so genannte No-go-Areas gibt, wo sich niemand mehr hineintraut, weder die Zivilgesellschaft noch die Polizei. Das hat mit Integration nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Zur Integration braucht es eine klare Definition und klare Kriterien für ein Integrationspaket. Wir werden dieses Integrationspakt im Freistaat Sachsen erarbeiten, ein Konzept liegt vor. Es ist uns wichtig, dass die Landkreise ihre Kompetenzen bündeln und stärken und dass die Verantwortung vor Ort zur Koordinierung von Integrationsmaßnahmen bedarfsgerecht ausgesteuert wird. Wie Integration gelingen kann, zeigen viele Beispiele in Sachsen. Kürzlich in den Medien erschienen war Wiederau, wo es anfänglich Bedenken gab und jetzt die Asylbewerber eben nicht mehr aus Wiederau rausmüssen, sondern bleiben sollen. Integration kann also gelingen und sie gelingt auch.
Meine Damen und Herren! Wir werden neben dem Integrationspaket das Programm „Weltoffenes Sachsen“ auf den Prüfstand stellen. Ich darf daran erinnern, dass die Regierungskoalition von SPD und CDU in der Legislaturperiode von 2004 bis 2009 dieses Programm ins Leben gerufen hat. Wir haben dieses Programm auch jährlich, zumindest in Abständen, mit höheren Mitteln ausgestattet. Wir haben dies damals installiert, um ein Zeichen gegen den Einzug der NPD in den Landtag zu setzen. Und heute müssen wir genau hinschauen, ob sich dieses Programm bewährt hat oder ob es einer Anpassung bedarf. Hier will die CDU gern ihre Vorstellungen einbringen und prüfen, ob die geförderte Klientel den Zielen des Programms noch entspricht und ob der Überarbeitung von Kriterien und der Qualität von Projekten einer möglichen Aufsto
In den anstehenden Haushaltsverhandlungen steht die personelle Ausstattung der Polizei auf einem der vorderen Plätze der Prioritätenliste. Zurzeit diskutieren wir darüber, 1 000 Polizeistellen zur Stärkung der inneren Sicherheit zusätzlich zu schaffen. Das ist wichtig und daran hält sich die CDU. Die Stellen sollten allerdings nicht irgendwo, sondern genau dort entstehen, wo sie effektiv gebraucht werden. Ich könnte mir vorstellen, dass wir eine neue Abteilung mit bis zu jeweils drei Hundertschaften in Dresden, Leipzig und Chemnitz installieren sowie eine technische Einheit in Leipzig, also ganz konkret eine Unterstützung in den drei Regierungsbezirken Dresden, Chemnitz und Leipzig.
Des Weiteren sollten die Stellen zur Stärkung der Strukturen mit Bürgerpolizei in den Gemeinden und Stadtteilen der Kriminalpolizeiinspektionen in den Polizeidirektionen und -revieren und der Schutzpolizei in den Flächenrevieren eingesetzt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich an Sie alle appellieren, sich am bürgerschaftlichen Engagement und an den politischen Initiativen zu beteiligen und aktiv einzubringen. Nur so, meine Damen und Herren, können wir erreichen, dass die Demokratie, dass der Staat stark bleibt und unsere pluralistische Gesellschaft auch in Zukunft eine Heimat in Sachsen hat.
Für die CDU-Fraktion sprach gerade Kollege Kupfer. Jetzt spricht für die SPDFraktion Herr Panter. Bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! „Ich habe nie Hass, Abneigung, Hetze oder so was erlebt. Und dann bin ich in meinem eigenen Land und muss in solche hasserfüllten Gesichter blicken: in meinem Land. Dieses Bild dieser Köpfe – man hat gar keine Körper mehr gesehen – gehen mir nicht mehr aus dem Kopf.“ Das, meine Damen und Herren, sind nicht meine Worte, sondern die Worte von Wolfram Fischer, einem ehrenamtlichen Helfer, der mit den Flüchtlingen im Bus in Clausnitz saß.
Er war dort, er war mittendrin. Wir alle hier haben nur die Bilder gesehen. Ich meine, unerträgliche Bilder aus Clausnitz. Es waren Bilder eines Mobs, der hasserfüllte Parolen skandiert hat, Bilder von Menschen, die Angst um ihr Leben hatten, in Sachsen im Jahr 2016.
Ja, Sachsen hat in den letzten 25, 26 Jahren seit der Einheit sehr viel erreicht: den Wiederaufbau des Landes, die wirtschaftliche Entwicklung. Ich sage ganz klar: Die Menschen hier können stolz auf das Erreichte sein. Trotzdem läuft etwas falsch in diesem Land.
Wenn es hoffähig wird, dass Woche für Woche hasserfüllte Parolen und Drohungen von sogenannten besorgten Bürgern skandiert werden, wenn es schreckliche Normali
tät wird, dass Häuser brennen, weil Flüchtlinge einziehen sollen, wenn Sachsen absoluter Spitzenreiter bei rechter Gewalt ist oder, ganz konkret, wenn ein elfjähriger Junge in Limbach auf dem Weg zur Turnhalle von zwei Männern verprügelt wird, nur weil er Syrer ist, dann können wir das nicht nur als Randnotiz zur Kenntnis nehmen. Dann haben wir ein gesellschaftliches Problem in diesem Land.
Ich meine, die hervorragenden wirtschaftlichen Kennziffern können nicht darüber hinwegtäuschen: In unserem Freistaat mangelt es mancherorts an moralischen Kennziffern. Wenn der Bautzener Oberbürgermeister Alexander Ahrens sagt, es muss in der Vergangenheit einiges schiefgelaufen sein, dann kann ich ihm nur beipflichten. Er meint, dass in der Vergangenheit viel zu lange relativiert wurde, dass den geistigen Brandstiftern nicht entschieden genug entgegengetreten wurde. Wenn der Ministerpräsident sagt, wir haben ein Problem mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, dann hat er recht. Mag sein, dass einige das gern früher gehört hätten, aber das ändert nichts an der Richtigkeit der Aussage.
Ich möchte auch nicht darüber diskutieren, ob wir uns Belehrungen anhören müssen oder nicht, sondern ich würde mir grundsätzlich etwas mehr Demut wünschen. Denn wir, die Politikerinnen und Politiker im Freistaat Sachsen, haben eine ganz besondere Verantwortung für das, was in Sachsen passiert. Diese Verantwortung beginnt mit der Sprache. Da schaue ich hier auch nach ganz rechts. Denn Sprache kann ernst nehmen oder sie kann relativieren. Sprache kann sachlich sein oder sie kann auch mit dem Feuer spielen. Sprache kann Sorgen dämpfen oder Wut anheizen.
Ja, wir müssen die Sorgen und Nöte der Menschen ernst nehmen. Wir müssen auch darüber sprechen. Wir müssen als Politikerinnen und Politiker aufpassen, dass wir Menschen nicht in eine Ecke stellen, nur weil sie vielleicht nicht ganz so ausgewogen oder teilweise intellektuell sprechen wie Politiker. Trotzdem bin ich der festen Überzeugung: Der Ton macht die Musik. Dieses Verständnis hat auch Grenzen.
Wer Sorgen in angemessener Form äußert, der muss ernst genommen werden. Wer nur vorgibt, Sorgen zu haben, aber Andersdenkende und Flüchtlinge niederbrüllt, dem müssen wir klar sagen: Hier ist die Grenze erreicht, und das ist auch nicht verhandelbar!
Natürlich gibt es ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Aber es gibt kein Recht auf Beleidigung, Beschimpfung oder Bedrohung. Das möchte ich hier ganz klar sagen.
Ich habe über unsere Verantwortung gesprochen. Dazu gehört auch, sich einzugestehen, dass wir in diesem
Hohen Haus schon oft über Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und rechtsextreme Gewalt gesprochen haben. Im Ergebnis ist die Situation heute aber nicht wirklich besser geworden. Da möchte ich sagen: Es beschämt mich.
Der Ministerpräsident hat auch davon gesprochen, dass einige die Zeichen der Zeit vielleicht nicht ernst genug genommen haben. Es war teilweise auch so nach Heidenau und nach Freital. Und jetzt Clausnitz und Bautzen. Wir stehen wieder im Fokus der Öffentlichkeit, diesmal sogar im Fokus der Weltöffentlichkeit. Natürlich ist es nicht so, dass in der Vergangenheit nichts getan worden wäre. Es wurde einiges getan. Das ist auch schon angesprochen worden. Nur offensichtlich war das nicht genug.
Von uns hier wird erwartet, dass wir jetzt handeln. Deshalb sitzen wir auch heute hier in dieser Sondersitzung zusammen. Klar ist aber schon jetzt, egal, was wir kurzfristig tun: Es wird nicht verhindern, dass es womöglich wieder Brandanschläge gibt. Es wird nicht den nächsten Überfall verhindern. Die Statistik fremdenfeindlicher Gewalt in Sachsen wird wahrscheinlich weiter wachsen. Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, werden wahrscheinlich erst mittelfristig spürbar. Aber genau deshalb müssen wir jetzt handeln, genau jetzt, um uns nicht in Zukunft fragen lassen zu müssen, was wir getan haben.
Deshalb muss es um konkrete Maßnahmen gehen, nicht nur Ankündigungen, sondern ganz konkrete Maßnahmen. Es ist notwendig, dass wir als politische Verantwortungsträger klare Zeichen setzen, dass wir als Staat handlungsfähig sind, dass unser Staat für Sicherheit und sozialen Frieden sorgen kann, dass unserem Staat an der Bildung und auch an der Herzensbildung seiner Bürgerinnen und Bürger gelegen ist und dass unser Staat eine starke integrative und demokratische Gesellschaft braucht, die ihn trägt. Deshalb sage ich: Zeichen zu setzen heißt reden und handeln!
Wir fordern deshalb, dass der Staat gestärkt wird, dass Integration endlich beginnt, dass politische Bildung ausgebaut wird und dass die Zivilgesellschaft stärker unterstützt wird. In all diesen Bereichen haben wir ganz konkrete Vorschläge. Ich möchte nur einige Beispiele herausgreifen. Wenn wir sagen, dass wir den Staat und die Demokratie, die Gesellschaft stärken wollen, dann muss in Sachsen endlich Schluss sein mit Staatsabbau. Dann können wir nicht länger den Sozialstaat schwächen. Dann können wir nicht Personal bei der Polizei abbauen, im Bildungssystem den Personalmangel verwalten oder Personaleinsparung in der Verwaltung propagieren.
Wenn wir Integration endlich beginnen wollen, dann müssen wir das Maßnahmenpaket „Integration jetzt“ verabschieden und ordentlich finanzieren, damit vor allem Petra Köpping und Markus Ulbig bei der Erstaufnahme
Wenn wir Bildung als wichtigen Baustein für die Zukunft unseres Landes begreifen, dann müssen wir unsere Lehrpläne überarbeiten. Wir müssen uns stärker auf die Anwendbarkeit und die Lernkompetenz konzentrieren. Wir müssen die ethischen, politischen und kulturellen Bildungsaspekte stärken.
Wenn wir unsere Zivilgesellschaft unterstützen wollen, dann müssen wir die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Vereinen, im Sport, bei der Feuerwehr, in den Kirchen stärker unterstützen, zum Beispiel durch eine eigene Landesinitiative.
Diese Vorschläge, aber auch noch viele mehr, haben wir als Sozialdemokraten, und wir werden sie zur Diskussion stellen. Natürlich haben wir für uns nicht die Weisheit gepachtet. Wir sind auch nicht der Meinung, dass alle Vorschläge umgesetzt werden müssen. Es gibt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt vielleicht auch noch weitere Ideen. Wir wollen aber möglichst viele Vorschläge umsetzen, und zwar für alle Sächsinnen und Sachsen. Denn es geht hier beileibe nicht nur um Flüchtlingspolitik, das möchte ich ganz klar sagen. Es geht um alle Menschen in diesem Land. Es geht um ein lebenswertes Sachsen für alle.
Aber wichtig ist uns: Dem Reden muss ein Handeln folgen. Oder lassen Sie es mich anders sagen: Wir alle werden in zehn, 20 Jahren gefragt werden, was wir in dieser schwierigen Situation für Sachsen getan haben. Was haben wir getan, um den Rassismus in unserem Land zu bekämpfen? Was haben wir getan, um allen Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen? Was haben wir getan, um das Vertrauen in die Demokratie zu stärken?
In dieser Situation ist Nichtstun keine Option. Wir in diesem Raum werden uns alle messen lassen müssen, was wir getan und was wir unterlassen haben. Deshalb sage ich ganz klar: Wir werden in dieser Koalition gemeinsam handeln.
Wir hörten gerade Kollegen Panter für die SPD-Fraktion. Jetzt spricht zu uns Herr Kollege Urban für die AfD.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Lassen Sie mich gleich zu Beginn in aller Deutlichkeit sagen: Die jüngsten Vorkommnisse in Bautzen und Clausnitz sind durch nichts zu entschuldigen. Deshalb begrüßen wir als AfD-Fraktion grundsätzlich die Einberufung des Landtags für diese Sondersitzung.
Die kurze Frist hierfür könnte man kritisieren, vor allem, weil diese Vorkommnisse nur Symptome von Problemen sind, die im Grunde schon lange in Sachsen schwelen.
In den letzten Tagen und Wochen ist besonders offensichtlich geworden, dass es ein Weiter-so nicht geben darf. Wir hoffen, Sie stimmen mit uns darin überein, dass wir über die bestehenden Probleme nicht nur reden, sondern dass wir sie auch lösen müssen. Um das zu schaffen, können Regierungserklärungen nützlich sein. Sie müssen dazu aber unbedingt die Ursachen und nicht nur die Symptome des Konflikts offen benennen.
Wir haben in der Vergangenheit viele Erklärungen und Debatten rund um das Thema Flüchtlingskrise und die damit verbundenen Themen Innere Sicherheit, Bürgerproteste und politisch motivierte Gewalt erlebt. Geändert hat sich nichts; im Gegenteil: Die Situation hat sich sogar verschlimmert.