Protocol of the Session on April 20, 2016

In einer solch schwierigen Situation erwarten die Bürgerinnen und Bürger, dass wir zusammenstehen.

(Einzelbeifall bei der CDU – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ja, ja! – Sebastian Fischer, CDU: Sehr richtig!)

Bombardier ist ein Weltkonzern mit über 71 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der sich sehr ungern Ratschläge, geschweige Belehrungen anhört. Wir leben aber Gott sei Dank in Freiheit und Demokratie und nicht im Sozialismus, so wie Sie es gern hätten.

(Widerspruch bei den LINKEN)

Deswegen kann die Politik nur bedingt und behutsam Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen nehmen.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Ursu?

(Zuruf von den LINKEN)

Jetzt nicht. – Das schließt aber nicht aus, dass wir uns dafür einsetzen, Entscheidungen positiv zu beeinflussen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Ich kann mich als Görlitzer sehr gut daran erinnern, dass unser Ministerpräsident die Erteilung von sehr wichtigen Aufträgen aus Israel aktiv begleitet hat. Diese Aufträge spielen bis heute eine sehr wichtige Rolle.

Reden wir aber lieber über die aktuellen Fakten. Im Unterschied zu Ihnen, Herr Kollege Brünler, habe ich persönlich an Gesprächen zwischen der Konzernspitze, der IG Metall und dem Betriebsrat teilgenommen. Die bisherige Entwicklungsabteilung in Görlitz soll verlagert werden. Dort arbeiten Spezialisten, die mit ihrem Wissen für einen Technologie- und Innovationsvorsprung bei der

Komplettfertigung von Doppelstockwagen sorgen. Deswegen ist es in Görlitz besonders problematisch.

Herr Dieter John, seinerzeit Vorsitzender der Geschäftsführung der Bombardier Transportation und zuständig für Zentral-, Osteuropa und Russland, erzählte uns, dass Bombardier weltweit 7 000 Arbeitsplätze abbauen muss und dass neben der stärker betroffenen Luftfahrtsparte auch der Schienenverkehrsbereich mit weltweit 3 200 Stellen betroffen sein wird. Er begründete dies mit dem rasant wachsenden Wettbewerb auf dem internationalen Schienenverkehrsmarkt durch Angebote aus Asien und Osteuropa. Herr John verkündete den Wegfall von Arbeitsplätzen an beiden Standorten, aber erst nach der Zusammenlegung der Werke in Bautzen und Görlitz. Nebenbei bezeichnete er hoch spezialisierte Arbeitskräfte als „Atmungsmasse“, mit der beliebig jongliert werden kann.

Es sind fehlerhafte und gravierende Entscheidungen von dem Management getroffen worden. Hinter jedem Mitarbeiter bei Bombardier und bei den zahlreichen Zulieferbetrieben in meiner Region stehen Familien.

Nachdem ich mich öffentlich sehr kritisch, in ähnlicher Weise wie heute, geäußert hatte, schrieb mich Herr John persönlich an und bot sich für weitergehende Erläuterungen und Rückfragen an. Dazu kam es aber nicht mehr, weil er bald selbst seinen Stuhl räumen musste.

Die Belegschaft von Bombardier hat das Recht auf eine verbindliche Aussage, wie die Standorte in Sachsen durch Spitzenprodukte und Innovationen langfristig gesichert werden können. Ich erwarte von allen Verantwortlichen, dass sie sich dessen bewusst sind und danach handeln.

Im Interesse der Bombardier-Mitarbeiter müssen wir auf allen politischen Ebenen zusammenhalten, an einem Strang ziehen und keine falschen Debatten führen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die CDU-Fraktion wurde vertreten durch Kollegen Ursu. Jetzt spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Baum.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Parteitagsrhetorik und laute Phrasen – das muss man an dieser Stelle ganz klar sagen – retten keine Arbeitsplätze.

(Unruhe bei den LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist leider unverantwortlicher Unsinn, was Sie, lieber Kollege Schultze von den LINKEN, am 17.03. in Ihrer Pressemitteilung verbreitet haben. Ich zitiere: „Es ist Ihre schwarz-rote Koalition in Sachsen, die den Kahlschlag im Schienennetz des Freistaates plant.“ Das ist Blödsinn.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung – Zuruf des Abg. Mirko Schultze, DIE LINKE)

Die sächsische Koalition ist gewiss nicht daran schuld, wenn 900 Menschen bei Bombardier ihren Job verlieren. Sie plant auch keinen Kahlschlag im Schienenverkehr.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Doch!)

Worum geht es Ihnen nun eigentlich? Geht es Ihnen um eine wirtschaftliche Grundsatzdebatte, um die Abrechnung mit alten Regierungen oder um das Thema Arbeitsplätze und Standorte? Das ist nicht wirklich klar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bombardier ist ein Weltkonzern. Wenn er in Montreal, Kanada, Entscheidungen trifft, dann haben diese zwangsläufig Auswirkungen bis hinein in die Oberlausitz.

Es ist aber nicht alles so einfach, wie Sie von den LINKEN es immer gern darstellen. Die Sächsische Staatsregierung hat nun einmal nur wenig bzw. begrenzten Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen eines global operierenden Konzerns. Das ist so, und seien wir ehrlich: Das ist auch eine Schattenseite der Marktwirtschaft. Die Möglichkeiten, die die Staatsregierung hat, nutzt sie, auch wenn das nicht sofort für jeden und öffentlich sichtbar ist.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am 17. Februar hatte Bombardier die Quartalszahlen veröffentlicht, und es wurde schnell klar, dass diese Bilanz für ein Unternehmen dieser Größe schlecht ist. Der Konzern reagierte darauf mit der weltweiten Streichung von Jobs. Wie zu hören und zu lesen war, sollen insgesamt 7 000 Jobs gestrichen werden, davon 3 200 im Bereich der Bahnsparte des Konzerns.

Für Deutschland gilt: Bei Bombardier arbeiten 10 500 Beschäftigte. Davon sollen, wie zu lesen war, 1 430 Jobs wegfallen und davon wiederum 1 200 im Osten Deutschlands. Die Oberlausitz in Sachsen wäre damit also überproportional betroffen.

Für den Standort Görlitz gilt: Dort sind 2 500 Beschäftigte, davon 1 700 Festangestellte und 800 Leiharbeiter. Für Görlitz wäre der Abbau von 700 Arbeitsplätzen geplant. Das ist, denke ich, bekannt. Das betrifft 200 Festangestellte und 500 Leiharbeiter. Die Verluste bei den Festangestellten – das ist bereits gesagt worden – beträfen neben dem Management- und kaufmännischen Bereich insbesondere die Engeneering-Abteilung. Das wäre natürlich sehr fatal. In Bautzen ist der Abbau von immerhin über 200 Stellen vorgesehen.

Was ist nun unsere Aufgabe? Was können wir an dieser Stelle tun? Der Minister hat es mit deutlichen Worten gesagt: Die Staatsregierung arbeitet daran. Seit Herbst 2015 gibt es intensive Kontakte der Staatsregierung, aber auch der Abgeordneten sowohl auf politischer als auch auf Facharbeitsebene zum Aufsichtsrat, zur Geschäftsleitung, zum Betriebsrat und zu den Gewerkschaften.

Ich möchte noch einmal die Pressemitteilung der LINKEN vom 17.03. zitieren: „Wer die Beschäftigung der Waggonbauer sichern will, muss Züge bestellen statt Schienenverkehr auszudünnen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht Aufgabe der Politik oder der Staatsregierung, Züge zu bestellen. Das, was wir wollen, sind sozialverträgliche Lösungen unter Beteiligung aller, auch unter Beteiligung von Bombardier. Das Unternehmen Bombardier hat nun einmal selbst die größte Verantwortung in der Hand. Es gilt, Fachkräfte und Kompetenzen vor Ort zu erhalten. Den Menschen, die trotz aller Bemühungen dort wahrscheinlich ihren Job verlieren, müssen an dieser Stelle Alternativen aufgezeigt werden. Dazu gehört eine enge Zusammenarbeit mit den regionalen Arbeitsagenturen, insbesondere in Bautzen, aber auch mit den Unternehmen vor Ort, die möglicherweise sehr gern Fachkräfte aufnehmen.

Ich bin sicher, unser Wirtschaftsminister wird dort die richtigen und möglichen Schritte unternehmen. Unsere Unterstützung hat er.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Staatsministers Martin Dulig)

Das war Kollege Baum, SPD-Fraktion. Jetzt spricht Herr Kollege Beger für die AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was will DIE LINKE mit dieser Debatte heute erreichen? Eine Zielrichtung wird schon vorgegeben: Wir sollen uns der Wertung, dass das Handeln der Staatsregierung hilflos ist, anschließen und dafür noch Gründe liefern. Das funktioniert so aber nicht.

Es lohnt sich in diesem Zusammenhang durchaus, über den Sinn von Subventionen und den Erhalt von Arbeitsplätzen in Sachsen zu diskutieren. Noch eines vornweg: Ob mit dem Fall Bombardier gleich über den gesamten Industriestandort Sachsen entschieden wird, wage ich zu bezweifeln. Hätten wir diesen Zusammenhang so hergestellt, dann wäre uns von sämtlichen Fraktionen vorab garantiert wieder Panikmache und Angstmacherei unterstellt worden.

Liebe Kollegen! Wir sollten uns drei Fragen stellen. Erstens. Garantieren Direktsubventionen einen umfassenden Standorterhalt langfristig? Wie wir im vorliegenden Fall sehen, leider nicht. Mit Subventionen ist keine Loyalität zu erkaufen. Ehrlicherweise müssen wir festhalten, dass auf staatlicher Seite teilweise wenig Loyalität zu erkennen ist.

So berichtete die „Leipziger Volkszeitung“ am

26. März 2015, dass die Leipziger Verkehrsbetriebe beim polnischen Unternehmen Solaris 41 neue Straßenbahnen bestellt haben, und das, obwohl diese in Bautzen produziert werden könnten.

(Andreas Nowak, CDU: Es könnten auch welche in Leipzig produziert werden!)

Subventionen sind also sinnvoller angelegt, wenn sie nicht direkt in die Unternehmen, sondern in die Struktur des Unternehmensumfeldes fließen.

(Zuruf des Staatsministers Martin Dulig)

Dazu aber später mehr.

Zweitens: Hat sich der Abbau der Stellen angekündigt? Ja, er hat sich angekündigt. Bereits im Jahr 2014 kündigte das kanadische Unternehmen an, dass es bis 2016 strukturelle Veränderungen in den Werken Bautzen und Görlitz geben werde. Dazu berichtete die „SZ“ am 25.07.2014 wie folgt – ich zitiere: „Es gehe um einen Stellenabbau im niedrigen dreistelligen Bereich im Zeitraum von 2014 bis 2016, sagte Bombardier-Sprecher Heinrichs. Über ein konkretes Konzept werde in den nächsten Monaten gesprochen, man wolle so die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes sichern. Weiterhin wurden dem Unternehmen für den Standort Bautzen im Jahr 2010 Fördermittel zugesprochen unter der Bedingung, eine Stammbelegschaft von mindestens 1 037 Personen am Standort Bautzen bis 30.06.2016 zu beschäftigen.“

Auch hier konnte man langfristig mit Veränderungen rechnen und das SMWA sollte sich die Frage gefallen lassen, welche Verhandlungen mit welchem Zweck in den vergangenen zwei Jahren mit Bombardier geführt worden sind. Ein Gespräch nach Bekanntwerden der Tatsache, dass 900 Stellen gestrichen werden, ist nichts anderes als Augenwischerei und definitiv auch viel zu spät.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Staatsministers Martin Dulig)

Hinzu kommt ein weiterer Aspekt. Ich zitiere den Vorsitzenden der IG Metall Ostsachsen, Herrn Otto, aus der „LVZ“ vom 25.02.2016: „Die Streichung der Arbeitsplätze bei Bombardier hat Auswirkungen auf die gesamte Region. Diese Entscheidung trifft auch die Zulieferer. Pro Arbeitsplatz in den Werken gibt es nach Einschätzungen drei weitere Jobs bei anderen Betrieben in der Oberlausitz.“ Dies zeigt, wie wichtig ein großes Unternehmen für eine ganze Region ist.

Damit komme ich zur dritten Frage: Was hat die Staatsregierung, insbesondere das SMWA, in den vergangenen 25 Jahren seit der Wiedervereinigung getan, um gerade den ostsächsischen Raum attraktiv für Unternehmen zu machen? Wie viele Bahnstrecken sind in dieser Region elektrifiziert worden? Bisher nicht elektrifiziert wurden bisher jedenfalls die Strecken Dresden – Görlitz und Cottbus – Görlitz. Welche Autobahnzulieferer und Staatsstraßen wurden saniert oder neu gebaut? Laut „SZ“ vom 19.04.2016 weisen mehr als 40 % der Staatsstraßen gravierende Mängel auf: Flickstellen, Abbrüche, Spuren oder Risse in der Fahrbahn – allesamt Schäden, welche die Verkehrssicherheit erheblich beeinträchtigen.