Protocol of the Session on December 17, 2015

Aber nicht nur in Bezug auf die dringende organisatorische Entlastung sächsischer Städte und Gemeinden ist die Nutzung der leer stehenden Behördenräume geboten. Es lohnt auch ein Blick auf finanzielle Aspekte und den damit verbundenen Anspruch eines verantwortungsvollen Umgangs mit Steuergeldern. Sie werden sehen, die Nutzung der Leerstandsimmobilien sollte auch unter diesem Gesichtspunkt als vordringlich erachtet werden; denn die genannten 95 000 Quadratmeter stehen nicht nur leer, nein, sie verursachen auch erhebliche Kosten.

Diese Kosten – selbstredend Geld des sächsischen Steuerzahlers – belaufen sich nach Angaben der Staatsregierung auf jährlich rund 700 000 Euro. Pikant dabei ist, dass der Sächsische Rechnungshof diese Kosten allerdings auf 2,25 Millionen Euro beziffert. Das ist sehr viel Geld für Immobilien, die leer stehen.

Man mag nun fast von Steuerverschwendung reden, wenn in diesem Zusammenhang die Aufwendungen betrachtet werden, die bisher im Bereich der Unterbringung von Asylsuchenden aufgewandt wurden und werden. Es wurden im Sommer Zeltstädte gebaut, dann wieder abgebaut. Es wurden winterfeste Zeltstädte errichtet, die irgendwann auch wieder abgebaut werden. Es wurden Sanitärcontainer erworben, deren spätere Nutzung unklar sein dürfte. In Turnhallen wurden Sportgeräte abgebaut und Trennwände eingezogen. Wenn diese Hallen dem Sportbetrieb irgendwann wieder zur Verfügung gestellt werden sollten, werden nicht unerhebliche Umbau- und Renovierungskosten anfallen.

Der Landkreis Mittelsachen als konkretes Beispiel nimmt 2,6 Millionen Euro in die Hand, um ein Gewerbegrundstück zu kaufen und für 300 Asylbewerber umzubauen. Das Beispiel der Stadt Thalheim hatte ich bereits erwähnt. Um Asylbewerber in einem Schwimmbecken schlafen zu lassen, wurde sage und schreibe eine knappe halbe Million Euro eingesetzt. Weder Stadt noch Landkreis hatten bisher Geld, das Freizeitbad als Freizeitbad zu nutzen, noch hat sich der Freistaat Sachsen bereit erklärt, diese Kosten zu übernehmen.

Gleichwohl kann unser Innenminister schon im Oktober – Sie gestatten mir am heutigen Tage diese Formulierung – den Weihnachtsmann für Immobilienbesitzer spielen. Er öffnet seinen Geschenkesack und siehe da: Da liegen viele, viele Euros für Wohnungsbesitzer drin. Mit der erlassenen Förderungsrichtlinie „Belegungsrechte“ beschenkt er Immobilieneigentümer mit 3 000 bis

5 000 Euro, wenn sie ihre Wohnung für fünf Jahre Asylbewerbern überlassen.

Meine Damen und Herren! Ich verkneife mir an dieser Stelle die Frage, ob es ein solches Geschenk schon einmal für Sozialhilfeempfänger oder für Alleinerziehende gegeben hätte.

Aber Sie sehen an den angeführten Beispielen, dass eine Menge Geld in Umlauf ist: Geld für recht eigenartige Unterbringungsobjekte, für gekaufte Willkommenskultur, für hektischen Aktionismus, welcher der immer schwieriger werdenden Lage vor Ort geschuldet ist, und für die Bewirtschaftung von Leerstand.

Diese finanziellen Komponenten gilt es deshalb sinnvoll zusammenzubringen. Dies erfordert die derzeit äußerst angespannte Situation unserer Kommunen. Dies erfordert der sorgsame Umgang mit Steuergeldern. Dies erfordert der Schutz unserer Bildungsinfrastruktur. Und dies erfordert auch der gesunde Menschenverstand.

Haben Sie sich eigentlich schon mal die Frage gestellt, warum es uns leichter fällt, unsere Sportler, Schüler und Studenten aus Sporthallen zu kicken, als in leer stehende, landeseigene Immobilien zu investieren?

Meine Damen und Herren! Diese Leerstandsimmobilien sind vorhanden. Sie sind sofort verfügbar, sie müssen weder errichtet noch beschlagnahmt werden. Ein Zugriff auf schulisch genutzte Objekte muss verhindert werden. Dies muss ein Tabu sein.

Mit unserem Antrag, leer stehende Behördenräume als Flüchtlingsunterkünfte zu nutzen, kann diese Forderung, einhergehend mit einer organisatorischen und finanziellen Entlastung unserer Landkreise und Kommunen, maßgeblich unterstützt werden.

(Beifall bei der AfD)

Frau Kollegin Kersten brachte den Antrag ihrer Fraktion ein. Jetzt spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Patt.

Vielen Dank, Herr Präsident! Werte Kollegen der AfD, ich habe es eigentlich satt, dass Sie am Stammtisch aufgeschriebene Reden hier vortragen

(André Barth, AfD: Was hat das mit Stammtisch zu tun? Das ist ein ernst gemeinter Vorschlag!)

und unter dem Deckmäntelchen von Betroffenheit und Sorge – wir müssen uns um die Steuerzahler kümmern – letztlich krude Gedanken vortragen, die nichts anderes heißen als: Wir wollen keine Ausländer. Aber diese Perversion steckt in Ihren Gedanken, indem Sie sagen: Ertüchtigt doch die Landesliegenschaften, baut sie mal

um, es sollte – mit einem Fachmann abgestimmt – eine Nutzung von 20 bis 40 Jahren bedeuten. So lange wollen Sie doch die Ausländer und Migranten hier gar nicht haben. Das ist Ihr eigentliches Ziel. Es ist nicht erträglich, mit welcher Pseudowissenschaftlichkeit ein Antrag begründet wird. Das möchte ich im Einzelnen einmal durchgehen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Jörg Urban, AfD: Die Perversion liegt in Ihren Gedanken!)

Ich komme einfach mal auf das kleine Einmaleins – ich denke, das ist das richtige Niveau, es hier einmal vorzutragen – und nehme mir Zähler und Nenner vor. Es gibt einen Zähler. Sie sagen, möglicherweise 95 000 Quadratmeter stehen leer in vollständig oder teilweise leer stehenden Räumlichkeiten des Freistaates. Sie wissen ganz genau, wenn Sie die Drucksache lesen – es ist Ihnen jede Liegenschaft aufgeschrieben worden –, was das für Liegenschaften sind. Es sind Liegenschaften, die von ihren Besitzern aufgegeben wurden, solche zwangsererbten Liegenschaften. Es sind Liegenschaften, die sich in Insolvenz befinden, nicht, weil der Freistaat nicht zahlen kann, sondern weil die ehemaligen Eigentümer nicht zahlen können. Es sind Ruinen und Schlösser dabei.

(Andrea Kersten, AfD, steht am Mikrofon.)

Sie stellen es dar, als ob das alles jederzeit wunderbar belegbar ist. So viel zur Frage des Zählers in Ihrem Bruch. Schauen Sie zunächst einmal, was das für Liegenschaften sind, und machen Sie sich dann Gedanken darüber, ob sie nutzbar sind. Ich komme auch noch zu Ihren Behördenstandorten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke. – Dann haben wir den Nenner, teile durch 6 Quadratmeter pro Asylbewerber.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Tolle Rechnung!)

6 Quadratmeter pro Asylbewerber – ich weiß nicht, wie Sie leben. Üblicherweise gibt es neben Wohn- und Schlafraumflächen so etwas wie Bad, Küche, Flur, Abstellräume, Treppenhaus usw. Das muss es aus Ihrer Sicht für Asylbewerber nicht geben. Das ist in Ordnung, das ist ein Zeichen für Ihre Menschlichkeit. Aber wenn man das einmal miteinander teilt, kommt man sicherlich auf ganz andere Werte. Nach Ihrer Diktion wäre eine 36 Quadratmeter große Wohnung für sechs Personen nutzbar.

(André Barth, AfD: Das hat niemand gesagt!)

Das ist eine ganz großartige Situation. Sie teilen das; es ist nachzulesen in Ihrer Drucksache. Teile 95 000 durch 6 Quadratmeter pro Person und dann kommst du auf eine Zahl, wie viele Tausend Menschen wir unterbringen können. Es ist eine Milchmädchenrechnung, und wenn Sie das durchrechnen, dann bleibt Ihnen sehr wenig.

Ich stimme Ihnen zu in der Frage, wie man mit Landesliegenschaften in Behördenzentren umgeht, wenn man sie umbauen könnte bzw. wenn sie weitgehend ertüchtigt sind. Darüber kann man nachdenken. Aber wer sagt Ihnen, dass das die Landesregierung nicht schon längst tut? Dazu brauchen wir Ihren Antrag nicht. Darüber kann man nachdenken. Auch Mitarbeiter in einer Behörde sind nicht davor geschützt, dass neben ihnen vielleicht Asylbewerber schlafen. Das geht uns zu Hause und an anderen Stellen ja auch so. Das muss im Grunde auch für das Land gelten.

Drittens komme ich zu Ihrer Wortwahl. Es gibt den Begriff Beschlagnahmung. Zugleich wird durch die Entlastung der Kommune die Beschlagnahmung von Turnhallen, Schwimmbädern oder Schulen usw. nicht mehr nötig sein. Jetzt überlege ich: Bei wem beschlagnahmen die Kommunen? Bei dem Eigentümer von Schwimmbädern, Turnhallen und Schulen. Wer ist Eigentümer von Schwimmbädern, Turnhallen und Schulen? In der Regel die Kommune. Sie beschlagnahmt also auch sich selbst; sie tritt sich auf den Fuß. Aber dieser Begriff ist natürlich in der Öffentlichkeit, an Ihren Stammtischen ganz großartig platziert.

Sie verkennen auch, was die Pufferleistung der Erstaufnahmeeinrichtungen im Freistaat ist. Wir können uns nicht aussuchen, wann Asylbewerber zu uns kommen. Aber wir geben den Kommunen, die verantwortlich sind, die Chance, innerhalb von drei Monaten etwas zu organisieren.

Nun überlegen Sie, ob es genügend Wohnungen gibt. Von den Wohnungen im Freistaat – das sind über 2,3 Millionen Wohnungen – sind nach Auskunft der Eigentümerorganisationen 7 % marktaktiv leer. Marktaktiv heißt, sie sind vermietbar und sie stehen leer. Die Fachbranche sagt also, es sind rund 170 000 Wohnungen marktaktiv leer.

(Dr. Kirsten Muster, AfD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, lassen Sie mich fortsetzen; es kann ja hier später jeder noch reden.

Wenn Sie diese Zahlen Ihrer Forderung gegenüberstellen – wir müssen die Kommunen entlasten –, dann ist es richtig, dass wir die Kommunen entlasten müssen. Aber dass wir jetzt Landesliegenschaften bauen, die als Erstaufnahmeeinrichtungen für drei Monate gelten, das, glaube ich, geht ins Leere.

Sie sollten sich diese Kette noch einmal vor Augen führen: Er oder sie kommt an, wird uns zugeteilt, kommt in die Erstaufnahmeeinrichtung und wird nach drei Monaten aus der Erstaufnahmeeinrichtung in der Regel an die Kommunen, an die Landkreise überführt und dort untergebracht. An den drei Monaten ändern Sie ja nichts in Ihrem Antrag. Dass die Kommunen mehr Zeit hätten, dies zu organisieren, könnte möglicherweise eine Hilfe sein.

Allein in meiner Heimatstadt Chemnitz stehen über 20 000 Wohnungen vermietbar leer. Nicht, dass es jemand falsch versteht, dass ich sie sofort alle mit Bewohnern belegen lassen möchte, die aus dem ganzen Freistaat zu uns nach Chemnitz kommen. Das muss jede Region, ordentlich verteilt, zugewiesen bekommen.

Weiterhin zu Ihrer Wortwahl, wenn Sie neben der Beschlagnahmung auch von den Kosten für den Steuerzahler sprechen: Ja, Leerstand kostet Geld, das ist richtig. Aber die Frage ist doch, was in dem Behördenkonzept, welches immer noch umgesetzt wird infolge der Verwaltungsstrukturreform, an Liegenschaften auch vorgehalten und vorbereitet wird, die natürlich in der Meldung als derzeit leer stehend angemeldet werden, aber zu einer Zusammenlegung von anderswo bestehenden Behördeneinheiten führt. Sie sind zwar neu im Parlament, aber ich hätte erwartet, dass Sie sich mit Politik- und Sachfragen im Freistaat auseinandergesetzt hätten, was in unserem Unterbringungskonzept Behörden alles vorgesehen ist. Dann kann man darüber sprechen.

Sie bringen ja auch gute Sachen ein; aber diesen Antrag halte ich für oberflächlich. Es ist ein Bluff-Antrag, der ein bisschen Sachverstand vorgaukelt. Aber wenn ich es meinen Kindern geben würde – die Dreisatz rechnen können und wissen, was Zähler und Nenner ist –, dann kämen sie ganz schnell darauf, dass es so nicht geht.

Zum Abschluss möchte ich noch unsere Intentionen zum Ausdruck bringen. Wir haben Interesse daran, dass dezentral untergebracht wird. Zu diesem Dezentralen gibt es eine Größe aus der Immobilienwirtschaft: Eine Liegenschaft, die mehr als 20 % Migranten hat – es kommt sehr darauf an, aus welchen Ländern und Kulturkreisen –, kann Schwierigkeiten bekommen; man geht von einer Größe von 15 bis 20 % aus, bevor eine Liegenschaft zu kippen droht.

Ähnlich ist es in Schulklassen. Es kommt immer darauf an, welche Personen zusammenkommen. Man muss sich gut überlegen, wie man Integration betreibt.

Sie wollen die Leute raushaben – das ist mir schon klar – und bringen sie auf 6 Quadratmetern unter, damit sie freiwillig gehen. Aber wenn wir Integration betreiben wollen für die, die da sind, ist eine dezentrale Unterkunft für uns die Wunschrichtung.

Wichtig ist allerdings für uns, dass wir das Fließtempo erhöhen. Der Durchfluss derjenigen, die einen Antrag stellen können, der nach Artikel 16 Grundgesetz geprüft wird, ist nicht begrenzbar. Aber wir wollen ein geordnetes Verfahren und eine schnelle Bearbeitung von Asylanträgen, damit diejenigen, die hier keine Ansprüche geltend machen können, auch wieder in ihre Heimatländer oder woandershin zurückgehen. Das ist unsere Aufgabe, darum sollten wir uns langsam einmal kümmern. Die Unterbringung klappt ja jetzt schon einigermaßen; deshalb brauchen wir diesen Antrag nicht.

Die Oberbürgermeisterin Frau Ludwig in der Stadt Chemnitz hat es in der vorletzten Ratssitzung dargestellt:

Man sollte doch die Parkplätze zwischen den Ministerien bebauen, dort wäre noch genügend Platz. Es wäre unmöglich, dass man in der Stadt Chemnitz mit dem Land um Liegenschaften konkurriert, obwohl auf den Parkplätzen zwischen den Ministerien Platz wäre. Ich muss Frau Ludwig sagen: Man muss unterscheiden zwischen Erstaufnahmeeinrichtung – Landessache – und der dauerhaften Unterbringung. Wer konkurriert da mit wem? Der Parkplatz für drei Monate konkurriert nicht mit der dauerhaften Unterbringung in der Stadt Chemnitz; das muss man hier betonen.

Wir verfolgen mit unserer Politik zwei Ziele: Wir möchten die Kommunen weiter entlasten – das tun wir auch. Das geht nicht nach „wünsch dir was“, sondern nach Pauschalen und nach Best Practice. Es gibt Kommunen – darunter leider auch meine Heimatstadt –, die sagen, um 300 Asylbewerber mit Betreuung usw. unterzubringen, benötigen sie 2,5 Millionen Euro. Sie können sich ausrechnen: Auf den Monat gerechnet, soll es danach etwas über 700 Euro pro Person im Monat kosten.

Das sind natürlich Standards, die wir nicht ersetzen werden; sondern es wird eine Pauschale geben. Die Landkreise sind auch ganz vigilant, wie man es vernünftig regelt. Dann können wir die Unterbringung ermöglichen und auch die sonstigen Ausgaben bestmöglich abfinanzieren.

Es ist uns außerdem, was den Durchfluss betrifft, ein Anliegen, dass wir rechtzeitig eine Einrichtung zur Verfügung haben, damit diejenigen, die hier keine dauerhafte Bleibeperspektive haben, von vornherein gar nicht erst auf die Idee kommen, sich irgendwo durch Ihre Milchmädchenrechnung durchzuwursteln, sondern gleich am Ort bleiben, damit sie zurückgeführt werden können.

Fazit: Ihr Antrag taugt leider nicht. Noch einmal rechnen, noch einmal einzeln durchgehen, die Objekte besuchen und sich anschauen – nur dann kann man fachlich mitreden. Darauf haben die Abgeordneten des Sächsischen Landtags einen Anspruch – auch von den Kollegen, die neu sind.

Vielen Dank.