Protocol of the Session on December 17, 2015

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Kollegin, gestatten Sie mir eine Zwischenfrage: Wie erklären Sie sich, dass gerade die sächsische mittelständische Wirtschaft von der Wirtschafts- und Finanzkrise kaum betroffen war, dass wir dort gut durch die Krise gekommen sind? Was waren aus Ihrer Sicht Ursachen für diese gute Krisenbewältigung gerade in Sachsen? Das würde mich interessieren.

Das ist erstens genau der Punkt. Das hat an der Stelle, was die Krise angeht, auch etwas mit der Kleinteiligkeit der sächsischen Wirtschaft zu tun. Punkt eins. Punkt zwei ist, das ist immer eine Frage der Betrachtung, muss ich sagen. Mir sind eine Reihe von Unternehmen bekannt, die hier nicht gut durch die Krise gekommen sind. Das muss man einfach sagen. Es kann sein, dass diese sich immer nur an die Opposition wenden und nicht an die Regierungskoalition in solchen Fragen.

(Beifall bei den LINKEN – Zurufe von der Staatsregierung)

Ich wollte Bezug nehmen auf Herrn Pohle, weil ich da ganz bei dem bin, was Sie gesagt haben: dass also auch mir die Informationen von Taucha und auch von IMO vorliegen und dass man wirklich nur hoffen kann, dass das ab Januar 2016 irgendwie gelockert, gelöst usw. wird, was das Embargo angeht.

Unabhängig davon – egal, ob man der Sicht der Bundesregierung folgt oder der von Bodo Finger –, welche Einschätzung zutreffender ist, zeigt sich aber auch in diesem Fall, dass Außenmärkte an Stellen fragil sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht dass Sie mich falsch verstehen: Ich spreche hier nicht gegen Exporte, sondern gegen die einseitige Orientierung auf diese. Denn das verstellt die Sicht auf die hier zu lösenden Hausaufgaben.

Der letzte Länderbericht der EU-Kommission verweist darauf, dass es auch in Deutschland große Ungleichgewichte gibt, die entschlossene politische Maßnahmen erfordern, und fordert vor allem eine Stärkung der Binnennachfrage.

Nun schauen wir uns die sächsischen Rahmenbedingungen an. Wenn wir über angemessene Infrastruktur reden, sollten wir doch auch über angemessene Verkehrsanbindungen reden. Es geht dabei eben nicht nur um Autobahnen, sondern auch um Zugstrecken ins Ausland. Wir sollten über die Vernetzung mit der Welt reden. Ja, auch das ist heute schon gesagt worden: Wir haben Flughäfen, doch viel zu wenig Linienflüge in die Metropolen dieser Welt.

(Beifall des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Wenn Außenwirtschaft gleich Innovation bedeutet, dann müssen unsere sächsischen Unternehmen in die Lage versetzt werden, ihre innovativen Produkte am Markt platzieren zu können. Da bin ich ganz bei Prof. Wöller: Ja, die Frage danach ist wichtig, nur es fehlen eben bis dato noch die Antworten.

Da sind wir eben bei der Kleinteiligkeit der sächsischen Wirtschaft. Die Idee – und sie war durchaus schlau – eines Fusionsfonds scheint aber gescheitert aus ganz unterschiedlichen Gründen. Das Problem, das dahintersteckt und das damit bewältigt werden sollte, bleibt allerdings bestehen. Um Innovationen stärken zu können, reden wir von Fachkräften, die fehlen, wir reden von Kontakt zwischen Hochschulen und Unternehmen und eben auch von dem Kontakt der Hochschulen zu Kleinst- und Kleinunternehmen.

Der Klein- und Mittelstand hat es in den wenigsten Fällen hinbekommen, auf die nächsthöhere Ebene zu kommen. Und warum? Weil es in allererster Linie an einer ordentlichen Kapitaldecke fehlt, um Wachstumsschwellen zu überwinden. Wie kommen denn sächsische Unternehmen genau dorthin, vom Zulieferer zum Player zu werden usw.? Es ist viel dazu gesagt worden. Meiner, unserer Meinung nach braucht es eine kommunale Investitionspauschale, die ihren Namen verdient. Eine gesunde sächsische Wirtschaft braucht ordentliche und öffentliche Investitionen eben auch in Lebensqualität. Investitionen in Lebensqualität vor Ort stärken den Mittelstand, und das ist eine generelle Forderung von uns.

Die Redezeit, Frau Kollegin!

– Ja, letzter Satz. – Wir brauchen nicht immer nur von der Schaffung des modernen Sachsens zu reden; wenn es über Ankündigungen nicht hinausgeht, werden wir als LINKE immer wieder diese Forderungen aufstellen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Frau Kollegin NeuhausWartenberg sprach gerade. Sie vertritt die Fraktion DIE LINKE. Als Nächster erneut für die AfD-Fraktion Herr Kollege Urban.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Noch einige Anmerkungen zum Außenhandel mit Russland. Es ist doch schizophren: 2008 wurde der Sächsische Außenhandelstag ins Leben gerufen mit dem Schwerpunkt Russland. In Dresden wurde er mit dem Industrietag Russland gefeiert. Fünf Jahre später dagegen ergab eine Umfrage der IHK und der Handwerkskammer – ich zitiere: „Als große Herausforderung mit negativen Auswirkungen auf ihre Unternehmen bewerten 34 % der Firmen die Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland sowie die entsprechenden russischen Gegenmaßnahmen. Die

Firmen fürchten den dauerhaften Abbruch von langjährigen Geschäftskontakten.“

Das Gesamtvolumen des Außenhandels mit Russland wies 2014 ein Minus von 13 % zum Vorjahr auf. Exemplarisch will ich nur drei Branchen betrachten.

Erstens. Im Maschinenbau verzeichnete Sachsen einen Exportrückgang von 9,7 %. Das bedeutet 222 Millionen Euro Verlust an Umsatz. In Amerika stiegen im selben Zeitraum die Umsätze um 667 Millionen Dollar.

Zweitens. Im Tourismus verzeichnete Sachsen einen starken Rückgang an Touristen aus Russland. Das betraf 33,4 % der Gästeunterkünfte und 18,8 % der Übernachtungen.

Drittens. In der Agrarwirtschaft gingen die Exporte vom Juli 2014 zum Juli 2015 um 30 % bzw. 409 Millionen Euro zurück und die Exporte verarbeiteter Lebensmittel sogar um 34 % bzw. 419 Millionen Euro. Das Embargo ließ Russland nun die eigene landwirtschaftliche Produktion intensiv fördern, wodurch die Importabhängigkeit verringert und unsere Exportchancen in Zukunft weiter geschwächt werden.

Die Exportprobleme einzelner Hersteller, gepaart mit den Sanktionen, führen dazu, dass der Markteintritt sächsischer Betriebe in Russland sehr erschwert ist, da die Marktanteile inzwischen durch andere Firmen aus NichtEU-Ländern besetzt werden.

Für die sächsische Außenwirtschaft ist die schnellstmögliche Beendigung der Sanktionen gegen Russland dringend geboten. Die sächsische Regierung sollte deshalb nicht nur hoffen und die Verantwortung nach Brüssel abschieben – die sächsische Regierung sollte endlich aktiv werden und mit Nachdruck auf Bundes- und EU-Ebene die Aufhebung der Sanktionen einfordern.

(Staatsminister Martin Dulig: Wir sind die einzige Regierung, die das macht! Das machen wir doch die ganze Zeit!)

Sie hoffen.

Auf allen Ebenen in Sachsens Außenwirtschaft sind, wie beschrieben, noch viele Potenziale, welche zukünftig besser und intensiver ausgeschöpft werden müssen. Das sichert und schafft Arbeitsplätze in Sachsen, und darauf kommt es uns letztlich an.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Nach Herrn Urban könnte jetzt erneut die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort ergreifen. – Es ist kein Redebedarf mehr da. Wir könnten eine dritte Rederunde eröffnen. – Das passiert auch. Herr Prof. Wöller wird jetzt gleich erneut das Wort für die CDU-Fraktion, die Einbringerin, ergreifen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die Diskussion etwas in eine Richtung abgeglitten ist – durchaus zu Recht –, will ich noch einmal auf die Generaldebatte verweisen.

Die Diskussion Außenwirtschaft ist natürlich auch ein Blick in die Bilanz und damit in die Vergangenheit. Das sind Erfolge, das hat aber auch eine Kehrseite; Kollege Lippold hat darauf hingewiesen. Es stimmt, dass die Struktur des exportstarken Deutschlands und auch des exportstarken Sachsens natürlich auf einigen wenigen Branchensektoren beruht. Das sind in erster Linie der Fahrzeugbau, der Maschinenbau, die Elektrotechnik und – für Sachsen weniger zutreffend – die chemische Industrie. Das sind alte Industrien, die natürlich nicht so schnell verschwinden werden, aber sich wandeln müssen. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass allein in Sachsen der Zuwachs von 14 % auf die 36 Milliarden Euro zu zwei Dritteln, also zu einem erheblichen Teil, auf das Exportwachstum in der Fahrzeugindustrie zurückzuführen ist. Das sind nicht nur ausschließlich Automobile, aber im Wesentlichen. Ich mache deutlich: Wenn ein großer Automobilist, der in Sachsen mehrere Standorte hat – VW –, hustet, dann kann es schon sein, dass die Infektionsgefahr für Fieber oder andere Krankheiten für die sächsische Wirtschaft steigt. Das ist richtig.

Deswegen die zweite Frage: Was sind denn die künftigen Herausforderungen der Wirtschaft? Wissen wird wichtiger. Technologien werden wichtiger. Die Wertschöpfung auch im Außenhandel basiert im Wesentlichen auf Wissen, auf Können, auf Fähigkeiten und Fertigkeiten, besonders von jungen Unternehmerinnen und Unternehmern.

Wenn beispielsweise ein Handy – eine Hardware, die wir alle haben – oder ein Smartphone etwa 200 US-Dollar kostet, dann ist im Schnitt innerhalb von fünf Monaten durch Applikationen, durch Telekommunikationsdienstleistung oder durch Apps Geld umgesetzt, das dem Wert dieser Hardware entspricht. Was beim iPhone richtig ist, kann bei anderen Anwendungen nicht falsch sein, zum Beispiel beim Automobil. Das ist Zukunftsmusik. Aber wenn jetzt schon die Anbieter von Internetplattformen dazu übergehen, Autos zu konstruieren oder sich in die Konstruktion von Autos bestehender Hersteller einklinken und mit ihnen kooperieren, dann müssen wir die Frage stellen, ob das Wissen darüber, wohin ich mit dem Auto fahre – zur Arbeit, abends ins Restaurant, an welchen Kaufhäusern ich vorbeifahre, wohin ich in den Urlaub

fahre –, nicht in Zukunft wesentlich mehr wert ist als die Herstellungskosten dieses Fahrzeuges.

Informationen und Daten sind der Rohstoff der Zukunft. Wenn wir diese Zukunft in Sachsen nicht verschlafen wollen, dann müssen wir in diese Zukunft investieren und durch politische Flankierung erreichen, dass wir mit diesen Anbietern Schritt halten.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Dazu gehört ein letztes Stichwort, das in der Diskussion ebenfalls hervorgehoben wurde und zu dem ich zum Teil die gleiche Meinung habe. Wenn wir von Außenwirtschaft reden, dann kann es nicht nur um den Export gehen. Das ist richtig. Auch der Import ist wichtig. Wenn wir über eine wissensbasierte Weltwirtschaft reden, dann ist der Import von jungen, leistungsfähigen Unternehmerinnen und Unternehmern, von Menschen, die mit Ideen hierher nach Sachsen kommen, ein nicht zu unterschätzender Faktor. Geld und Kapital gibt es genug angesichts einer expansiven Geldpolitik und des Geldrausches – wie ich das einmal bezeichnen möchte –, den wir weltweit erleben und worunter viele Sparer leiden. Was es nicht gibt, das sind in Überzahl Ideen und Unternehmerkonzepte. Die brauchen wir aber in Sachsen. Deshalb ist der Ruf als Exportnation mit leistungsstarken Produkten genauso wichtig wie ein heimatoffenes Land, das eine Willkommenskultur für diejenigen vorzuweisen hat, die hier etwas leisten wollen. Das gehört ebenso zu der Diskussion, die wir heute im Hohen Hause führen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei den LINKEN – Beifall der Staatsregierung )

Prof. Wöller eröffnete gerade die dritte Runde. Natürlich sind alle eingeladen zu folgen; aber die Redezeit spricht oftmals eine andere Sprache. – Ich sehe aus den Fraktionen keinen weiteren Redebedarf. Damit hat die Staatsregierung das Wort. Es wird durch Herrn Staatsminister Dulig ergriffen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in diesem Jahr Frau Böhmer, die Geschäftsführerin des Unternehmens Eibauer, kennengelernt. Das ist eine ziemlich toughe Unternehmerin, die es geschafft hat, mit ihrer Spezialitätenbrauerei über die Hälfte ihrer Produkte zu exportieren, davon 90 % nach China. Bier aus Bayern – ach, Bayern!

(Heiterkeit)

Ich fange am besten noch einmal an. Wahrscheinlich hätte ich vorher ein Bier trinken sollen.

(Heiterkeit)

Bier aus Eibau jetzt in China. Das hat deshalb funktioniert, weil Frau Böhmer die Nische erkannt hat, weil sie offen war, auch ins Risiko gegangen ist und dies mit einem ganz hohen persönlichen Engagement verwirklicht.

Ich habe auch das Unternehmen DAS Environmental Expert kennengelernt. Das war in diesem Jahr im Rahmen von AWIS. Dieses Unternehmen mit Sitz in Dresden hat einen internationalen Erfolg vorzuweisen. Der Firmengründer Dr. Reichardt hat eine Abgasbehandlung in der Mikroelektronik so spezialisiert, dass sie sich damit auf einem Zukunftsmarkt international etabliert haben. Sie haben heute Niederlassungen in Asien und Amerika und beliefern Hightech-Kunden in aller Welt.