Protocol of the Session on December 16, 2015

Meine Damen und Herren! Effizient organisierter Arbeitsschutz wird als Wettbewerbsfaktor immer wichtiger. Ungestörte betriebliche Prozesse sichern Produktivität und Qualität. Das verringert Ausfallzeiten, senkt Kosten und erhöht öffentliche Reputation und Kundenzufriedenheit – eine klassische Win-win-Situation also. Folgerichtig widmet sich auch der Koalitionsvertrag dem Thema Arbeitsschutz. Dabei wollten Sie Ihr Augenmerk „stärker auf die betriebliche Gesundheitsförderung richten, um zum Beispiel neuen Herausforderungen wie psychischer Belastung am Arbeitsplatz zu begegnen“. Das ist nicht neu, sondern wird bereits in der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie GDA aus dem Jahr 2013 festgelegt. Die GDA ist eine Initiative von Bund, Ländern und gesetzlicher Unfallversicherung. Dort steht unter anderem, Verbesserung der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes sowie Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung.

Festgelegt wurde darüber hinaus, dass das Aufsichtspersonal der Arbeitsschutzbehörden und Unfallversicherungsträger geschult werden soll, um solche psychischen Belastungen besser zu erkennen und Betriebe angemessen beraten zu können.

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage meiner Kollegin Petra Zais, Drucksache 6/445, wurde seitens der Staatsregierung aufgelistet, welche Weiterbildungsmaßnahmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der sächsischen Arbeitsschutzverwaltung in den letzten drei Jahren absolvierten. Erstaunlich oft liest man dort von Outlook-, Word- und PowerPoint-Schulungen, von Kommunikationstrainings und vom Erlangen von Gedächtnis- und Konzentrationstechniken.

Nun ist es zweifelslos wichtig, die vielfältigen Möglichkeiten von Arbeitsplatzcomputern in der Verwaltung kennenzulernen; jedoch frage ich mich, warum nicht wenigstens einer der 80 weitergebildeten Bediensteten einen Lehrgang besuchte, der sich explizit mit arbeitsbedingten psychischen Belastungen auseinandergesetzt hat. Bei nur einer einzigen ausgebildeten Psychologin in der gesamten sächsischen Arbeitsschutzverwaltung, Drucksache 5/13214, hätte ich das eigentlich erwartet. Es bleibt ein Geheimnis der Staatsregierung, wie unter diesen Vorzeichen die Festlegungen der GDA umgesetzt werden sollen.

Darum fordern wir mit dem vorliegenden Antrag ein Qualitäts- und Personalkonzept für die sächsische Arbeitsschutzverwaltung. Damit die Aufgaben des Schwerpunktes Psyche der GDA kompetent umgesetzt werden können, plädieren wir für die Einstellung von Psychologinnen und Psychologen. Das ist noch nicht alles. Denn

laut Website der Arbeitsschutzverwaltung hat diese die Aufgabe, auf der Grundlage der entsprechenden Gesetze und Verordnungen auch die Einhaltung derselben zu überwachen und die Arbeitgeber bei der Erfüllung ihrer Pflichten zu beraten.

Die sächsische Arbeitsschutzverwaltung kann diesen Anspruch aber nicht mehr erfüllen. Grund ist die beispiellose Stellenkürzung. Im Jahr 2000 wurden von den damals 280 Angestellten noch 17 331 Betriebskontrollen durchgeführt. 2012 konnten die verbliebenen 169 Angestellten noch 4 815 Betriebe kontrollieren und damit nur noch reichlich ein Viertel der noch im Jahr 2000 durchgeführten Prüfungen. Doch damit ist das Ende der Fahnenstange nicht erreicht. Bis 2020 wird die Arbeitsschutzverwaltung auf 94 Mitarbeiter schrumpfen. Die Zahl der Betriebskontrollen wird somit nochmals drastisch sinken. Schon heute wird ein Unternehmen in Sachsen durchschnittlich einmal aller 30 Jahre kontrolliert.

Es gibt also jede Menge Arbeit, um dem Schwerpunkt „Stärkung des betrieblichen Gesundheits- und Arbeitsschutzes“ im Programm „Gute Arbeit für Sachsen“ wirklich gerecht zu werden. In unserem Antrag machen wir dazu sinnvolle Vorschläge. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion. Wer möchte von der CDUFraktion sprechen?

(Christian Piwarz, CDU: Wie angemeldet!)

Nun ja. Guten Morgen, Herr Pohle.

(Heiterkeit)

Der Vizepräsident darf das.

Der Herr Vizepräsident darf das. Herr Pohle hat es aber verstanden. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu fortgeschrittener Stunde schaue ich hier in erwartungsvolle Gesichter, die auch sehr erschöpft sind. Insofern gebe ich meinen Redebeitrag zu Protokoll.

(Beifall des Abg. Mario Pecher, SPD)

Ich möchte nur sagen, die CDU-Fraktion lehnt diesen Antrag ab.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank,

Herr Pohle. Die Fraktion DIE LINKE ist an der Reihe, Herr Abg. Brünler.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Du kriegst Beifall von der CDU, wenn du deine Rede zu Protokoll gibst! Darauf solltest du verzichten!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schön, dass man einen Applaus dafür bekommt, dass man eine Rede zum Arbeitsschutz einfach nur zu Protokoll gibt und durch das Thema schnell „durchhirscht“. Aber das zeigt relativ deutlich, wie es um den Arbeitsschutz derzeit im Lande bestellt ist.

(Zurufe von der CDU und der SPD)

Man kann es drehen und wenden, wie man will, aber dem sächsischen Arbeitsschutz steht, was seine Leistungsfähigkeit anbelangt, das Wasser nicht erst seit heute Oberkante Unterlippe. Diese Situation wird sich absehbar weiter verschlechtern. Die Tatsache, dass im Arbeitsschutz die Dienst- und die Fachaufsicht auseinanderklaffen – während für Ersteres die Landesdirektion die Verantwortung trägt, ist die fachliche Aufsicht im SMWA angesiedelt –, trägt mit Sicherheit nicht dazu bei, die Probleme einzugrenzen oder gar zu beseitigen.

Insofern ist das Ansinnen des uns hier vorliegenden Antrages, eine Zusammenführung der Verantwortung zu prüfen, sinnvoll. Aber hier liegt bei Weitem nicht das eigentliche Problem der sächsischen Gewerbeaufsicht. Das besteht viel mehr in einer desaströsen Personalausstattung und der hier absehbaren weiteren Entwicklung. Zwar gibt es inzwischen unterstützende und warme Worte aus dem Wirtschaftsministerium, aber praktisch geschehen ist bisher nichts – im Gegenteil. Den Anträgen der Opposition zum letzten Doppelhaushalt, hier gegenzusteuern, haben Sie sich als Koalitionsparteien bekanntlich verweigert.

Schauen wir uns den derzeitigen Stellenplan, die darin enthaltenen kw-Vermerke und die Altersstruktur der Mitarbeiter an, so laufen wir hier sehenden Auges in eine Katastrophe. Die Personalsituation betrifft jedoch nicht nur die im Antrag beschriebenen Beschäftigten, die für die Betriebskontrollen zuständig sind. Das systematische Kaputtsparen betrifft die gesamte Gewerbeaufsicht des Freistaates Sachsen. Dass der drastische und fortgesetzte Personalabbau bei Weitem nichts mehr mit Aufgabenkritik oder Effizienzsteigerung, sondern mehr mit gezielter Abwicklung zu tun hat, muss jedem klar werden, der sich vergegenwärtigt, dass exakt diese Entwicklung bereits seit Jahren andauert.

Alle Faktoren einberechnet, haben wir in der Abteilung 5 der Landesdirektion – mithin der zuständigen Arbeitsschutzbehörde – bis 2022 eine Reduktion auf reichlich die Hälfte der derzeit noch tätigen Mitarbeiter oder aber auf rund ein Viertel der Stellen, die im Jahre 2002 in der Gewerbeaufsicht existierten. Noch komplizierter wird es, wenn man sich weiterhin vor Augen führt, dass bereits im nächsten Jahr ganze Unterabteilungsstäbe wegfallen, weil die Kollegen in Altersrente gehen und ihre Stellen mit einem kw-Vermerk versehen sind.

Ich habe die schwierige Altersstruktur bereits erwähnt. Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter der Arbeitsschutzverwaltung liegt inzwischen bei über 57 Jahren. Entspre

chend wird sich dieser Prozess in den nächsten Jahren fortsetzen, sodass auf diese Art und Weise der sächsischen Gewerbeaufsicht in den nächsten fünf Jahren planmäßig und ohne erkennbares Gegensteuern die nahezu komplette untere Führungsebene abhandenkommt.

Nun darf man das nicht einfach mit dem Wegfall einer Hierarchieebene verwechseln. Hier geht es im Regelfall um hoch spezialisierte Naturwissenschaftler, Mediziner oder Ingenieure mit jahrelanger Berufserfahrung, deren Aufgaben nicht ohne Weiteres durch behördeninterne Umsetzungen oder von fachfremden Dritten übernommen werden können.

Eine Arbeitsgruppe in der damaligen Landesdirektion Dresden kam schon 2012 zu dem Ergebnis, dass bis zum Jahr 2016 eine rote Linie erreicht werden wird, zu der der überwiegende Teil der Erfahrungsträger ohne Ersatz planmäßig aus dem Dienst ausscheidet. Spätestens ab 2020 – so weiter in diesem Bericht – wird eine kritische Personalstärke unterschritten, ab welcher es grundsätzlich nicht mehr möglich sein wird, die sozialen und sicherheitstechnischen Standards in Sachsen aufrechtzuerhalten und zu gewährleisten.

Auf diese Situation, meine Damen und Herren, laufen wir derzeit zu. Die Erkenntnisse haben nach wie vor Gültigkeit; denn – und das ist die zweite Seite der Medaille – mit dem drastischen Personalabbau, den wir hier fortgesetzt erleben, geht keinerlei Reduktion des Aufgabenumfanges einher.

Die Gewerbeaufsicht ist für den Vollzug von rund 20 Gesetzen und zusätzlich 40 Verordnungen zuständig. In der Summe sind dies derzeit etwa 175 staatliche Einzelaufgaben, die ihren Ursprung zum Teil im Bundes- oder europäischen Recht haben und die vom Freistaat auch nicht einfach ausgesetzt werden können. Diese Aufgaben gehen auch weit über technischen Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und Unfallverhütung hinaus. Die Gewerbeaufsicht ist zuständig für Fragen des Strahlenschutzes, für Gefahren durch Schadstoffe, für Brandschutz, für Verbraucherschutzfragen und für Medizinprodukte.

Diese nicht einfach aussetzbare Aufgabenfülle führt noch zu einem zweiten Effekt; denn die drastische Reduktion der Außeneinsätze und Vor-Ort-Kontrollen, die in der Antragsbegründung beschrieben wird, hat ihren Grund nicht nur in der rückläufigen Zahl der Kontrolleure. Hinzu kommt, dass die verbleibenden Mitarbeiter immer weniger Zeit haben, Überprüfungen oder Beratungen vor Ort durchzuführen, weil sie eben mit gesetzlich vorgeschriebenen Verwaltungsaufgaben, Gutachten oder Genehmigungsverfahren befasst sind. Entfiel vor zehn Jahren noch fast die Hälfte der von einem Mitarbeiter bearbeiteten Vorgänge auf Außeneinsätze, so ist dieser Anteil auf inzwischen statistisch unter 20 % gefallen. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man es eigentlich fast als einen Treppenwitz bezeichnen.

Zu den Aufgabenbereichen der Gewerbeaufsicht gehört auch der psychische Arbeitsschutz. Nun erleben die

Mitarbeiter der sächsischen Arbeitsschutzverwaltung seit Jahren, wie sich ihre eigene Behörde zum negativen Referenzobjekt entwickelt, um gesundheitliche Gefahren durch Stress und permanente Überlastung am Arbeitsplatz zu untersuchen.

Wenn in den Arbeitsschutzberichten dann von gezielten Kontrollen in kritischen Schwerpunktbereichen die Rede ist, dann mag sich das für einen unbeteiligten Dritten zunächst erst einmal richtig anhören. In der Praxis ist es jedoch nichts weiter als ein Euphemismus dafür, dass präventive Arbeit fast nicht mehr möglich ist und der Arbeitsschutz nur noch ausrückt, wenn tatsächlich etwas passiert ist. Die im Freistaat steigende Anzahl tödlicher Arbeitsunfälle in den letzten Jahren spricht hier eine deutliche Sprache.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Arbeitsschutz bedarf dringend einer stärkeren Aufmerksamkeit durch die Landespolitik und eines entschiedenen Gegensteuerns zu seinem derzeitigen Kaputtsparen. Wir werden dem vorliegenden Antrag folgerichtig zustimmen.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD ist an der Reihe, Herr Abg. Homann. Sie haben das Wort, Herr Homann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Leider habe ich handschriftliche Notizen, die es nicht zulassen, diese zu Protokoll zu geben. Dennoch möchte ich meine Rede ein wenig kürzen, was ich nicht als Despektierlichkeit verstanden wissen möchte.

Arbeitsschutz ist in dieser Koalition ein wichtiges Thema. Nicht umsonst ist es im Koalitionsvertrag verankert. Das hat seinen guten Grund. Die Fallzahlen geben es her. Wir haben 2014 im Vergleich zu 2013 eine Verdoppelung tödlicher Arbeitsunfälle gehabt. Das können wir nicht ignorieren. Wir haben in den nächsten Jahren massive Altersabgänge in der Landesdirektion. Es gibt natürlich gerade im Bereich psychischer Erkrankungen nicht nur in Sachsen einen Anstieg, der uns allen zeigt, dass es in diesem Themenbereich Handlungsbedarf gibt.

Wir haben als Koalition dieses Problem erkannt. Wir haben eine Arbeitsschutzallianz. Wir haben die Initiative „Gute Arbeit in Sachsen“. Wir haben mit der Kommission zur Evaluierung der Aufgaben, Personal- und Sachausstattung des Freistaates eine Grundlage geschaffen, um in der Landesdirektion zu prüfen, wie wir trotz der Altersabgänge in Zukunft sicherstellen können, dass diese gut arbeiten kann.

Zusammenfassend: Der Arbeitsschutz ist uns wichtig. In Sachsen besteht Handlungsbedarf. Wir stimmen mit der Analyse des Antrages der GRÜNEN überein. Dieser Antrag wäre eine Möglichkeit, dieses Problem zu behandeln. Wir haben uns aber in der Koalition in Abstimmung mit unserem Koalitionspartner für einen anderen Weg, nämlich den der Kommission, entschieden und werden diesen Antrag deswegen ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Die AfD-Fraktion, Herr Abg. Beger. Sie haben das Wort, Herr Beger.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Thema Arbeitsschutzverwaltung sowie dem hierzu gestellten Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist Folgendes zu sagen: Die Problematik der rechtskonformen Aufgabenerledigung der Arbeitsschutzverwaltung im Freistaat Sachsen wird aus den Berichten der Gewerbeaufsicht des Freistaates aus den Jahren 2012 bis 2014 besonders deutlich. Spätestens seit dem Jahr 2012 wiederholt sich permanent der folgende Satz: „Der Personalrückgang ist in erster Linie auf Altersabgänge zurückzuführen; auch in den nächsten Jahren ist mit weiterem erheblichen Personalabgang zu rechnen.“

Diesem Satz schließen sich die folgenden Erkenntnisse an. 2012 hieß es: „Daher stellt sich die Frage, wie ein wirksamer staatlicher Arbeitsschutz dauerhaft zu bewerkstelligen ist.“ 2013 hieß es: „Daher stellt sich die Frage, wie ein wirksamer staatlicher Arbeitsschutz dauerhaft mit ständig abnehmendem Personal zu bewerkstelligen ist.“ 2014 hieß es: „Daher ist eine rechtskonforme Aufgabenerledigung im Arbeitsschutz im notwendigen Umfang infrage gestellt.“

An dieser Stelle sei eine Prognose für das Jahr 2015 erlaubt: Der weitere Personalrückgang wird in erster Linie auf Altersabgänge zurückzuführen sein. Die Aufgabenerledigung im Arbeitsschutz wird mit immer weniger Personal stetig schwieriger und in naher Zukunft unmöglich.