Protocol of the Session on November 13, 2014

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Genau deshalb ist für uns die Braunkohle ein Partner der Energiewende. Wir brauchen für diesen Wandel in der Energiepolitik und in der Strukturpolitik weiterhin die Braunkohle, nicht, weil es toll ist, sondern weil es vernünftig ist. Zu der Frage, die Sie gestellt haben, weiter mit oder ohne Vattenfall, sage ich: Ja, weiter mit oder ohne Vattenfall, weil die Frage nicht am Wohl und Wehe von Vattenfall hängt. Die Entscheidung wird nicht in Sachsen getroffen, was Vattenfall betrifft, sondern in Schweden.

Sie haben ja auf die Reise Bezug genommen. Nach Ihrem Redebeitrag hätte ich mir gewünscht, dass auch Sie hingefahren wären. Vielleicht hätten Sie dann etwas mehr

Klarheit in Ihrer Einschätzung gebracht. Ich bin nach Schweden gefahren, weil ich etwas verunsichert war, nachdem es hier in Deutschland Medienberichte gab, die eine gewisse Interpretation der neuen Minderheitsregierung gebracht haben, was es damit wirklich auf sich hat.

In Schweden gibt es eine rot-grüne Minderheitsregierung, die zurzeit andere Probleme hat. Sie muss erst einmal ihren Haushalt durch den Reichstag bringen, und sie diskutiert energiepolitisch auch auf einer ganz anderen Ebene, nämlich innenpolitisch und nicht außenpolitisch. Ich finde es schon etwas bemerkenswert, lieber Kollege Lippold, wenn jetzt immer die schwedische Regierung und Schweden als Vorbild für den Ausstieg oder für eine tolle Energiepolitik genommen werden. Das finde ich schwierig, denn ich habe da meine Fragezeichen schon gesetzt. Schweden setzt auf die Kernenergie, und wir haben uns in Deutschland ganz bewusst entschieden, aus dieser Energieform auszusteigen, die Sie jetzt anscheinend gut finden, wenn es in Schweden ist. In Schweden ist Kernenergie Ökoenergie, weil diese das unter dem Emissionsgesichtspunkt sehen. Da müssen Sie einmal konsequent sein. Entweder Sie loben die Schweden, dann müssen Sie aber auch die Kernenergie mit loben, oder Sie sagen: Vorsicht, jeder sollte vielleicht seine eigene Verantwortung für die eigene Energiepolitik tragen!

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich möchte noch auf einen kleinen Widerspruch in Ihrer Debatte und in Ihrem Debattentitel hinweisen: „Ja zum Strukturwandel – mit oder ohne Vattenfall!“ Das klang so an, als hätten wir jetzt die Chance, dass es einen Ausstieg aus der Braunkohle mit der Verkaufsoption von Vattenfall gibt. Wenn Sie konsequent wären, wäre es genau umgekehrt. Mit der schwedischen Politik hätten Sie vielleicht eine größere Chance, dass Vattenfall, indem es weiterhin das Geschäft in Sachsen hat, den Ausstieg organisiert. Der Beschluss bzw. die Verkaufsoption ist ein positives Zeichen für die Braunkohle in der Lausitz und nicht dagegen. Das müssen Sie bitte auch einmal bei Ihrer Position hinterfragen.

Ich bleibe dabei, dass die Entscheidung Vattenfall nicht in Dresden oder Potsdam getroffen wird, sondern in Schweden, aber wir als Sächsische Staatsregierung werden weiterhin ein verlässlicher Partner für Schweden und für Vattenfall sein, denn wir brauchen sie nach wie vor als Partner. Wir werden auch den Übergangsprozess organisieren, aber die Entscheidung liegt dort. Deshalb sollten wir die Debatte auf einen anderen Punkt bringen. Wir tragen hier Verantwortung für eine sichere Energieversorgung, für unser Klima, für die Arbeitsplätze in der Region. Wenn man die gesamte Lausitz nimmt, dann sind es nicht 3 000 Arbeitsplätze, sondern sie müssen die direkten und indirekten Arbeitsplätze sehen, und dann reden wir über 40 000 Arbeitsplätze und damit über 40 000 Menschen und über Schicksale in einer ganzen Region.

Der Strukturwandel in der Lausitz ist schon längst im Gange. Das ist ein langfristiger Prozess. Die Menschen in der Lausitz wissen das. Seit 1994 ist ihnen klar, welche

Konsequenzen das hat. Sie brauchen Sicherheit. Wenn Sie sagen, die Lausitz nicht verkohlen, und damit das Wortspiel nutzen, wer hier wen veräppeln, wer hier wen verkohlen will, dann sage ich Ihnen, dass die Leute Sicherheit haben wollen, wann welche Entscheidung getroffen wird. Alles andere wäre eine Verkohlung.

Die Industrie in der Lausitz ist viel stärker diversifiziert als die Industrie in Ostdeutschland. Man muss sich genau ansehen, wie viel davon im Bereich der Bergbaubranche und in anderen Bereichen vorhanden ist. Hier kann ich nur auf das IFO-Institut eingehen, das dazu eine Forschung „Industrie- und Wirtschaftsregion Lausitz – Bestandsaufnahme und Perspektive im Auftrag der Wirtschaftsinitiative Lausitz“ erstellt hat, in der klar differenziert wird, dass die Industrie in der Lausitz von maßgeblicher Bedeutung ist. 2010 umfassten die beiden Industriesektoren Bergbau, Energie und Wasserversorgung sowie verarbeitendes Gewerbe 29,7 % der Bruttowertschöpfung. Das ist deutlich höher als im Bundesdurchschnitt. Das Profil der anderen Bereiche – verstärkt Ernährungswirtschaft, Chemie und Kunststoffe sowie Metall- und Maschinenbau – beinhaltet insgesamt 46,3 % aller Industriebeschäftigten in der Lausitz.

Wir haben in der Lausitz schon so oder so einen starken Industriebesatz, der auch abhängig ist von der Braunkohle und von Bergbau und Chemie. Deshalb werden wir auch einen Strukturwandel in der Lausitz nur mit der Braunkohle hinbekommen.

Auch der Tourismus wird nicht ausreichen, selbst wenn sich dort im Rahmen der Landschaft nach Kohle viele gute Dinge entwickelt haben und weiter ausgebaut werden. Wir werden weiterhin trotzdem auf Braunkohle setzen, weil es nicht nur darum geht, Braunkohle zu verstromen, sondern man sollte die stoffliche Nutzung der Braunkohle nicht außer Acht lassen. Ja, die Lausitz wollen wir nicht verkohlen. Wir sagen Ja zum Strukturwandel, Ja zu einem Strukturwandel, den es nur mit der Braunkohle geben wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Frau Abg. Dr. Pinka, bitte.

Ich möchte nur eine kleine Kurzintervention mit Rücksicht auf das neue Amt von Herrn Dulig machen. Das ist ja genau die Krux, dass wir uns irgendwann nach der Wiedervereinigung von unseren Rohstoffen, von unseren Bodenschätzen verabschiedet haben und dass Schweden als Staatsunternehmen Eigentümer unserer Rohstoffe ist. Das ist doch das eigentliche Problem. Jetzt entscheidet ein anderer europäischer Staat über uns.

Ich würde mir wünschen, wir würden irgendwann einmal dazu kommen zu sagen: Wir Sachsen sind ein rohstoffreiches Land. Wir können unsere Rohstoffe selbst abbauen. Wir können die Gewinne aus diesen Rohstoffen hier

gebrauchen. Am Beispiel der Braunkohle kann ich sagen, ich habe dann den Prozess des Ausstiegs aus der Braunkohleverstromung selbst in der Hand. Ich würde mir wünschen, wir würden irgendwann einmal zu diesem Umdenken kommen. Das hat nichts mit Planwirtschaft oder sonst irgendetwas zu tun.

Andere Länder – und das habe ich hier schon mehrfach gesagt – besitzen ihre Rohstoffe. Wir haben nebenan in Polen ein Staatsunternehmen, KGHM. Die besitzen ihren Kupferschiefer. Wir haben Schweden, die besitzen ihre Lagerstätten auch. Es gibt noch andere Beispiele. Vielleicht denken wir einfach einmal darüber nach. Es muss ja nicht alles sein. Aber wenigstens kann man – ich habe das

vorhin am Beispiel Volkswagen gezeigt – zumindest Anteile an einem Unternehmen besitzen. Darüber könnten wir doch noch einmal tiefer diskutieren – vielleicht auf einer gemeinsamen Dienstreise.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Minister, möchten Sie darauf reagieren? – Das ist nicht der Fall.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit ist die 2. Aktuelle Debatte abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

1. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Stärkung der Informations- und Beteiligungsrechte

des Sächsischen Landtages und seiner Mitglieder

Drucksache 6/136, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Es gibt keine Empfehlung auf allgemeine Aussprache. Daher spricht nur die einreichende Fraktion. Frau Abg. Jähnigen, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern haben wir hier unsere neue Geschäftsordnung beschlossen. Uns Abgeordneten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN war es heute wichtig, als ersten Gesetzentwurf diesen einzubringen, der Perspektiven für die Arbeit des Parlaments aufzeigt. Wir brauchen gerade hier in Sachsen mehr staatliche Transparenz, und die Arbeitsweise des Landtages ist ein Schlüssel dazu.

Die Basis unseres demokratischen Verständnisses – so will es die Verfassung – ist: Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus. Wir Abgeordneten sind die Vertreter des Volkes. Wir sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, keine Außenstelle der Regierung und keine Vertreter einzelner Wahlkreise. Wir sollen diese Regierung legitimieren und ihre Arbeit kontrollieren. So müssen wir als Landtag arbeiten wollen und auch können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, stellen Sie sich vor, dass Sie einen Anwalt mit Ihrer Vertretung beauftragen, zum Beispiel im Verfahren um einen Bußgeldbescheid oder in einer Steuersache. Sie werden erwarten, dass er sich einen umfassenden Überblick über alle Aspekte und die Sicht der anderen Seite verschafft. Wenn er Sie vor Gericht vertritt, ohne vorher die Akten eingesehen zu haben, dann werden Sie ihm sicher ärgerlich das Mandat entziehen.

Wir Abgeordneten sind nicht Vertreter Einzelner, sondern wir vertreten die Interessen vieler, des Volkes. Wir sollen gute Gesetze für alle machen. Der mit unserem Mandat verbundene Auftrag ist sehr umfassend. Dafür brauchen wir auch umfassende und vor allem frühzeitige Informati

onen. Dürfen wir zum Beispiel zur Wahrnehmung dieser Verantwortung Akten der Verwaltung einsehen? Bis jetzt nicht.

Wir meinen, das muss sich ändern. Es ist schwer vermittelbar, dass kommunale Abgeordnete Akten der kommunalen Verwaltung einsehen können, wir aber als Mitglieder des Landtags allein auf die Auskünfte der Regierung angewiesen sein sollen. Apropos Auskünfte der Regierung: Wir GRÜNE wollen endlich auch umfassende Antworten der Regierung auf Abgeordnetenanfragen erhalten.

Wussten Sie eigentlich, verehrte neue Kolleginnen und Kollegen in diesem Hohen Hause, dass die bisherige Staatsregierung Tillich an prominenter Stelle im landesinternen Web Textbausteine zur Begründung der Verweigerung der Antworten auf Kleine Anfragen eingestellt hat? Auf viele Fragen, die wir GRÜNE in der letzten Legislaturperiode an die Regierung stellten, hätten wir mit diesen Textbausteinen die Antworten selbst schreiben können.

Mit unserem Gesetzentwurf ziehen wir klare Grenzen für künftige Antwortverweigerer. Dann müssen wir auch nicht ständig den Verfassungsgerichtshof mit dem Einklagen der Rechte auf Antwort bemühen, wie das auch andere Fraktionen tun mussten.

Im Teil 1 unseres Gesetzentwurfs soll die Sächsische Verfassung geändert werden. Das schlagen wir vor, weil es hier um die Abgrenzung und um die Verschiebung von Rechten und Pflichten zwischen der Legislative, dem Parlament, und der Exekutive, der Regierung, geht. Damit verbinden wir GRÜNE ausdrücklich das Angebot, mit anderen Fraktionen in diesem Haus über Verfassungsänderung zu verhandeln. Wir GRÜNE halten das Absenken der Quoren für Volksentscheide und ein Informationsfreiheitsrecht in der Sächsischen Verfassung für dringend

geboten. Unsere Demokratie muss für alle Menschen in Sachsen attraktiv gemacht werden. Dazu braucht es solcher Instrumente. Das ist eine zentrale politische Aufgabe, und wir fordern CDU und SPD auf, hier schnell über den Stillstand politisch unverbindlicher Prüfaufträge hinwegzukommen.

In Artikel 50 Abs. 2 unserer Verfassung wollen wir die erweiterten Informationspflichten der Regierung gegenüber dem Parlament klar regeln, zum Beispiel zu Staatsverträgen oder zu Grundsatzfragen der Landesplanung und Großvorhaben. Durch die frühzeitige – ich betone noch einmal frühzeitige – und vollständige Unterrichtung des Landtags soll es uns möglich werden, als Parlament rechtzeitig eine qualifizierende Meinungsbildung zu machen.

Mit der Einführung eines neuen Artikels 50a in die Verfassung wollen wir die frühzeitige Informationspflicht der Staatsregierung über sachsenrelevante Vorhaben der Europäischen Union und Angelegenheiten des Bundes einführen und die Beteiligung des Landtags neu regeln.

In der Antwort auf die Kleine Anfrage meines Kollegen Valentin Lippmann Nr. 6/68 haben wir gerade dieser Tage erfahren, dass das in der Regierung jetzt offenbar noch offen ist. Wir meinen, das muss in Zeiten zunehmender Komplexität und teilweise auch hoher Geschwindigkeit überregionaler Politikentscheidungen Standard werden. Das von uns GRÜNEN erkämpfte Subsidiaritätsverfahren in Europaangelegenheiten im letzten Landtag war ein Kompromiss. Es ist diesem Anspruch aber noch nicht gerecht geworden. Die Aufgabe steht auch vor dem neuen Europaausschuss.

Schließlich wird mit der Neufassung des Verfassungsartikels 51 ein Frage- und Auskunftsrecht für Abgeordnete erweitert und ein Recht für Akteneinsicht eingeführt. Dieses Akteneinsichtsrecht für Landtagsabgeordnete ist in unserem Nachbarland Brandenburg gelebte Praxis. Sie haben lesen können, wie im Frühjahr dieses Jahres in einer Subventionsaffäre Abgeordnete der CDU, der GRÜNEN, der SPD und der FDP gemeinsam das Recht genutzt haben, Aufklärung über das Vorgehen des dortigen Wirtschaftsministers zu erreichen.

Im zweiten Teil unseres Gesetzentwurfs bringen wir ein Landtagsinformationsgesetz als einfaches Gesetz ein. Darin soll die Staatsregierung verpflichtet werden, dem Landtag rechtzeitig über die Vorbereitung von Gesetzen, Staatsverträgen, Kostenuntersuchungen, große Planungsvorhaben Auskunft zu geben und ihn über die Zusammenarbeit mit dem Bund, den anderen Ländern und zwischen

staatlichen Einrichtungen zu informieren. Diese Regelungen untersetzen die verfassungsrechtlichen Neuregelungen und können die Arbeit des Parlaments für die Mitglieder der Regierungsfraktionen, ebenso für die Opposition, erleichtern. Ungeplante Sonderausschusssitzungen zu solchen Fragen wie dem Glücksspielstaatsvertrag im letzten Landtag gehören dann ebenso zur Vergangenheit wie die eigentlich peinliche Tatsache, dass bisher Referentenentwürfe der Staatsregierung regelmäßig an alle möglichen öffentlichen Stellen geschickt – das ist richtig –, dem Parlament als gesetzgebender Körperschaft aber nicht einmal bekannt gemacht werden.

Das Landtagsinformationsgesetz soll die Informationspflichten der Regierung und die Beteiligungsmöglichkeiten des Landtags konkretisieren und mit dieser Klarheit – Herr Justizminister Gemkow, das lege ich Ihnen gleich zu Anfang ans Herz – zur Verwaltungsvereinfachung beitragen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der neuen Koalition! Ihrem Koalitionsvertrag nach wollen Sie Ihre Regierung sehr transparent gestalten. Gratulation! Dafür sind eine stärkere Einbindung des Parlaments und die Stärkung der Abgeordnetenrechte aber unverzichtbar. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir die Arbeitsmöglichkeiten aller Landtagsabgeordneten in Opposition und Regierungsfraktion verbessern. Deshalb hoffen wir auf eine konstruktive Diskussion unserer Vorschläge und auf Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.