Protocol of the Session on December 17, 2015

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der AfD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 6/3472 zur Abstimmung. Wer zustimmen möchte, zeigt das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit sind wir auf einem guten Weg, meine Damen und Herren. Der Antrag in Drucksache 6/3472 ist einstimmig beschlossen und die EnqueteKommission eingesetzt.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt schließe, möchte ich die Fraktionen darauf hinweisen, dass damit auch beschlossen ist, dass die Enquete-Kommission spätestens am 1. Januar 2016 ihre Arbeit aufnehmen soll. Dies erfordert, dass mir gegenüber die Mitglieder der Kommission von den Fraktionen baldmöglichst benannt werden, damit ich diese gemäß § 27 unserer Geschäftsordnung berufen kann. – Jetzt ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 8

Kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln im Fall geringen Einkommens

Drucksache 6/3298, Antrag der Fraktion DIE LINKE,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Aussprache ist wie folgt: DIE LINKE, CDU, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird.

Wir beginnen mit der Aussprache. Die Fraktion DIE LINKE eröffnet diese, und für die Fraktion spricht Frau Abg. Schaper. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum wiederholten Male liegt diesem Hohen Hause ein Antrag zur Kostenübernahme von Verhütungsmitteln vor. Wenig überraschend auch, dass sich die Stellungnahme dieser Staatsregierung kaum von denen ihrer Vorgängerinnen unterscheidet. Dennoch hoffe ich auf eine breite Zustimmung zu unserem Antrag, hat doch die SPD in der letzten Legislaturperiode einen ähnlichen Antrag eingebracht, welcher sich aber ausschließlich auf Personen mit Bezug von Leistungen nach SGB II und XII beschränkt hat.

Wir gehen einen Schritt weiter und fordern dies für alle Bezieher geringen Einkommens. Im Juni 2010 wurde von der damaligen Ministerin bemerkt, dass für Personen bis zum vollenden 20. Lebensjahr die Kosten für empfängnisverhütende Mittel übernommen werden, wenn diese ärztlich verordnet sind. Das ist heute nicht anders, und daher wird es auch in der Stellungnahme erwähnt.

Auch uns ist dies bekannt, es tut aber unserem Antrag in keinster Weise einen Abbruch, da es völlig irrelevant ist. Denn was passiert nach dem 20. Lebensjahr? Werden dann Frauen plötzlich unfruchtbar oder hören in Ihrer Welt auf, Geschlechtsverkehr zu haben? Haben Frauen ab 20 Jahren plötzlich mehr Geld für Verhütungsmittel zur Verfügung, oder geben sie an anderen Stellen plötzlich weniger Geld aus?

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Vielleicht für Kleidung, weil Frauen ab 20 Jahren ja nicht mehr wachsen? Ich weiß es nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ein wenig absurd.

(Christian Piwarz, CDU: Genau, so ist es!)

Wir finden, dass diese Altersbegrenzung willkürlich und völlig unsinnig ist. Es vermittelt den Eindruck, als ob es ab 20 Jahren kein Recht mehr auf selbstbestimmte Verhütung gäbe bzw. dass dies allein vom Geldbeutel abhänge.

(Oh-Rufe von der CDU)

Ich wusste, dass Sie das interessant finden.

(Zurufe und Unruhe bei der CDU)

Besonders interessant ist ja auch: In der Stellungnahme wird darauf hingewiesen, dass Verhütungsmittel von der

im Regelsatz enthaltenen Pauschale in Höhe von 17 Euro abgedeckt sind. Durchschnittlich ist die Pille für 20 Euro monatlich zu haben.

(Christian Piwarz, CDU: Na also, passt!)

Das heißt für die Hartz-IV-Empfängerinnen, dass sie mindestens 3 Euro monatlich aus eigener Tasche zu zahlen haben. Das klingt erst einmal nicht viel, macht aber im Jahr 36 Euro aus. Das ist für manche natürlich ein Witz und entspricht vielleicht der Höhe des letzten Bußgeldbescheides wegen Falschparkens. Für eine Hartz-IVEmpfängerin füllt dieser Betrag aber für eine Woche den Kühlschrank.

Aber nicht jede Frau verträgt jedes Präparat; manche vertragen auch gar keine Pille. Andere Verhütungsmethoden wie Spirale, Verhütungsring und Verhütungsstäbchen sind wesentlich teurer,

(Oh-Rufe von der CDU)

sodass sich Hartz-IV-Empfängerinnen dieses gar nicht leisten können. So fehlt es gerade Frauen mit geringerem Einkommen an Verhütungsalternativen und Wahlmöglichkeiten aufgrund der Begrenztheit der Kapazität des Geldbeutels.

Ich weiß auch nicht, wie die Beurteilung des Bundessozialgerichtes einzuordnen ist, wenn dieses am 15.11.2012 zu der Einschätzung kommt, dass die Kostenübernahme abzulehnen ist, weil im Regelsatz die Bedarfsanteile für pharmazeutische Erzeugnisse enthalten sind. Bei allem Respekt vor dieser Institution: Wenn man zu einer solchen Einschätzung kommt, kann es mit den Rechenkünsten nicht allzu weit her sein – oder mit der Lebensnähe.

Eine Anfrage von mir hat ergeben, dass es in den letzten fünf Jahren in Sachsen 24 707 Schwangerschaftsabbrüche gegeben hat. Die Kosten für rund 5 000 Schwangerschaftsabbrüche lagen 2014 bei rund 1,9 Millionen Euro. Das ist zwar keine überwältigend große Zahl, könnte aber dennoch getrost eingespart werden, wenn Sie unserem Antrag zustimmen würden, der Sie ja lediglich auffordert, sich auf Bundesebene für eine Kostenübernahme einzusetzen.

Auch soll nicht unerwähnt bleiben, dass solche Eingriffe psychische Folgen mit sich bringen können. Nicht selten führt ein Schwangerschaftsabbruch zu Depressionen, welche im Nachgang mit Suchtverhalten verschiedenster Art verdrängt werden – was wiederum volkswirtschaftliche Kosten in Millionenhöhe verursacht. Zwar sind die Zahlen der Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen rückläufig; aber das ist ja auch zu logisch, wenn man sich die demografische Entwicklung in Sachsen anschaut. Frauen über 50 werden ja wohl eher selten zu

solchen Eingriffen in Krankenhäusern gesehen. Die Zielgruppe ist eine völlig andere. Wenn man die Zahlen in ein Verhältnis setzt, ergibt sich vielleicht auch für die Staatsregierung ein realistischeres Bild.

Ehrlicherweise muss ich auch gestehen, dass dieser Antrag nicht allein unseren geistigen Ergüssen entspringt.

(Christian Piwarz, CDU: Ergüssen! – Leichte Heiterkeit – Unruhe)

So gibt es bereits mehrere Initiativen, welche sich ausführlich mit dem Thema befasst und auch eine entsprechende Petition an den Bundestag gerichtet haben. Im November 2006 hatten sich die GRÜNEN hier im Landtag dem Thema gewidmet und einen entsprechenden Antrag eingebracht. Im Juni 2010 hat, wie bereits erwähnt, die SPD einen diesbezüglichen Antrag eingebracht – ebenfalls so erfolglos wie die GRÜNEN vier Jahre zuvor.

Zuletzt haben im Dezember 2013 die schleswigholsteinischen Verbände von „pro familia“ gemeinsam mit den Hebammen und den hauptamtlichen kommunalen Gleichstellungsbeauftragten mit bundesweiter Unterstützung zahlreicher prominenter Vertreter die „Kieler Erklärung“ verabschiedet. Darin heißt es, dass die internationale Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung im Jahr 1994, also bereits vor 21 Jahren, jedem Menschen das Recht auf Zugang zu Aufklärung und Familienplanung zuerkannt hat. Der Teil „Aufklärung“ wird von den Schulen im Sexualkundeunterricht geleistet. So weit, so gut.

Doch das Recht auf Familienplanung gilt wohl in Deutschland nur noch theoretisch; denn seit 2004 haben Menschen mit geringem Einkommen keine Möglichkeit mehr, einen Antrag auf Kostenübernahme ärztlich verordneter Verhütungsmittel zu stellen. Im Jahr 2006 bestätigte eine Studie die Tendenz, dass Menschen mit geringem Einkommen zwar sicher verhüten wollen, Frauen und Männer in prekären Situationen aber zunehmend auf billige und unsichere Verhütungsmethoden zurückgreifen.

Wenn sich die Herren und Damen der Staatsregierung auch einmal mit Hebammen, Sozialpädagoginnen, Familienhelferinnen, Schwangerenberaterinnen, Angestellten in Jugendämtern und in Frauenberatungsstellen, Mitarbeiterinnen der Frühen Hilfen oder Gynäkologen unterhalten würden, dann kämen vielleicht endlich auch sie zu dieser Einsicht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Expertinnen haben das Problem erkannt, dass Menschen in prekären Lebenslagen selten Wahlfreiheit bezüglich der Familienplanung haben. Das sind Frauen und Männer, die sich in Ausbildung oder Studium befinden, Grundsicherung oder Wohngeld erhalten oder sich in prekären Beschäftigungsverhältnissen mit nur geringen Einkommen befinden – also ein nicht unwesentlicher Anteil der sächsischen Bevölkerung.

Jetzt stellt sich mir die Frage, ob sich die Staatsregierung bewusst gegen die „Kieler Erklärung“ entscheidet oder ob sie es einfach nicht besser weiß. Wir wünschen uns also

lediglich, dass sich die Staatsregierung für die Umsetzung geltenden Rechts stark macht, damit das Recht auf Familienplanung nicht vom sozialen Status abhängt. Wenn Sie sich also schon nicht für höhere Löhne oder die Anhebung der Hartz-IV-Sätze einsetzen, dann doch bitte für die Einhaltung von Recht und Gesetz. An anderer Stelle betonen Sie das immer wieder sehr gern.

Lassen Sie mich zum Ende kommen. Zum jüngsten Landesparteitag der sächsischen CDU in Neukieritzsch wurde der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer eingeladen. In der Flüchtlingsdebatte, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt es zwischen der CSU und der Sächsischen Staatsregierung enorme Schnittmengen. Vielleicht lassen Sie sich auch einmal an anderer Stelle von Ihrer sonst so gelobten Schwesterpartei inspirieren. So war am 21. März dieses Jahres der „Zeit“ zu entnehmen, die CSU wolle sich dafür einsetzen, dass Hartz-IVEmpfängerinnen Verhütungsmittel bis zum 27. Lebensjahr kostenlos auf Rezept erhalten.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ist doch mal was!)

Das entspricht zwar nicht zu 100 % unserem Antrag, ist aber zumindest ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Herr Piwarz, wenn Sie Zustimmung signalisieren, ändere ich den Antrag sofort entsprechend ab.

(Beifall bei den LINKEN – Christian Piwarz, CDU: Das würde ich am liebsten testen wollen, um zu sehen, ob Sie das hinbekommen!)

Da ich hoffe, dass die GRÜNEN und auch die SPD, die ja selbst schon ähnliche Anträge eingebracht haben, unserem Antrag heute zustimmen werden, bitte ich nun zuletzt auch die Abgeordneten der CDU um ihre Zustimmung zu unserem Antrag. Was ich jetzt sage, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden Sie wohl nie wieder hören.

(Ines Springer, CDU: Ein Versprechen?)

Das ist ein Versprechen. – Bitte folgen Sie doch dieses eine Mal dem Vorschlag Ihres guten Freundes aus Bayern!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN – Christian Piwarz, CDU: Für die paar Stimmen machen Sie aber auch alles, oder?)

Nach einer kurzen Pause erhält für die CDU-Fraktion Herr Abg. Krauß das Wort. Bitte sehr, Herr Krauß.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wenn wir jetzt in Bayern wären, würde uns die CSU – mit Blick auf die katholische Kirche – den Hinweis geben, dass man vor der Ehe enthaltsam leben solle und das Problem damit erledigt wäre.