Protocol of the Session on December 17, 2015

Ich persönlich bin stolz, dass wir diese Arbeit jetzt beginnen können. Ich bin stolz darauf, dass die Pflege der älteren Menschen unserer Gesellschaft einen so wichtigen Stellenwert in diesem Parlament bekommt, dass wir in einer Enquete-Kommission arbeiten, und ich persönlich freue mich gemeinsam mit meiner Fraktion auf die Arbeit und bitte um Unterstützung zu diesem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Herr Schreiber. Für die SPD-Fraktion Frau Abg. Neukirch. Bitte sehr, Frau Neukirch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Enquete-Kommission ist ein besonderes Instrument der parlamentarischen Befassung hier im Landtag und dient der Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachverhalte und zur eigenständigen Informationsgewinnung in komplexen Themenfeldern. – So weit die Definition.

Wir schlagen heute eine solche besondere Kommission zum Thema „Sicherstellung der Versorgung und Weiterentwicklung der Qualität in der Pflege älterer Menschen im Freistaat Sachsen“ vor. Ich möchte mich gleich zu Beginn meiner Ausführungen bei den Sprecherinnen und Sprechern der anderen Fraktionen, besonders bei Susanne Schaper, bei Volkmar Zschocke und natürlich bei Patrick Schreiber, bedanken, weil wir zusammen und gemeinsam die Inhalte des vorliegenden Antrages diskutiert und entwickelt haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den LINKEN)

Das Thema Pflege ist aus unserer Sicht ein absolut wichtiges Zukunftsthema für den Freistaat Sachsen, und zwar nicht nur, weil es in nicht allzu langer Zeit eine Mehrheit der Menschen in diesem Land selbst oder in ihrer Familie

betreffen wird. Das Thema Pflege ist insofern auch eine wichtige Herausforderung für die soziale Gesellschaft, als sie auch in die jüngere Generation hineinwirkt; denn die Angst vor Einschränkung im Alter ist Realität, die Angst davor oder die Fragen, wie man selbst diesen Lebensabschnitt wird bewältigen können, wer einem zur Seite steht, welche Unterstützungsmaßnahmen man bekommt, prägen den Blick auf das Soziale in der Gesellschaft schon viel früher, als man denken mag oder pflegebedürftig wird.

Die neuesten demografischen Aufbereitungen des Statistischen Bundesamtes zeigen für Sachsen im Ländervergleich die höchsten Werte von über 65-jährigen Einwohnern als auch von über 80-jährigen. Das ist besonders wichtig bei diesem Thema; denn im Durchschnitt liegt das Pflegeeintrittsalter, wie es so schön heißt, bei 82 Jahren. Mittlerweile ist es so, dass mehr als 40 % der Pflegebedürftigen länger als fünf Jahre pflegebedürftig sein werden. Diese Daten stehen für sich, vor allem, wenn man dann noch die absoluten Zahlen dahinter sieht.

Der Barmer-Pflegereport hat für bis 2030 für Sachsen einen Zuwachs von 47 % der pflegebedürftigen Menschen auf dann immerhin über 200 000 Menschen in diesem Freistaat vorausgesagt. Soweit zu den reinen Daten der Herausforderung. Die Kommission wird sich also aus meiner Sicht ganz intensiv mit drei besonderen Schwerpunkten beschäftigten müssen.

Erstens – darum geht es ganz zentral: Es geht um eine höhere Lebensqualität und eine bessere Versorgung für Menschen, die bereits pflegebedürftig sind oder demnächst pflegebedürftig werden.

Zweitens. Es geht um die Entlastung von Familien, in denen die Angehörigen gepflegt werden. Immerhin mehr als zwei Drittel der Pflege wird zu Hause von Angehörigen, zum Teil mit Unterstützung der ambulanten Dienste, zum Teil aber auch allein, geleistet. Auch diese Pflegepersonen werden älter. Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist in unserer Gesellschaft eine zentrale Herausforderung und bedarf einer erhöhten Aufmerksamkeit.

Angehörige benötigen bessere wohnortnahe Informationen, Beratungen und vor allem auch ausreichend nutzbare Entlastungsangebote.

Drittens. Wir brauchen gute Rahmenbedingungen für die Arbeit in der Pflege. Alles, was wir uns an Maßnahmen und Projekten überlegen und was wir starten wollen, hängt davon ab, dass wir ausreichend gut ausgebildete Menschen in der Pflege haben, die auch in der Zukunft dort tätig sein wollen. Das Potenzial dafür ist vorhanden. In Sachsen werden sehr viele junge Menschen ausgebildet. Die Herausforderung ist, sie in ihrem Berufsalltag hier in Sachsen halten zu können.

Seit dem Jahr 2011, welches aus meiner Sicht damals zu Unrecht zum Jahr der Pflege ausgerufen worden war, hat sich mittlerweile im Bund und hier im Land viel verändert. Allein auf Bundesebene sind in letzter Zeit vier große pflegepolitische Reformen und Gesetzesvorhaben

verabschiedet worden, die sowohl eine Dynamisierung der Leistungen als auch eine Leistungsausweitung zum Inhalt hatten. Zur Hospiz- und Palliativversorgung hatten wir erst vor Kurzem eine Änderung der Gesetzgebung. Derzeit sind auch noch zwei weitere Gesetzesvorhaben in der Abstimmung, zum einen zur Ausbildung und zum anderen zur Reform der Pflegestufen hin zu Pflegegraden.

Es wird darum gehen, in dieser Kommission die Nutzbarmachung dieser veränderten Rahmenbedingungen, die Verknüpfung dieser Reform mit den hier in Sachsen begonnenen Maßnahmen voranzubringen und in der Praxis produktiv umzusetzen. Darüber hinaus geht es um die Umsetzung und Verstetigung der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Maßnahmen und um die Einbindung der praktischen Anmerkungen der Akteure in diesem Land. Das ist mir wichtig.

In einer Enquete-Kommission kann jede Fraktion ein externes Mitglied benennen. Wir müssen versuchen, mit der Kommission die Praktiker im Land in unsere Diskussion einzubeziehen. Es geht darum, Anregungen aus Wissenschaft, Versorgungsforschung und Pflegeverbänden in die lebendige Arbeit der Kommission einfließen zu lassen.

Ich würde mich freuen, wenn alle Fraktionen dieses Anliegen heute unterstützen. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit in dieser Enquete-Kommission.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Nun für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Schaper. Bitte sehr, Frau Schaper.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie es bereits Alexander Mitscherlich formulierte: „Viele möchten leben, ohne zu altern, und sie altern in Wirklichkeit, ohne zu leben.“ Genau dies gilt es in Sachsen zu verhindern.

Mit der Einrichtung der Enquete-Kommission „Sicherstellung der Versorgung und Weiterentwicklung der Qualität in der Pflege älterer Menschen im Freistaat Sachsen“ hat der Landtag somit ein wichtiges Zukunftsthema für uns alle aufgegriffen.

Um mit zur vorweihnachtlichen Harmonie beizutragen, möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich der Sozialdemokratin Frau Abg. Neukirch und den Christdemokraten Herrn Wehner, Herrn Schreiber und Herrn Krauß für die Einbringung danken.

Ich gehe davon aus, dass es gelingen wird, neben der Verknüpfung aller pflegerelevanten Aspekte auch die Akteurinnen und Akteure aus der Fachöffentlichkeit in den Dialog einzubinden. Eine zentrale Frage der Arbeit der Kommission wird sein – da müssen wir den Menschen jetzt ungeschminkt die Wahrheit sagen –: Ist unsere

Gesellschaft auf eine wachsende Zahl pflegebedürftiger Menschen in Sachsen gut vorbereitet oder nicht?

Wir müssen offen und ehrlich über die Herausforderungen reden. Alter, Pflege und Pflegemängel dürfen nicht weiter ein Tabuthema sein. Pflege ist ein persönliches Schicksal, das die Solidarität aller braucht. Pflegebedürftigkeit kann jeden von uns zu jedem Zeitpunkt treffen.

Pflege ist auch eine Beziehung zwischen den Menschen. Diese Beziehung muss gefördert werden. Pflege ist keine Ware und mehr als eine käufliche Dienstleistung. Es geht um viel mehr, um Menschen jeden Alters, aber auch um die Pflegenden.

Pflege in Sachsen ist ein großer Wachstumsmarkt, mit zunehmendem Wettbewerb, mit steigenden Umsätzen, mit vielen Arbeitsplätzen, mit hohen Infrastrukturinvestitionen, mit vielen Dienstleistungs- und Produktionsbereichen, zum Beispiel für Pflegehilfsmittel und technische Ausstattung.

Zur Zukunft der Pflege gehört die Beantwortung der Fragen, warum Menschen pflegebedürftig werden, ob und wie wir Pflegebedürftigkeit hinausschieben oder verhindern können. Gesundheitsförderung, Gesundheitsbewusstsein, Vorsorge und Rehabilitation sind zentrale Zukunftsthemen. Die Verzahnung der Pflege mit der gesundheitlichen Versorgung ist daher essenziell.

Zur Zukunft einer menschenwürdigen Pflege gehören aber auch das pflegegerechte Wohnen, das Wohnumfeld, der Wohnungsbau, eine verbesserte Vernetzung von Stadtentwicklung und Sozialpolitik, die Optimierung der sozialen Dienste und ein effizienter finanzieller Mitteleinsatz.

Zu einer gelungenen Pflege gehören des Weiteren moderne Pflegekonzepte, moderne Pflegeleitbilder und die Sicherung der Pflegequalität. Das vorhandene Wissen, der Wissenstransfer um eine gute und moderne Pflege muss die Pflegenden erreichen. Dazu ist eine effiziente Modifizierung der Weiterbildung der Pflegenden unverzichtbar. Wir werden in den nächsten Jahren genügend junge Menschen finden müssen, die ihre berufliche Zukunft im Bereich der Pflege finden wollen.

Deshalb braucht dieses für unsere Gesellschaft so wichtige und immer wichtiger werdende Arbeitsfeld auch ein entsprechendes Image; denn jeder, der im Leben mit dem Thema Pflege konfrontiert war, weiß, dass der Beruf hohe Anforderungen an die Beschäftigten stellt. Er geht an die Grenzen der physischen und psychischen Belastungsfähigkeit. Allein mit einer angemessenen Wertschätzung gegenüber den Pflegekräften, an welcher es meiner Meinung nach auch heute noch mangelt, ist es nicht getan.

Will man mehr Menschen für die Pflege gewinnen und die Berufe attraktiver gestalten, so muss man die Löhne anheben, die Pflegedokumentation entbürokratisieren und generell für Arbeitserleichterungen – seien es die Arbeitszeiten oder der Betreuungsschlüssel – sorgen. Qualität und Effizienz von Pflege sind unabdingbar mit jenen

Menschen verknüpft, die schwierige und verantwortungsvolle Aufgaben in der Pflege übernommen haben.

Mit der Aufnahme in die besonders zu betrachtenden Schwerpunkte ist bereits ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan worden. Dabei müssen aber auch Mängel erkannt und beseitigt werden. Nur wo der Mensch im Mittelpunkt des Geschehens steht, kann eine menschenwürdige Pflege geleistet werden. Eine menschenwürdige und qualitativ hochwertige Pflege muss im Interesse der pflegebedürftigen Menschen immer wieder zum Thema gemacht werden. Pflegemängel, Pflegefehler oder mangelnde Pflegestandards dürfen nicht tabuisiert werden. Das gilt für die stationäre Pflege sowie für die Pflege zu Hause. Unzureichende Pflege bedeutet immer auch Leid und Schmerzen sowie einen Verlust an Lebensqualität, deshalb muss in diesem Bereich auch eine Qualitätssicherung und -prüfung stattfinden.

Ich möchte der Arbeit der Kommission keine Ergebnisse vorwegnehmen, doch eines ist klar: Familien und die häusliche Umgebung der pflegebedürftigen Menschen müssen zukünftig durch stabilere professionelle und ehrenamtliche Netzwerkstrukturen entlastet werden; denn angesichts des demografischen und sozialen Wandels müssen weiterhin hilfebedürftige Menschen auch zu Hause gepflegt und versorgt werden können.

Unsere Gesellschaft ist auf die Hilfe und Unterstützung pflegender Angehöriger dringend angewiesen. Die Angehörigen sowie die helfende und unterstützende Familie müssen stärker in den Blickwinkel der Öffentlichkeit, der professionellen Pflegeakteure und der Politik genommen werden. Wenn die pflegenden Angehörigen mit ihrem enormen Einsatz nicht wären, würde unser Sozialsystem zusammenbrechen. Sie müssen aber entlastet, unterstützt und begleitet werden. Dies kann nur durch die Einbindung der Familie und des Ehrenamts in die professionelle Pflegelandschaft gelingen. Nur gemeinsam mit ihnen können wir zukünftig die Pflege in Sachsen verbessern.

Die im Antrag zur Einsetzung der Enquete-Kommission genannten Handlungsfelder kann meine Fraktion mittragen. Ich möchte dennoch einige wenige Aspekte hervorheben, auf die wir großen Wert legen:

Bestandsaufnahme und Prognose des Pflegebedarfs. Im Mittelpunkt stehen für uns der Pflegebedürftige, sein Bedarf und seine Bedürfnisse. Wohnen bei Hilfs- und Pflegebedürftigkeit: ambulant ja, aber um jeden Preis? „Ambulant vor stationär“: Wir müssen also neue Wohnformen entwickeln. Weiterhin gehören dazu: typische Bedarfskonstellationen in der Pflege, Bestandsaufnahme der pflegerischen Versorgung in Sachsen, Qualitätsentwicklung und -sicherung in der pflegerischen Forschung, Gesundheitsförderung, Prävention und Reha vor und bei Hilfs- oder Pflegebedürftigkeit.

Das Arbeits- und Berufsumfeld in der Pflege ist zu verbessern. In Sachsen sind 90 % der Beschäftigten Frauen. Es muss deswegen auch dringend über die Arbeitsbedingungen gesprochen werden. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Wertschätzung des Berufs und natürlich

auch der Lohn in der Pflege müssen thematisiert werden. Vor allem müssen eine leistungsgerechte Bezahlung und verbesserte Arbeitsbedingungen ganz klar auf dem Programm stehen.

Aber auch für Männer muss dieser Beruf attraktiver gemacht werden; denn dort sind sie mal nur von Vorteil.

(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Was war denn das? – Heiterkeit des Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)

Fort- und Weiterbildung sowie Akademisierung in Pflegeberufen; denn nur so können wir dem Anspruch gerecht werden, den zu Pflegenden in den Mittelpunkt unserer Arbeit zu stellen.

Bei allen genannten Herausforderungen freue ich mich auf die Arbeit in der Enquete-Kommission und hoffe, dass wir gemeinsam die Pflege für uns alle besser und vor allem wesentlich nachhaltiger im Freistaat Sachsen gestalten können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und der CDU)