Protocol of the Session on March 16, 2016

Zunächst noch zwei weitere Kurzinterventionen von Herrn Hartmann und Herrn Bartl. Herr Bartl, bitte.

Ich möchte auch auf den Beginn der Rede der AfD eingehen.

Zum einen, Herr Wendt: In Ihrem Grundsatzprogramm, das Sie auf dem nächsten Parteitag als Wahlprogramm beschließen wollen, heißt es: „Die AfD will das individuelle Asylgrundrecht abschaffen und an seine Stelle die grundsätzliche Gewährleistung eines Zielgesetzes ‚institutionelle Garantie‘ setzen.2

(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Was heißt das?)

Was heißt das?

(Zurufe von der AfD)

Im Rechtsstaat Sachsen kann man das Asylrecht, das individuelle Recht auf Asyl, nicht abschaffen, ohne gegen das Grundgesetz zu verstoßen. Wenn man diesen Rechtsstaat und unsere Verfassung darstellen will, dann muss man auch das Asylrecht hochhalten und für die Menschen schützen, die als Flüchtlinge herkommen. Genau diese Frage, so meine ich, muss die Debatte auch klären.

Wir haben eine Fraktion in diesem Landtag, die genau auf diesem Punkt ihre ganze Politik aufbaut, auch ihre Wahlen und ihre Wahlergebnisse aufgebaut hat, dann hierher tritt und von einem demokratischen Rechtsstaat reden will. Daher glaube ich Ihnen nicht weiter, als man ein Klavier werfen kann. Ich glaube einfach, dass das, was Sie hier über den Rechtsstaat sagen, mitnichten ernst gemeint ist, wenn das in irgendeiner Form Ihre Politikvorstellungen in Richtung Wählergewinnung über die Karte des Vorgehens gegen Flüchtlinge stören kann.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Wendt, bitte.

Vielen Dank, Herr Bartl. Ich möchte kurz auf das eingehen, was Sie gesagt haben. Das Papier, das Sie angesprochen haben, habe ich auch im Netz gesehen – ich weiß nicht, woher es kommt.

(Lachen bei der CDU, den LINKEN und der SPD – Zuruf von der Staatsregierung)

Ich kann Ihnen nur eins sagen: Es gibt seitens der AfD noch keinen Leitantrag, und das Parteiprogramm ist noch gar nicht verabschiedet worden. Warten Sie doch erst einmal ab, bis das Parteiprogramm der AfD Ende April verabschiedet wird.

(Zurufe der Abg. Dirk Panter, SPD, und Valentin Lippmann, GRÜNE – Weitere Zurufe von der AfD)

Frau Präsidentin, das ist doch eine Frechheit, was hier vor sich geht!

(Lachen bei den LINKEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich bitte um etwas mehr Ruhe.

Ich sage Ihnen noch einmal: Nein, die AfD möchte das Asylrecht nicht abschaffen. Ich weiß nicht, wo Sie diese Behauptungen und Äußerungen her haben.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aus Ihrem Mund und aus Ihren Papieren! – Zuruf von der Staatsregierung: Oder sind Sie wieder einmal mit der Maus abgerutscht?)

Jetzt rufe ich Herrn Hartmann auf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zumindest kann diesem Hohen Hause niemand vorwerfen, dass hier nicht eine Aktuelle Debatte sehr belebt geführt wird.

Ich möchte noch einmal zu dem Thema Demokratie zurückkommen. Die Demokratie ist in Gefahr, die Demokratie wird in Abrede gestellt – meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, wir müssen das alle miteinander und vor allen Dingen gesellschaftlich diskutieren. Wir müssen das Thema so sortieren, dass wir wissen, worüber wir sprechen – das zeigt das auch besonders –, und zwar nicht, um Meinungspfähle vorzugeben, sondern um uns zu befähigen, überhaupt den Diskurs zu suchen, dass wir im Bereich der politischen Bildung viel mehr Grundlagenarbeit und unterstützende Arbeit hineingeben müssen. Sie haben jetzt gerade einen sehr beeindruckenden Beitrag dazu gehört.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ja, von Herrn Bartl!)

Herr Gebhardt, Sie müssen sich trösten, dass Sie jetzt gar nicht mehr im Fokus stehen.

Das Problem zeigt sich hier gerade in völlig entwaffnender Art. Da gibt es also einen Antrag, der zweifelsohne bei der AfD noch zur Beschlussfassung steht und der Grundlagen für Politik zusammenfasst. Diese will ich gar nicht inhaltlich bewerten. Davon ist dann jetzt hier zu hören: Das hat ja jemand geschrieben; da wollen wir einmal schauen, ob das auch meine Meinung ist.

Offensichtlich weiß man also gar nicht, wenn man mit der AfD redet, was die eine Seite der AfD meint und was die andere Seite der AfD macht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es langt aber offensichtlich, um mit emotionsgesteuerten Allgemeinplätzen Wähler zu binden.

Das zeigt tatsächlich ein Problem bei den etablierten Parteien, insbesondere bei der Frage der entsprechenden öffentlichen Darstellung der politischen Bildung: ohne Konzept und ohne Inhalt, mit allgemeinen Sätzen. Also das Papier, von dem Sie eben gesprochen haben, hat jemand einmal zusammengeschrieben, was für Sie offen

sichtlich eine Distanzierungsposition ist. Darin steht auch etwas über das Rollenverständnis von Alleinerziehenden und über ähnliche Themen. Das Thema ist aber offensichtlich nicht die Frage der theoretischen Strukturen der Demokratie in diesem Land, sondern die Frage, was wir in der Umsetzung von Demokratie darunter verstehen, was wir auch in der Akzeptanz der Entscheidungen von Mehrheiten und in Prozessen verstehen, die wir organisieren müssen, um zu Mehrheitsmeinungen zu kommen, auch um zu erkennen, wie unterschiedliche Interessenlagen und -positionen in diesem Land funktionieren.

Das gilt vielleicht auch für die Erkenntnis, dass – ohne Bewertung – eine rein sächsische Position möglicherweise in einem föderalen Staat, der aus 16 Bundesländern besteht, eine von 15 weiteren möglichen Meinungen ist und dass man in diesem Diskurs über Geben und Nehmen auch miteinander zu reden hat, nämlich zum einen über Transferleistungen, die uns zugutekommen, damit wir unsere Aufgaben erfüllen können, und zum anderen über Impulse der Steuerung.

Zu dieser nicht einfachen Debatte gehört auch der Umgang mit dem Thema Asyl. Ich sage es auch einmal deutlich in diese Richtung: Wir stehen als gewählte Volksvertreter natürlich als Erste – anders darf es auch verfassungsmäßig gar nicht sein – in einer Verantwortung vor unserem Land und unseren Bürgerinnen und Bürgern. Das befreit uns aber nicht davon, uns den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, den internationalen Vereinbarungen, den Menschenrechtskonventionen, der Genfer und der Europäischen Flüchtlingskonvention zu stellen und die Frage zu beantworten, welchen Beitrag wir leisten können, um Menschen in Not zu helfen, wo wir auch die Trennschärfe zwischen Möglichkeiten der Hilfe und einer Überforderung der eigenen Gesellschaft zu diskutieren haben. Diese faire Diskussion brauchen wir. Das bedarf aber einer vernünftigen Diskussionskultur, die Chancen und Risiken offen und transparent aufzeigt und nicht einer

Angst- und Panikmacherei einerseits und einer Schönfärberei andererseits erliegt.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, brauchen wir ein Instrument, und das ist Aufgabe dieser Staatsregierung – das können wir starker Staat oder organisierte Struktur nennen –, die über die Justiz, über die Polizei, über Regel-, Rahmen- und Wertevermittlung wacht und dies umsetzen kann, um unabhängig als Justiz und Exekutive frei entsprechend den Gesetzen zu handeln. Das ist ein Rahmen, den wir brauchen. Dazu wollen wir mit unserem Programm einen Beitrag leisten, nämlich Rahmenbedingungen dafür zu schaffen und den Staat so aufzustellen, dass er Sicherheit gewährleisten und sich den Herausforderungen stellen kann, mit einer Justiz, die entsprechend reagieren kann, und einer gesellschaftlichen Befähigung der politischen Bildung auf der einen Seite und einem entsprechenden Integrationskonzept und dessen finanzieller Untersetzung auf der anderen Seite, das davon lebt, dass zum Schluss die Gesellschaft befähigt ist, dabei mitzugehen.

Bitte, kommen Sie zum Schluss.

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Ende dieser Debatte: Ich lade Sie ein, dem Kabinettsbeschluss vom 4. März zu folgen und gemeinsam voranzugehen.

Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Damit kann ich die 1. Aktuelle Debatte abschließen. Die Redezeiten für die 2. Debatte sind schon etwas geschrumpft.

Ich rufe auf

2. Aktuelle Debatte

Bahn-Land Sachsen auf dem Abstellgleis

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Es beginnt die einbringende Fraktion, ich erteile Herrn Böhme das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir nähern uns mit der kommenden Haushaltsdebatte einem Schicksalstag für den ÖPNV in Sachsen. Das Bahn-Land Sachsen droht auf das Abstellgleis zu geraten oder rangiert zu werden.

Ich darf als erster Redner kurz in die Problematik einführen. Auf der Verkehrsministerkonferenz im Jahr 2014 haben sich die Verkehrsminister mit ihren Regierungschefs darauf geeinigt, dass 2015 8,5 Milliarden Euro

benötigt werden, um den ÖPNV in Deutschland finanzieren zu können. Diese 8,5 Milliarden Euro sollen jährlich um 2,8 % dynamisiert, also erhöht werden, um Trassen- und Stationspreise auffangen zu können, die die DBNetze pro Kilometer und pro Station verlangt, die auch immer weiter steigen und womit sich die DB-Netze eine goldene Nase verdient.

So weit, so gut und auch so richtig und notwendig. Doch ein Jahr später, am 24.09.2015, haben sich die Länder, vor allem die ostdeutschen Länder, über den Tisch ziehen lassen. Das Ergebnis war: Statt der 8,5 Milliarden Euro für 2015 waren es 8 Milliarden Euro, und die sollen auch

erst 2016 kommen; statt 2,8 % Dynamisierung nur 1,8 % Dynamisierung, und die Sperrklinke, die verhindern soll, dass Länder ganz herunterfallen, die nämlich besagt, dass mindestens 1,25 % der Mittelsteigerung in die Länder weitergegeben werden sollen, wurde komplett vergessen.

Das alles haben Sie, Herr Tillich, am 24. September mitgetragen und dem zugestimmt. Das hat nun fatale Folgen für den ÖPNV in Sachsen. Hinzu kommt die Tatsache, dass die vom Bund kommenden Regionalisierungsmittel, die Sachsen erhält, bisher noch nie komplett an die Verkehrszweckverbände, die den ÖPNV in Sachsen organisieren, weitergegeben wurden. 2014 waren es gerade einmal 75 % der Mittel, die die Zweckverbände am Ende von den Regionalisierungsmitteln gesehen haben. Das ist ein bundesweiter Negativrekord gewesen. Alle anderen Bundesländer haben bis zu 80, 85, ja sogar 91 % der Regionalisierungsmittel der Zweckverbände weitergegeben und damit den ÖPNV ausreichend finanziert. Auch das muss hier in Sachsen endlich passieren.