Protocol of the Session on June 22, 2016

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Infrastrukturfrage dieser Dekade ist eben nicht mehr, ob eine Gemeinde ans Bundesstraßennetz angeschlossen ist, sondern, ob die Datenautobahnen ausgebaut sind und hohe Geschwindigkeiten ermöglichen. Bei allen Risiken, über die wir reden müssen, was wir heute auch in der Aussprache zum Bericht des Sächsischen Datenschutzbeauftragten tun werden, tun wir Sozialdemokraten das in dem Bewusstsein, dass die Digitalisierung vor allem Chancen für Menschen, Staat und Wirtschaft bereithält. Ja, ich bin der festen Überzeugung, sie ist sogar Voraussetzung dafür, dass wir auch in Zukunft flächendeckend und zeitnah die Versorgung mit aktuellen Informationen, staatlichen und privaten Dienstleistungen, aber auch Bildung gewährleisten können.

Weil dies vor allem Menschen zugutekommen kann, die dieser Entwicklung bisher zurückhaltend gegenüberstanden oder schlicht nicht partizipieren können, hoffe ich, dass wir heute nur über den Weg und nicht über dieses Ziel streiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der Digitalisierung und des Ausbaues der digitalen Infrastruktur ist die Gerechtigkeitsfrage –

Die Zeit, Kollege Mann.

– des 21. Jahrhunderts.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Staatsministers Martin Dulig)

Das war Herr Mann für die einbringende SPD-Fraktion. Damit ist die Aktuelle Debatte eröffnet. In der weiteren Rednerreihung folgen jetzt DIE LINKE, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE Kollege Brünler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Mann hat gerade ein sehr schönes Szenario entworfen, was alles möglich ist: Datenaustausch, Cloudarbeit usw. Man kann darüber streiten, ob das etwas blauäugig hinsichtlich der Datensicherheit und der Transparenz des Ganzen ist, aber das ist gar nicht das Thema. Die Frage ist: Geht das in Sachsen wirklich? Kollege Mann hat auch richtig die Kurve gekriegt, indem er gesagt hat, er ist hauptsächlich in Dresden und Leipzig zugange, da funktioniert das. Ich sage wahrscheinlich nicht zu viel, dass er, wenn er im Zug von Leipzig nach Dresden fährt, das Erlebnis hat, dass spätestens fünf Minuten hinter der Stadtgrenze von Leipzig erst einmal Schluss ist.

Ich zitiere wortwörtlich aus der Digitalisierungsstrategie „Sachsen digital“: „Nun gilt es, die sächsische Erfolgsgeschichte ins digitale Zeitalter zu tragen. Die Voraussetzungen dafür sind ausgezeichnet: Als größter Mikroelektronik-Cluster mit einer aufstrebenden Software- und IT

Branche verfügt Sachsen über beachtliche technische Kompetenzen für den digitalen Wandel.“

So weit ist das nachvollziehbar und sicherlich auch in Ordnung, dass man in einer offiziellen Broschüre der Staatsregierung nicht damit hausieren geht, wo man irgendwo im hinteren Dritteln herumgurkt, sondern dass man beschreibt, wo man Chancen sieht. Es ist unter dem Strich in vielen Programmen aber Selbstbeschwörung.

Es ist Selbstbeschwörung, da die leistungsfähige digitale Infrastruktur nicht vorhanden ist, und es ist Selbstbeschwörung vor allen Dingen auch deshalb, weil, wenn man auf den Mikroelektronik-Cluster Dresden abzielt, gerade vonseiten der Staatsregierung zu vielen Schwierigkeiten, die auf uns lauern – ich sage nur Globalfoundries –, eher überdeutliches Schweigen herrscht in der Hoffnung, es möge alles gut gehen und bitte nichts passieren.

Es ist klar, die Ausbauziele der Bundesregierung, eine Breitbandanbindung mit 50 Mbit/s, wird Sachsen klar verfehlen. Wir liegen immer noch um ein Fünftel unter dem Bundesdurchschnitt. Das Stadt-Land-Gefälle ist nach wie vor so groß, wie es auch vor zwei Jahren war.

Wir haben nun Gott sei Dank endlich eine Digitalisierungsstrategie. Das muss man dem Minister tatsächlich zugutehalten. Das unterscheidet ihn von der Vorgängerregierung, aber wirklich aufgeholt haben wir bisher noch nicht.

Wenn man sich den Breitbandatlas des Bundes anschaut und sich die Entwicklung in den letzten Jahren vor Augen führt, dann sieht man, dass Sachsen nach wie vor hinterherhinkt und dass der Abstand zu den Westländern nicht wirklich zurückgeht.

Wir reden heute auch über WLAN-Hotspots für Touristen, die wir fördern. Auch dazu gab es schon die eine oder andere Pressemeldung, in der wir uns darüber gefreut haben. Ich muss aber ganz ehrlich sagen: Haben wir tatsächlich in die Zukunft geschaut, wenn wir in irgendeiner alten Kirche oder in irgendeinem alten Schloss einen WLAN-Hotspot errichtet haben? – Ich glaube nicht, zumal, was noch hinzukommt: Ohne die zugrunde liegende Breitband-Infrastruktur nützt das unter dem Strich gar nichts, weil auch ein WLAN-Hotspot irgendwo aufsetzen muss. Allerdings tut die Staatsregierung im Moment wenig für jene Infrastruktur, die eigentlich notwendig ist.

Stattdessen treten wir mit Scheinlösungen auf der Stelle. Ich nenne nur das Stichwort „Technologieneutralität“, welches Sie groß vor sich hertragen. Technologieneutralität klingt erst einmal gut, klingt wie Wettbewerb der besten Systeme, aber Technologieneutralität heißt in dem konkreten Fall genau das Gegenteil: Technologieneutralität heißt einseitige Förderung von Vectoring,

(Staatsminister Martin Dulig: Eben nicht!)

obwohl alle wissen, dass das nicht weiter ausbaufähig ist. Es heißt Sicherung von Monopolanbietern, insbesondere dann, wenn ich gehört habe, dass 50 Mbit/s nur ein

Zwischenschritt sein sollen, und es heißt im Zweifelsfall auf Mobilfunklösungen zu setzen, die zwar schnell verfügbar sind, aber die technischen Probleme haben, dass sie weder in Echtzeit funktionieren, noch dass deren Leistungsfähigkeit dauerhaft erhalten bleibt, wenn die Funkzellen tatsächlich genutzt werden.

Ich zitiere wieder aus Sachsen Digital: „… aus dem Dreiklang einer flächendeckend verfügbaren, leistungsfähigen und nachhaltigen digitalen Infrastruktur, darüber angebotenen digitalen Diensten sowie einem möglichst hohen Grad an Innovation.“

Richtig, aber das beschreibt beileibe nicht die Realität in unserem Freistaat, insbesondere, da die Staatsregierung auf eine Kleine Anfrage von mir einräumen musste, dass sie im Grunde genommen gar keinen Überblick über die konkret vorhandene Infrastruktur hat.

Teil der heutigen Debatte ist auch die Reform der Störerhaftung. Die Störerhaftung in ihrer alten Form ist vom Tisch. Das ist gut so. Warum die Koalitionsparteien, wenn sie dies ebenfalls befürworten, nicht schon in der Vergangenheit offensiver vorgegangen sind und im Bundesrat die Initiative ergriffen haben, wird aber letztlich ihr Geheimnis bleiben, zumal auf eine Kleine Anfrage von mir eher ausweichend geantwortet wurde.

Wenn ich nun höre, Staatsminister Dulig habe sich bereits frühzeitig für deren Abschaffung eingesetzt, –

Die Zeit, Kollege Brünler, die Zeit.

– dann komme ich zu dem Ergebnis, dass andere in der Staatsregierung augenscheinlich gebremst haben.

Weiter in der zweiten Runde.

(Beifall bei den LINKEN)

Es sprach gerade Kollege Brünler für seine Fraktion DIE LINKE. – Für die AfD-Fraktion kommt jetzt Herr Beger zu Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich ist man bei dem heutigen Debattenthema geneigt zu sagen: Und wieder einmal schaffen es die Koalitionsparteien, ein bereits in den sicheren Hafen manövriertes Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Ich möchte nur kurz an den Antrag „Fachkräfteallianz Sachsen“ erinnern, nach dem die Staatsregierung über Erfolge berichten sollte, die bereits allgemein bekannt waren, und Maßnahmen ergreifen sollte, die sie ohnehin schon ergriffen hatte. Der PRErfolg dieses Antrags in der 32. Plenarsitzung war eher mäßig.

Das Thema der heutigen Debatte taugt bei näherer Betrachtung aber noch weniger als PR-Mittel. Schauen wir uns einmal an, was der Bundestag mit CDU- und SPDgestützter Mehrheit am 2. Juni 2016 in Gesetzesform gegossen hat:

Ausgangspunkt waren ungeklärte Haftungsfragen beim Betrieb von öffentlichen WLAN-Hotspots. Insbesondere die unzureichenden Regelungen des § 8 des Telemediengesetzes waren so zu ändern, das Haftungs- und Unterlassungsansprüche gegen Cafés, Hotels und andere, die ihr WLAN den Kunden öffentlich zur Verfügung stellen, ausgeschlossen sind.

Deshalb gab es im Jahr 2015 einen Referentenentwurf zu dieser Problematik. Dieser wurde von Gutachtern und dem Deutschen Anwaltsverein in weiten Teilen scharf kritisiert, insbesondere die vorgesehene Neuregelung des § 8 des Telemediengesetzes mit der Begründung, er sei sinnlos, praxisfern und nicht hilfreich.

Der Referentenentwurf zu § 8 Abs. 4 des Telemediengesetzes war wie folgt formuliert – ich zitiere –: „Diensteanbieter nach Abs. 3 können wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers nicht auf Beseitigung oder Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn sie zumutbare Maßnahmen ergriffen haben, um eine Rechtsverletzung durch Nutzer zu verhindern. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Diensteanbieter

1. angemessene Sicherungsmaßnahmen gegen den unberechtigten Zugriff auf das drahtlose lokale Netzwerk ergriffen hat und

2. Zugang zum Internet nur dem Nutzer gewährt, der erklärt hat, im Rahmen der Nutzung keine Rechtsverletzungen zu begehen.“

Diese Nummern 1 und 2 des Abs. 4 standen in der Kritik. Selbstverständlich sind Passwörter untauglich, um ein WLAN zu schützen, das öffentlich zugänglich ist. Auch eine Absichtserklärung, wie sie Nummer 2 fordert, ist absolut praxisfern und juristisch wohl nicht haltbar.

Diesen Erkenntnissen schlossen sich dann auch CDU und SPD an. Es folgte ein Änderungsantrag. Das Gesetz wurde unter Streichung des Abs. 4 am 2. Juni 2016 beschlossen.

Was folgt nun daraus? – Nicht nur die überflüssigen, haftungsausschließenden Handlungen, sondern auch die Haftungsprivilegierungen des § 8 Abs. 4 des Telemediengesetzes auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche sind vollständig gestrichen worden. Sie befinden sich nun nur noch in der Gesetzesbegründung, jedoch nicht mehr im Gesetz selbst.

Einige Stimmen im Netz verweisen nun darauf, dass der BGH ausgeführt habe, dass Ausführungen in der Begründung eines Gesetzentwurfes für die Auslegung unbeachtlich seien, wenn sie im Gesetz keinen hinreichenden Niederschlag gefunden hätten. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ob der BGH jetzt wirklich diese Rechtsauffassung vertritt, lasse ich dahinstehen. Entscheidend ist doch die Frage, warum die Haftungsprivilegierungen nicht im Gesetz stehen. Nur diese würden weitere juristische Streitigkeiten von vornherein ausschließen.

Alles, was nicht eindeutig im Gesetz formuliert ist, wird über kurz oder lang zum Gegenstand juristischer Auslegung. Es braucht nicht viel Fantasie, um zu sehen, dass gute Juristen in verschiedenen Richtungen argumentieren können und auch werden. Rechtssicherheit kann man jedenfalls besser liefern, als es das vorliegende Gesetz vom 2. Juni 2016 tut – bei aller Wertschätzung für das deutsche Rechtssystem.

Vielleicht erinnern sich auch manche Betreiber öffentlicher Hotspots an den folgenden Spruch: Beim Amtsgericht stimmt das Ergebnis, beim Landgericht stimmt die Begründung und beim BGH stimmt am Ende gar nichts mehr. Dieser Wertung möchte ich mich ausdrücklich nicht anschließen. Sie zeigt aber, dass eine klare gesetzliche Regelung von Anfang an mehr Rechtssicherheit schafft als der Zug durch die juristischen Instanzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Auf Herrn Beger folgend schließt jetzt Frau Kollegin Maicher für die Fraktion GRÜNE die erste Rederunde ab.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Titel gibt sich die Regierungskoalition wieder kämpferisch, und auch Herr Dulig tut das gelegentlich in den Pressemitteilungen.

Da ist von digitaler Offensive die Rede, vom Gestalten, von der Zukunft Sachsens und oft auch vom Standortwettbewerb, von Wettbewerbsvorteilen und Attraktivität. Damit tun Sie so, als sei diese Erkenntnis jetzt neu. Tatsächlich läuft die digitale Offensive aber bereits seit drei Jahren.

Was ist bisher passiert? Wir sind mit den Ergebnissen überhaupt nicht zufrieden; das können Sie im Übrigen auch nicht sein. Nur die Hälfte der Haushalte hat das Ziel von 50 Megabit pro Sekunde bis 2018 bisher erreicht. Bei einem Viertel sind es nicht einmal 16 Megabit pro Sekunde, und im ländlichen Raum wird nicht einmal die Hälfte erreicht.

Wer angesichts dieser Zahlen zum „Weiter so!“ bläst, wird den Wettlauf gegen die Zeit und auch gegen die Standortkonkurrenz verlieren. Sie tun jetzt so, als sei mit der überarbeiteten Förderrichtlinie alles besser. Aber schauen wir sie uns doch einmal an: In Wirklichkeit lassen Sie die Kommunen mit einem Eigenanteil von 8 bis 10 % im Stich. Für viele Dörfer und Gemeinden heißt das, dass der notwendige, sinnvolle, zukunftsfähige Ausbau in unbestimmte Ferne rückt.

Außerdem ermutigen Sie mit der Förderrichtlinie weiterhin zur Ertüchtigung alter Leitungen mit Vectoring. Dafür, für diese viel zu kurz gedachte Scheinlösung, nehmen Sie eine Remonopolisierung in Kauf. Wenn Sie jetzt Fördergelder in ehemalige Staatsunternehmen und veraltete Infrastrukturen stecken, wird das nicht nur die Kommunen und die Landkreise, sondern auch die Steuerzahler