Protocol of the Session on December 17, 2015

Meine sehr geehrten Damen und Herren! An die Staatsregierung wurde der Wunsch herangetragen, den Prozess zu verlängern; Herr Abg. Krasselt hat es angeführt. Frau Kliese hat den Zwiespalt jetzt noch einmal auf den Punkt gebracht. Die bisherigen Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen zeigen aber, dass es nicht notwendig ist, den Prozess zu verlängern. Die Erfahrungen aus den Diskussionen und

die konkreten Vorschläge haben gezeigt, dass mehr Zeit nicht unbedingt zu besseren Ergebnissen führt. Auch das Beteiligungsverfahren hat gezeigt, dass letztlich keine neuen Themen hinzugekommen sind.

In den Arbeitsgruppen selbst wird engagiert diskutiert und sich mit den Themen ernsthaft auseinandergesetzt. Das ist natürlich richtig und wichtig, denn es führt auch – und das möchte ich unterstreichen – zu Lernprozessen bei allen beteiligten Akteuren. So gelingt es uns, die Vertreter der Ressorts in den einzelnen Sitzungen weiter für die Anliegen zu sensibilisieren. Sie nehmen die Anregungen mit in die tägliche Arbeit in ihren Häusern. Sie lernen vielfältige Verteilungs- und Partikularinteressen kennen. Aber auch die Vertreter der Verbände bekommen Einsicht in das Handeln der Verwaltung und deren Handlungskompetenz ein Stück weit vermittelt. Ich glaube, es ist wichtig, dass die Vertreter der Verbände die andere Seite näher kennenlernen.

Lassen Sie mich kurz etwas zum Prozess selbst sagen. Unsere Grundlage bildet die UN-Behindertenrechtskonvention. Alle Maßnahmen dienen den Rechten der Menschen mit Behinderungen. Das bedeutet auch, dass der menschenrechtliche Aspekt letztlich über dem gesamten Plan steht.

Eine Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention ist die Mitwirkung der Betroffenen. Dafür haben wir ein mehrstufiges konsultatives Beteiligungsverfahren entwickelt. Das hat es so umfangreich in keinem anderen Bundesland gegeben.

Erstens. Die Vertreter der Verbände sind seit Jahren eingebunden und damit gut auf den Aktionsplan vorbereitet. Das ist in Gesprächen mir gegenüber so geäußert worden. Sie sind jetzt eingeladen, Ihren Input zu geben.

Zweitens. Unser öffentliches Beteiligungsportal lief acht Wochen. In dieser Zeit konnten alle Bürger und Verbände parallel ihre Hinweise und Anregungen in die Arbeit an der Erstellung des Aktionsplanes einbringen.

Drittens. Wir planen eine Fachtagung im II. Quartal nächsten Jahres, auf der wir die vorläufigen Ergebnisse vorstellen.

Viertens. Es wird im selben Zeitraum ein weiteres Bürgerbeteiligungsverfahren mit dem Entwurf des Aktionsplanes geben, bei dem wieder alle Verbände und Bürger die Möglichkeit haben, sich einzubringen.

Ich denke, es wird deutlich, dass es ein sehr transparentes Verfahren ist.

Wie gut ist nun die Bürgerbeteiligung angenommen worden? Auch wir selbst im Haus waren gespannt. Vom 6. Oktober bis 30. November hatten die Bürger Gelegenheit, sich an der Erstellung des Aktionsplanes zu beteiligen. Genutzt haben diese Möglichkeit 71 Teilnehmer, darunter fünf Organisationen, mit 186 Beiträgen, 44 Kommentaren und 1 037 Bewertungen. Ich konnte gestern eine Selbsthilfegruppe aus Bischofswerda hier im

Landtag sprechen. Auch diese Gruppe hatte sich beteiligt. Das hat mich gefreut.

Damit ist diese Beteiligung die mit weitem Abstand am häufigsten genutzte Beteiligung des Beteiligungsportals der Staatsregierung. Wir sind ein Stück weit stolz, dass wir uns auf diesen Weg begeben haben. Auch die Qualität der Beiträge war hoch. Das zeigt, dass wir mit dieser Form richtig liegen. Wir bekamen wertvolle Hinweise und Anregungen, die nun in die Arbeitsgruppen eingebracht wurden.

Außerdem haben wir – Herr Zschocke, damit komme ich noch einmal kurz auf Sie zu sprechen – das Thema der Barrierefreiheit des Beteiligungsportals aufgenommen. Es wurde damals zu Recht angesprochen, dass – hier muss ich Sie korrigieren – die Barrierefreiheit zwar vorhanden war, aber noch nicht so ausgeführt, wie wir das wollten. Dank des Hinweises konnten Anregungen aufgegriffen werden. Das SMI hat darauf bereits reagiert. Einige Schwachstellen konnten sofort bereinigt werden. Andere Schwachstellen werden im Rahmen der laufenden Fortentwicklung des Portals beseitigt. Der Erfolg gibt uns letztlich recht, denn der erste Verband, der sich beteiligt hat, war der Verband der Blinden und Sehbehinderten. Das zeigt, dass das Portal letztlich behindertengerecht ist.

Meine Damen und Herren! Was ist der aktuelle Arbeitsstand? Es wurde bereits aufgeführt: Die IMAG hat fünf Arbeitsgruppen festgelegt und entsprechende Themenfelder zur Bearbeitung zugewiesen.

Außerdem gibt es arbeitsgruppenübergreifende Themenfelder. Das sind: Sensibilisierung, Frauen mit Behinderung, mehrfachbehinderte Menschen, Menschen mit Behinderung mit Migrationshintergrund, finanzielle

Aspekte und Barrierefreiheit. Über alle Arbeitsgruppen hinweg wurde der Wunsch nach einem themenübergreifenden, zielgruppenorientierten Informationsportal für Menschen mit Behinderung als Voraussetzung für bessere Teilhabe ausgedrückt. Diesen Wunsch greifen wir jetzt auf und werden zeitnah eine Vorstudie in Auftrag geben, um die Machbarkeit dieses Wunsches zu prüfen.

Meine Damen und Herren! Obwohl die bisherige Planung auf eine Fertigstellung des Aktionsplanes Ende 2016 abzielt, gibt es einen ersten Teil. So werden wir unter anderem 2016 umfassende Maßnahmen zur Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung entwickeln, die vor allem dann auch bei der Umsetzung des Planes helfen werden. Die Sensibilisierung bereitet den Boden; denn der Abbau von Barrieren – das haben Sie, Herr Wehner, deutlich angesprochen – in den Köpfen ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, damit nach Verabschiedung des Aktionsplanes unsere Saat aufgehen kann.

Der Aktionsplan der Sächsischen Staatsregierung ist aus meiner Sicht sehr gut vorangekommen, und ich bin davon überzeugt, dass wir Ende 2016 einen guten Aktionsplan vorlegen können. Wenn Sie fragen, wer ihn vorantreibt, so sind das sehr viele Akteure, und ich bin mächtig stolz auf sie.

Danke.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Damit hat die Staatsregierung ihre Position durch Frau Staatsministerin Klepsch bezogen. Wir sind am Ende der Aussprache angekommen, aber die einbringenden Fraktionen CDU und SPD haben nun die Möglichkeit eines Schlusswortes. Ich frage Sie. – Frau Kollegin, Sie halten es für beide? – Gut. Bitte. Das Wort hat Frau Kollegin Kliese.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen heute diese Debatte, weil die SPD und die CDU in ihrem Koalitionsvertrag geschrieben haben, dass zum jetzigen Zeitpunkt der Aktions- und Maßnahmenplan für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention vorgelegt werden soll. Das war unser Ziel, und dafür, dass wir uns dieses sehr ambitionierte Ziel gesetzt haben – wir hätten es ja auch später terminieren können –, gab es im Wesentlichen drei Gründe:

Der erste Grund war: Es gibt durchaus Bundesländer – ich habe vorhin das Beispiel Rheinland-Pfalz genannt –, die das in einem Jahr geschafft haben, und es gibt natürlich durch die anderen Bundesländer auch schon viele Orientierungsrahmen, viele Vorlagen. Das heißt, es war fachlich nicht vollkommen abwegig.

Der zweite Grund war, dass wir irgendwann Haushaltsverhandlungen haben und es in diesem Fall immer sinnvoll ist, wenn man schon konkrete Vorstellungen und Maßnahmen benennen kann, will man für eine bestimmte Personengruppe, die in unserer Gesellschaft benachteiligt ist, Gelder in den Haushalt einstellen. Ich denke, es ist in unser aller Interesse, dass wir dies damit auch schon für dieses Jahr tun konnten. Wir hätten es sonst, wenn wir den Termin später gesetzt hätten, nicht tun können.

Der dritte Grund war schließlich, dass es gerade bei einem solchen Thema auch wichtig ist, etwas ambitionierter

heranzugehen, weil es in den letzten Jahren aus meiner Sicht doch relativ stark verschleppt worden ist. Das heißt, wir haben noch einiges aufzuholen, und wir müssen uns etwas sputen, wenn wir aufholen wollen.

Das waren die Gründe, warum wir gesagt haben, wir setzen diesen Termin; und nun stehen wir hier und sagen: Wir können diesen Termin in diesem Monat nicht einhalten, wir können uns aber einen Zwischenbericht vorlegen lassen. Diesen werden wir uns dann anschauen und gemeinsam auswerten, und wir werden im nächsten Jahr den Aktions- und Maßnahmenplan haben. Wenn wir uns ansehen, was wir in diesem Jahr zu diesem Thema erreicht haben, dann ist es die Tatsache, dass es eine interministerielle Arbeitsgruppe gibt, in der getreu dem Grundsatz „Nichts über uns ohne uns“ Menschen mit Behinderung mit dem Staatsministerium gemeinsam einen solchen Plan erarbeiten. Es ist doch wunderbar, dass es das gibt, dass es funktioniert und in Arbeit ist.

Das Zweite, das wir erreicht haben, ist, dass wir in den Haushalt insgesamt für das Thema Inklusion 10 Millionen Euro einstellen konnten, die wir nicht hätten fordern können, wenn es das Thema Aktions- und Maßnahmenplan nicht gegeben hätte. Insofern möchte ich Sie herzlich bitten, unseren Antrag zu unterstützen, und sage: Für uns ist nach einem Jahr das Glas halb voll.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Das Schlusswort der einbringenden Fraktionen haben wir gehört. – Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 6/3442 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist die Drucksache 6/3442 beschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 10

Leer stehende Räumlichkeiten in Behörden des Freistaates Sachsen

als Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber nutzen

Drucksache 6/3488, Antrag der Fraktion AfD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen, beginnend mit der AfD, gefolgt von CDU, DIE LINKE, SPD, GRÜNE und Staatsregierung, wenn gewünscht. Die einbringende Fraktion hat natürlich zuerst das Wort. Für die AfD spricht Frau Kollegin Kersten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Den Titel unseres Antrages haben Sie eben gehört, und Sie haben sicher auch gelesen: In Sachsen stehen 95 000 Quadratmeter in sächsischen Behörden leer. 95 000 Quadratmeter! Zur besseren Be

greifbarkeit dieser Zahl: Das könnten circa 14 Fußballfelder sein, aber auch 234 Turnhallen.

Ich möchte gleich vorwegnehmen, dass uns durchaus bewusst ist, dass es sich bei den genannten 95 000 Quadratmetern um eine Nutzflächenangabe handelt, und natürlich ist uns auch bewusst, dass nicht alle vom Leerstand betroffenen Liegenschaften als Asylunterkünfte genutzt werden können. Dennoch verdeutlicht diese enorme Flächengröße ein großes Potenzial an Unterbringungskapazitäten.

Es geht in unserem Antrag nicht in erster Linie darum, ob 5 000, 8 000 oder, wenn jeder leer stehende Quadratmeter tatsächlich genutzt werden könnte, über 15 000 Asylbewerber in den landeseigenen Leerstandimmobilien untergebracht werden könnten. Vielmehr ist entscheidend, dass wir diese Kapazitäten haben und sie dringend brauchen. Wir müssen verhindern, dass Schulen und Schulturnhallen als Asylunterkünfte genutzt werden, und dafür gilt es, alle Möglichkeiten auszuschöpfen.

Mit einem kurzen Abriss zur Ausgangslage möchte ich nicht nur die angespannte Situation in den Kommunen verdeutlichen, sondern erlaube mir auch einige kritische Bemerkungen auf bisher Geschehenes.

95 000 Quadratmeter landeseigene Immobilien stehen leer, aber – damit sage ich nichts Neues – unsere Kommunen wissen nicht mehr, wo sie Flüchtlinge unterbringen sollen.

Der Landrat in Mittelsachsen berichtet beispielsweise, dass er 80 % seiner Arbeitszeit mit der Unterbringung von Flüchtlingen verbringt und dabei nach Unterkünften sucht und sucht und sucht. Mittlerweile hat er das erste Objekt beschlagnahmt. Sie haben richtig gehört: beschlagnahmt. Damit ist eine neue Stufe im Umgang mit der Flüchtlingskrise erreicht. Es handelt sich bei dem beschlagnahmten Objekt um eine Schule in der Nähe von Döbeln. Es ist glücklicherweise eine leer stehende Schule, aber die Tatsache der Beschlagnahmung zeigt deutlich, wie dramatisch die Situation von Landkreisen, Städten und Gemeinden tatsächlich ist.

Ein weiteres Beispiel: Die Stadt Thalheim im Erzgebirge hat ein Freizeitbad, für dessen Betreibung sie seit vielen Jahren kein Geld hat, zur Asylunterkunft umgebaut. Gleichsam hatten in Sachsen allein im letzten Schuljahr zehn Schulen keinen Zugang zu einer Schwimmhalle, um den regulären Schwimmunterricht abzudecken.

Auch die Staatsregierung lässt lieber genutzte Objekte zweckentfremdet umnutzen, statt eigene leer stehende in Anspruch zu nehmen. So wird im Sommer so gut wie jede Sporthalle in sächsischen Hochschulen und Universitäten mit Asylsuchenden belegt. Im Rahmen der Semesterferien wäre dies durchaus als vorübergehende Lösung akzeptabel gewesen; und hätte man nun vor einem Jahr, als die derzeitige Entwicklung bereits deutlich abzusehen war, mit der Ertüchtigung des landeseigenen Leerstandes begonnen, wäre bis zum Semesterbeginn im Herbst ausreichend Zeit gewesen, um wenigstens die ersten Liegenschaften zur Verfügung zu haben. Aber nichts dergleichen ist passiert.

Seit über einem Jahr spitzt sich der Unterbringungsbedarf von Asylsuchenden Monat für Monat zu. Aber von den 133 Standorten, an denen sich die leerstehenden Immobilien befinden, wurden gerade einmal acht auf ihre Eignung als Asylunterkunft geprüft. Ergebnis: Nur ein einziges Objekt eignet sich nach Informationen der Staatsregierung als Unterkunft und sollte zum 10.10. als Erstaufnahmeeinrichtung genutzt werden. Die Besichti

gung letzte Woche ergab allerdings, dass bis auf einen Laub fegenden Hausmeister niemand vor Ort war.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Argumentation der Staatsregierung in Bezug auf die Eignungsprüfung der Immobilien. Es seien bei Lagen innerhalb von Behördenzentren die Möglichkeiten für eine Separierung und Sicherung sowie Sicherheitsanforderungen aus dem Dienststellenbetrieb abgewogen worden. Ich hoffe, der Innenminister, der leider nicht da ist, aber vielleicht sein Vertreter wird dazu heute noch Auskunft geben, was genau damit gemeint ist.

Ich jedenfalls kann mir nicht vorstellen, dass in Behördenkomplexen höhere Sicherheitsanforderungen bestehen sollen als in Bundeswehrkasernen, und in Sachsen sind bekanntermaßen an mindestens drei Bundeswehrstandorten Asylsuchende untergebracht.

Aber nicht nur in Bezug auf die dringende organisatorische Entlastung sächsischer Städte und Gemeinden ist die Nutzung der leer stehenden Behördenräume geboten. Es lohnt auch ein Blick auf finanzielle Aspekte und den damit verbundenen Anspruch eines verantwortungsvollen Umgangs mit Steuergeldern. Sie werden sehen, die Nutzung der Leerstandsimmobilien sollte auch unter diesem Gesichtspunkt als vordringlich erachtet werden; denn die genannten 95 000 Quadratmeter stehen nicht nur leer, nein, sie verursachen auch erhebliche Kosten.