Protocol of the Session on February 29, 2016

Nun plädieren Sie, Herr Tillich, für einen starken Staat und für aktive Bürger, dafür, dass unsere gemeinsamen Werte verteidigt und Radikalisierung bekämpft werden soll. Ihre Forderungen sind größtenteils selbstverständlich und sie sind zu unterstützen.

Sehr geehrter Herr Tillich, sehr geehrte Vertreter der Staatsregierung, sehr geehrte Abgeordnete der Regierungskoalition, wenn Sie von den Bürgern ernst genommen werden wollen, wenn Sie Radikalen, Rechtsradikalen und Linksradikalen den Boden entziehen wollen, dann müssen Sie nicht nur reden, sondern auch handeln.

(Beifall bei der AfD)

Zu einem starken Staat oder besser zu einem durchsetzungsstarken Staat sagen auch wir Ja. Vor dem Hintergrund der Polizeireform 2020 und wenn man sich die Belastungssituation in vielen Gerichten und Justizvollzugsanstalten anschaut, könnte man allerdings meinen, der starke Staat sollte bis vor Kurzem abgeschafft werden, Herr Tillich.

Jetzt haben Sie Ihre Fehler aus der Vergangenheit zumindest hinsichtlich der Polizeireform erkannt. Dass die Wachpolizei nach unserer Meinung nur die zweitbeste Lösung und zahlenmäßig unzureichend ist, das haben wir auch schon vorgetragen.

Eines wollen wir von der AfD ganz deutlich sagen: Der starke Staat ist kein Selbstzweck. Er dient in erster Linie dazu, die Rechte der Bürger durchzusetzen und zu wahren, und dafür, Herr Tillich, muss Ihre Regierung auch ausreichend Geld in die Hand nehmen.

(Beifall bei der AfD)

Auch aktive Bürger begrüßen wir ausdrücklich. Wir erleben leider zu oft, dass Aktivität der Bürger nur so lange erwünscht und akzeptiert ist, solange sie im Sinne der Regierung erfolgt. Aktive Bürger muss aber auch bedeuten, dass jede Form von friedlichen Protesten als

Teil der politischen Kultur verstanden wird. Wie kann man friedliche Proteste besser ausdrücken als mit Demonstrationen?

Herr Tillich, die CDU hat die Bürger in Sachsen 25 Jahre lang dafür gelobt, dass sie es waren, die vor allem mit friedlichen Demonstrationen im Jahr 1989 die Wende ermöglicht haben. 25 Jahre lang hat man die Bürger zu Recht darin bestärkt, dass friedliche Demonstrationen gerade für den demokratischen Diskurs im Land wichtig sind.

Man kann den Bürgern ihre Erfahrungen mit dem Systemwechsel im Jahr 1989 und ihre Erfahrungen mit zwei verschiedenen Staatsformen auch nicht mehr wegnehmen. Gerade in den neuen Bundesländern haben die Menschen gelernt, Regierungen und Politiker zu hinterfragen. Sie mussten mehrfach erleben, dass Freiheit gelebt und notfalls erkämpft werden muss, dass nicht alles einfach akzeptiert werden muss, was die Regierung als alternativlos präsentiert. Deshalb sind gerade in Sachsen und in den neuen Bundesländern die Proteste der Bürger besonders intensiv. Das ist keine Rechtfertigung für Gewalt oder für brennende Häuser. Es ist jedoch notwendig, die leidige Diffamierungsstrategie gegen alle Kritiker der Migrationspolitik zu beenden, die weder zu Gewalt aufrufen noch Gewalttaten ausüben.

(Beifall bei der AfD)

Bürger als Pack, Mischpoke, braune Soße oder Sachsen gar pauschal als braunen Schandfleck zu bezeichnen, das kann nur kontraproduktiv sein.

(Beifall bei der AfD)

Bestehende Kritik darf nicht unterdrückt werden. Wenn eine Partei wie die AfD Sprachrohr für kritische Bürger ist, dann müssen Sie dies im demokratischen Diskurs aushalten, wenn Sie Demokratie ernst nehmen.

Völlig verfehlt ist es, den Überbringer der kritischen Botschaft zu stigmatisieren. Das haben Sie und alle anderen Parteien jedoch bis jetzt getan.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Oh!)

Im Grunde genommen ist eine Dialogverweigerung mit der AfD eine Dialogverweigerung mit einem Teil der sächsischen Bürgerschaft.

(Beifall bei der AfD – Dirk Panter, SPD: Meinen Sie Schießbefehl an der Grenze oder was meinen Sie?)

Herr Tillich, seien Sie doch ehrlich: Wenn Sie aktive Bürger wirklich wollen, dann binden Sie diese doch in die Entscheidungsprozesse ein, über Volksabstimmungen. Sie müssen sich dann in diesem Zusammenhang auch die Frage gefallen lassen, warum Ihre Partei, wie auch alle anderen Parteien hier im Landtag, unseren Antrag auf mehr direkte Demokratie abgelehnt haben.

(Dirk Panter, SPD, und Valentin Lippmann, GRÜNE: Weil er schlecht war! – Zuruf: Weil er kurz war! – André Barth, AfD: Kurz und prägnant)

Sie wollen unsere gemeinsamen Werte verteidigen. Herr Tillich, keine Partei hat sich so sehr von den Werten entfernt, für die sie einmal stand, wie die CDU. Es kommt nicht darauf an, was Sie hier im Landtag als Lippenbekenntnis vorbringen; es kommt darauf an, was Sie tun, um diese Werte in unserem Land tatsächlich zu verteidigen.

(Beifall bei der AfD – Susanne Schaper, DIE LINKE: Schusswaffen an den Grenzen, oder was?!)

Sich gegen Gewalt auszusprechen, ist richtig, es ist aber auch einfach. Schwieriger ist es, die Ursachen für Gewalt zu benennen und zu bekämpfen. Das ist Ihre eigentliche Aufgabe. Das tun Sie aber nicht, indem Sie immer neue Demokratieinitiativen ausrufen, vorgebliche Demokratiekonzerte finanzieren und Reden vor ausgesuchtem Publikum halten.

(Beifall bei der AfD)

Eines ist für die Wertedebatte ganz entscheidend: Gemeinsame Werte können nur die Bürger selbst bestimmen. Mit den Dialogforen waren und sind Sie auf einem guten Weg, Herr Tillich. Es darf dann aber nicht nur beim Wortgeplänkel bleiben. Die Erkenntnisse aus solchen Foren müssen auch im konkreten Regierungshandeln sichtbar werden.

Schlussendlich soll die Radikalisierung bekämpft werden. Das muss geschehen. Das fordert die AfD bereits seit Monaten. Wenn unsere Staatsregierung dafür sorgt, dass wir einen starken Staat mit aktiven Bürgern haben, deren Werte tatsächlich verteidigt werden, dann ist das der beste Kampf gegen eine Radikalisierung.

Die Radikalisierung geschieht ja gerade deshalb, weil sich viele Menschen nicht mehr mitgenommen fühlen, weil sie erleben, wie der Staat nicht mehr willens oder nicht mehr in der Lage ist, unsere gemeinsamen Werte zu verteidigen. Das ist dann auch der Nährboden für rechts- und linksradikale Rattenfänger.

Auch die heutige Debatte macht einmal mehr deutlich: Unsere parlamentarische Demokratie steckt in einer ernsten Krise. Durch ihr Handeln haben die Regierung und das Parlament bei einem beträchtlichen Teil der Bürgerschaft das Vertrauen verspielt.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Sie sind Teil des Parlaments!)

Ein Großteil der Bürger sieht seine Interessen bei politischen Fragen nicht mehr vertreten. Bei der Asylpolitik sind laut Umfragen mehr als 70 % der Bürger mit der aktuellen Politik nicht einverstanden.

Betrachten Sie nur die Entwicklungen des letzten Jahres. Kritische Stimmen haben vor einer Flüchtlingswelle gewarnt. Diese Stimmen wurden von Politikern der Regierungsparteien und von Rot-Grün als Schwarzmaler

und sogar als Fremdenfeinde bezeichnet. Kurze Zeit später hat auch diese Regierung von einer Flüchtlingswelle gesprochen.

Kritische Stimmen haben angemahnt, dass eine große Anzahl der Zuwanderer eben nicht aus Kriegsgebieten und dass vor allem junge Männer zu uns kommen, dass die wirklich Schutzbedürftigen hingegen meist zurückbleiben. Das wurde von Politikern der Regierungsparteien und von Rot-Grün ebenfalls als völlig übertrieben und populistisch abgetan. Kurze Zeit später haben offizielle Zahlen genau diese Prognose bestätigt.

Aufgrund der sich anbahnenden Masseneinwanderung hat die AfD mehr Mitarbeiter für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und mehr Richterstellen gefordert. Dafür wurde die AfD von Politikern der Regierungsparteien wiederum als fremdenfeindlich und populistisch bezeichnet.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Weil Sie es sind!)

Die CDU lehnte unsere Forderungen in fast schon arroganter Form ab, um sie einige Monate später selbst einzubringen und sogar zu übertreffen.

(Beifall bei der AfD – Zuruf von den LINKEN: Das spricht nicht für die CDU!)

Kritische Stimmen, so auch aus der AfD, wiesen frühzeitig darauf hin, dass man die Pegida-Demonstranten ernst nehmen müsse und es einfach nicht richtig sei, die Teilnehmer dieser Demonstrationen pauschal als Fremdenfeinde und Rassisten abzustempeln. Im Ergebnis wurden die Kritiker von Politikern der Regierungsparteien ebenfalls als Fremdenfeinde und Rassisten abgestempelt.

Inzwischen liegen mehrere Gutachten vor, so auch von Ihrem Parteifreund Herrn Prof. Patzelt, die bestätigen, dass der übergroße Teil der Demonstrationsteilnehmer tatsächlich lediglich zornige und unzufriedene Bürger sind und eben nicht Rechtsradikale oder Rassisten.

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Der hat doch keine Ahnung!)

Die Liste dieser offensichtlichen Widersprüche könnte hier noch lange fortgesetzt werden. Die Kluft zwischen dem Willen der Bürger und ihrer Lebenswirklichkeit auf der einen Seite und der von den Parteien vertretenen Politik und dem Regierungshandeln auf der anderen Seite ist heute so groß, dass viele an der Funktionsfähigkeit unserer parlamentarischen Demokratie zu zweifeln beginnen.

Viele Menschen haben inzwischen sogar den Glauben an unsere demokratischen Strukturen verloren. Wenn nur noch 60 % der Bevölkerung zu Wahlen gehen, bedeutet das im Umkehrschluss, dass 40 % der Bevölkerung die Parteiendemokratie für nicht funktionsfähig halten, um ihre Interessen und Zukunftswünsche wirklich einzubringen. Um diese 40 % müssen wir uns ernsthaft Gedanken machen, nicht um die politisch aktiven Bürger, die ihren friedlichen Protest auf die Straße tragen. Die Demonstran

ten glauben noch an die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie. Viele Nichtwähler tun das inzwischen nicht mehr.

Deshalb kann die Forderung doch nur sein: Stärken wir die Instrumente unserer Demokratie! Zeigen Sie, dass diese Instrumente noch arbeitsfähig sind, dass die Bürger über die Parteien in den Parlamenten und auch über Volksentscheide Einfluss nehmen können und dass ihre Stimmen nicht verloren sind! Machen Sie das Parlament wieder zu einem Platz, an dem sachlich über politische Inhalte debattiert wird! Hören Sie auf, vordergründig Parteipolitik zu betreiben! Diskutieren Sie sachlich über Anträge der Opposition, egal ob von den LINKEN, der AfD oder den GRÜNEN! Wir alle vertreten einen Teil der Bürger, die AfD in Sachsen-Anhalt hoffentlich bald 20 %.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Diese Bürger dürfen zu Recht erwarten, dass ihre Interessen im Parlament besprochen werden und dass man diese Bürgerinteressen aus parteitaktischen Gründen nicht beiseite wischt. Stärken Sie die direkte Demokratie! Vereinfachen Sie die Bedingungen für Volksbegehren! Führen Sie Bürgerbefragungen durch und lassen Sie die Ergebnisse in Ihr Regierungshandeln einfließen! Treffen Sie keine grundsätzlichen Entscheidungen, die das gesamte gesellschaftliche Leben verändern, ohne die Bevölkerung dazu gefragt zu haben!

Nur wenn die Politik selbst an die Demokratie glaubt, nur wenn die Politik bereit ist, den Bürger als gleichwertigem Partner auf Augenhöhe zu begegnen, nur wenn die Politik keine Angst vor kritischen Stimmen aus einer aufgeklärten und mündigen Bürgerschaft hat, nur dann können wir all die Politikverdrossenen zurückgewinnen und davon überzeugen, dass man der Hetze von Radikalen aus allen politischen Lagern nicht folgen darf und dass unsere parlamentarische Demokratie immer noch die beste Staatsform ist, die Deutschland jemals hatte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war Herr Urban für die AfD-Fraktion. Jetzt spricht Herr Kollege Zschocke für die Fraktion GRÜNE.