Protocol of the Session on December 16, 2015

(Mario Pecher, SPD: Und Chemnitz?)

Das bedeutet, dass die finanzielle Handlungsfähigkeit dieser Städte deutlich eingeschränkt wird.

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Gleichzeitig sind aber aufgrund der stetig wachsenden Bevölkerung erhebliche finanzielle Belastungen und Investitionserfordernisse gegeben. Dennoch organisieren CDU & Co. sehenden Auges ein riesiges Problem, und das aus rein parteipolitischem Kalkül. Das ist verantwortungslos, meine Damen und Herren.

(Jens Michel, CDU: Falsch!)

Deshalb werden wir von den LINKEN dieses Paket, das mit dieser eben beschriebenen folgenreichen Nebenabrede verbunden ist, ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Nun die AfD-Fraktion, Herr Abg. Barth. Sie haben das Wort, Herr Barth.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Gesetz wurde ohne 1. Lesung am 4. November an den Haushaltsausschuss überwiesen. Am 02.12. führte der Haushaltsausschuss eine Sachverständigenanhörung durch. Eile im Gesetzgebungsverfahren war von Anfang an geboten, da die Regierungskoalition beabsichtigte, etwa 180 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt 2014 zur anfänglichen Finanzierung des Asyl- und Flüchtlingshilfefonds einzusetzen.

Meine Damen und Herren! Mehr als 1 Milliarde Euro – das ist richtig – werden durch die Landesregierung im Gesetzesvorhaben gebündelt. Das will niemand bestreiten.

(Mario Pecher, SPD: Koalitionsfraktionen!)

300 Millionen Euro sollen durch Artikel 7 des Gesetzentwurfes als Sondervermögen „Asyl- und Flüchtlingshilfefonds“ zur Mitfinanzierung der erheblich angestiegenen Asylkosten eingesetzt werden.

800 Millionen Euro sollen zur Stärkung der kommunalen Investitions- und Finanzkraft verwendet werden. Wie mehrfach schon gehört, wird ein Anteil von 342 Millionen Euro dem Staatshaushalt 2015 entnommen.

20 Millionen Euro entfallen hierbei auf Fördervollzugskosten für die SAB. 156 Millionen Euro werden aus dem Förderprogramm des Bundes für finanzschwache Kommunen entnommen. Weitere 322 Millionen Euro werden aus dem kommunalen Finanzausgleich entnommen.

Woher die finanziellen Mittel des Freistaates Sachsen für das Maßnahmenpaket stammen, blieb auch nach der öffentlichen Anhörung teilweise unaufgeklärt. Erst anlässlich der Sitzung des Haushaltsausschusses am 08.12.2015 teilte der Finanzminister mit, dass die neuen Sondervermögen durch ausreichende Steuermehreinnahmen gedeckt werden können. Ausgehend von § 25 Abs. 2 Sächsische Haushaltsordnung wären aber solche Mehreinnahmen insbesondere zur Vermeidung eines Kreditbedarfes oder zur Tilgung von Schulden zu verwenden.

Der überwiegende Teil der bereitgestellten Mittel, insgesamt 784 Millionen Euro, abzüglich eines Betrages von 16 Millionen Euro, der den Kommunen zusteht, die Erstaufnahmeeinrichtungen in ihrem kommunalen Gebiet haben, soll hälftig zwischen kreisfreiem und kreisangehörigem Raum aufgeteilt werden. Hieraus folgt eine Bevorzugung der kreisfreien Städte, die 258 Euro je Einwohner erhalten, während je Einwohner des kreisangehörigen Raums lediglich ein Betrag in Höhe von 125 Euro vorgesehen ist.

Würde man hingegen die im sächsischen Finanzausgleich geltenden Verteilungsregeln im Allgemeinen zugrunde legen, erhielten die kreisfreien Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz lediglich 42 % der Verteilungsmasse. Insgesamt vereinnahmt daher, Herr Schollbach, der

kreisfreie Raum durch den im Vergleich zum FAG um 8 % verbesserten Verteilerschlüssel etwa 16 Millionen Euro jährlich mehr. Meine Fraktion kritisiert diesen hälftigen Verteilerschlüssel, da damit erneut der ländliche Raum unterdurchschnittlich gefördert wird.

Die AfD-Fraktion beantragte unter der Drucksache 6/1538 am 27.04. anlässlich der Haushaltsverhandlungen eine Besserstellung des ländlichen Raumes in Höhe eines Betrages von 50 Millionen Euro jährlich. Die nunmehr neben dem Gesetzgebungsverfahren im Raum stehende Nebenvereinbarung zwischen der Staatsregierung und den kommunalen Spitzenverbänden ähnelt dem damaligen Antragsbegehren meiner Fraktion stark und wird deshalb von uns ausdrücklich begrüßt. Demnach soll ab dem Jahr 2017 vorbehaltlich eines Sachverständigengutachtens ein Betrag von etwa 50 Millionen Euro jährlich zugunsten des kreisangehörigen Raumes umverteilt werden.

Im Gesetzgebungsverfahren wurde insbesondere durch die Landeshauptstadt Dresden beklagt, dass die kreisfreien Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz infolge der dargestellten Nebenabrede vom Gesetzesvorhaben keinerlei finanzielle Vorteile mehr erzielen würden. Im Stadtrat fand am 10.12. eine Aktuelle Debatte statt. Hier forderte Herr Schollbach die Stadträte auf, gemeinsam als Stadtrat gegen eine Benachteiligung der Landeshauptstadt zu kämpfen. Anlässlich meiner Rede vor dem Stadtrat habe ich ausgeführt, dass die Landeshauptstadt Dresden auch unter vollumfänglicher Einbeziehung der Nebenabrede vom Gesetzesvorhaben weiterhin im zweistelligen Millionenbereich profitieren wird.

Obwohl die sächsischen Landkreise und Kommunen insgesamt vom Gesetzesvorhaben profitieren werden, wird der kommunale Gestaltungsspielraum durch dieses Gesetz auch eingeschränkt, da die Abrechnungsbeiträge des Gleichmäßigkeitsgrundsatzes 1 ursprünglich zu 6/7 allgemeine Schlüsselzuweisungen waren und nunmehr im Rahmen des Gesetzesvorhabens vollumfänglich zu investiven Schlüsselzuweisungen umgewidmet wurden.

Ausdrücklich – das möchte ich betonen – begrüßt meine Fraktion die nachträgliche Änderung des Gesetzentwurfes dahin gehend, den einengenden Investitionsbegriff im Gesetz auch auf bestandserhaltende Maßnahmen auszuweiten. Dies ermöglicht den Kommunen beispielhaft, bestehende Gebäude moderneren Nutzungskonzepten zuzuführen.

Die Errichtung von Sondervermögen hingegen wird durch meine Fraktion grundsätzlich kritisch gesehen. Gemäß Artikel 93 Abs. 1 Satz 1 unserer Verfassung sind alle Einnahmen und Ausgaben im Staatshaushalt zu veranschlagen. Bei der Einrichtung eines Sondervermögens außerhalb des Kernhaushaltes sind jedoch im Kernhaushalt nur die Zu- und Abführungen verzeichnet, sodass die Transparenz des Haushalts beeinträchtigt wird.

Sachsen verzeichnet die beständige Zunahme von Sondervermögen. So hat sich von 2008 bis 2013 die Anzahl von Sondervermögen von 6 auf 17 und ihr Volumen von 1 Milliarde auf 2,6 Milliarden Euro erhöht. Mit dem

nunmehr beabsichtigten Sondervermögen wird die Bedeutung der Haushaltshoheit dieses Hauses minimiert. 3,7 Milliarden Euro werden außerhalb des Kernhaushaltes verankert.

Blicken wir auf die Ebene der Landkreise. Bei der Binnenverteilung war in der Vergangenheit regelmäßig eine 60-zu-40-%-Verteilung vorgesehen. Nunmehr ist es eine Verteilung von 65 : 35 %. Gerade die Landkreise sind trotz der guten Einnahmensituation infolge der ansteigenden Kosten für Sozial- und Jugendhilfe sowie für die Unterbringung von Asylbewerbern als jeweilige Pflichtaufgabe daran gehindert, den Investitionsbedarf im Freiwilligenaufgabenbereich hinreichend zu decken. So verbleiben meinem Heimatlandkreis aus dem Gesetzespaket nach der Binnenverteilung etwa 9 Millionen Euro. Der Landrat selbst sieht hingegen dringenden Investitionsbedarf in Höhe von mehr als 21 Millionen Euro im Zeitraum der Mittelverwendung.

Der Gesetzentwurf ist hinsichtlich der Finanzierung der Asylkosten für das Jahr 2015 als abschließend anzusehen. Aus bisher nicht gebundenen und nicht verbrauchten Bedarfszuweisungen werden 20 Millionen Euro 2015 zweckgebunden in die Bedarfszuweisung „Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen“, § 22 Abs. 2 Nr. 8 Sächsisches FAG, umgewidmet. 23 Millionen Euro werden als Ergänzungspauschale für 2015 gewährt.

Anlässlich der Anhörung wurde die Abrechnung als nicht zufriedenstellend betrachtet. Der Freistaat Sachsen als Besteller wird daher den unteren Unterbringungsbehörden keine vollständige Kostenerstattung gewähren und somit den finanziellen Handlungsspielraum der Landkreise und kreisfreien Städte mit dieser Entscheidung auch einschränken. Eine weitere Abgrenzungspauschale für 2016 in Höhe von 60 Millionen Euro wird die Kostenbelastungen durch den dramatischen Anstieg der Asylbewerberzahlen nicht decken. Es bleibt zu befürchten, dass bis zum Abschluss der Evaluierung der Kostenpauschale die Landkreise und kreisfreien Städte nicht alle Kosten der Unterbringung und Betreuung erstattet bekommen.

Abschließend möchte ich noch einmal auf Artikel 7 eingehen. In § 4 Abs. 4 Satz 1 wird das Finanzministerium ermächtigt, bereits vor Erstellung des Wirtschaftsplanes erstmals im Haushaltsjahr 2017 bereits 2016 mit Zustimmung des Haushaltsausschusses Entnahmen

vorzunehmen. Der Anstieg der Fallzahlen der unbegleiteten minderjährigen Ausländer – hier soll es zunächst eine Kostenpauschale von 4,8 Millionen Euro durch öffentlich-rechtlichen Vertrag geben – wird den Asyl- und Flüchtlingshilfefonds sofort belasten.

Eine Kostenbelastung von mehr als 150 Millionen Euro durch den starken Betreuungs- und Unterbringungsaufwand ist eine konservative Wertschätzung. Landkreise und kreisfreie Städte binden im Jahr 2016 erhebliche finanzielle Mittel zur Errichtung von Unterkünften für Asylbewerber. Der Landkreis Sächsische Schweiz– Osterzgebirge plant 5 000 neue Unterbringungsplätze für 49,5 Millionen Euro. Die Landeshauptstadt Dresden und

der Landkreis Zwickau sehen einen ähnlich hohen Investitionsbedarf. Es steht daher zu befürchten, dass das Fondsvolumen innerhalb eines Jahres mehr als verausgabt werden wird.

Nach alledem, meine Damen und Herren, teile ich Ihnen mit, dass sich meine Fraktion bei der Abstimmung enthalten wird.

Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE Frau Schubert, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute sollen wir also abschließen, was im Galopp der vergangenen vier Wochen gereift sein soll. Trotz der Abstimmung der Regierungskoalitionen mit den kommunalen Spitzenvertretern, auf deren Zustimmung Sie sich berufen, sage ich im Namen unserer Fraktion leider Nein.

Das Projekt teilen wir ausdrücklich im Anliegen, das möchte ich ganz deutlich sagen. Aber das Ganze hat für uns noch nicht die Reife, die eines Gesetzes am Tag seiner Verabschiedung würdig wäre. Es sind noch Fragen offen, und wir hätten auch Alternativen, die wir gern besprochen hätten. Es ist nicht redlich, sich bei diesem Stand hier hinzustellen und auf Applaus zu hoffen. Wir haben schon viel darüber gesprochen: woher welche Mittel kommen und dass es darum geht, Mittel vom Bund zu verteilen; die Veredelung in allen Ehren, aber das ist heute nicht mein Thema.

Handwerklich ist dieses Gesetz einfach nicht gut gemacht. Es ist angepasst an das, was den sächsischen Haushalt wie ein schwarzer Faden durchzieht: die zunehmende Zweckbindung von enorm hohen Summen neben dem Kernhaushalt. Fast ein Drittel des Gesamthaushaltes liegt, wenn wir das Gesetz in dieser Form heute verabschieden, in Nebenhaushalten. Damit verschlechtert sich die Haushaltsklarheit erneut, und ich frage mich: Wann überschreiten wir hier eine Grenze?

Es hätte zu den Sondervermögen andere Möglichkeiten gegeben, unter anderem die Möglichkeit eines Nachtragshaushaltes. Das hätten wir ausdrücklich mitgetragen. Es hat mir nicht gefallen, dass ich erst einen Abend vor der Finanzausschusssitzung, in der wir über den Gesetzentwurf abstimmen sollten, die regionalisierte Steuerschätzung erhalten habe. Schließlich sollen aus diesen Steuermehreinnahmen die Eigenanteile Sachsens an diesem Paket mitfinanziert werden. Ich habe mich natürlich dann gefreut, in meiner Annahme bestätigt worden zu sein, dass der Abgesang des an der Bankrottkante balancierenden Freistaates wie immer ziemlich schief klingt.

Was hätte man alles mit diesem Geld machen können? Das habe ich mich gefragt, und das haben sich auch die Menschen im Lande gefragt, die die Presseinformation zu den Steuermehreinnahmen gelesen haben. Diese Menschen sind nicht alle in Spitzenverbänden organisiert,

haben aber trotzdem eine Meinung. Natürlich kann man erst immer dann etwas mit dem Geld machen, nachdem man den Griff in die Rücklage ausgeglichen hat. Aber der war zwar wieder angekündigt, erfolgte jedoch natürlich auch diesmal nicht, und man kann erst dann mit dem Geld etwas machen, nachdem man Schulden getilgt hat, so steht es in unserer Sächsischen Haushaltsordnung.

Übrig bleibt dann aber trotzdem einiges. Was passiert nun damit? Fließt es in Köpfe? Fließt es in Talente? Fließt es in Netzwerke, in Kreativität, in die Jugend? Nein, es fließt zweckgebunden in Sondervermögen, die mit dem Gesetz geschaffen werden, für Investitionen größtenteils in Beton.

Irgendwie klingt das alles sehr nach Neunziger. Die Bundesregierung hat Sachsen 155,7 Millionen Euro für Investitionen in Kommunen zur Verfügung gestellt. Es gibt aber echt keinen Grund, weitere 664,3 Millionen Euro größtenteils in Beton zu versenken. Es enttäuscht mich, dass so wenig aus Sachsens politischen Entscheidungen in den Neunzigerjahren und den daraus folgenden Konsequenzen gelernt wurde. Die Neunziger waren aber gestern.

Angesichts des aktuellen Kommunalfinanzberichts des Rechnungshofs stellen sich mir noch weitere Fragen: Sachsens Kommunen gelten durch die Bank – mit zehn Ausnahmen von wirklich kleinen Gemeinden – als finanzschwach; das ist so. Auch die Leuchttürme Sachsens erfüllen bis heute nicht die in sie gesetzten Hoffnungen. Die Stärkung der kommunalen Finanzkraft wäre in der Tat wichtig gewesen, aber das ist aus dem Titel wieder gestrichen worden. Die anstehende Herausforderung der Zeit lautet, die finanzielle Handlungsfähigkeit in den Kommunen zu sichern.

Ja, die Kommunen können sich selbst gut vertreten, das ist richtig. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass eine Mehrheitsmeinung nicht automatisch den optimalen Willen aller abbildet, sondern oft nur hauchdünn zustande kommt.

Ich weiß und sehe auch als kommunale Mandatsträgerin, wo es in den kommunalen Haushalten klemmt. Ich weiß, was Ergebnis- und Finanzhaushalt be- und entlastet. Ihr Gesetz drückt trotz der guten Nachbesserungen auf den Ergebnishaushalt, und das langfristig. 85 % der Mittel in den kommunalen Haushalten gehen für laufende Kosten drauf. Hier brauchen die Kommunen Unterstützung. Hier müssen wir uns etwas einfallen lassen. Wir müssen uns auch dringend über gesunde Investitionsquoten unterhalten, und ich weiß, dass der Finanzminister da ganz nah bei mir ist, wenn ich sage, dass eine überhöhte Investitionsquote auf Landes-, aber auch auf kommunaler Ebene einfach ungesund ist.

Es ist Kernaufgabe der Politik, die Attraktivität ihrer Städte und Gemeinden zu wahren – für die Menschen, die dort leben, für die Unternehmen, die dort tätig sind, und für die Touristen, die in Sachsen zu Gast sind. Diese Aufgabe ist mit einer einseitigen Ausrichtung auf Investitionen nicht erfüllt. Sachsen braucht Köpfe und Talente

statt ästhetisch fragwürdiger Brücken als fehlgedeutete Zeichen von Modernität. Sachsen braucht lebenswerte Kommunen mit attraktiven Lebensbedingungen und einer funktionierenden öffentlichen Verwaltung. Sachsen