Protocol of the Session on December 17, 2015

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Eine Kurzintervention; bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich kann leider nicht auf alle Informationen aus Ihrem Redebeitrag eingehen; ich möchte jetzt nur etwas zur Beschlagnahme sagen: Beschlagnahme ist kein Schimpfwort, sondern ein Terminus technicus aus dem Polizei- und Ordnungsrecht, und natürlich kann es Beschlagnahmen geben; das hat die Kollegin gesagt. Zum Beispiel der Landrat Steinbach im Kreis Meißen sagte, dass er die Unterbringungsbehörde für Asylbewerber ist – das ist ihm als Landrat als Aufgabe zugewiesen worden –, und wenn die Gemeinden nicht bereit sind, ihre Schulen und Turnhallen zur Verfügung zu stellen, dann muss er sie be

schlagnahmen. Das ist völlig in Ordnung, das ist auch so vorgesehen. Es befremdet mich, wie Sie es dargestellt haben. – Vielen Dank.

Herr Patt, möchten Sie darauf reagieren? – Das ist nicht der Fall. Als Nächste ist Frau Nagel an der Reihe. Frau Nagel, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um Beschlagnahmung soll es mir jetzt nicht gehen. Wir sprechen über die Unterbringung von geflüchteten Menschen, und wir wissen alle, dass dies eines der zentralen Themen unseres Jahres ist und wahrscheinlich auch eine Weile bleiben wird.

Was uns die AfD hier allerdings vorschlägt, entbehrt jeder moralischen und sachlichen Grundlage. Empathie mit den Schutz suchenden Menschen geht Ihnen als einbringende Fraktion gänzlich ab – das ist nichts Neues für uns –, allerdings scheinen Sie sich auch nicht mit den gesetzlich geregelten Verantwortungsbereichen der verschiedenen Ebenen auseinandergesetzt zu haben.

Wir haben in Sachsen ein Flüchtlingsaufnahmegesetz, in dem klar geregelt ist, wer wofür zuständig ist: das Land für die Erstaufnahme, und die Landkreise und kreisfreien Städte sind die unteren Unterbringungsbehörden, die die Anschlussunterbringung regeln. Sie wollen in Ihrem Antrag ja nicht die Erstaufnahme mit Behördenkapazitäten auffangen oder entlasten, sondern Sie wollen es als Anschlussunterbringung an die Erstaufnahme machen; das muss ich Ihnen nicht erzählen.

Die Landkreise und kreisfreien Städte sind es aber, in denen die Geflüchteten nach ihrer Flucht und nach einer oft nervenaufreibenden Zeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen leben. Dabei reden wir vor allem von Interimseinrichtungen wie Baumärkten, Hallen und Zelten. Es ist fraglich, ob sie dort wirklich zur Ruhe kommen und sich auf eine längere Verweildauer und den Beginn integrativer Maßnahmen einstellen können.

Trotz der aus unserer Sicht falschen Fokussierung auf zentrale Unterkünfte – diese Art der Unterbringung schreibt das Land sozusagen per Erlass den unteren Unterbringungsbehörden immer noch vor – gibt es in den Landkreisen und kreisfreien Städten bereits erhebliche Bemühungen, den Anteil dezentraler und selbstbestimmter Unterbringung in Wohnungen zu steigern.

Statt Geflüchtete zwangsweise in Behörden einzuquartieren, wie die AfD es will, sollte es aus unserer Sicht um die Wohnungsunterbringung als Regelunterbringung gehen. Landkreise wie Nordsachsen, Sächsische Schweiz– Osterzgebirge, der Erzgebirgskreis und der Vogtlandkreis sowie die Stadt Chemnitz, die mein Vorredner schon erwähnt hat, können Quoten von bis zu 75 % dezentraler Unterbringung vorweisen. Genau das ist aus unserer Sicht der richtige Weg.

Doch dafür bedarf es eines planmäßigen und kooperativen Handelns von Landesebene und kommunaler Ebene sowie

des politischen Willens in den Landkreisen und kreisfreien Städten. Ferner braucht es eine intensive Kommunikation – ich weiß aus Leipzig, wie kompliziert das ist – zwischen den Privatvermietern, den öffentlichen Wohnungsunternehmen und den Genossenschaften. Alle müssen an einen Tisch gebracht werden, um dieses Ziel gemeinsam zu erreichen und das Problem erfolgreich anzugehen. Die Zahlen aus manchen Landkreisen zeigen, dass es durchaus geht. Es bedarf aber noch weiterer Maßnahmen, zum Beispiel des Stopps des geförderten Abrisses von Wohnungen und zusätzlicher Unterstützungsinstrumente der Landesebene.

Dass Sie, liebe Herren und Damen von der AfD, das wahrscheinlich erste sinnvolle Instrument in dieser Hinsicht, das der Freistaat entwickelt hat, nämlich die Richtlinie zur Förderung der Begründung von Belegungsrechten, in Ihrer Pressemitteilung und in Ihren Redebeiträgen diskreditieren – das hat Frau Kersten noch einmal vorgeführt – und dass Sie eine Neiddebatte anzuzetteln versuchen, zeigt gut, wes Geistes Kind Sie sind. Sie haben das hier sogar noch weiter getrieben. Was bitte haben Asylsuchende, die in ein leer stehendes Schwimmbad oder eine leer stehende Schule einquartiert werden, mit dem Leerstand der Gebäude zu tun und damit, dass die Kommunen es sich nicht leisten konnten, die Gebäude vorher zu ertüchtigen? Das hat gar nichts miteinander zu tun. Das ist ein typisches Gegeneinander-Ausspielen von Bevölkerungsgruppen.

Ich halte Ihnen entgegen: „Wir schaffen das!“ –

(Lachen bei der AfD)

und füge hinzu, dass wir selbstverständlich ein weitreichendes Förderprogramm zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen in Sachsen brauchen. Die Gelder, die zum Beispiel für die soziale Wohnraumförderung vom Bund ausgereicht werden, müssen endlich auch bei den Kommunen ankommen.

Dass die Bemühungen um eine gute und integrative Unterbringung anstelle von Sammelunterbringung auch finanziell intensiver zu Buche schlagen, liegt auf der Hand. Die Kommunen brauchen aber keine Zuweisungen in Behördengebäude, sondern sie brauchen mehr Geld; auch das ist schon angesprochen worden. Die Asylpauschale war schon zum Zeitpunkt des Beschlusses des Doppelhaushalts zu gering. Jetzt hantieren wir mit Sonderzahlungen. Wir erwarten gespannt die Evaluierung, die in Arbeit ist, und fordern in diesem Zusammenhang, dass die Pauschale auf dem Fuß folgend nach oben angepasst wird. Die Kommunen müssen die Kosten, die ihnen durch die Aufnahme, Versorgung, Betreuung und Integration von Geflüchteten entstehen, endlich verlässlich und zu 100 % erstattet bekommen, denn es handelt sich um eine Pflichtaufgabe nach Weisung; das wissen wir.

Neben Geld sind auch gute Informations- und Kommunikationsflüsse zwischen Landesebene und kommunaler Ebene notwendig. Auch daran hapert es; das kennen wir aus diesem Jahr zur Genüge. Es kann nicht sein, dass der

Freistaat den Kommunen Gebäude wegschnappt und die Preise für die Unterbringung in die Höhe treibt.

Wir werden diesen Antrag ablehnen; das überrascht Sie sicherlich nicht. Er gaukelt Scheinlösungen vor. Schließlich – das ist ein zentrales Argument – sind Geflüchtete für uns keine Rangiermasse. Sie sind für uns mehr als eine numerische Größe, die sich an 6 Quadratmetern bemisst und beliebig auf leer stehende Gebäude aufgeteilt werden kann.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die SPDFraktion Herr Abg. Pallas, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Die AfD möchte leer stehende Landesimmobilien zur Nutzung als Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber nutzen. Auf den ersten Blick könnte das von interessierten Außenstehenden als Versuch ausgelegt werden, die Staatsregierung und die Koalitionsfraktionen bei der Bewältigung der Probleme im Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen zu unterstützen. Das wäre durchaus löblich.

Allerdings kommen Sie mit Ihrem Antrag vier Monate zu spät.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Wie üblich!)

Ja, wie üblich. – Zur Erinnerung: Bereits nach Beginn des starken Anstiegs der Zuzugszahlen im Juli dieses Jahres hat sich der Landtag im Rahmen von Sondersitzungen des Innenausschusses, aber auch des Plenums intensiv mit der Unterbringungssituation befasst. Wir, die SPD, hatten bereits im Juli die Idee eines Liegenschaftskatasters für alle staatlichen Institutionen – Bund, Land, Kommunen – ins Spiel gebracht. Dieser Gedanke findet sich letztlich auch in dem Entschließungsantrag der CDU- und der SPD-Fraktion wieder, welcher hier am 1. September dieses Jahres beraten und beschlossen wurde.

In der Folge – aber auch schon vorher – wurden durch die Staatsregierung Landesliegenschaften auf ihre Eignung für Aufgaben der Unterbringung geprüft. Natürlich! Daran können auch Sie von der AfD sich erinnern, da Sie in den entsprechenden Gremiensitzungen anwesend waren. Sie können es auch schwarz auf weiß nachlesen; denn – Frau Kersten hat es erwähnt – es sind bereits zwei Kleine Anfragen zu diesem Thema gestellt worden, eine von Frau Kollegin Nagel, eine von Ihnen selbst, Frau Kersten. In den Antworten ist das mehr als deutlich nachzulesen. Sie können dem weiter entnehmen, dass viele Landesliegenschaften schlicht nicht geeignet oder zu klein für die Nutzung als Unterbringungsort von Asylbewerbern sind.

Da Sie die Antworten sicherlich zur Kenntnis genommen haben und trotzdem diesen Antrag stellen, lässt das für

mich nur einen Schluss zu: Es geht Ihnen gar nicht um die Unterstützung der Staatsregierung bei der Bewältigung der Aufgabe.

Worum geht es Ihnen dann? Bei näherem Betrachten fällt sicherlich vielen Leuten auf, dass Sie mit Ihren Vorschlägen – die Realisierbarkeit fälschlich vorausgesetzt – einen beträchtlichen Teil der Asylsuchenden nach der Erstaufnahme in der Zuständigkeit des Landes belassen wollen.

(Zuruf von der AfD: Das wäre schön!)

Oh! „Das wäre schön!“ kommt aus der AfD-Fraktion. – Damit zeigen Sie ein weiteres Mal, dass Sie überhaupt kein Interesse daran haben, Geflüchtete mit Bleiberecht in Deutschland auch hier zu integrieren.

(Zuruf von der AfD: Das ist falsch!)

Wo passiert denn schließlich die Integration? In den sächsischen Städten und Gemeinden. Verhindern Sie aber die Übernahme durch die Kommunen, wird für diese Personen Integration zumindest erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. Das sollte, das darf aber gerade nicht unser Ziel sein.

Sie werden sich, wie alle andere auch, daran gewöhnen müssen, dass die Themen Migration, Flucht und Asyl unser Land auf Jahre beschäftigen und unser politisches Handeln prägen werden. Daher sollten wir doch alle ein vitales Interesse daran haben, dass Integration gelingt. Anderenfalls werden wir noch viel, viel größere gesellschaftliche Probleme bekommen als die, die wir im Augenblick haben.

Wir, die SPD, wollen, dass mit den Menschen, die zu uns kommen, vernünftig und menschlich umgegangen wird. Wir haben erkannt, dass wir beim Thema Integration keinerlei Zeit zu verlieren haben. Schon deshalb kann meine Fraktion Ihrem Antrag nicht zustimmen.

Integration gelingt am besten vor Ort, in den Kommunen. Besonders förderlich ist dabei eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen – wir haben von beiden Vorrednern schon Ausführungen dazu gehört –, nicht aber die Unterbringung in Gemeinschafts- oder gar Massenunterkünften. Ein Aufwuchs von Massenunterkünften wäre aber die Folge Ihres Antrags.

Nichtsdestotrotz ist es wichtig, die Kommunen bei ihren Integrationsaufgaben stärker als bisher zu unterstützen. Das haben wir, die SPD, als Teil der Regierungen von Bund und Land schon länger im Blick. Ich verweise an dieser Stelle auf unseren Entschließungsantrag vom 1. September dieses Jahres und auf die Beschlüsse des sächsischen Regierungskabinetts, zum Beispiel zur Überprüfung der Auskömmlichkeit der Pauschale laut Flüchtlingsaufnahmegesetz. Es sei erwähnt, dass die Überprüfung noch läuft und wir bis Ende des Jahres einen Zwischenbericht erwarten. Der Abschlussbericht wird in ein paar Monaten vorliegen. Insofern kann heute wohl noch nicht abschließend gesagt werden, ob die Pauschale zu hoch oder zu niedrig ist; wir werden das dann sehen.

Ich verweise weiterhin auf die Beschlüsse des Landtags vom gestrigen Tage zu dem kommunalen Investitionspaket, das sich auch dem Thema Asyl widmet, und schließlich auf das Asylpaket des Bundes, das auch einen Teil zur Finanzierung der Unterbringung enthält, der später den Ländern und den Kommunen zugute kommen wird. Aber auch dafür brauchen wir Ihren Antrag nicht.

Sie von der AfD zeigen mit Ihrem Antrag einmal mehr, dass Sie die Aufgaben dieser Zeit nicht annehmen wollen oder nicht annehmen können; ich weiß es nicht. Sie tun so, als ob wir uns abschotten könnten. Sie halten eine Brandfackel in ein Ölfass. Stattdessen sollten Sie erkennen, dass wir die Ausländer eben nicht einfach loswerden können durch die Maßnahmen, die Sie hier vorschlagen.

(Jörg Urban, AfD, steht am Mikrofon.)

Deshalb halten wir Ihren Antrag für überflüssig, ja für schädlich und lehnen ihn selbstverständlich ab.

(Beifall bei der SPD)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, ich gestatte eine Zwischenfrage.

Herr Urban, bitte.

Herr Pallas, glauben Sie, dass die Unterbringung in Turnhallen oder in umgebauten Schwimmbädern besser und menschenwürdiger ist als eine Unterbringung in leer stehenden Büroräumen des Freistaates Sachsen?

Ihr Frage weist in eine falsche Richtung.