Wir arbeiten weiter an dieser Strategie „Erhalt vor Neubau“. Wir sind dazu in der Lage und müssen aber die grundsätzlich anderen Fragen ebenfalls klären, indem wir uns nicht nur auf eine kaufmännische Sicht der Betrachtung unserer Straßen zubewegen, wie es der Rechnungshof gemacht hat, sondern uns tatsächlich den technischen Fragen widmen. Das ist unsere Aufgabe, damit wir nicht nur jetzt über ein gutes Straßennetz verfügen, sondern auch in Zukunft.
ein leistungsfähiges Netz haben. In den 26 Jahren haben wir die Infrastruktur ertüchtigt. Jetzt wird es darauf ankommen, dass wir den Zustand analysieren und dass wir Geld und Planungsleute haben. Wir haben damit in den Haushaltsverhandlungen begonnen.
Ich wünsche mir vom Ministerium künftig mehr Problembewusstsein, mehr Spirit der 1990er. Wir müssen wieder dahin kommen, dass die Schubladen wieder voller werden mit planungsreifen Vorhaben, damit wir hier vorankommen können.
Von diesem Berichtsantrag erwarten wir, dass wir anschließend klarer sehen. Die Zukunftsfähigkeit unserer Staatsstraßen ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Wir werden als Parlament weiterhin genau hinsehen. Deswegen ist das Plenum genau der richtige Ort für eine solche Debatte und keine ein öffentliche Ausschussanhörung.
Das Plenum ist der richtige Ort dafür, Herr Böhme. Die bloße öffentliche Ausschusssitzung hat an der Stelle sicher nicht dieselbe Reichweite.
Damit kommen wir zur Abstimmung über die Drucksache 6/6107. Wer möchte zustimmen? – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Bei zahlreichen Enthaltungen und keinen Gegenstimmen ist die Drucksache beschlossen und der Tagesordnungspunkt ist beendet.
In der Aussprache nehmen die Fraktionen wie folgt Stellung: DIE LINKE, danach die CDU, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird. Mit der Aussprache beginnt für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Brünler. Bitte sehr, Herr Brünler, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Arbeitsschutz, genauer der Zustand der Sächsischen Arbeitsschutzverwaltung, war zum letzten Mal vor fast genau einem Jahr Gegenstand der Beratungen hier im Plenum. Warum sage ich das extra? Ganz einfach, weil sich seitdem de facto nichts verändert, geschweige denn verbessert hat.
Ich gebe zu, ich war kurzfristig versucht, einfach meine Rede von damals eins zu eins noch einmal zu halten. Die Probleme sind noch exakt dieselben, nur durch ein Jahr zusätzlich verstrichener Zeit etwas verschlimmert. Die Arbeitsschutzverwaltung ist inzwischen personell so ausgedünnt, dass ihre Tätigkeit nur noch mit Mühe und mithilfe von Priorisierungserlassen aufrechterhalten
Es klingt zunächst nicht verkehrt, Schwerpunktbereiche zu definieren und hier Prioritäten zu setzen. In der Praxis bedeutet das jedoch lediglich, dass sich das noch verbliebene Personal neben den durch Bundesgesetze zwingend vorgeschriebenen Aufgaben auf bestimmte Problemfelder konzentrieren und andere Bereiche zunächst hintanstellen
In der Folge des personellen Kahlschlags sank die Zahl der Betriebskontrollen in den letzten 15 Jahren um drei Viertel, das heißt, dass Unternehmen im Freistaat Sachsen im Schnitt nur noch in Intervallen von über 30 Jahren begutachtet werden. Betriebe aus Bereichen, für die keiner der bereits genannten Priorisierungserlasse besteht, fallen dabei vollständig durch das Raster.
Nein, es geht darum, beratend zur Seite zu stehen, auf Gefahrenquellen hinzuweisen und sie zu beseitigen. Es geht letztlich um die Gesundheit und bisweilen sogar das Leben der Beschäftigten hier im Freistaat, wobei sich die Staatsregierung nicht einfach in der Hoffnung, dass schon nichts passieren wird, aus der Verantwortung stehlen kann. Allzu oft passiert eben doch etwas.
Auch wenn es in Sachsen in den letzten Jahren zum Glück keinen ähnlich aufsehenerregenden Vorfall wie den Chemieunfall vor wenigen Wochen in Ludwigshafen gegeben hat, ist die Realität im Arbeitsschutz oftmals unspektakulär, aber trotzdem bedrückend und für die Betroffenen ein einschneidendes Erlebnis. So hat es hier im Freistaat 2015 – das war das letzte Berichtsjahr, für welches vollständige Daten vorliegen – insgesamt 212 als
schwer einzustufende Arbeitsunfälle gegeben. Das ist eine Zahl, die seit Jahren kontinuierlich wächst, im letzten Jahr um rund 18 %. Hinzu kommen noch 14 tödliche Unfälle.
Wenn man bedenkt, dass die schweren und tödlichen Unfälle zu 87 % auf mangelhaften Arbeitsschutz zurückzuführen sind, dann wird deutlich, wie wichtig es ist, das Sicherheitsbewusstsein in den Unternehmen zu stärken, betriebsinterne Voraussetzungen für eine konstruktive Sicherheitsstruktur zu schaffen und alle am Arbeitsprozess Beteiligten für die Belange der Arbeitssicherheit zu sensibilisieren. Das funktioniert aber nur, wenn die zuständige Behörde selbst in der Lage ist, ihre diesbezüglichen Aufgaben wahrzunehmen und nicht nur eine durch gesetzliche Regelungen unvermeidliche Agenda auf Minimalniveau aufrechterhalten kann, wobei selbst das bisweilen nur unter allergrößten Anstrengungen geschieht.
Nach dem ILO-Übereinkommen über die Arbeitsaufsicht in Gewerbe und Handel wird davon ausgegangen, dass eine adäquate Ausstattung der Arbeitsaufsicht bei einem Mitarbeiter pro 10 000 Beschäftigten gegeben ist. Wenn man das mit den Zahlen der Beschäftigten im Freistaat vergleicht, dann wird deutlich, dass wir hier bereits eine personelle Unterdeckung von mindestens einem Viertel haben. Zusätzliche neuere Aufgaben des Arbeitsschutzes wie der psychische Arbeitsschutz oder Herausforderungen im Zusammenhang mit Arbeit für null finden dabei allerdings noch ebenso wenig Berücksichtigung wie Fragen des Strahlenschutzes, der Gefahrenabwehr bei Schadstoffen, des Brandschutzes oder der Aufgaben im Bereich Medizinprodukte, die in der ILO-Verordnung noch gar nicht berücksichtigt sind. Die tatsächliche Situation ist also noch gravierender.
Die derzeit noch rund 150 Mitarbeiter sind für den Vollzug von 20 Gesetzen und zusätzlich 40 Verordnungen zuständig. In der Summe macht das etwa 175 staatliche Aufgaben, die vom Freistaat auch nicht einfach ausgesetzt werden können.
Meine Damen und Herren! In Kleinen Anfragen zur personellen und organisatorischen Aufstellung der Sächsischen Gewerbeaufsicht innerhalb der Landesdirektion wurde in der Vergangenheit regelmäßig auf die noch ausstehenden Ergebnisse der von der Staatsregierung eingesetzten Kommission zur umfassenden Evaluation der Aufgaben Personal- und Sachausstattung verwiesen. Der Bericht der Personalkommission liegt inzwischen zwar vor, aber daraus resultierende Maßnahmen und Schlussfolgerungen sind nicht erkennbar, geschweige denn, dass ein Konzept bekannt ist, wie der Staatliche Arbeitsschutz in Sachsen wieder in die Lage versetzt werden kann, seine Aufgaben über ein Notprogramm hinaus zu erfüllen.
Dabei geht es bei Weitem nicht nur um die desolate Personalausstattung, wobei auch hier mehr geschehen muss, als kw-Vermerke in den Haushaltsplan 2017/2018 aufzunehmen. Das verhindert zwar zunächst, dass bereits gerissene Löcher noch größer werden, eine Umkehr ist es jedoch mitnichten. Wenn das zur Verfügung stehende
Personal in den letzten 15 Jahren um rund zwei Drittel gekürzt wurde, dann bedeutet das lediglich, dass mit der Streichung bzw. Aussetzung der kw-Vermerke die de facto Selbstabschaffung der Behörde erst einmal gestoppt wird; die Arbeitsfähigkeit wird damit nicht grundsätzlich verbessert.
Es fallen uns noch ganz andere Fehler der Vergangenheit auf die Füße. Das derzeitige Durchschnittsalter im öffentlichen Dienst des Freistaates liegt bei 46 Jahren. In der Gewerbeaufsicht beträgt es inzwischen 58 Jahre. Das ist der Durchschnittswert, wohlgemerkt. Das heißt, dass durch planmäßigen Übergang in den Ruhestand in den nächsten Jahren ohne erkennbares Gegensteuern nahezu die komplette untere Führungsebene abhanden kommen wird. Dabei handelt es sich meist nicht einfach um Verwaltungsbeamte, die ohne Weiteres aus anderen Bereichen der Landesdirektion aufgefüllt werden könnten. Laut dem bereits erwähnten Personalbericht der Landesdirektion sind die Mitarbeiter zu 88 % hoch spezialisierte Fachkräfte, Naturwissenschaftler und Mediziner, die nicht ohne Weiteres innerhalb weniger Wochen ersetzt werden können, schon gar nicht aus der eigenen Behörde.
Aber wie gesagt, es geht nicht nur um Personal, sondern auch um die organisatorische Aufstellung und gegebenenfalls Neubeschreibung der inhaltlichen Aufgaben. Letzteres ist gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung der Arbeitswelt nötig. Auch ist es legitim zu prüfen, ob der Aufgabenumfang der Gewerbeaufsicht reduziert und an andere Bereiche der Verwaltung abgegeben werden kann.
Die Aufgaben und die Fähigkeiten im Arbeitsschutz müssen endlich wieder in Deckung gebracht werden. Das Auseinanderklaffen von Dienst- und Fachaufsicht – konkret: die Aufteilung zwischen Landesdirektion und SMWA – ist dabei sicherlich nicht immer hilfreich, zumal wenn der Eindruck entsteht, dass nicht alle beteiligten Seiten an einem Strang ziehen. Hier muss endlich ein Handlungskonzept auf den Tisch, zum einen aus Verantwortung gegenüber den eigenen Mitarbeitern in der Gewerbeaufsicht, die derzeit auf Verschleiß gefahren werden, zum anderen aber auch für die Sicherheit der Menschen hier im Freistaat, die ihrer eigenen Arbeit nachgehen. Dieses Konzept fordern wir mit unserem Antrag ein, und ich bitte Sie um Ihre Zustimmung.
Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Arbeitsschutz im Allgemeinen ist in der Tat eine zentrale gesellschaftliche und damit politische Aufgabe, darüber dürfen wir uns alle einig sein, sowohl aus humanitärer Sicht – jeder Mensch hat das Recht auf den Schutz
seiner körperlichen Unversehrtheit – als auch aus betriebs- und volkswirtschaftlicher Sicht. Jeder Unfall verursacht nicht nur persönliche und familiäre Schäden, sondern auch betriebliche und gesellschaftliche Kosten und entzieht dem Arbeitsmarkt zeitweise – in schlimmen Fällen dauerhaft – dringend notwendige Fachkräfte.
Um Ihnen die Dimensionen vor Augen zu führen, lassen Sie mich im Folgenden einige Zahlen nennen: Wir zählen mittlerweile jährlich in Deutschland rund 1,2 Millionen Behandlungen im Gesundheitssystem aufgrund psychischer Erkrankungen. Pro Jahr fehlen psychisch erkrankte Beschäftigte im Durchschnitt 35,5 Tage. 28,6 % aller Beschäftigten waren oder sind wegen psychischer Probleme in Behandlung. Der Umsatz bei Antipsychotika beträgt auf dem deutschen Apothekenmarkt bereits circa 612 Millionen Euro. Diese Zahlen lassen sich beliebig in allen Dimensionen fortführen. Die Schätzung der volkswirtschaftlichen Kosten beläuft sich jährlich auf insgesamt circa 15 Milliarden Euro.
Die körperlichen, aber auch immateriellen psychischen Beeinträchtigungen der Betroffenen nehmen einen immer größeren volkswirtschaftlichen Anteil ein. Die Ausgaben dafür lassen sich aufgrund der hohen Dunkelziffer aber nur schwer in Kostenstatistiken erfassen. In Deutschland haben wir uns dieser Herausforderung mit einem komplexen System an Arbeitsschutzgesetzen und Vorschriften und der Etablierung einer funktionierenden dualen Arbeitsschutzverwaltung gestellt. Gleiches gilt für den Freistaat.
Es ist zweifellos richtig, dass die Sächsische Arbeitsschutzverwaltung unserer permanenten Aufmerksamkeit bedarf. Das liegt zum einen an der tatsächlich komplizierten Personalsituation, die sich durch den demografischen Wandel in den kommenden Jahren noch verschärfen dürfte, sofern wir hier nicht gegensteuern. Zum anderen wandeln sich die Arbeitsprozesse und die Art der Belastung: von körperlichen hin zu psychisch-psychosomatischen Belastungen in den Arbeitsprozessen. Hier sind permanente Anpassungen der Strategien und der Organisation des Arbeitsschutzes notwendig.
Für die Regierungskoalition ist der Arbeitsschutz von großer Bedeutung. In unserer Koalitionsvereinbarung heißt es dazu wörtlich: „Die Koalition wird sich für eine Stärkung des Arbeitsschutzes in Sachsen einsetzen. Wir erkennen die große Bedeutung des Arbeitsschutzes für die Sicherheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Produktivität der Unternehmen an. Die Koalition bekennt sich zur Einführung einer sächsischen Arbeitsschutzallianz. Die bestehende Arbeitsschutzkonferenz wird zu diesem Zweck erweitert und mit neuer Intensität weiterentwickelt. Unser Augenmerk werden wir stärker auf die betriebliche Gesundheitsförderung richten, um zum Beispiel neuen Herausforderungen, wie psychischer Belastung am Arbeitsmarkt, zu begegnen.“