Protocol of the Session on August 31, 2016

(Christian Piwarz, CDU: Dulig!)

Dulig, Entschuldigung.

(Christian Piwarz, CDU: Man hilft, wo man kann!)

Herr Staatsminister Dulig hat 2014 im Landtagswahlkampf als Vorsitzender der sächsischen SPD wörtlich erklärt: „Wir wollen Quoren senken. […] Schließlich wollen wir […] mehr Beteiligung ermöglichen. Wir haben keine Angst vor direkter Demokratie – wir wollen mehr davon, weil das die Legitimation von Willensbekundungen und Entscheidungsprozessen fördert.“ Nachzulesen ist das wörtlich unter www.spd-sachsen.de/dulig-mehrmut-zu-mehr-demokratie.

Im Koalitionsvertrag verkümmert der entschlossene Ansatz der sächsischen SPD in der Erzwingung eines sogenannten Prüfauftrages in Richtung Quorensenkung. Nun begnügen Sie sich mit der konsultativen Beteiligung mehr oder weniger als Angebot an unsere ohnehin bis zur Obergrenze Unterlippe politikfrustrierten Landeskinder. Da fällt mir als Rechtfertigungsgrund nur noch die Äußerung Ihres damaligen Parteivorsitzenden Franz Müntefering nach der Bundestagswahl 2005 ein: „Dass wir oft an Wahlkampfaussagen gemessen werden, ist nicht gerecht.“

Dass eine handgreifliche Diskrepanz zwischen den Wahlkampfforderungen und dem tatsächlichen Handeln im parlamentarischen Entscheidungsprozess bei Weitem kein sozialdemokratisches Phänomen ist, offenbart auch das Beratungs- und Entscheidungsverhalten der hiesigen AfD-Fraktion bei der bisherigen Behandlung des Gesetzentwurfes.

Ich darf Ihre Wahlplakate zitieren, Frau Petry und Kollegen: „Die Schweiz ist für Volksentscheide. Wir auch“, oder: „Mut zur Wahrheit! Volksabstimmungen statt Blockparteien“. Mit derlei Sprüchen haben Sie auch am vergangenen Wochenende am Rande des Chemnitzer Stadtfestes Ihren bombastischen Stand dekoriert, und dann votieren Ihre Vertreterinnen und Vertreter im Verfassungs- und Rechtsausschuss Seite an Seite mit CDU und SPD mit Nein.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gern.

Herr Kollege Bartl, ich freue mich darüber, dass Sie gerade auf die AfD eingehen. Selbstverständlich sind wir für mehr Bürgerbeteiligung und für direkte Demokratie,

(Christian Piwarz: Eine Frage!)

aber wir haben einen eigenen Gesetzentwurf mit sehr viel mehr direkter Demokratie

(Zurufe: Frage! Sie müssen eine Frage stellen!)

und einem sehr weitgehenderen Antragsrecht beim Referendum vorgelegt. Ist Ihnen das bewusst?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das ist ihm bewusst! – Weitere Zurufe)

Die Frage, ob mir das bewusst ist, habe ich erkannt. Mir ist es bewusst, weil ich im Verfassungs- und Rechtsausschuss mit beschlossen habe, dass dazu im Oktober angehört wird. Vielleicht macht es trotzdem wenig Sinn und wenig Logik, dass man dann den Gesetzentwurf, den eine andere Fraktion bringt, schlicht und ergreifend verneint, sich nicht einmal enthält, sondern einfach sagt: Nein. Das ist für mich letzten Endes – –

(André Wendt, AfD: Das machen Sie auch!)

Sie votieren frontal mit Nein, offensichtlich, weil Ihnen der Gesetzentwurf von politisch ungeliebter Seite – nämlich von LINKEN und GRÜNEN – nicht passt, und Sie haben damit auffällig schnell gelernt, sich allen tradierenden Ritualen anzuschließen, die es in diesem Parlament gibt, und insofern sind alle Unarten, die Sie den etablierten Parteien nachsagen, inzwischen Ihre eigenen.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Das sagen die Richtigen!)

Willkommen im Block!

(Heiterkeit der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

Sorry, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich nehme an den Debatten um die Etablierung einer praktikablen Volksgesetzgebung in diesem Haus seit Ende 1990 teil – auch schon als Mitglied des seinerzeit verfassungsberatenden Ausschusses. Auch wir haben viel Hoffnung mit der Etablierung der Volksgesetzgebung in den Artikeln 71 bis 73 der Sächsischen Verfassung verbunden, obwohl wir bereits damals die Quoren speziell für Volksbegehren zu hoch erachtet und auch bedauert haben, dass neben der Möglichkeit des Volksantrages qua Gesetz nicht auch die Volksinitiative vorgesehen wurde.

Wenn wir aber jetzt so abgefrühstückt werden – auch nach viel Geduld im informellen Prozess – und uns einfach gesagt wird, für die nächsten drei Jahre gibt es keine Änderung der Verfassung, dann reicht es auch irgendwann.

Sie können es uns gern widerlegen; die Debatte im Parlament darf und sollte offen sein. Sie können heute – ob als Mitglied der CDU-, der SPD- oder AfD-Fraktion – dem Gesetzentwurf gern zustimmen. Sie können es auch lassen, was mit Sicherheit weiter hilft, am herunterkommenden Ruf der Politik im Freistaat Sachsen zu basteln.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Die Fraktion GRÜNE, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Direkte Demokratie braucht nicht nur politische Kultur, sie ist vielmehr politische Kultur. Bürgerinnen und Bürger wollen in politische Entscheidungen eingebunden werden. Aber dazu braucht es vonseiten der Regierung und des Parlaments eine Kultur der ständigen Debatte einerseits und eine Kultur des Sich-informieren-und-erstehen-wollen andererseits. Eine Demokratie muss aber gegensteuern, wenn das Ergebnis der Unzufriedenheit mit vorhandenen Strukturen und Einflussmöglichkeiten die Hinwendung zu letztlich undemokratischen Kräften ist.

Ansatzpunkte zum Gegensteuern sind in unserer Sächsischen Verfassung mit dem Volksantrag, mit dem Volksbegehren und dem Volksentscheid bereits verankert.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Auch besagt Artikel 3 unserer Verfassung – Herr Bartl hat es eben gesagt – eindeutig, dass das Volk und der Landtag gleichrangige Organe der Gesetzgebung sind.

Tatsächlich hat es in dieser Zeit allerdings nur einen Volksantrag gegeben, per Volksentscheid ein Gesetz zu werden. Wenn hier aber nur aller 20 Jahre ein Volksentscheid stattfindet, dann darf man sich auch nicht wundern, wenn die Bevölkerung kein Verständnis dafür hat, wie kompliziert, wie bürokratisch und wie aufwendig tatsächlich Politik ist und welche Folgen ein Kreuzchen auch haben kann. Genau an diesem Punkt soll unser Gesetzentwurf ansetzen; denn ich bezweifle, dass diese nur scheinbare Inaktivität des Volkes als Gesetzgeber auf dessen Politikmüdigkeit zurückzuführen ist.

Vielmehr ist der Sächsische Landtag bisher nicht seiner verfassungsmäßigen Aufgabe nachgekommen, die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine tatsächlich realisierbare Volksgesetzgebung auszugestalten. Deswegen schlagen wir mit unserem Entwurf vor, die hohen Hürden für Volksantrag und Volksbegehren zu senken. Herr Bartl hat es hinlänglich ausgeführt.

Es ist ja tatsächlich auch nicht der erste Anlauf in diesem Landtag. In jeder Legislaturperiode bringt die Opposition aufs Neue einen entsprechenden verfassungsändernden Gesetzentwurf ein, und jedes Mal – aber auch jedes Mal – heißt es vonseiten der CDU, dass man nichts überstürzen dürfe, Demokratie bräuchte Zeit, und vielleicht schauen wir noch einmal in der nächsten Legislaturperiode...

Um ehrlich zu sein, bin ich Ihres Mohrrübe-an-der-AngelSpiels langsam überdrüssig.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Im aktuellen Koalitionsvertrag – Herr Bartl hat es gerade gesagt – findet sich neben vielen anderen Prüfaufträgen auch jener, ob mehr Möglichkeiten der direkten Demokratie geschaffen werden können.

Aber anstatt konkret und ernsthaft zu prüfen, haben Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, mit einer fragwürdigen Demokratiekonferenz, zu der noch nicht einmal alle Abgeordneten in diesem Landtag eingeladen worden sind, hinhalten lassen.

(Zuruf von der AfD)

Was war das Ergebnis dieser Demokratiekonferenz? – Ein Landtagspräsident, der erzählt, dass die Sächsische Verfassung ja schon alle Elemente der direkten Demokratie verankert. Geflissentlich verschwiegen hat er dabei, dass die Quoren erfahrungsgemäß viel zu hoch sind. Der Ministerpräsident hat in sieben Thesen erzählt, dass die Demokratie vom Mitmachen und vom Austausch lebt, auch einmal wehtun kann, und – nicht zu vergessen – er hat erneut einen Prüfauftrag formuliert: ob die Bürgerräte, wie sie in Vorarlberg in Österreich seit dem Jahr 2006 durchgeführt werden, eine Möglichkeit für die sächsischen Bürgerinnen und Bürger sein könnten.

Alle diese Dialogformate – es gibt ja jetzt einige auf Landesebene und sogar ein Beteiligungsportal – sind grundsätzlich eine gute Sache, und wir haben dazu bereits letztes Jahr einen Antrag vorgelegt. Aber sie sind nicht verbindlich und sie sind, genau wie Volksentscheide, lediglich ein Puzzleteil. Richtig ist, dass die direkte Demokratie allein kein Allheilmittel für die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den parlamentarischen Strukturen und Akteuren ist. Allein die Dialogformate sind es aber auch nicht. Beide sind aber ein wichtiger Bestandteil einer vielfältigen Demokratie, die den Bedürfnissen aller Mitglieder der Gesellschaft entspricht und entsprechen muss.

Genau deshalb geht es nicht darum, die Schweiz zu kopieren, sondern von ihr zu lernen. Auch in der Schweiz ist die direkte Demokratie nicht vom Himmel gefallen und nicht von heute auf morgen eingeführt worden, sondern sie hat sich in den Kantonen Anfang des 19. Jahrhunderts und im Bund mit der Gründung 1848 langsam entwickelt.

Zurück zu Sachsen. Anfang der Neunzigerjahre, 1992, wurde hier die Sächsische Verfassung beschlossen. Damals waren wirklich weitsichtige Regelungen getroffen und Rechte festgeschrieben worden. Die Verfassung hat sich ja größtenteils bewährt. Aber wir können uns doch nicht auf den Leistungen der Verfassungsmütter und -väter – einige sitzen hier noch – ausruhen. Wir müssen unsere Demokratie entsprechend den veränderten Prämissen und Anforderungen in der Gesellschaft doch anpassen

und weiterentwickeln, wenn wir sie nicht leichtsinnig aufs Spiel setzen wollen.

Deshalb haben Sie heute mal wieder Gelegenheit, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Die CDUFraktion; Herr Modschiedler, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der angesprochenen letzten Ausschusssitzung wurde seitens der einbringenden Fraktion DIE LINKE darauf hingewiesen, dass man mit dem Gesetzentwurf – so schreiben sie – beabsichtige, den Diskussionsprozess zum Thema „Direkte Demokratie“ weiter fortzusetzen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Seit anderthalb Jahren!)