Protocol of the Session on November 19, 2015

ermitteln können, welche Integrationshemmnisse es bei Flüchtlingen gibt, ob das Sprache ist, ob es Qualifikationshemmnisse sind oder Ähnliches. Das geht bis hin zur therapeutischen Behandlung. Es muss herausgefunden werden, was der individuelle Bedarf ist. Das ist nicht die Aufgabe des Arbeitgebers. Das wäre eine Lotsenfunktion, die wir mit unserem Förderprogramm zum Beispiel unterstützen wollen. So haben wir den Schwerpunkt gelegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte bei der Beantwortung der Zwischenfrage schon auf unser Förderprogramm hingewiesen, das zurzeit mit den Arbeitsmarktpartnern abgestimmt wird. Der Projektaufruf soll so schnell wie möglich erfolgen. Ich hoffe, dass das noch in diesem Jahr der Fall sein wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser generelles Ziel ist es, dass Zuwanderer und Zuwanderinnen zu Kollegen und Kolleginnen gemacht werden, die gern hier leben und möglichst lange in Sachsen bleiben sollen. Dafür ist natürlich eine Voraussetzung, dass wir eine Willkommenskultur in unseren Unternehmen, in unserer ganzen Gesellschaft haben. Das ist die Aufgabe, die wir alle haben.

Wir wollen gemeinsam daran arbeiten, dass in Sachsen kein Talent verloren geht, seien es Ältere, seien es Frauen, Alleinerziehende, Geringqualifizierte, Langzeitarbeitslose, Flüchtlinge usw. Wir wollen auf kein Talent verzichten. Das ist Sinn und Zweck dieser Debatte. So habe ich sie zumindest verstanden.

Wenn wir über das Thema Integration reden, dann heißt das, Integration zu fördern, aber auch einzufordern. Das heißt, alle, die zu uns kommen und bleiben wollen, müssen wissen und lernen, was es heißt, bei uns in Deutschland frei und selbstbestimmt zu leben. Die Grund- und Menschenrechte unseres Grundgesetzes und unserer Sächsischen Verfassung gelten für alle gleich. Das ist unser Angebot, das ist aber auch unsere Anforderung für Integration.

Integration kann nicht verordnet werden. Sie muss gelebt werden. Das gelingt dort, wo zum Beispiel Kinder miteinander spielen, auf dem Spielplatz, in der Kita, in der Schule, wo sie miteinander lernen. Das gelingt auch dort, wo Menschen miteinander arbeiten, wo aus Fremden Kolleginnen und Kollegen werden, weil es dann egal ist, woher jemand kommt, sondern wichtiger ist, was jemand kann, wo eben auch Freundschaften entstehen und wo die Angst vor dem Fremden durch die Neugier abgelöst wird.

So entsteht ein modernes, solidarisches und gerechtes Sachsen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und der Staatsregierung – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, damit ist auch die 2. Aktuelle Debatte abgeschlos

sen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

2. Lesung des Entwurfs

Gesetz über Musterverfahren in Kommunalabgabenstreitigkeiten

im Freistaat Sachsen

Drucksache 6/1695, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 6/3247, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Es beginnt die Fraktion DIE LINKE. Danach folgen CDU, SPD, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile nun der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kommunalabgaben sind bekanntlich eine streitanfällige Rechtsmaterie. Das ist nicht nur in Sachsen so. Seit Inkrafttreten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes im Jahr 1993 ist allerdings eine Vielzahl an Verwaltungsrechtsstreitigkeiten in diesem Bereich zu beobachten. In der juristischen Datenbank „juris“ sind allein 233 Oberverwaltungsgerichtsentscheidungen, deren streitentscheidende Normen solche des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes waren, dokumentiert. Dazu kommen unzählige Verfahren vor den Verwaltungsbehörden und den Verwaltungsgerichten.

Mit diesen Verfahren sind nicht nur beträchtliche Kosten – sowohl für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger als auch für die Behörden, sprich: für die Steuerzahlerinnen und -zahler – verbunden. Diese führten und führen auch zu einer nicht unerheblichen zeitlichen und personellen Belastung der zuständigen Gerichte und Behörden. Das allein ist schon an der oft mehrjährigen Verfahrensdauer erkennbar. Aus unserer Sicht stellt dies eine unzumutbare Situation für alle Beteiligten dar.

Aus diesem Grund schlagen wir von der LINKEN vor, in Sachsen Musterverfahren für Kommunalabgabenstreitigkeiten zuzulassen. Damit greifen wir die guten Erfahrungen mit Musterverfahren in Mecklenburg-Vorpommern auf. Dort wurde im Jahr 2005 durch die rot-rote Landesregierung eine ähnliche Regelung – wie von uns vorgeschlagen – eingeführt.

Was ist der Hintergrund dieser Gesetzesinitiative? Nach Erlass einer kommunalen Satzung, von der regelmäßig eine Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern betroffen ist, kommt es immer wieder zu einer Vielzahl von Widersprüchen, die in der Regel gleich gelagerte Rechtsfragen zum Gegenstand haben.

Genau an dieser Stelle setzt unser Gesetzentwurf an. Wir wollen die Möglichkeit eröffnen, die unterschiedlichen Rechtspositionen in einem Musterverfahren auszustreiten

und einer Entscheidung zuzuführen. Bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung dieses Musterverfahrens ruhen alle anderen Verfahren zu dieser Problematik. Auf diesem Wege erreichen wir eine einheitliche Rechtsanwendung, eine Minimierung der Verfahrenskosten und eine Entlastung der Behörden und Gerichte. Zudem werden deutlich schneller Rechtssicherheit und Rechtsfrieden erreicht. Das hat nicht nur DIE LINKE in Sachsen erkannt, nein: Auch durch die CDU-Fraktion im brandenburgischen Landtag wurde bereits ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt, meine Damen und Herren.

Ich möchte gern aus der Begründung dieses Gesetzentwurfs der CDU aus Brandenburg zitierten: „Die Durchführung von Musterverfahren dient der Schaffung von Rechtssicherheit für die Beteiligten. Sie führt nicht nur zur Kostenersparnis für alle Bürger und Gemeinden, sie kann auch dazu beitragen, die Akzeptanz der Satzungen bei den Betroffenen zu erhöhen. Schließlich entlastet sie auch die Verwaltungsgerichte.“ – So weit, meine Damen und Herren, die CDU in Brandenburg.

Ich finde, wir sollten uns den hervorragenden Argumenten der Brandenburger CDU anschließen und heute den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE auf den Weg bringen.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Damit würden in Sachsen die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gestärkt, Behörden und Gerichte entlastet sowie zur Erreichung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden beigetragen. Unser Vorschlag ist also sehr vernünftig. Das muss er auch, wenn wir mit der CDU in Brandenburg kompatibel sind.

(Zurufe der Abg. Patrick Schreiber und Steve Ittershagen, CDU)

Deshalb werbe ich um Ihre Zustimmung, meine Damen und Herren.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

(Beifall bei den LINKEN)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Anton; bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Man braucht schon sehr viel Fantasie, um die Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände zu dem vorgelegten Gesetzentwurf als grundsätzliche Zustimmung zu werten, wie es bereits im Innen- und im Rechtsausschuss von Herrn Schollbach getan wurde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was sagen die kommunalen Spitzenverbände tatsächlich zum Gesetzentwurf der LINKEN? Grundsätzlich wird die Durchführung von Musterverfahren bei einer größeren Anzahl gleich gelagerter Fälle als sinnvoll erachtet, weil so für alle Verfahrensbeteiligten Aufwand und Kosten gespart werden können. So weit dürfte auch Einigkeit in diesem Hohen Hause herrschen.

Weiterhin wird zutreffend festgestellt, dass nach der derzeitigen Rechtslage Musterfahren bereits möglich sind. In kommunalabgabenrechtlichen Angelegenheiten kommen im Widerspruchsverfahren die Regelungen der §§ 68 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung zur Anwendung. Allerdings ist für die Durchführung eines Musterverfahrens derzeit die Zustimmung aller Beteiligten erforderlich. Hier sind wir an dem Punkt, an dem die kommunalen Spitzenverbände tatsächlich durch eine Änderung der bestehenden Rechtslage eine stärkere Inanspruchnahme der vorhandenen Möglichkeit zur Durchführung von Musterverfahren erwarten würden.

Konkret wird vorgeschlagen, in bestimmten Fällen die Durchführung von Musterverfahren nicht mehr von der Zustimmung aller Beteiligten abhängig zu machen, sondern Regelungen zu treffen, das Ruhen des Verfahrens entweder kraft Gesetzes zu bewirken oder durch eine entsprechende Anordnung der Widerspruchsbehörde.

Allerdings geht der Gesetzentwurf der LINKEN in eine andere Richtung. Eine Erweiterung im Sinne der kommunalen Ebene steht jedenfalls nicht zur Diskussion. Vielmehr sieht der Gesetzentwurf beispielsweise vor, allein dem Widerspruchsführer anheim zu stellen, die Fortsetzung des ruhenden Verfahrens zu bewirken. Das wird von den kommunalen Spitzenverbänden zu Recht als unausgewogen kritisiert. Hier unterscheidet sich der Gesetzentwurf der LINKEN auch deutlich von der als Vergleichsmaßstab bemühten Regelung in MecklenburgVorpommern, die der Widerspruchsbehörde und dem Widerspruchsführer zumindest die gleichen Gestaltungsrechte zugesteht.

Aber nicht nur inhaltlich ist die Zielrichtung des Gesetzentwurfes verfehlt, auch die angedachte technische Umsetzung lässt zu wünschen übrig. Vorgesehen ist, zunächst § 363 der Abgabenordnung für anwendbar zu erklären und dann im Kommunalabgabengesetz umfangreiche Regelungen dahin gehend zu treffen, mit welchen Modifikationen diese Vorschrift Anwendung finden soll.

Statt einer klaren Regelung unmittelbar im KAG geht der Gesetzentwurf einen unnötig komplizierten Weg. Auch an dieser Stelle ist die Kritik der kommunalen Ebene ohne Frage gerechtfertigt.

Aber ich möchte auch einen Punkt nennen, an dem die Fraktion DIE LINKE zumindest späte Einsicht gezeigt hat. Die ursprünglich vorgesehenen Regelungen zum Akteneinsichtsrecht sind vom Tisch. Davon abgesehen, dass dem Gesetzentwurf offenbar die irrige Auffassung zugrunde lag, es gäbe bisher kein Akteneinsichtsrecht in kommunalabgaberechtlichen Rechtsbehelfsverfahren, war insbesondere die Stellungnahme der kommunalen Ebene zur Frage der Kopierkosten vernichtend. Das Vorhaben, die Kommunen zu verpflichten, jedem Abgabenschuldner auf dessen Verlangen bis zu 100 Kopien aus den Kalkulationsunterlagen kostenfrei zu fertigen, hätte eine völlig unverhältnismäßige Belastung der Kommunen bedeutet. Dass DIE LINKE an dieser Stelle eingelenkt hat, vermag aber an der Gesamtschau nichts zu retten.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Das, was die kommunalen Spitzenverbände für sinnvoll halten würden, sind gesetzliche Regelungen, die in bestimmten Fällen ein Ruhen des Verfahrens auch gegen den Willen von Verfahrensbeteiligteten ermöglichen würden, sowie eine schlanke Normierung direkt im KAG. Der Gesetzentwurf dagegen liefert eine Verkomplizierung des Verfahrens durch eine einseitige Stärkung der Gestaltungsrechte der Widerspruchsführer, und die Umsetzung dieser Neuregelung soll auch noch auf eine denkbar umständliche Art und Weise geschehen. Entsprechend eindeutig fällt das Resümee der kommunalen Spitzenverbände aus.

Werte Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir die zusammenfassende Beurteilung des Sächsischen Landkreistages zu zitieren: „Im Ergebnis kann lediglich der allgemeinen Zielsetzung gefolgt werden, die Möglichkeiten zur Durchführung von Musterverfahren im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren bei KAG-Angelegenheiten zu erweitern. Die konkrete inhaltliche und technische Umsetzung im vorliegenden Gesetzentwurf findet dagegen nicht unsere Zustimmung.“

Aus Sicht der Koalition ist dem nichts hinzuzufügen. Wir werden deshalb dem vorgelegten Gesetzentwurf die Zustimmung versagen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Für die SPDFraktion Herr Abg. Baumann-Hasske; bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das ist doch mal ein Antrag, an dem sich Juristen richtig austoben und zeigen können, wie man trockene Materie diskutiert! Wir diskutieren Verwaltungsverfahrensrecht, und ich glaube, es gibt kaum eine Materie, die in der Öffentlichkeit als langweiliger betrachtet wird als diese.

(Heiterkeit auf der Regierungsbank)

Vorab: Unsere Fraktion wird diesen Antrag ablehnen, denn es besteht nach unserer Auffassung kein Regelungsbedarf.

Die Antragsteller wollen in einem Widerspruchsverfahren über kommunale Abgabenbescheide den Behörden und den Bürgerinnen und Bürgern das Recht geben, das Verfahren so lange auszusetzen, bis in einem Musterverfahren eine Grundsatzentscheidung getroffen ist.