Protocol of the Session on November 19, 2015

(Uwe Wurlitzer, AfD: Was? Wo steht das?)

Ich führe gern weiter aus.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Bitte!)

In der Haushaltsdebatte haben Sie allen Ernstes gefordert, die Zuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände für Projekte der Gleichberechtigung von Frau und Mann komplett zu streichen.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe!)

Zum Glück findet sich für solche unverantwortlichen Anträge hier keine Mehrheit. Die Streichung hätte Projekte betroffen, die genau diese gesellschaftliche Aufgabe mittragen und die Gleichberechtigung befördern. Das sind Vereine, die sich für die Stärkung und Selbstermächtigung von Frauen einsetzen, dafür Räume und Angebote schaffen und damit präventiv gegen häusliche Gewalt wirken. Andere Projekte bieten Unterstützung für von häuslicher Gewalt Betroffene jenseits von Frauenschutzhäusern und Koordinierungsstellen.

Viele solcher Vereine haben mit ehrenamtlichen Strukturen in den Neunzigerjahren die Frauenschutzhäuser überhaupt erst gegründet. Wenn es damals nach der AfD – die es zu der Zeit zum Glück noch gar nicht gab – gegangen wäre, wären diese Vereine wohl im Keim erstickt worden.

Die nächste wahnwitzige Idee der AfD hier im Parlament mündete in dem Antrag, die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten abzuschaffen. Auch diese haben die Aufgabe, sich für den Abbau von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts einzusetzen, und wirken in diesem Sinne präventiv gegen häusliche Gewalt. Aber die AfDFraktion konnte nicht erkennen, dass die Gleichstellungsbeauftragten eine sinnvolle Arbeit leisten.

Wenn Ihnen dieser Zusammenhang zu abstrakt ist, geht es auch hier konkreter: Im Aktionsplan wird beschrieben, dass die Gleichstellungsbeauftragten in Zusammenarbeit mit den Beratungsstellen die Netzwerkaufgaben koordinieren. Diese Netzwerke sind von zentraler Bedeutung. Hier wird die Arbeit der verschiedenen Einrichtungen und Behörden gebündelt und aufeinander abgestimmt. Der Landesaktionsplan beschreibt die lokalen Netzwerke als Basis für eine funktionierende Gewaltschutzkette vor Ort. Wäre die von der AfD geforderte Abschaffung der Gleichstellungsbeauftragten erfolgt, hätten Sie damit der Bekämpfung häuslicher Gewalt massiv ins Fleisch geschnitten.

Der Antrag der AfD ist deshalb völlig unglaubwürdig. Sie sollten dringend noch einmal über Ursache und Wirkung nachdenken. Wenn Sie das Ziel verfolgen, Gleichstellungsarbeit zu unterbinden, und dann aber die Bekämpfung häuslicher Gewalt fordern, ist das in etwa so, als würden Sie vor Karies warnen und gleichzeitig die Produktion von Zahnpasta stoppen.

(Uwe Wurlitzer, AfD: So ein Schwachsinn!)

Darüber hinaus ziehen wir auch in Zweifel, was ein Berichtsantrag hier bewirken soll.

Der Landesaktionsplan ist im Jahr 2006 beschlossen worden. Die Fortschreibung erfolgte im Jahre 2013. Diese Fortschreibung beinhaltete den Umsetzungsstand seit dem Jahr 2006, also über einen Zeitraum von sieben Jahren. Es ist fraglich, ob es notwendig ist, diesen Stand zwei Jahre später wieder abzufragen.

Das Problem ist nicht die Zielrichtung. Der wirksame Schutz von Opfern häuslicher Gewalt krankt an der Finanzierung. Die Struktur der Koordinierungs- und Beratungsstellen sowie der Schutzhäuser ist über Jahre gewachsen und hoch professionalisiert, leidet aber insgesamt an einer chronischen Unterfinanzierung.

Frau Kuge hat vorhin gesagt, dass die Mittel erhöht worden sind. Das ist richtig. Aber ich habe auch schon in der Haushaltsdebatte gesagt, dass diese mehr eingestellten Mittel mit einer Erhöhung des Aufgabenvolumens verbunden sind, es deswegen ein Nullsummenspiel ist und die Unterfinanzierung weiterhin besteht.

Um die Empfehlungen aus dem Aktionsplan umzusetzen, müssen logischerweise die notwendigen Gelder bereitgestellt werden. Nehmen wir die oben beschriebenen so wichtigen Netzwerke. Haben Sie sich einmal Gedanken gemacht, was es für ein Team im Frauenschutzhaus bedeutet, zusätzlich zur sonstigen Arbeit auch noch Personen abzustellen, die die Netzwerkarbeit machen – die natürlich gemacht werden muss, weil sie wichtig ist – und die Koordinierungstreffen besuchen? Es ist wohl nicht zu erwarten, dass diese Menschen das alles ehrenamtlich in ihrer Freizeit machen, und das in einem Beruf, der an sich schon eine hohe Belastung bedeutet. Ein Frauenschutzhaus hat keinen Feierabend. Rufbereitschaft ist an der Tagesordnung.

Ein anderes im Aktionsplan verankertes Ziel ist die Erhaltung der Plätze in den Frauenschutzhäusern. Ich habe dazu eine Kleine Anfrage gestellt; wen es interessiert: Drucksache 6/2628. Die Antwort hat ergeben, dass die Zahl der Plätze sachsenweit in den Jahren von 2009 bis 2015 um 50 Plätze gesunken ist, statt, wie im Aktionsplan empfohlen, zu steigen. Hier hat also die reine Zielformulierung nichts bewirken können. Wieder hängt alles an der Finanzierung.

Wir als Fraktion DIE LINKE haben in derselben Haushaltsdebatte – ich hatte es eben schon erwähnt –, in der die AfD alle Gleichstellungsprojekte streichen wollte, einen Antrag gestellt, die Landesmittel zur Finanzierung der Frauenschutzhäuser und Beratungsstellen deutlich zu erhöhen. Keine der anderen Fraktionen hat es in der Debatte für nötig befunden, sich dazu zu Wort zu melden. Die Absicht, häusliche Gewalt zu bekämpfen, darf aber kein Lippenbekenntnis bleiben und kein Alibipapier, wie es der Aktionsplan bleibt, wenn die Finanzierung nicht adäquat erfolgt.

Die Fraktion DIE LINKE will hier keine Papiere sichten, sondern Betroffenen den Schutz und die Hilfe geben, die

sie brauchen und die ihnen zusteht. Das geht nur mit einer ausreichenden Finanzierung aller Akteurinnen und Akteure in den Netzwerken gegen häusliche Gewalt. Wir wollen außerdem die Prävention ausbauen, indem wir Gleichstellungsprojekte weiter fördern.

Der Antrag der AfD ist wahrscheinlich nicht schädlich, er ist aber auch nicht nützlich. Vor allem ist er völlig unglaubwürdig, und wir werden ihn ablehnen.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Nach Frau Buddeberg kommt jetzt Frau Kollegin Raether-Lordieck für die SPDFraktion zu Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Frei leben ohne Gewalt!“ – Nächsten Mittwoch wird weltweit die Fahne von Terres des Femmes mit dieser Aufschrift gehisst: Nein zu Gewalt an Frauen.

Auch hier in Dresden wird die Fahne am Rathaus präsentiert. Das Thema des diesjährigen Aktionstages heißt: „Frühehen stoppen!“ Diese Menschenrechtsverletzungen sind ein Teil des mannigfachen Leids, das Mädchen und Frauen tagtäglich zugefügt wird.

Im Jahr 2004 wurde die weit bekannte Studie „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“ veröffentlich. Fast jede vierte Frau zwischen 16 und 85 Jahren erlebte danach körperliche und/oder sexuelle Gewalt durch ihren Partner oder ihre Partnerin. Zehn Jahre später, also im letzten Jahr, wurden ähnliche Zahlen durch eine Studie der EU für Deutschland ermittelt. Häusliche Gewalt ist weder Privatangelegenheit noch Bagatelle. Sie ist Ursache eines mannigfachen Leids in Partnerschaften und Familien, und sie ist strafbar.

So heißt es in der Einleitung zum sächsischen Landesaktionsplan gegen häusliche Gewalt: „Vor dem Hintergrund steigender Fallzahlen fand die erste Fassung von 2006 im Jahr 2013 ihre Fortschreibung.“ Hierzu beauftragte der Vorstand des Landespräventionsrates den Lenkungsausschuss zur Bekämpfung häuslicher Gewalt, und dieser aktualisierte den Landesaktionsplan entsprechend. Dies liegt jetzt zwei Jahre zurück.

Dieser Plan unterstreicht die Notwendigkeit einer ganzheitlich ausgerichteten Kette von Interventionsmaßnahmen des Staates, nicht staatlicher Unterstützungsangebote und die Bedeutung interdisziplinärer Zusammenarbeit und umfasst Handlungsfelder der Prävention, der effektiven Intervention bei Gewalt und Bedrohung in der Akutsituation wie auch eines umfassenden und optimalen Opferschutzes.

In diesem Plan heißt es zum Beispiel zum Thema Präventiver Kinderschutz: „Entsprechend § 36 Schulgesetz wurde der Orientierungsrahmen für Familien- und Sexualerziehung an sächsischen Schulen entwickelt. Ziel, Inhalt und Form der Familien- und Sexualerziehung sind den Eltern durch die Schule mitzuteilen und mit ihnen zu

besprechen.“ Ich kann mich ganz gut an unsere Debatte zum Sexualkundeunterricht hier im Plenum erinnern, wobei mir dabei besonders die erschreckend rückwärtsgewandten Vorstellungen von Familien- und Sexualkunde der AfD in Erinnerung geblieben sind.

Weiter heißt es im Aktionsplan: „Aufgrund gesellschaftlicher Erfordernisse... wird sich der Lenkungsausschuss... zukünftig konsequenter mit entsprechenden Präventions- und Interventionsstrategien zu den Themen ‚Gewalt gegen Ältere‘... sowie ‚Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten‘... widmen.“ Insbesondere den letzten Aspekt bringe ich so gar nicht in Einklang mit den Zielen der AfD-Fraktion.

Laut Aktionsplan stellen „geschlechtsspezifische Rollenleitbilder und Defizite in der Sozialisation“ – Frau Buddeberg hat darauf hingewiesen – „wesentliche Ursachen für die Entstehung häuslicher Gewalt dar.“... „Ihre Bekämpfung ist Teil der Gleichstellungspolitik des Freistaates. Die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten widmen sich in ihren regionalen Netzwerken zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Diskriminierung

insbesondere auch dem Thema häuslicher Gewalt. Diese gemeinsame Arbeit ist unverzichtbar, um die Thematik auf lokaler Ebene zu verankern und die Bevölkerung sowie die kommunalen Verantwortungsträgerinnen und -träger für das Thema häusliche Gewalt und Kinderschutz weiter zu sensibilisieren.“

Ich darf daran erinnern, dass es Ihre Fraktion war, die gerade erst die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten abschaffen wollte, statt sie zu stärken.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das haben die schon wieder vergessen!)

Während der Haushaltsverhandlungen wollten Sie die Gelder zusammenstreichen. Hier im Plenum haben Sie diesen Unfug dann noch mal mit einem Antrag unterlegt. Aber in ländlichen, strukturschwachen Regionen, in denen sich die Interventionen deutlich aufwendiger und schwieriger gestalten als in den gut entwickelten Regionen und Großstädten, können wir präventiv in der Regel nur auf unsere Gleichstellungsbeauftragten zurückgreifen.

Ich fasse zusammen: Sie von der AfD-Fraktion fordern eine Berichterstattung über den Umsetzungsstand und eventuelle Lücken im Sächsischen Aktionsplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt. Folgt man Ihrer

Parteidoktrin, würde diese eher Lücken – ach, was sage ich –, Löcher reißen.

Lassen wir doch den fortgeschriebenen Aktionsplan erst einmal seine Wirkung entfalten und prüfen dann mit gebührender Sorgfalt, wie angestoßene Maßnahmen gegebenenfalls zu modifizieren sind. Die Fraktion der SPD wird diesen Antrag ablehnen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN – Uwe Wurlitzer, AfD: Gott sei Dank!)

Frau Raether-Lordieck hatte gerade das Wort für die SPD-Fraktion. Jetzt spricht für die Fraktion GRÜNE Frau Meier.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie erinnern sich sicher noch an das Frühjahr dieses Jahres – wir haben es heute schon gehört –, als die AfD damals einen Antrag zur Abschaffung der Gleichstellungsbeauftragten in Landkreisen und Kommunen eingebracht hat.

Der Antrag war nicht nur wegen seines Inhalts kein Höhepunkt des Parlamentarismus. In der Begründung des Antrags haben Sie damals geschrieben: „Die Gleichstellung von Mann und Frau im Berufsalltag ist seit Langem vollzogen.“ Weiter hieß es: „Im öffentlichen Leben ist eine Benachteiligung von Frauen nicht zu erkennen.“

Nach solchen grotesken und realitätsverdrehenden Aussagen fordert heute die AfD, dass sich die Staatsregierung weiterhin konsequent für den Schutz von Opfern häuslicher Gewalt einsetzen soll. Auch haben wir gerade gehört: In den Haushaltsverhandlungen haben Sie sich genau konträr verhalten. Die SPD hat gemeinsam mit der CDU die Gelder erhöht. Wir GRÜNEN und auch die LINKEN haben noch einmal nachgelegt und Änderungsanträge eingebracht. Dem haben Sie nicht zugestimmt.

Wenn wir uns anschauen, wer in den Landkreisen und Kommunen die Ansprechpartner für die Vereine sind, die sich gegen häusliche Gewalt engagieren, sie berät und unterstützt, dann stellen wir fest: Es sind – genau – die Gleichstellungsbeauftragen, wie es soeben auch Frau Raether-Lordieck sagte.

Schaut man auf die Internetseiten der Gleichstellungsbeauftragen in den Städten und Kommunen, dann findet man überall Hinweise für die Frauen, für die Männer, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind. Es sind tatsächlich auch Männer. Es gibt Hinweise auf das Hilfstelefon. Wie Sie sehen, haben gerade die Gleichstellungsbeauftragten hierbei eine Schlüsselrolle.

Trotzdem schwingen Sie sich heute hier zum großen Beschützer der Opfer von häuslicher Gewalt auf. Ich finde, das ist relativ unglaubwürdig. Außerdem – auch das haben wir schon gehört – fordern Sie einen Berichtsantrag. Konkrete Vorschläge? – Fehlanzeige. Es ist zweifelsohne sinnvoll, dass die Staatsregierung über aktuelle Entwicklungen in diesem Bereich berichtet, dass auf neue Problemstellungen eingegangen und auch an Erfolge angeknüpft werden muss.

Aber, wie gesagt, der Aktionsplan ist jetzt gerade einmal zwei Jahre alt. Wir sollten erst einmal abwarten, was sich daraus ergibt. Selbst wenn es richtig ist, dass die Staatsregierung dies tut, so trägt Ihr Antrag nicht ernsthaft dazu bei, dass da irgendetwas passiert. Denn wenn Sie die Informationen dann haben – dessen bin ich mir relativ sicher –, würden Sie nicht die richtigen Schlüsse daraus ziehen.

Deswegen stimmen wir GRÜNEN Ihrem Antrag auch nicht zu.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)