Die beiden Regierungskoalitionen erinnern sich sicherlich an ihren Entschließungsantrag, und zwar zum Thema „Gesamtaufgabe Asyl – Gemeinsam für Unterbringung, Sicherheit und Integration“. Auf die Frage, welche Aufträge in andere Ressorts gegeben wurden oder gegeben werden, liest man als Antwort nur – und das ist tatsächlich ein Problem –, dass ein Konzept zur Landessprachförderung erstellt wird. Man liest nichts zu Arbeit, nichts zur Ausbildung usw.
Herr Heidan, ich freue mich so sehr, wie sehr Sie mich immer unterhalten, wenn Sie hier stehen und Dinge erzählen. Das ist wirklich großartig. Wir sind eben genau nicht diejenigen, die hier Langzeitarbeitslose gegen
Nein, das ist Unsinn, Herr Heidan! Es hat eben mit 25 Jahren Ihrer Politik zu tun. Mir hat die Chefin der Bundesagentur in Oschatz gesagt, sie würde sofort Langzeitarbeitslose in Arbeit bringen können. Es fehlt aber genau an einem, nämlich an Mobilität. Sie ist nicht in der Lage sicherzustellen, dass jemand aus Mockrehna nach Oschatz fährt. Das hat mit uns als LINKE überhaupt nichts zu tun, sondern das ist Ihre verfehlte Politik. Nichts anderes!
Grundsätzlich wünschen wir uns eines – und darauf möchte ich noch einmal besonders hinweisen –: Wir wünschen uns, dass bei der beruflichen Ausbildung besonders darauf geachtet wird, dass wir in den Berufsschulklassen ganz sicher nicht separieren und die jungen Leute in eigene Klassen stecken, sondern dass erfolgreiche Integration immer nur dann funktioniert, wenn wir über gemischte Regelklassen reden. Es wäre schön, wenn wir endlich damit anfangen und das so schnell wie möglich tun und nicht immer nur auf Zeit spielen.
Gibt es jetzt noch weiteren Redebedarf von den Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich jetzt Herrn Staatsminister.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tausende Menschen sind zu uns gekommen. Eine Million erwarten wir in diesem Jahr. Viele werden bleiben. Um die geht es gerade. Ihre gesamte AfD-Rhetorik von Abschiebung – oder es sollen nicht mehr so viele kommen – geht komplett an dem Thema vorbei. Wir reden über die, die hierbleiben und die wir zu integrieren haben. Sagen Sie es doch: Sie wollen es nicht! Das ist die Wahrheit!
Wir nehmen aber die Herausforderung an; denn viele, die hierbleiben, werden unser Land verändern. Das ist gut so.
Je eher wir uns darauf einlassen, umso besser für uns. Denn es liegt auch an uns, was wir daraus machen. Es liegt an uns, dass wir einen Umgang damit finden und eben nicht der Eindruck entsteht, den viele Menschen befürchten, dass wir von der Entwicklung überrollt werden und dass wir ratlos und uneinig erscheinen oder hilflos agieren. Wir müssen dieser fatalen Wahrnehmung vom drohenden Kontrollverlust der Politik aktiv etwas entgegensetzen.
Wir werden alles unternehmen – das kann ich Ihnen versichern –, damit wir die organisatorischen Unzulänglichkeiten, die wir zum Teil nach wie vor erleben, wenn es um Unterbringung oder Registrierung geht, bei der Integration in Ausbildung und Arbeitsmarkt vermeiden.
Aber lassen Sie mich auch in aller Deutlichkeit sagen: All das, was wir hier tun, dient dem Ziel der Integration. Weder stellen wir das Grundrecht auf Asyl zur Disposition, noch machen wir jetzt Grenzdebatten auf. Uns liegt es einfach daran, dass wir Sorge dafür tragen müssen, dass die geschürten Ängste der professionellen Angstmacher und der Hassprediger und der Rechtspopulisten sich nicht bewahrheiten, sondern dass Zuwanderung gelingt und unser Land voranbringt. Das liegt doch an uns.
Deshalb sage ich mit allem Nachdruck: Lassen Sie uns gemeinsam Integration riskieren. Ja, ich habe bewusst „riskieren“ gesagt; denn es gibt weder eine Garantie noch einen fertigen Bauplan für Integration. Riskieren heißt auch, in der aktuellen Lage die Realitäten anzunehmen und sich dem Wandel, der eben nicht aufzuhalten ist, mutig zu stellen. Wir wollen, dass es gelingt. Wir nehmen die Aufgabe der doppelten Integration an. Es geht um die Integration nach innen und nach außen. Dafür werben wir intensiv.
Integration ist aber nicht nur die Aufgabe des Staates, sondern es ist nun einmal die Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Wir setzen dabei folgende Schwerpunkte:
Erstens. Integration funktioniert über Sprache, Qualifikation, Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe. Über Sprache wurde schon viel gesagt. Wir wollen, dass jeder Migrant, jede Migrantin einen deutschen Sprachkurs erhält. Die Bundesagentur für Arbeit hat in Sachsen dafür bis Jahresende 4 000 Plätze bereitgestellt. Wenn nötig, werden mehr Plätze organisiert.
Zweitens. Die Hürden auf dem Arbeitsmarkt müssen abgebaut werden. Wir brauchen eine frühzeitige Kompetenz- und Qualifikationsfeststellung gleich bei der Erstaufnahme.
Drittens. Der Zugang zu Ausbildung und Qualifizierungsangeboten muss erleichtert werden, besonders bei notwendigen Nachqualifizierungen.
Viertens. Reguläre Beschäftigungen in den sächsischen Unternehmen sind eng verbunden mit der Bleibeperspektive. Kein Unternehmen wird Flüchtlinge einstellen, wenn der Verbleib, der Status ungewiss ist. Deshalb brauchen wir schnelle und faire Verfahren.
Fünftens. Wir wollen eine Aussetzung der Vorrangprüfung für mindestens zwei Jahre unter Beibehaltung der Prüfung der Beschäftigungsbedingungen.
Sechstens. Eine Aushöhlung der Prinzipien guter Arbeit durch die Integration von Flüchtlingen muss verhindert
werden. Eine Ausnahme vom Mindestlohn oder eine Erhöhung des Renteneintritts wird es mit mir nicht geben.
Siebentens. Jugendliche, die eine Ausbildung bei uns machen, dürfen während der Ausbildungszeit nicht abgeschoben werden
und sollten am besten darüber hinaus bei erfolgreichem Abschluss auch ein dauerhaftes Bleiberecht bekommen.
Achtens – das ist eher ein Grundprinzip. Was wir nie aus den Augen verlieren dürfen, ist, dass unsere Maßnahmen der gesamten Gesellschaft, der gesamten Bevölkerung zugutekommen müssen. Es wäre fatal, wenn der Eindruck entstehen würde, Flüchtlinge würden „Wohltaten“ erhalten, die der einheimischen Bevölkerung vorenthalten bleiben. Wenn wir jetzt zusätzliche Millionen für Wohnungsbau erhalten, dann investieren wir diese Mittel nicht nur in Flüchtlingswohnungsbau, sondern in bezahlbare Wohnungen für alle.
Wenn wir Arbeitsmarkt- und Qualifizierungsmaßnahmen auflegen, geht es nicht nur um Migrantinnen und Migranten, sondern um alle auf dem Arbeitsmarkt Benachteiligten. Nur so kann das gehen. Nur so bekommen wir ein Verständnis, eine Akzeptanz für eine solidarische Flüchtlingspolitik.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben auch schon einiges erreicht. Zum Beispiel, dass diejenigen, die eine Ausbildung machen, nicht abgeschoben werden, ist eine sächsische Initiative, die im Bundesrat erfolgreich war. Wir haben den Zugang zu Praktika erleichtert, und wir haben auch die Integrationskurse für Asylbewerber sowie Geduldete mit guter Bleibeperspektive geöffnet.
Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister, wir haben in unserem Eingangsredebeitrag dargestellt, dass sich die Kammern an uns gewandt haben. Wie können Sie sich erklären, dass diese Forderungen aufgemacht werden, obwohl Sie diese acht wichtigen Punkte genannt haben? Warum kommt es gerade jetzt in Sachsen zu dieser Forderung? Wie können Sie als Wirtschaftsminister hier in Sachsen bestimmte Dinge selbst in die Hand nehmen
und sie nach vorn bringen, also nicht nur auf der Bundesratsebene? Das würde mich einmal interessieren.
Bei der Debatte, die wir jetzt geführt haben, war es etwas schwierig herauszubekommen, wer denn eigentlich der Adressat ist. Wir haben bei vielen Maßnahmen, die wir für die Integration durchführen, nicht nur einen Adressaten, die Bundesagentur oder die Landesregierung oder die Unternehmen oder die Kammern. Es gibt genau die Frage der unterschiedlichen Zuständigkeiten, die wir koordinieren müssen.
Ich habe Ihnen mit den acht Punkten unsere grundsätzliche Herangehensweise geschildert und gezeigt, was unsere Ziele beim Thema Integration sind. Das ist die Grundlage für die Gespräche mit den Kammern, mit den Wohlfahrtsverbänden, mit der Bundesagentur für Arbeit. Das ist die Grundlage für unsere politischen Initiativen auf Bundesebene, wenn es zum Beispiel um das Thema Bleiberecht bei der Ausbildung geht oder darum, das Thema Vorrangprüfung in der gerade parallel stattfindenden Arbeits- und Sozialministerkonferenz weiter voranzutreiben. Sie haben bei den Themen unterschiedliche Adressaten. Die müssen wir koordinieren. Dass jetzt die Kammern Vorschläge machen, was sehr lobenswert ist, gehört in diesen Kanon hinein.
Ich komme noch zu dem Punkt, was wir als Ministerium anbieten, was sozusagen unser Schwerpunkt ist. Ich hatte vorhin schon angedeutet, dass wir in bestimmten Situationen durchaus chaotische Zustände haben. Unsere Aufgabe ist es, da wieder Ordnung hineinzubringen. Wir müssen aufpassen, dass die vielen gut gemeinten Vorschläge und Projekte nicht weiter zerfasern. Wir brauchen vielmehr einen roten Faden für die Arbeitsmarktintegration. Die macht sich nicht fest an der Anzahl verschiedener Projekte, sondern an dem Rahmen, den wir fördern können. Der Maßstab für eine gute Förderung oder Unterstützung von Projekten kann nicht sein, dass uns nur Projekte vorgelegt werden, sondern das ist der Rahmen, in dem wir uns bewegen. Dabei möchte ich vor allem Doppelstrukturen verhindern.
Wir haben mit der Bundesagentur für Arbeit den entscheidenden Ansprechpartner für das Thema Integration. Wir arbeiten sehr eng und gut mit der Bundesagentur zusammen. Wir wollen deshalb unsere Programme aufeinander abstimmen, nicht dass wir mit unseren Förderinstrumenten Bereiche unterstützen und finanzieren, für die eigentlich andere zuständig wären.
Ich möchte aber nicht falsch verstanden werden, dass jetzt das Schwarze-Peter-Spiel beginnt und alle warten, wer nun zuständig ist. Deshalb sind wir in einem permanenten Diskussionsprozess mit den unterschiedlichen Partnern.
Wir haben unseren Schwerpunkt vor allem darauf gelegt, bei der Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen, die Flüchtlinge mitbringen, Lotsen zu haben, die bei der Integration auf dem Arbeitsmarkt unterstützen, die
ermitteln können, welche Integrationshemmnisse es bei Flüchtlingen gibt, ob das Sprache ist, ob es Qualifikationshemmnisse sind oder Ähnliches. Das geht bis hin zur therapeutischen Behandlung. Es muss herausgefunden werden, was der individuelle Bedarf ist. Das ist nicht die Aufgabe des Arbeitgebers. Das wäre eine Lotsenfunktion, die wir mit unserem Förderprogramm zum Beispiel unterstützen wollen. So haben wir den Schwerpunkt gelegt.