Meine Damen und Herren! Nun folgt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abg. Dr. Maicher. Bitte sehr, Frau Maicher, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mit dem Positiven beginnen. Es ist gut, dass wir heute im Hohen Haus über Studienqualität und Studienerfolg sprechen. Nicht zuletzt die Absolventenstudien haben gezeigt, dass noch viel Luft nach oben ist, wenn es um Studierendenzufriedenheit und Absolventenzahlen geht. Ich hätte mir allerdings auch gewünscht, dass Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, den Antrag zu einer öffentlichen Anhörung freigegeben hätten.
Um beim Positiven zu bleiben: Ihr Antrag enthält einige Punkte, die uns sinnvoll erscheinen. Die Studienorientierung an Gymnasien zu intensivieren und zu individualisieren ist richtig. Auch dem Thema Teilzeitstudium und Vielfalt bei der Studiumsgestaltung an den Hochschulen besser Rechnung zu tragen ist eine Forderung, die wir teilen. Das betrifft auch die nach einer Flexibilisierung der Studieneingangsphase. Wir begrüßen, dass zumindest angedacht ist, bei den sächsischen Absolventenstudien auch zu schauen, wie der Wechsel von ehemaligen Studierenden ohne Abschluss in die Arbeitswelt geglückt ist.
Ansonsten hat man beim Lesen des Antrags doch den Eindruck, dass hier einfach einmal alles niedergeschrieben wurde, was man sich so wünschen würde. Dabei fällt auf, dass sich die Staatsregierung immer wieder einen schlanken Fuß macht, wenn es um die Umsetzung des Gewünschten geht. Die Hochschulen sollen dagegen die Last, all das umzusetzen, fast allein tragen.
Natürlich liegt beispielsweise die Qualitätssicherung zuallererst in den Händen der Hochschulen. Deshalb ist es auch redundant, dass Sie in Ihrem Punkt 2 e fordern, dass die Hochschulen bei der Qualitätssicherung weiterhin das machen, was sie bereits tun.
Es gäbe allerdings sehr wohl Punkte in Ihrem Antrag, bei denen ein Handeln der Staatsregierung nötig wäre. Im Jahr 2013 wurde in diesem Haus zum Beispiel beschlossen, eine Studie zum Studienabbruch durchzuführen. Das Wissenschaftsministerium hatte daraufhin eine Studienverlaufsstudie vorgeschlagen. Es hatte allerdings auch darauf verwiesen, dass es hierfür die Mittel im letzten Haushalt hätte geben müssen. Wenig überraschend war von Stund an von der Studie nichts mehr zu hören. Wie
aber soll denn die Staatsregierung berichten, welche Faktoren zum Studienerfolg führen, wenn wir nicht einmal wissen, welche Gründe es für den Misserfolg gibt?
Das Gleiche gilt für die Lehrerbildung. Die Evaluierung der Lehramtsausbildung, wie sie im Koalitionsvertrag steht, wurde erst einmal auf die lange Bank geschoben. Gerade beim Lehramt sind die Abbruchzahlen aber besonders hoch. Hier wäre doch zügiges staatliches Handeln gefragt. Aber da passiert nichts.
Immer dort, wo es politisches Handeln geben müsste, um die Rahmenbedingungen des Studiums zu verbessern, kneift Ihr Antrag. Es findet sich zum Beispiel keine Forderung nach einer gesetzlichen Akkreditierungspflicht für Studiengänge, wie es in anderen Ländern üblich ist. Bei den Career Services wird angeregt, diese zu verstetigen. Das ist gut. Aber dazu müssten diese erst einmal in die Regelfinanzierung der Hochschulen aufgenommen werden, statt immer wieder zeitlich befristet über ESFMittel finanziert zu werden.
Der einzige Punkt, an dem Ihr Antrag tatsächlich Initiative von der Staatsregierung verlangt, ist ausgerechnet der, der sich erledigt hat: Die Hochschulstatistikgesetznovelle ist vom Bundestag verabschiedet und wird in Zukunft den Studienverlauf und Studienabbrüche berücksichtigen, was wir GRÜNEN sehr begrüßt haben. Auch wenn der Bundesrat noch zustimmen muss, kommt Ihr Antrag an dieser Stelle etwas spät.
Natürlich kommen Sie nicht daran vorbei, sich von mir an den Stellenabbau an den sächsischen Hochschulen, der auch in diesem Jahr weitergeht, und die finanziellen Rahmenbedingungen der Hochschulen erinnern zu lassen. Studienqualität und Studienerfolg hängen mit solchen Fragen unmittelbar zusammen. Bei den letzten Doppelhaushaltsverhandlungen haben Sie unsere Vorschläge zur Verbesserung der Hochschulsituation abgelehnt und erwarten jetzt, dass die Hochschulen den Studienerfolg steigern. Das passt nicht ganz zusammen.
Wir erkennen an, dass der Antrag gut gemeint ist. Aber in dieser Form können wir ihm nicht zustimmen. Deswegen enthalten wir uns.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Mir liegt eine Wortmeldung für eine zweite Rederunde vor. Herr Abg. Dr. Meyer für die CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Dr. Meyer.
Vielen Dank. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich für die Sachlichkeit in dieser Debatte bedanken. Ich möchte vorausschicken, ohne dass ich an das anknüpfe, was Frau Dr. Muster gesagt hat, dass ich davon überzeugt bin, dass es nicht unbedingt sinnvoll ist, dass jeder Schüler, der durch das Abitur die Möglichkeit zum Studieren hat, auch tatsächlich studieren muss. Ich finde, da ist manche Zielsetzung auf europäischer Ebene ein bisschen
zu undifferenziert und zu ambitioniert. Wir brauchen genauso gute Fachkräfte. Es ist Ziel einer vernünftigen Berufs- und Studienorientierung, das im Vorfeld abzustecken.
Ziel muss es aus meiner Sicht schon sein, dass jeder, der ein Studium beginnt, es möglichst mit einem Abschluss in dem Fach beendet, mit dem er begonnen hat. Eine andere Zielsetzung wäre volkswirtschaftlich nicht vertretbar.
Es ist richtig, dass es bei einem Studienabbruch andere Wege gibt. Die Welt ist auch nicht so einfach, dass jeder sein Studium zum Ende führt. Es soll aber möglichst nur ein kleiner Teil sein, der es nicht zum Ende bringt. Für diesen Teil müssen wir vernünftige Wege finden und dabei die unterschiedlichen Akteure in die Pflicht nehmen.
Die Akteure, die in der Verantwortung stehen, sind in erster Linie die Schüler selber, die Eltern, die Schulen, die Bundesagentur für Arbeit, aber vor allem die Studenten selbst, wenn sie das Studium begonnen haben. Wir müssen diese Akteure in die Lage versetzen, koordiniert zusammenzuwirken. Es ist eine Erkenntnis, dass es bisher viele Initiativen gibt und viele Akteure dabei sind, aber das noch nicht so zusammenwirkt, dass es eine wirkungsvolle Berufs- und Studienorientierung gibt.
Der Antrag hat das Ziel, dies zu verbessern, auch wenn Frau Dr. Maicher manches kritisch hinterfragt hat. Wenn Sie uns vorwerfen, dass wir an dieser Stelle zu wenig machen, dann will ich deutlich sagen, dass natürlich in erster Linie die Hochschulen gefragt sind. Wir haben den Hochschulen mit dem Hochschulfreiheitsgesetz mehr Autonomie gegeben. Sie sind die ersten Akteure. Wir müssen sie dabei unterstützen und dafür sorgen, dass Qualitätssicherung eine dauerhafte Aufgabe wird, weg von dem Projektcharakter, von den Unterstützungen, die gegenwärtig über Projekte laufen, damit es über die DreiSäulen-Finanzierung zu einer Verstetigung kommt.
Dabei sind die Universitäten, die Kunsthochschulen und die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften selbst mit in der Pflicht, über Beispielvorlesungen, vernünftige, transparente Präsentationen der Studiengänge im Internet, Übungsaufgaben oder Neigungs- und Orientierungstests dafür zu sorgen, dass der Student möglichst schon im Vorfeld weiß, worauf er sich einlässt und ob er das mit seinen Kompetenzen schafft, damit er die Anforderungen seines Studiums realistisch einschätzen kann.
Dazu gehört auch, dass das Studien- und Beratungsmaterial die späteren Beschäftigungsfelder der jeweiligen Studiengänge gezielt aufführt, sodass jemand, der denkt, wenn er Geografie studiert, dann habe dies viel mit Reisen zu tun, erkennt, dass es auch sehr viel mit Informatik und Mathematik zu tun hat. Es ist wichtig, dies im Vorfeld zu transportieren, damit manche Vorstellungen zugunsten der Realität klar aus den Köpfen der Menschen ausgeräumt werden.
Ich denke auch, dass sich die Hochschullandschaft dahin gehend sehr verändert hat, dass wir heterogene Studentengruppen haben. Es sind eben nicht mehr die Schüler, die nach der Schule an die Universität wechseln und dann ihre dortige Ausbildung beginnen, sondern es ist gut, dass wir viele verschiedene Wege haben und lebenslanges Lernen letztlich auch bedeutet, dass jemand erst einmal eine solide Ausbildung absolviert, vielleicht auch noch einen Meisterabschluss macht und danach aufgrund der Durchlässigkeit die Möglichkeit hat, später zu studieren. Deswegen haben wir unterschiedliche Zielgruppen an den Universitäten und Hochschulen, auf die es einzugehen gilt.
Genauso ist aus meiner Sicht das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehr wichtig. Es ist eben ein Unterschied, ob ich Kinder habe und studiere oder ob ich generell Teilzeitstudent oder vielleicht auch in einem Weiterbildungsformat bin. Dies alles sind Aspekte, die beim Thema Berufs- und Studienorientierung heutzutage ganz anders zu betrachten sind, als das noch vor 20 Jahren der Fall gewesen ist. Wir müssen das berücksichtigen und es den Hochschulen noch ein Stück weit deutlicher vor Augen führen; aber vor allem müssen wir sie dabei unterstützen, dass sie es nachhaltig im Sinne von § 9 des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes implementieren.
Es ist bereits angedeutet worden: Im Zuge von Bologna, Bachelor- und Masterabschlüssen ist auch eine gestiegene Studienanforderung zu verzeichnen. Es sind sehr dichte Prüfungsfolgen, und man muss sich vielleicht auch manchmal fragen, ob die Studiengänge so, wie sie konzipiert sind, auch tatsächlich studierbar sind. Dies gilt es im Sinne von Weiterentwicklungen kritisch zu beleuchten.
Das ist ein ganzer Strauß von Punkten, die wir in unserem Antrag zusammengetragen haben. Meine Kollegen Aline Fiedler und Holger Mann sind ebenfalls bereits auf Aspekte der Vergleichbarkeit mit der Statistik eingegangen, die es zu regeln gilt; aber ich denke, wir haben mit diesem Antrag einmal zusammengefasst, was es anzupacken gilt. Ich würde mich freuen, wenn er auf breite Unterstützung, so wie es signalisiert wurde, trifft und wir gemeinsam daran arbeiten, dass ein Student, der ein Studium an einer sächsischen Hochschule beginnt, es möglichst auch mit einem Abschluss zu Ende bringt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will die zweite Runde ganz kurz nutzen, um zu reagieren. Erst einmal Danke, Herr Neubert, für die Würdigung des Antrags. Es ist schön zu hören, dass wir uns zumindest in drei Punkten einig sind, was die Frage betrifft, ob ein Studium heute zu sehr auf Arbeitsmarkt und Verwertung ausgerichtet ist.
Wir haben, denke ich, im Redebeitrag wie auch in Teilen des Antrages darauf hingewiesen, dass uns der Unterschied zwischen Schule und Hochschule schon sehr bewusst ist und wir diesen Unterschied auch weiterhin so sehen wollen.
Zu Frau Dr. Maicher: Ich verstehe nicht in Gänze die harte Kritik. Zu Ihrem Hinweis, wir würden hier Selbstverständlichkeiten aufschreiben: Wenn Sie unsere Große Anfrage aus der letzten Legislaturperiode nachvollziehen, werden Sie sehen, dass Akkreditierung eben keine Selbstverständlichkeit ist und es schon ein wenig darauf ankommt, die Hochschulen daran zu erinnern, dass es ein Hochschulgesetz mit vorgeschriebenen Pflichten gibt, und man dies auch tun sollte.
In anderen Aspekten zur Akkreditierung haben wir Ideen niedergeschrieben, die an manchen Hochschulen noch nicht so verbreitet sind. Sie können gern nachprüfen, ob bei den Studiengangseiten und Orientierungen die Inhalte, die in der Akkreditierung zur Berufsfeldorientierung und -benennung vorhanden sind, wirklich überall zu finden sind. Ich schließe Wetten mit Ihnen ab, dass dem nicht so ist. Deshalb glaube ich, dass zumindest hier die Kritik daneben ist.
Ein weiterer Punkt ist für uns, dass Sie sagen, wir würden zu wenig tun. Ich habe die Hälfte meiner Rede trotz allem einer Bilanz gewidmet, nämlich dem, was wir gerade tun, und das ist im Feld der Qualitätssicherung und einer stärkeren Betonung der Frage der Qualität der Lehre nicht wenig.
Beim Hochschulpakt haben wir ganz bewusst umgesteuert und gesagt, es kann nicht mehr nur um absolute und quantitative Zahlen gehen, sondern es muss auch stärker um Fragen der Qualität und Qualitätssicherung gehen. Dies alles sind Maßnahmen, die dahin führen sollen, dass die Hochschulen stärker auf diese Aspekte schauen, weil sie bei der Steuerung bisher nicht die Rolle gespielt haben. Deshalb hoffe ich, dass wir an der einen oder anderen Stelle noch mehr dazu kommen, auch wenn Sie unserem Antrag noch nicht zustimmen können.
Was die Frage des Hochschulstatistikgesetzes betrifft, sage ich einmal so viel: Es mag sein, dass unser Antrag ein wenig später gekommen ist, als wir ihn ins Verfahren bringen wollten; aber dass der Gedanke auch von Sachsen auf den Weg gebracht worden ist, das dürfen Sie annehmen.
Meine Damen und Herren, gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen? – Das kann ich nicht feststellen. Nun frage ich die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Jawohl. Frau Dr. Stange, bitte sehr; Sie haben das Wort.
ein herzliches Dankeschön für die sehr sachliche Diskussion zu einem doch sehr wichtigen Punkt. Ich möchte eines vorwegschicken, nur auf einen kleinen Reflex reagierend: Bologna ist nicht an allem schuld. Auch vor Bologna hat es Studienabbrüche gegeben, nur schauen wir heute ein wenig genauer hin, da auch die Statistiken genauer sind. Aber auch vor Bologna hat es bereits 30 % Studienabbrüche gegeben. Das möchte ich nur noch einmal ganz kurz gesagt haben.
Ich denke, die grundsätzliche Diskussion – Herr Neubert, Sie haben es gesagt – führen wir sicherlich nicht hier; aber es wäre einmal ganz spannend, sich diesen Prozess genauer anzusehen, auch das Wort – das ja leider nicht ins Deutsche übersetzt werden kann – Employability, das im Antrag steht. Es bedeutet eben nicht nur Arbeitsmarktfähigkeit, sondern es umfasst viele Komponenten, auf die ich jetzt gern eingehen möchte.
Was bedeutet eigentlich Studienerfolg? Lassen Sie mich zur Beantwortung kurz den Wissenschaftsrat dazu zitieren: „Ein Hochschulstudium soll die Studierenden befähigen, komplexe berufliche Tätigkeiten auszuüben und ihre individuellen Bildungs- und Erwerbsbiografien erfolgreich zu gestalten. Den Hochschulen fällt die Aufgabe zu“, so der Wissenschaftsrat weiter, „die drei zentralen Dimensionen akademischer Bildung – Wissenschaft, Persönlichkeitsbildung und Arbeitsmarktvorbereitung – jeweils angemessen zu berücksichtigen.“ Ich denke, das beschreibt ein wenig besser, was die Hochschulen und auch wir unter dem Begriff Studienerfolg verstehen.
Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Diversität der Studierenden hinsichtlich individueller Lebenssituationen und auch unterschiedlicher Leistungsvoraussetzungen stehen die Hochschulen vor der Herausforderung, durch geeignete individuelle und/oder strukturelle Maßnahmen den Studienerfolg zu sichern. Studienerfolg lässt sich aber nicht ausschließlich anhand von Zahlen oder Quoten abbilden. Die Sächsische Staatsregierung lässt sich vielmehr bei der Hochschulentwicklungsplanung bis 2025, an der wir gerade arbeiten und in der ein wesentlicher Schwerpunkt auf die Verbesserung des Studienerfolgs an den sächsischen Hochschulen gelegt wird, von dem Anspruch leiten, dass mehr Studierende in einem vertretbaren Zeitrahmen und auf einem hohen fachlichmethodischen und sozialen Niveau zu einem erfolgreichen Studienabschluss kommen sollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während Abbrüche in einigen Fächern durch selektive Studieneingangshürden eher selten sind, beendet durchschnittlich jeder Dritte sein Studium in den Studiengängen der sogenannten MINT-Fächer und der Geisteswissenschaften vorzeitig. Auch wenn nicht alle von ihnen das Hochschulsystem verlassen – ein frühzeitiger Wechsel des Studiengangs kann für den Einzelnen auch förderlich sein.
Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Wort zu dem Begriff Studienabbruch sagen. Jeder – bzw. fast jeder – von uns kennt es aus der eigenen Biografie, dass man nicht geradlinig durchstudiert, sondern vielleicht das falsche Fach