Protocol of the Session on February 4, 2016

Herr Staatsminister Jaeckel bezog hier für die Staatsregierung Position. Wir sind jetzt am Ende der 1. Aktuellen Debatte angekommen. Ich sehe niemanden mehr, der sich zu Wort melden möchte. Die 1. Aktuelle Debatte ist damit abgeschlossen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, wir kommen damit zu

2. Aktuelle Debatte

Naturschutz in Sachsen vor dem Aus? Fördermittelproblematik sofort lösen!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Antragstellerin erhält natürlich zuerst das Wort. Das Wort ergreift Herr Kollege Günther.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Naturschutz vor dem Aus – das klingt dramatisch. Mancher erwartet vielleicht auch gar nicht, dass es so ist, aber es ist tatsächlich so.

Ich erinnere daran, dass wir im letzten Jahr hier in Sachsen ganz groß das Jahr der Nachhaltigkeit gefeiert haben. Auf jedem Briefbogen der Staatsregierung stand das. Nachhaltigkeit heißt, dass man Aspekte von Ökonomie,

Sozialem und Ökologie in einen gewissen Ausgleich bringen muss. Dabei darf man nicht vergessen, dass das nicht nur ein Zielkonflikt ist, sondern dass Ökonomie und Soziales ohne Ökologie gar nicht gehen. Es geht um unsere Lebensgrundlagen, nicht um irgendein Nischenthema. Da liegt einiges im Argen.

Ich will jetzt gar nicht alle Ökosystemdienstleistungen aufzählen, die wir haben, wenn Natur irgendwie funktioniert. Ohne sie könnten wir schlicht nicht leben. Für manchen genügt es vielleicht auch, wenn ich sage: Es geht eigentlich um die Bewahrung der Schöpfung – das müsste eigentlich reichen.

Ich zitiere einmal aus einer Broschüre des SMUL von 2008, Zitat des damaligen Staatsministers Kupfer: „Naturschutzgebiete sind das Tafelsilber der Natur. Auf diesen naturschutzfachlich wertvollsten Flächen Sachsens

werden Schutz und Entwicklung wichtiger ökologischer Funktionen in besonderem Maße gewährleistet. Für seltene Tiere“ – es sind ein paar genannt – „sind Naturschutzgebiete Lebens- und Rückzugsräume, aber auch für den Schutz ganzer Ökosysteme und für den Biotopverbund sind sie von hoher Bedeutung.“

Ich glaube, wir sind uns eigentlich alle einig, dass Natur und Naturschutz gesamtgesellschaftliche Anliegen sind. Deswegen hoffe ich auch, dass wir uns heute hier nicht parteipolitisch über deren Bedeutung streiten, sondern dass wir einfach zur Kenntnis nehmen: Wenn es Probleme gibt, wenn es irgendwo hakt, müssen wir das gemeinsam angehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Stand der Natur: Natürlich wissen wir alle, dass wir in Sachsen leben, einem hoch industrialisierten und dicht besiedelten Land, das nicht ganz überwiegend von Naturräumen geprägt wird. Es gibt auch Beobachtungen – erst vor einem Jahr hatten wir eine Aktuelle Debatte zur Biodiversität und zum Artenrückgang. Ich will das gar nicht alles wiederholen, nur einige Schlaglichter: Seit den 1980er-Jahren haben wir bei den Turteltauben einen Rückgang um 96 %. Feldhamster, die einmal eine Massenart waren, werden jetzt in einem kleinen Habitat bei Eilenburg künstlich gepäppelt. Ich will jetzt nicht die ganzen Roten Listen für Sachsen durchgehen, aber vielleicht eine ganz neue Meldung des Bundesnaturschutzes: Bei der Tagfalterpopulation gibt es in Europa seit 1990 einen Rückgang von 50 %. Das will ich gar nicht alles ausführen. Wir Menschen sind mit dem Ökosystem so komplex verbunden, dass es langsam ans Eingemachte geht.

Wir wollen uns hier über Naturschutzförderung unterhalten, da geht es wesentlich um Flächennaturschutz. Nur damit Sie einmal eine Vorstellung davon bekommen, um welche Größenordnung es dabei überhaupt geht: Sachsen hat 1,8 Millionen Hektar Fläche. Davon ist über 1 Million Hektar Landwirtschaftsfläche, eine halbe Million Hektar Wald und eine viertel Million Hektar Siedlungs- und Verkehrsfläche, die überbaut ist. Was gibt es an Schutzgebieten? Naja, es gibt diverse Schutzkategorien. Es sind ungefähr 14 %, aber darin wird auch gewirtschaftet. Der eigentliche Kern, geschützte Kerngebiete des Naturschutzes, das sind so ungefähr 3 % der Landesfläche. Wenn man sich klarmacht, dass Natur auch Rückzugsraum für Arten bedeutet, die das brauchen, kann man sehen, dass das schon nur noch ein kleiner Rest ist. Wenn dort etwas nicht funktioniert, hat es dramatische Auswirkungen. Wenn da einmal etwas kaputt ist, bekommt man es nicht wieder. Man darf auch nicht vergessen: Jede Region auf der Welt ist einzigartig. Auch Sachsen gibt es in dieser Zusammensetzung, wie die Natur bei uns ist,

sonst nirgends auf der Welt. Wenn das hier kaputt ist, ist es einfach kaputt.

Aber wir fördern ja Natur und Naturschutz. Darüber sind wir auch heilfroh. In Sachsen passiert das vor allen Dingen über zwei Förderrichtlinien, das sind „Natürliches Erbe“ und „Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen“. Es gibt auch einen von der Staatsregierung aufgestellten Grundsatz, der auch einmal in dem Programm zur biologischen Vielfalt formuliert wurde, der „Kooperation vor Restriktion“ heißt. Wir wollen den Leuten nicht Vorschriften machen, sondern unsere Menschen, die Flächennutzer, einladen, etwas für die biologische Vielfalt zu tun, Naturschutz aktiv umzusetzen. Das könnte man kritisieren, aber man kann auch sagen, dass es ein guter Weg ist, wenn man es ordentlich macht. Aber das Ganze funktioniert natürlich nur, wenn man entsprechende Anreize setzt. Wir leben in einem marktwirtschaftlichen System, und wenn ich Nutzer dazu bringen will, etwas zu tun, muss es attraktiv sein. Darum muss man jetzt einmal prüfen, was aktuell passiert, auch mit diesen Förderrichtlinien, die ich gerade genannt habe. Es gibt eine Grundsatzentscheidung – jetzt ist es sehr schade, dass unser Finanzminister nicht da ist – –

Die Redezeit, Herr Kollege!

Diese Grundsatzentscheidung heißt: Wir fördern vor allen Dingen in Kofinanzierung mit EU-Programmen. Darin liegt ein ganz großer Haken. Wir wollen das über die Förderprogramme im ländlichen Raum ELER machen. Da tauchen Begriffe wie Naturschutz, biologische Vielfalt fast gar nicht auf, Biotoppflege überhaupt nicht. Das führt dazu, –

Die Redezeit ist zu Ende!

– dass unsere Förderprogramme nicht funktionieren. Darauf komme ich nachher noch im Detail zurück.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Genau, das machen wir dann. Vielen Dank.

Die Aktuelle Debatte ist durch Herrn Kollegen Günther von der einbringenden Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eröffnet. Jetzt folgen in der Rednerliste CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung. Für die CDU spricht Kollege Hippold.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Günther, Sie hatten angesprochen, dass Sie sich wünschen würden, dass wir heute nicht parteipolitisch streiten. Deswegen würde ich es gern mit ein paar Fakten versuchen.

Aber ich möchte am Anfang trotzdem auf den Debattentitel eingehen. Ich habe ihn mir durchgelesen. Wenn ich Ihre Rede jetzt gehört habe, habe ich mir schon überlegt:

Wie steht das tatsächlich im Zusammenhang? Vielleicht bringen Sie im zweiten Teil noch etwas. Ich würde trotzdem versuchen, auf die einzelnen Punkte einzugehen, möchte aber sagen: Der Debattentitel an sich steht mit den Fördermöglichkeiten – das werde ich gleich darlegen – und den Leistungen der Naturschützer in den letzten Jahren, ob es ehrenamtliche, private oder berufliche sind, aus meiner Sicht in keinem Verhältnis.

Sicherlich gibt es noch Probleme. Das ist am Anfang einer Förderperiode nach meinem Dafürhalten normal. Das ist auch am Anfang der letzten Förderperiode so gewesen. Ich glaube, dass das nachvollziehbar ist. Wenn man sich aber ansieht, wie bei uns im Freistaat Sachsen – Sie hatten schon zwei Programme genannt – die Förderung des Naturschutzes aufgestellt ist, durch die NE-Richtlinie, die AUK-Richtlinie und die Richtlinie EFF, also der Europäische Fischereifonds, dann ist es, wenn man es mit der letzten Legislaturperiode vergleicht, schon so, dass nahezu eine Verdopplung der Mittel vorgenommen wurde. In der letzten Förderperiode war die NE-Richtlinie mit 26,1 Millionen Euro ausgestattet. In dieser Förderperiode ist sie mit 52,3 Millionen Euro ausgestattet. Die Richtlinie AUK hat in dieser Förderperiode einen Umfang von 132 Millionen Euro. In der letzten Förderperiode hieß sie bekanntermaßen anders, da war es die AUW-Richtlinie. Darin waren Mittel für den Naturschutz in Höhe von 68,2 Millionen Euro gebunden. Im Fischereifonds sind die Mittel mit 2,2 Millionen Euro faktisch gleich geblieben. Schon daraus wird meines Erachtens ersichtlich, dass der Debattentitel – mit Verlaub gesagt – ein bisschen an den Haaren herbeigezogen ist.

Ich hatte schon gesagt, dass es Probleme gegeben hat. Die Probleme sind bekannt. Sie beziehen sich aber eben nur – und das ist bei Ihnen bis jetzt noch nicht so herausgekommen, Herr Kollege Günther – auf einzelne Fördergegenstände. Ich habe mir einmal die Arbeit gemacht, das auszurechnen. In dieser Jahresscheibe gibt es 6,8 Millionen Euro an offenen Calls, wie man das nennt, die bis jetzt noch nicht beschieden worden sind. Das sind bei den Maßnahmen A6 2,5 Millionen Euro, B1 und B2 2,0 Millionen Euro und A1 bis A3 2,3 Millionen Euro. Das sind – bezogen auf dieses Jahr – 20 % der zur Verfügung stehenden Mittel. Bezogen auf die gesamten Jahre, die wir noch vor uns liegen haben, sind es gerade einmal 4 % der Mittel, die in dieser Förderperiode zur Verfügung stehen.

Die Anlaufschwierigkeiten – darauf bin ich schon kurz eingegangen – sind vordergründig auf die neue Art des Verfahrens zurückzuführen. Das Verfahren ist bekanntermaßen von der EU vorgegeben. Das hatten Sie vorhin selbst angesprochen. Dort ist es so, dass die eingegangenen Anträge, die bei dem ersten Call natürlich zum Teil überzeichnet sind, zuerst einmal auf Vollständigkeit geprüft werden müssen. Im zweiten Schritt werden sie auf Plausibilität geprüft. Erst wenn diese beiden Prüfschritte für alle Anträge durchgeführt worden sind, kann das Ranking erfolgen. Das hat eine längere Zeit in Anspruch genommen. Aber ich denke, dass das nachvollziehbar ist.

In der Zukunft wird man sicher sehen müssen, dass man dabei schneller vorankommt.

Ein weiteres Problem – auch das ist angeklungen – ist die Überzeichnung der einzelnen Calls. Wie es dazu gekommen ist, dass sie zum Teil vierfach überzeichnet worden sind, muss man im Nachgang auswerten. Beim Fördergegenstand A6, bei den Weinbergmauern, war es beispielsweise sehr auffällig, dass es dort eine hohe Überzeichnung gab.

Das SMUL hat natürlich die Schwierigkeiten erkannt und darauf reagiert. Es ist derzeit geplant, dass bis Februar 2016 die Fördergegenstände A6, Stützmauern/Weinbergmauern, abgearbeitet werden sollen. Die Naturschutzfachplanungen und Studien sollen ebenfalls noch in diesem Monat abgeschlossen werden. Dort, denke ich, ist es mit Blick auf die Amphibienleiteinrichtungen ganz besonders wichtig. Das wäre ein wichtiges Signal. Deswegen geht meine Bitte ans SMUL, die ehrenamtlichen Naturschützer in den Natura-2000-Gebieten zu unterstützen.

Last, but not least: Die Fördergegenstände Biotopgestaltung, Artenschutz, Technik und Ausstattung, also A1 bis A3, –

Die Redezeit!

Ich habe es gesehen, Herr Präsident. Ich bin sofort mit meinem ersten Teil zu Ende. Den Satz würde ich noch beenden.

sollten bis zum Ende des ersten Quartals abgeschlossen werden. Realistisch wird eingeschätzt, dass es wahrscheinlich im April 2016 sein wird.

Meine weiteren Ausführungen werde ich in der zweiten Runde vortragen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Kollege Hippold sprach für die CDU-Fraktion. Jetzt kommt Herr Böhme, Fraktion DIE LINKE, zum Zuge.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Titel der Aktuellen Stunde lautet: „Naturschutz in Sachsen vor dem Aus? Förderproblematik sofort lösen!“ Wie ich finde, ist das ein allumfassender Titel, weshalb ich in meinem ersten Redebeitrag auch etwas allumfassender zum Thema Naturschutz sprechen und im zweiten Teil auf Beispiele zur Fördermittelproblematik eingehen möchte.

Am Anfang meiner Überlegungen habe ich mir unsere Sächsische Verfassung in Erinnerung gerufen. Dort heißt es unter anderem im Artikel 10 – ich zitiere –: „Der Schutz der Umwelt als Lebensgrundlage ist … Pflicht des Landes und Verpflichtung aller im Land. Das Land hat insbesondere den Boden, die Luft und das Wasser, Tiere und Pflanzen … zu schützen.“

Boden, Luft, Wasser, Tiere, Pflanzen – all das ist Natur und letztendlich die Lebensgrundlage für uns Menschen. Daher ist deren Schutz besonders wichtig, nicht zuletzt, um sich gesund ernähren zu können, Luft zum Atmen zu haben, aber auch um Krankheiten vorzubeugen. Damit die letzgenannten Punkte nicht gefährdet werden, ist es wichtig, eine hohe Biodiversivität, also eine hohe biologische Vielfalt, in Sachsen zu haben. Damit sieht es meiner Meinung nach nicht so gut aus.

Zwar haben wir Schutzgebiete, sogenannte FFH-Gebiete; aber in der Vergangenheit hat die Staatsregierung bei den Gebietsvorschlägen eher gekleckert als geklotzt. So gab es am Anfang der Debatten darüber, wo und wann FFHSchutzgebiete eingerichtet werden müssen, gerade einmal 64 Vorschläge. Das sind 2,6 % der Fläche. Nur durch viel Mühe und viel Druck von Umweltverbänden und Initiativen sind es heute um die 300 und damit knapp 10 % der Fläche. Das ist ein Erfolg. Dennoch bleibt festzuhalten, dass viele dieser FFH-Gebiete nicht zusammenhängend, sondern zerschnitten sind und nicht alle ausreichend Wanderkorridore für verschiedene Arten zur Verfügung stellen.

So sind – Herr Günther hat es angesprochen – mindestens 25 % der Arten in Sachsen vom Aussterben bedroht. Weitere Arten sind anderweitig gefährdet. Das ist aus meiner Sicht auf keinen Fall zufriedenstellend, auch wenn es in der Vergangenheit Verbesserungen gegeben hat.

Um die Natur und damit die Lebensgrundlage von uns Menschen zu schützen, müssen wir es schaffen, den Flächenverbrauch in Sachsen zu reduzieren, und zwar drastisch. Heute werden immer noch pro Tag um die fünf Hektar, das sind 50 000 Quadratmeter, versiegelt, zerschnitten oder auf irgendeine Art und Weise in Sachsen bebaut.

Das sind mehr als fünf Fußballfelder täglich, die der Natur genommen werden, und dies ist immer noch besorgniserregend, auch wenn es dort im Vergleich zu den letzten Jahren und Jahrzehnten Verbesserungen gab.

Hinzu kommt, dass in Sachsen der Baumbestand immer weiter bzw. wieder abnimmt, und das ohne Not, weil 2010 eine gute Regel von Schwarz-Gelb abgeschafft wurde: Wer einen Baum fällt, braucht dafür eine Genehmigung. Wenn er diese hat, muss er zumindest die Blattmasse des zu fällenden Baumes ersetzen. Heute braucht man keine Genehmigung mehr, und so kommt es, dass man willkürlich Bäume auf eigenen Grundstücken oder überall fällen kann. Das ist nicht in Ordnung und führt dazu, dass der Baumbestand in Sachsen weiter abnimmt.