wir sprechen uns auch nicht gegen Jugendberufsagenturen aus. Wir glauben nur, dass eine solche Agentur maßgeschneiderte Lösungen liefern muss. Daran, dass dies mit dem Antrag möglich ist, haben wir aber – wie dargelegt – in weiten Teilen Zweifel. Deshalb werden wir uns bei diesem Antrag enthalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vorab: Kollege Homann und Kollege Dierks, das ist ja nichts Neues, was Sie uns hier vorlegen. Das gibt auch nicht den Auftakt zu einem Projekt.
Jugendberufsagenturen, egal wie sie heißen, gibt es schon seit Längerem in Sachsen. Ich erinnere nur, dass bereits am 7. Oktober 2010 das Haus der Jugend in Chemnitz eröffnet wurde, das genau den Anspruch hat, den sie in Ihrem Antrag formulieren. Darauf werde ich an anderer Stelle zurückkommen. Selbst die Jugendberufsagentur, die jetzt in Leipzig aufgemacht hat, vereint zwar viele Institutionen, mindestens zwei der genannten drei Kerninstitutionen, aber eben auch nicht das Thema Jugendhilfe. Das ist in Chemnitz ebenso. Dazu, woran das liegt, werde ich dann noch etwas sagen.
Wir GRÜNEN unterstützen von Anfang an die Idee der Jugendberufsagenturen, die es aufgrund einer Vereinbarung der Großen Koalition bereits seit 2010 nicht nur wegen des wachsenden Fachkräftebedarfs, sondern auch wegen der hohen Abbrecherquoten, die wir leider auch in Sachsen bei der Schul- und Berufsausbildung haben, gibt.
Die Agenturen leisten nach unserer Auffassung zudem einen Service, der den jungen Menschen zeigt, dass die Entscheidung über die berufliche Zukunft nicht nur von persönlicher, sondern auch von gesellschaftlicher Relevanz ist.
Was ist für den Erfolg einer Jugendberufsagentur wichtig? Zunächst ist es egal, welche der drei Kerninstitutionen – Agentur für Arbeit, Jobcenter oder Jugendamt – sich unter diesem Dach vereinen. Es gibt bereits eine interessante Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsausbildung zu den derzeit über 200 in Deutschland arbeitenden Jugendberufsagenturen. Darin wird darauf eingegangen – lassen Sie mich einige davon nennen: Natürlich ist es an erster Stelle die Kooperation auf Augenhöhe. In der Praxis wird deutlich, dass es im Moment so noch nicht passiert. In der Regel ist die Arbeitsagentur federführend. Wir sind sehr stark daran interessiert, zu erfahren, welche Vorstellung die Staatsregierung zur Verbesserung der Situation hat.
Beim zweiten Punkt, wie die Einbindung von Schule und weiteren Netzwerkpartnern tatsächlich funktioniert,