Protocol of the Session on December 17, 2015

Meine Damen und Herren, nun die AfD-Fraktion; Herr Abg. Wendt, bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, in den letzten Jahren ist die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland um rund 25 % angestiegen. In Sachsen hielten wir uns knapp unter dem Bundesdurchschnitt auf.

In den kommenden Jahren wird sich jedoch auf der Grundlage verschiedener Prognosen die Zahl der Pflegebedürftigen in Sachsen von 138 000 in 2010 auf etwa 223 000 in 2050 erhöhen. In 2060 – das sollte uns positiv stimmen – wird die Anzahl der Pflegebedürftigen auf 207 000 zurückgehen.

Aufgrund dieser Entwicklung, die einen Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen konstatiert, sind wir in den kommenden Jahren in der Pflicht, wobei es bereits jetzt schon erheblichen Nachholbedarf gibt. Aufgabe der Kommission wird es deshalb sein, Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, die eine nachhaltige und pflegerisch notwendige, hochwertige Versorgung älterer Menschen sicherstellen. Hierbei soll zuerst eine Bestandsaufnahme über die aktuelle Situation in der Pflege im Freistaat Sachsen vorgenommen werden, auf die dann aufgesattelt werden soll.

Viele Fragen werden im Vorfeld zu beantworten sein, etwa, wie wir den Pflegeberuf attraktiver machen und, damit verbunden, der Abwanderung von Pflegekräften entgegenwirken wollen; wie, ob und in welchem Umfang wir die Bezahlung verbessern möchten; wie wir für die entsprechende Anerkennung derer sorgen, die sich um pflegebedürftige Menschen kümmern; wie wir die Arbeitsbedingungen, die das Pflegepersonal sehr oft an den Rand der Leistungsfähigkeit bringen, verbessern möchten;

wie viel wir investieren wollen bzw. können und wer die Finanzierung gewährleisten soll; wie wir den Verwaltungsaufwand, insbesondere auch für pflegende Angehörige, verringern und deren Vergütung erhöhen wollen, und zuletzt: wie wir in Zukunft eine menschenwürdige und umfängliche Betreuung Pflegebedürftiger sicherstellen und wie wir letztendlich dafür sorgen wollen, dass Menschen lange genug ein selbstbestimmtes Leben in ihrem gewohnten Umfeld führen können.

Kurzum: Es wird viele Fragen, Vorschläge, Ergebnisse und daraus resultierende Handlungsempfehlungen geben, die uns in Sachsen hoffentlich zukunftsweisend voranbringen werden. Eine Enquete-Kommission kann dies, wenn alle an einem Strang ziehen, sicherlich leisten; denn ihre Definition stellt sich wie folgt dar – ich zitiere in Teilen aus Wikipedia –: „Enquete-Kommissionen sind vom Deutschen Bundestag oder von einem Landesparlament eingesetzte überfraktionelle Arbeitsgruppen, die langfristige Fragestellungen lösen sollen.“ Weiter steht dort geschrieben: „In einer Enquete-Kommission soll eine gemeinsame Position erarbeitet werden.“

Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Kommission sollte fraktionsübergreifend ins Leben gerufen werden. Dem Ansinnen entsprechend möchte ich mich bei CDU und SPD, aber auch bei Frau Schaper, die ebenfalls einen Anteil an der Einrichtung dieser Kommission hat, bedanken.

Leider ist diese Kommission, die – wie gerade angesprochen – fraktionsübergreifend initiiert werden sollte, bereits an der ersten Hürde auf massiven Widerstand gestoßen. Sie ist deshalb auf Widerstand gestoßen, Herr Schreiber – und das betrifft in diesem Fall nur eine Fraktion –, weil die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine fraktionsübergreifende Einbringung, die ein starkes Zeichen an die sächsischen Bevölkerung gewesen wäre und zudem auch von der Thematik her nicht einmal ideologisch zu begründen ist, ablehnt.

Die GRÜNEN lehnten und lehnen damit nicht nur eine fraktionsübergreifende Einbringung und Zusammenarbeit bei dieser zentralen Thematik kategorisch ab, sie verschließen sich auch einer gemeinsamen und dringend notwendigen, zukunftsweisenden Arbeit, die nicht nur für Pflegende und Pflegebedürftige, sondern auch für das Wohl unserer Gesellschaft von immenser Bedeutung ist.

Dieses Vorgehen stimmt mich nachdenklich und stößt nicht nur bei uns, sondern mit Sicherheit auch bei den Bürgern im Freistaat Sachsen auf völliges Unverständnis. Es ist angesichts der Notwendigkeit solch einer Kommission nicht nachvollziehbar. Nachdenklich stimmt mich auch, dass die einbringende Regierungskoalition in keiner Weise die AfD erwähnte, obwohl die AfD in der Kommission ebenfalls vertreten sein wird.

Das zeigt einmal mehr, dass selbst beim Erstellen einer zukunftsfähigen Pflegekonzeption ideologische Einflüsse und Vorbehalte präsent sind.

Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der AfD)

Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Herr Abg. Zschocke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nein, wir verschließen uns nicht. Wir sind uns einig, dass wir uns mit den künftigen Herausforderungen in der Pflege beschäftigen müssen, und wir werden die Enquete-Kommission zur Verbesserung der Pflege in Sachsen daher unterstützen und dort mitarbeiten. Das ist richtig, das ist wichtig und das ist auch notwendig. So viel vornweg.

Eines ist aber auch klar: Die Enquete-Kommission darf nicht dazu führen, dass die Entscheidungen zu Problemen auf die lange Bank geschoben werden. Die Koalition darf nicht erst mit dem Abschlussbericht der EnqueteKommission anfangen, Entscheidungen zu treffen, die jetzt anstehen. Wir werden sehr darauf achten, dass die Enquete-Kommission nicht zum Verschiebebahnhof für Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag wird, die in der Umsetzung jetzt anstehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Im Koalitionsvertrag stehen viele Vorhaben, deren Umsetzung derzeit noch unklar ist. Einige Beispiele: Bis Ende 2015 sollte gemeinsam mit allen Pflegeakteuren eine gemeinsame Strategie „Gute Pflege in Sachsen“ erarbeitet werden. Das Jahr ist so gut wie herum. Mit welchen Maßnahmen die Koalition die Versorgung und Beratung von Pflegebedürftigen verbessern will, bleibt offen.

Zur Entlastung der Pflegekräfte sollte eine neue und schlanke Pflegedokumentation zügig eingeführt werden. Bis jetzt gab es dazu noch keine Initiative.

Von der Initiative „Pro Pflege Sachsen“ habe ich seit der Unterzeichnung im Mai 2014 auch nichts mehr gehört. Obwohl im Koalitionsvertrag steht, dass mit dieser Initiative eine tarifgerechte Bezahlung, familiengerechte Arbeitsverhältnisse und mehr unbefristete Vollzeitarbeitsplätze geschaffen werden sollen, bleibt es momentan das Geheimnis der Staatsregierung, welche Fortschritte hierbei in den letzten eineinhalb Jahren erzielt worden sind.

Des Weiteren steht im Koalitionsvertrag, die Begleitung und Versorgung schwerkranker, sterbender und trauernder Menschen weiterzuentwickeln. Auch dazu gab es bisher keine Initiative der Koalition hier im Landtag. Es gab die Anhörung im Sozialausschuss zu unserem Antrag. Die Sachverständigen haben den dringenden Handlungsbedarf angezeigt, weil die Konzeption zur Hospiz- und Palliativarbeit immer noch auf dem Stand von 2007 ist.

Alle diese Aufgaben müssen jetzt zügig und konzentriert angegangen werden. Auch wenn die Enquete-Kommission mit solchen Aufgaben befasst wird, darf es nicht dazu führen, dass die notwendigen Entscheidungen verschleppt werden. Das möchte ich deutlich herausstellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Enquete-Kommission ist es wichtig, umfassende bundesweite Expertisen einzuholen. Andere Bundesländer machen es gerade vor. Die Enquete-Kommission in Baden-Württemberg erarbeitet derzeit zu einem ähnlichen Thema den Abschlussbericht. In Nordrhein-Westfalen hat sich das Land schon im Jahr 2005 im Rahmen einer Enquete-Kommission mit dem Thema Pflege intensiv befasst.

Im Rahmen der jetzt einzusetzenden Enquete-Kommission ist es uns GRÜNEN wichtig – das haben die Vorredner schon deutlich gemacht –, dass die Belange pflegender Angehöriger im Mittelpunkt stehen. Wichtig sind auch bisher wenig diskutierte Themen. Ich will zwei nennen: das Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Pflege und das gesamte Thema kultursensible Pflege. Wichtig sind die großen Zukunftsfragen Barrierefreiheit und die Entwicklung generationsgerechter Quartiere. Das muss ganz oben auf der Agenda stehen; denn nur so wird es möglich, lange im eigenen Zuhause zu verbleiben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich hoffe auf wertvolle und umsetzungsorientierte Handlungsergebnisse und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU und den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen Redebedarf für eine weitere Runde? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Jawohl, Frau Staatsministerin Klepsch. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal vielen Dank für die Einberufung einer Enquete-Kommission. Das Thema Pflege ist allgegenwärtig, und es ist wichtig, dass wir uns immer wieder damit beschäftigen. Das Thema Pflege ist auch ein Schwerpunkt meiner Arbeit. Sehr gern – und ich freue mich darauf – möchte ich Sie in der Enquete-Kommission unterstützen.

Meine Damen und Herren! Sie haben eine Vielzahl von Themen aufgeführt, an denen viele Akteure, Länder, Kommunen, Pflegeeinrichtungen und Pflegekassen

bereits zusammenwirken. Die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen durch den Landtag als weiteren wichtigen Beteiligten kann ein weiterer, ergänzender Beitrag sein – neben den Aktivitäten des Bundesgesetzgebers mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz, dem Hospiz- und Palliativgesetz und dem Präventionsgesetz. Frau Neukirch hat es bereits angeführt.

Wir in Sachsen bauen auf einer qualitativ und quantitativ guten pflegerischen Versorgung auf; denn – das möchte ich unterstreichen – wir haben bereits frühzeitig mit dem

Landespflegeausschuss auf den steigenden Pflegebedarf reagiert. Gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung hat mein Ministerium verschiedene Maßnahmen konzipiert. Diese Maßnahmen tragen zur Sicherung der Versorgung älterer Menschen bei.

Lassen Sie mich kurz auf einige eingehen. Sie kennen alle die Nachbarschaftshelfer. Mit den Nachbarschaftshelfern hat Sachsen schon vor dem Ersten Pflegestärkungsgesetz ein Angebot zur Entlastung pflegender Angehöriger geschaffen. Mit der Neufassung der Betreuungsangeboteverordnung wird das Tätigkeitsfeld der Nachbarschaftshelfer nun erweitert. Diese Woche wurde die Betreuungsangeboteverordnung im Kabinett verabschiedet.

Gleichzeitig werden die Vorschriften zur Anerkennung und Förderung von niedrigschwelligen Betreuungsangeboten überarbeitet. Wir fördern damit Transparenz und Wettbewerb der Angebote und sichern auch deren Qualität. Der Freistaat Sachsen wird künftig eine höhere Förderung für die niedrigschwelligen Angebote ausreichen.

Ganz neu – Sie haben vielleicht davon gelesen – sind die Pflegekoordinatoren. Seit November fördert der Freistaat Sachsen diese in den Landkreisen und kreisfreien Städten. Die Aufgabe der Pflegekoordinatoren besteht in der Implementierung und Weiterentwicklung der vernetzten Pflegeberatung in den Bereichen vor Ort.

Mit dem Projekt unserer Alltagsbegleiter – das kennen Sie bereits – haben wir auch an nicht pflegebedürftige, aber betagte Mitmenschen gedacht.

Mit dem Eintreten der Pflegebedürftigkeit stellt sich oftmals eine Vielzahl von Fragen. Darum haben wir mit dem Internetportal „Pflegenetz Sachsen“ eine Informationsquelle zu allen Themen rund um die Pflege geschaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sehen, wir haben bereits viel Gutes auf den Weg gebracht. An dieser Stelle möchte ich all jenen Danke sagen, die im Bereich der Pflege arbeiten, und ich möchte allen Danke sagen, die sich für den Bereich der Pflege älterer Menschen in unserem Freistaat Sachsen engagieren.

(Beifall bei der CDU, der SPD und des Abg. Dr. Gerd Lippold, GRÜNE)

Aber wir können natürlich nicht mit dem Erreichten zufrieden sein; dessen sind wir uns alle bewusst. Deswegen ist es wichtig, dass wir an der Sicherstellung und Weiterentwicklung in der Pflege älterer Menschen unser Engagement weiter ausbauen. Dazu ist natürlich jeder Mitwirkende – und ich zähle auch die EnqueteKommission dazu, die uns auf diesem Stück weiter voranbringt – herzlich willkommen. Ich freue mich auf

eine gute Zusammenarbeit und danke Ihnen für diesen Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Schlusswort. Sie haben sich geeinigt, Herr Schreiber oder Frau Neukirch? – Herr Schreiber. Es ging Ihnen jetzt zu schnell. – Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Harmonie führt manchmal dazu, dass alles ein wenig schneller geht.

Vielen Dank für die Debatte. Sie hat gezeigt, welche Erwartungen wir alle an diese Enquete-Kommission stellen. Gerade dem Dank von Frau Staatsministerin Klepsch an die Menschen, die heute in der Pflege tätig sind und die versuchen, ihr Bestes zu geben – und dies an vielen, vielen Stellen auch tun –, können wir uns als gesamtes Haus anschließen.

Wie ich eingangs schon sagte, freuen wir uns sehr auf diese Arbeit. An die Adresse von Herrn Wendt: Gerade diese Enquete-Kommission kann vielleicht auch eine Möglichkeit sein, um zu zeigen, dass es dieser Landtag mit all seinen fünf Fraktionen schafft, gemeinsam an der Sache zu arbeiten. Vielleicht ist in der Zukunft auch noch anderes möglich, woran wir heute noch gar nicht denken.

Vielen Dank.