Protocol of the Session on March 17, 2016

Für die Fraktion GRÜNE spricht jetzt Herr Kollege Günther. – Oh, Entschuldigung. Sie müssen sich noch gedulden, Herr Kollege Günther. Hier ist eine Kurzintervention von Frau Dr. Pinka angesagt. Bitte.

Herr Präsident, so ist es. Ich würde gern eine Kurzintervention auf den Redebeitrag von Herrn Abg. Beger machen wollen. Es ist mitnichten so, dass allein durch den Wegbruch das Marktes in Russland die Milchpreiskrise so ist, wie sie ist. Sie begleitet uns durchaus schon etwas länger als durch die Sanktionen, die gegen Russland ausgesprochen worden sind.

Ich kann durchaus an dieser Stelle darauf verweisen, dass ich erst kürzlich mit Herrn Minister Schmidt in China war und dort erkannt habe, dass wir schon viele Jahre vorher um genau diesen Markt in China gebuhlt haben, also schon länger, als es die Sanktionen gegen Russland gibt. Das ist vielleicht ein ganz, ganz kleiner Teil, aber mit Sicherheit nicht der einzige Grund, warum man unseren ganzen Antrag hier ablehnen kann.

Das war die Kurzintervention und jetzt reagiert Herr Beger darauf.

Wir haben durch die RusslandSanktionen einen Rückgang von landwirtschaftlichen Produkten von 30 % zu verzeichnen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Landwirtschaftlichen Produkten?)

Natürlich, das ist Obst, Gemüse und das ist auch Milch.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Birnen und Äpfel miteinander vermischen?)

Das war es. Danke.

(Unruhe bei den LINKEN)

Jetzt hat das Wort Herr Kollege Günther von der Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es jetzt mehrfach gehört: Es gibt ein strukturelles Problem. Es ist einfach zu viel Milch auf dem Markt. Es ist nun einmal ganz normale Marktwirtschaft, dass die Preise runtergehen, wenn zu viel da ist, und das führt zu Problemen bei denjenigen, die das Produkt hergestellt haben.

Es ist die dritte Krise innerhalb von sechs Jahren. Das spricht für ein strukturelles Problem und nicht für irgendetwas Einmaliges. Die Erzeugerpreise sind jetzt um 30 % gefallen. Wir wissen auch, dass es etwas mit dem Ende der Milchquoten zu tun hat und damit, dass die Milchbauern im Hinblick auf diesen Wegfall der Quote begonnen haben, ihre Produktion deutlich zu erhöhen. Das war offensichtlich nicht der richtige Weg, um in Zukunft kostendeckende Preise und vor allem Preise am Markt zu erhalten, mit denen man Gewinne erzielen kann.

Deswegen muss man tatsächlich an diesem Grundproblem ansetzen. Man muss es wieder schaffen, dass wir nicht mehr so eine Überproduktion haben. Ich erinnere daran, dass die GRÜNEN-Kollegen der Bundesebene genau dafür einen sehr umfassenden Antrag gestellt haben, wie man das schaffen könnte, um in dieser Richtung voranzukommen.

Russland-Embargo. Es gibt neben diesem Hauptproblem noch weitere Punkte, die aufgerufen werden. Dazu zählen auch die Stagnation auf dem chinesischen Markt und der Kampf mit den großen Discountern. Aber alles sind immer nur Teilkampffelder, die vielleicht insgesamt etwas dazu beitragen. Aber es sind Facetten zum Hauptproblem der Überproduktion.

Nun zu den Vorschlägen im Einzelnen:

Erstens. Die steuerfreie Risikorücklage. Das sehen wir im Moment nicht wirklich als Option. Denn es würde bedeuten, dass jemand Gewinne erwirtschaften müsste, die er dann zurücklegen könnte. Das ist im Moment nicht der Fall, denn die Betriebe haben Verluste. Ein anderes, größeres Problem ist, ob es verfassungsrechtlich überhaupt richtig konform gehen würde, denn Ertrags- und Gewinnschwankungen sind nicht nur typisch für die Milchviehwirtschaft, sondern das betrifft allgemein die Wirtschaft. Wenn man hier anfängt, wo hört es dann auf? Deshalb bin ich sehr skeptisch.

Zweitens. Die Verstetigung des Bundeszuschusses zur Landwirtschaftlichen Unfallversicherung auf dem Niveau des Jahres 2016. Ja, darüber könnte man reden, aber das müsste man auf die Zeitdauer der jetzigen Krise be

schränken. Als dauerhaftes Instrument sehe ich das im Alleinstellungsmerkmal schwierig.

Drittens. Das hat sich erledigt. Laut Aussage des EUAgrarkommissars Phil Hogan wurden die 500 Millionen Euro, die er als finanzielle Hilfe zur Verfügung gestellt hat, noch nicht vollständig abgerufen. Da müssen wir den Topf nicht noch erhöhen.

Viertens. Ja, bei diesem Prüfauftrag sind viele Themen offen; das ist ein komplexes Thema, dem man sich stellen muss.

Fünftens. Das ist eine GRÜNEN-Kernforderung. Die unterstützen wir auch.

Zu II. Maßnahmen für eine gezielte und explosive Förderung und Vermarktung von heimischen Milchprodukten. Wir haben schon von Kollegen der CDU und der Staatsregierung gehört, dass es eine ganze Reihe von Förderprogrammen zur Absatzförderung gibt, natürlich nicht nur gezielt dafür. Aber was uns fehlt, sind Antragsteller, die sich das holen. Da wäre vielleicht auch der Landesbauernverband aufgerufen, seine Mitglieder zu unterstützen und fit zu machen, Anträge zu stellen anstatt immer nur mit dem Finger auf die Politik zu zeigen, die die Probleme lösen muss, für die er selbst auch verantwortlich ist. Auch der Landesbauernverband hat dafür geworben, zu investieren und ordentlich mehr Milch auf den Markt zu bringen, wenn die Milchquote wegfällt.

Ich werde Ihnen ersparen, alle Forderungen aufzulisten, die wir auf Bundesebene als GRÜNE gemacht haben. Die Kernforderung ist: Wir müssen die Betriebe unterstützen, die irgendwie ihre Produktionsmenge drosseln, sodass wir weniger auf dem Markt haben. Ein weiterer Baustein ist – das haben wir heute schon gehört – die Stärkung der regionalen und auch der biologischen Wirtschaftskreisläufe, denn die Ökobauern haben kein Problem mit der Milchpreiskrise. Das heißt nicht, dass alle Ökobauern werden sollen, sondern dass es für das Wirtschaftsfeld Landwirtschaft insgesamt dadurch leichter wird, künftig solche Krisen durchzustehen, wenn man auf mehreren Beinen steht.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Mit Herrn Kollegen Günther sind wir am Ende der Rederunde angekommen. Jetzt frage ich die einbringende Fraktion, Frau Kollegin Kagelmann: Wollen Sie eine weitere Rederunde eröffnen? – Nein. Gibt es aus den Fraktionen Bedarf? – Ja, die CDU-Fraktion möchte noch eine zweite Runde beginnen. Bitte, Herr von Breitenbuch.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns darauf eingestellt, die Landwirtschaft zu fördern, damit sich die Produktivität erhöht und Märkte erschlossen werden. Das war die Entwicklung der letzten Jahre. Wir dachten, dass wir damit erfolgreich sind. Die Betriebe haben kalkuliert, dass sie mit diesen Investitionen auch Kosteneinsparun

gen auf die Reihe bekommen und es damit auch mit der Milchproduktion an unserem Standort weitergeht.

Wir stellen jetzt bei den Preisen, die am Markt sind, fest, dass das nicht ausreicht. Jeder Milchviehbetrieb macht zurzeit Verluste. Bei den Schweinen ist das auch so. Das betrifft vor allem verstärkt die Regionen, die darauf angewiesen sind, dass bei einem Grünlandanteil von 50 % in der Betriebsstruktur auf nassen Standorten, in den Gebirgslagen auch weiterhin diese Produktion aufrechterhalten wird. Was bleibt sonst? Ackerbau ist dort unter wettbewerbsfähigen Situationen durch die Auflagen schwierig. Das heißt, wir haben auf diesen schwachen Standorten ein Problem, teilweise ein regionales Problem, das sich zuspitzt.

Welche Möglichkeiten haben wir, Einfluss zu nehmen? Das ist die Menge, und das ist der Preis – Fragezeichen. Ist das klug? Ich möchte das einzeln ansprechen.

Das eine ist die Quote. Wir sind gerade aus der Quote heraus. Die Quote war ein Hemmnis für die Betriebe, die wachsen wollten und die es gut machen, die auch mehr Kühe aufstallen können, weil sie mit ihrer Kostenstruktur zurechtkommen. Viele haben darauf gewartet, dass die Quote fällt. Insofern ist das hier der Schritt nach vorne. Jetzt einen Schritt zurückzugehen, das kann es nicht sein.

Ist es möglich, die Quote freiwillig zu beschränken, indem eine Molkerei sagt: Wir produzieren weniger auf dem Markt? Andreas Heinz hat die Situation angesprochen. Weltmarkt, wir 4 %, das wird nicht helfen. Auch wenn manche sagen, dass man sich freiwillig zurücknehme, wird das nicht ausreichen. Das sind die beiden Punkte zur Menge.

Ich komme zum Preis. Intervention ist ohnehin der Mindestpreis. Der Staat kauft an, versucht damit das Tal abzufedern und wird dann das Trockenmilchpulver, wenn die Preise wieder steigen, auf den Markt bringen. Das heißt, dieser Ausgleich gleicht nur die Welle aus, aber letztendlich bleibt der Nachteil bei den Betrieben in der Marktsituation vorhanden. Auch wenn die Molkereien aktiv eingreifen – es wurde schon gesagt, dass die Molkereien teilweise in bäuerlicher Hand sind –, stellt sich die Frage des Lebensmitteleinzelhandels. Wir haben gerade über eine tolle Entscheidung gehört, dass zwei große Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels zusammengehen. Das ist eine schwierige Situation, die die Bauern nach dem Motto umtreibt: Die sind schon alle groß genug, EDEKA, REWE und wie sie alle heißen – und jetzt werden sie noch größer?

Der Vorteil liegt beim Kunden, beim Käufer, der letztendlich für seine Butter, seine Milch, seinen Joghurt zurzeit wenig bezahlt. Die Molkerei ist letztendlich nur dazwischen. Menge und Preis – da bleibt nicht viel.

Liquidität. Wie kann man mit Liquidität in diesen Zeiten helfen? Betriebsmitteldarlehen? Die Banken vergeben das für ungefähr 1,75 %. Zurzeit ist das preiswert, aber natürlich muss der Betrieb eine solide Sicherheitenstruktur haben. Die Betriebe konnten in den vergangenen

Jahren stabil wirtschaften und aufbauen. Aber natürlich ist das irgendwann am Ende, und das macht den Bauern große Sorgen. Insofern richtet sich die Hoffnung an die Hausbanken, an die Bankenwelt, dass sie dort auch diese Krise solide begleiten, an den Betrieben dran sind, nicht zu schnell von ihnen ablassen. Ich denke, diesen Appell können wir als Politik hier schon mitgeben.

Die Frage ist: Wenn die Bankenwelt diese Darlehen nicht gibt, dann sind es öffentliche Darlehen, also Zinsverbilligungen. Der Zins ist niedrig – das heißt, es wird in dieser Situation auch nicht helfen, sodass wir mit Sicherheiten und Bürgschaften hier hineingehen. Wir tun uns schon bei anderen Dingen schwer; auch das sollte also gut überlegt sein. Wir haben aber – und das will ich deutlich sagen – auch bei anderen Wirtschaftsbetrieben, Herr Wirtschaftsminister, eine Sicherheitsstruktur für Einzelfälle. Insofern muss man also Einzelfälle anschauen und prüfen, wie dort geholfen werden könnte.

Zur Investitionsförderung: Ich denke, mehr als in Sachsen gemacht wurde, konnten wir bisher überhaupt nicht sehen. Wir waren hier intensiv unterwegs – das heißt, wir haben versucht, die Produktivität zu erhöhen. Ich glaube, das sollten wir auch nicht bereuen. Trotzdem hat mancher natürlich auch Kredite aufgenommen, die derzeit billig sind, sodass jetzt mehr auf der Passivseite steht, als ihm guttut, falls er jetzt mit den Banken sprechen muss. Dieses Problem ist überall auch latent vorhanden.

Die Sache ist also komplexer. Herr Beger von der AfD, ich ärgere mich sehr, wenn Sie die Schuld einfach nur auf das Russland-Thema schieben. Das wird der Sache nicht gerecht.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Wenn Sie hier vernünftig Agrarpolitik betreiben wollen, dann müssen Sie komplexer damit arbeiten. Die einfachen Antworten, die Sie vorhin gegeben haben, reichen daher nicht aus. Ich möchte das Niveau hier nur einmal abstecken, wenn wir Agrarpolitik hier im Lande und in diesem Landtag weiterhin vernünftig diskutieren wollen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Sie haben gerade Russland und neue Märkte angesprochen: Genau das ist in den vergangenen Jahren passiert – jetzt haben wir eine Übermenge in der Welt. Das hat sich niemand ausgesucht, das ist auch nicht politisch gesteuert. Die Verschwörungstheorien, die Sie hier einbringen, helfen da nicht weiter. Dazu kann ich nur sagen: Wunderbar! Wenn das Ihre Weltsicht ist, dann reicht das nicht aus.

Die Gebirgsregionen und das regionale Problem habe ich bereits angesprochen. Ich will aber auch hier ganz bewusst – wir haben schon genügend Debatten darüber gehabt – auf die Belastung der Landwirtschaft in den letzten Jahren hinweisen. Jede Sau wurde hier durchs Dorf getrieben, egal, ob es Massentierhaltung, Antibiotikaeinsatz oder Glyphosate waren. All das hat schon in

den vergangenen Jahren die Bauern ständig gebückter laufen lassen, und jetzt kommt noch diese Milchkrise dazu.

Deswegen möchte ich an Sie appellieren, dass wir diese Themen, die die Landwirtschaft in der Existenz wirklich bedrohen – auch strukturell –, hier etwas rücksichtsvoller behandeln und versuchen, die großen Themen zu bearbeiten und nicht im Kleinen die Leute weiterhin zu ärgern, die schon mit der Produktion genug zu tun haben und jetzt unternehmerisch enorm gefordert sind. Da möchte ich gern an Sie appellieren!

(Beifall des Abg. Geert Mackenroth, CDU, und vereinzelt bei der SPD)

Auch das hilft der Stimmung um den Landwirtschaftssektor herum.

Eine Bemerkung möchte ich noch machen, nämlich zum Bundeszuschuss in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung: Wenn dort Mittel reduziert werden, dann kann man das wahrscheinlich nicht trennen, dass nur die Milchviehbetriebe diese Belastung nicht haben; das muss wahrscheinlich auf alle verteilt werden. Deshalb sehe ich auch diesen Punkt im Detail problematisch, und deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.