Wir meinen, dass wir in Behandlung dieses Antrags durchaus auch einmal nach Baden-Württemberg schauen können. Dort gibt es eine sehr ordentliche Anfrage auch seitens der dortigen CDU-Fraktion zu Betreuungsvereinen in Baden-Württemberg mit einer Analyse und Antwort der Staatsregierung, die in vielerlei Hinsicht auch entsprechende Hinweise für Sachsen geben kann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Antragsteller! Es ist meines Erachtens nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen, was hier im Antrag zu finden ist, und ich werde diesbezüglich auch etwas näher darauf eingehen.
Als ehemaliger stellvertretender ehrenamtlicher Betreuer muss ich Ihnen, der Koalition, zugute halten, dass Ihr Anliegen gut gemeint und nachvollziehbar ist. Sie hätten sich aber bei der Antragstellung etwas mehr Mühe geben können. Sie bürden nämlich mit Ihren Fragestellungen den Beschäftigten in den Ministerien ein unnötiges Maß an Mehrarbeit auf, da Sie diverse Fragestellungen in Ihrer Begründung bereits selbst beantwortet haben und zum anderen Fragen über das Internet – das hat ja beispielsweise auch der Herr Krauß damals vorgeschlagen – und über unser Edas-System hier im Sächsischen Landtag beantwortbar gewesen wären.
Liebe CDU, ich muss noch einmal darauf eingehen: Der Herr Krauß hat im Rahmen der letzten Plenarsitzung gesagt, dass man sich, bevor man einen Antrag stellt, erst einmal im Internet informieren soll und diese Informationen vor Antragsabgabe einbezogen werden sollen. Das sollten Sie sich meines Erachtens auch erst einmal selbst vor Augen halten, bevor Sie beispielsweise – wie in der letzten Plenarsitzung geschehen – die Fraktion der LINKEN kritisieren.
So kann ich Ihnen – das kann ich auch belegen – die Fragen erklären und die Fragen beantworten, die Sie in Ihrem Antrag unter Punkt 1 a bis 1 c gestellt haben. Ich habe diese Antworten hier; wenn Bedarf besteht, kann ich sie Ihnen nach der Plenarsitzung aushändigen. Das Gute daran ist: Wenn ich Ihnen die Antworten heute schon gebe, können Sie mit Ihrer Arbeit schon beginnen und brauchen nicht auf die Antworten der Staatsregierung zu warten.
Des Weiteren werde ich bei Ihrem Antrag das Gefühl nicht los, dass es sich hier um einen dünnen, unausgegorenen Antrag handelt, der zwar von der Thematik her wichtig ist, aber in Teilen Konkretes vermissen lässt und mir wie ein Stochern im Nebel vorkommt. – Aber ich möchte nicht länger auf der Koalition herumhacken und komme zum eigentlichen Thema.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Betreuungsvereine, die ehrenamtlichen Betreuer und die Berufsbetreuer leisten eine nicht zu unterschätzende und wichtige Arbeit; dessen sollten wir uns alle bewusst sein. Die Anzahl der Betreuungsfälle wird in den nächsten Jahren sicherlich nicht abnehmen. Deshalb ist es wichtig, dass die Betreuungsvereine gefördert und damit die Arbeit der Ehrenamtlichen und der Berufsbetreuer gestärkt wird.
Wenn Sie in Ihrer Begründung davon sprechen, dass Betreuungsvereine für die Gewinnung, Einführung, Bera
tung und Fortbildung ehrenamtlicher Betreuer zuständig sind, dann sollten diese Vereine im Umkehrschluss auch mit der nötigen Unterstützung durch den Freistaat Sachsen und die Kommunen rechnen können.
Wir müssen uns zudem stets vor Augen halten, dass die Betreuer weder eine soziale noch eine gesundheitliche Betreuung zu leisten haben, sondern nur die rechtliche Betreuung gemäß § 1896 BGB übernehmen und sich darum zu kümmern haben, dass diese entsprechend dem Willen des Betreuten organisiert und umgesetzt wird.
Der Begriff Berufsbetreuer führt meines Erachtens etwas in die Irre und täuscht über die eigentlichen Aufgaben hinweg. Dies begründet eventuell auch das zurückhaltende Agieren von Ehrenamtlichen im Bereich der zu Betreuenden.
Die wichtigsten Aufgabenbereiche, die ein Betreuer abzubilden hat, sind zum einen die Gesundheitsvorsorge, Wohnungsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung, freiheitsentziehende Maßnahmen, Vermögensvorsorge, Vertretung vor Ämtern und Behörden, Post- und Fernmeldeverkehr mit allen dazugehörigen Berichts- und Nachweispflichten, und diese sind in der Tat sehr umfangreich.
Da diese Art der gesetzlichen Betreuung aber nur auf dem Papier funktioniert, sollte hier auf jeden Fall noch nachgearbeitet werden; denn der Betreuer wird regelmäßig mit dem Leid der Betreuten konfrontiert. Deshalb ist es nicht einfach, sich in der Praxis grundsätzlich davon zu trennen. Hier entsteht schon sozial bedingt ein nachvollziehbarer Mehraufwand, der an den Betreuern unter Umständen nicht spurlos vorübergeht.
Sie merken, dass die Arbeit eines Betreuers vielschichtig, umfangreich, bürokratisch und kompliziert ist und für viele zudem eine psychische Belastung darstellt. Eine ehrenamtliche Betreuung sollte aufgrund dessen bestenfalls aus dem persönlichen Umfeld generiert werden, da hier bereits ein Vertrauensverhältnis vorhanden ist und somit der Einstieg in die Betreuung erleichtert wird. In vielen Fällen ist dies natürlich nicht möglich, und hier sind die Betreuungsvereine in der Pflicht, dies durch entsprechende Maßnahmen zu gewährleisten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ehrenamtliche Betreuung muss von Herzen kommen und damit eine soziale Motivation voraussetzen. Hier spielt deshalb die Aufwandsentschädigung eine eher untergeordnete Rolle. Dennoch muss ich aufgrund des umfangreichen Aufgabengebietes, der Verantwortung und der bisweilen hohen psychischen Belastung über eine Erhöhung der Pauschalentschädigung – egal, ob diese von Betreuten oder von der Staatskasse zu zahlen ist – und/oder die Erhöhung des steuerlichen Freibetrages, auch wenn dies auf Bundesebene geändert werden müsste, nachgedacht werden.
Zudem müssen der bürokratische Aufwand abgebaut und die komplizierten sozialrechtlichen Gebilde überschaubarer, nachvollziehbarer und damit für den Laien machbarer gestaltet werden.
Wir benötigen zudem eine flächendeckende und effiziente Aufklärungskampagne, die zum einen über die Arbeit aufklärt und zum anderen um ehrenamtliche Betreuungskräfte wirbt.
Lassen Sie uns die Betreuungsvereine und die Betreuer stärken. Mit dem vorliegenden Antrag wird uns dies aber nicht gelingen. Deshalb bitten wir um eine punktweise Abstimmung.
Gut, dann eine Kurzintervention. – Herzlichen Dank für das Angebot. Wir werden im Rahmen des Berichtsantrages, der einer sein soll, auch auf Ihre Unterlagen zurückkommen. Sie sind in Ihrer Rede sehr ausführlich darauf eingegangen, dass dieser Berichtsantrag nicht vollständig wäre und nachgearbeitet werden müsste. Mich hätte in diesem Zusammenhang interessiert, was Sie überhaupt damit meinen; denn mit diesem Satz haben Sie geendet und sind in Allgemeinfloskeln ergangen.
Wenn wir mit dem Berichtsantrag hineingehen und Sie sagen, es müsste nachgearbeitet werden, dann müsste entweder ein Änderungsantrag vorliegen oder Sie müssten wenigstens vorgetragen haben, welche Änderungen Sie wünschen. Das sind Sie uns aber leider schuldig geblieben.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Es ist ein Berichtsantrag, aber nicht nur, Herr Modschiedler; das dürfte Ihnen klar sein. Er ist in meinen Augen auch deshalb unvollständig, weil er einige Punkte vermissen lässt. Dabei geht es unter anderem auch um die Evaluation der Bürokratie, die in diesem Bereich eine sehr große Rolle spielt. Das beklagen sehr viele Betreuer; sprich, der organisatorische Aufwand ist sehr hoch und für viele Laien teilweise nicht durchschaubar, nicht transparent genug.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich sage es einmal so: Der Antrag hat das Ziel, Licht in das Dunkel der rechtlichen Betreuung in
Sachsen zu bringen. Der Berichtsteil ist sehr umfangreich. Die unter Punkt 2 geforderten Maßnahmen sind aber noch wenig konkret.
Der Antrag ist aus unserer Sicht nur dann sinnvoll, wenn, sobald der Berichtsteil vorliegt, die entsprechende Analyse tatsächlich stattfindet und daraus Handlungsschritte abgeleitet und umgesetzt werden. Da wir davon ausgehen, dass das die Intention der einbringenden Fraktionen ist, werden wir den Antrag heute unterstützend mit auf den Weg bringen.
Die rechtliche Betreuung durch Berufsbetreuer ist ein Konstrukt, das geschaffen wurde, um die fatale Folge des Auseinanderdriftens von Familien, nämlich das Sichnicht-mehr-umeinander-Kümmern, zu kompensieren.
Rechtliche Betreuerinnen und Betreuer müssen ebenso die Schwierigkeiten kompensieren, die ein immer komplexer werdender Alltag mit sich bringt. Immer häufiger wird eine rechtliche Betreuung aber auch bei jungen Menschen angeordnet, die mit der Bewältigung des Alltagsgeschehens überfordert sind, insbesondere dann, wenn Kinder dazukommen.
Lassen Sie mich deshalb noch ein paar kritische Anmerkungen zu der Praxis häufiger Betreuungsanordnungen machen! Stellen Sie sich eine alleinerziehende Mutter vor, die für vier Kinder sorgen muss. Für das eine muss ein Kita-Freiplatz besorgt werden. Die Übernahme der Mittagessenkosten im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets muss beantragt werden. Das nächste Kind braucht einen Hort-Freiplatz, Nachhilfe in Mathe, finanzielle Unterstützung bei der Klassenfahrt, und es muss ein Antrag auf Übernahme der Kosten für den Gitarrenunterricht gestellt werden. Das dritte Kind soll in die Förderschule geschickt werden; die Mutter und das Kind wollen das aber nicht. An dieser Stelle muss sich die Mutter noch mit der Sächsischen Bildungsagentur, der Schulleitung und dem Sozialamt auseinandersetzen und herumstreiten. Der Große hat seine Ausbildung abgebrochen; da schlagen die Wogen über der Mutter völlig zusammen. Die Antragsfristen werden verpasst, das Mittagessen in der Kita wird nicht bezahlt. Das Kind bekommt kein Mittagessen mehr. Eines kommt zum anderen. Überforderung und Misserfolge sind so vorprogrammiert.
Dann ist eine rechtliche Betreuung natürlich schnell angeordnet. Das Problem ist gelöst. Alle Beteiligten atmen erst einmal auf. Alle sind dann auch irgendwie heraus aus der Verantwortung; denn das alles regelt jetzt der rechtliche Betreuer.
Lassen Sie mich die Mutter durch eine blinde Frau oder einen kognitiv eingeschränkten Mann austauschen, die jeweils voll am Leben teilhaben, aber auf Schwierigkeiten stoßen, die das Leben in einer hoch entwickelten, schnelllebigen Gesellschaft und einem eben nicht barrierefreien Alltag mit sich bringt. Auch in diesem Fall sind Scheitern, Frust und Fehlentscheidungen mit rechtlichen Folgen vorprogrammiert. Auch dann soll die Anordnung einer rechtlichen Betreuung wieder alles richten.
Meine Damen und Herren! Wäre bei den soeben geschilderten Beispielen eine rechtliche Betreuung nicht absolut vermeidbar gewesen, wenn die Rahmenbedingungen und Strukturen besser gepasst hätten? Ich möchte Sie also wirklich ermuntern, sowohl in der heutigen Debatte als auch in Zukunft Ihren Blick über die rechtliche Betreuung hinausgehen zu lassen, das heißt dem Punkt 1 g des Antrags mehr Gewicht zu geben, in dem gefordert wird, Maßnahmen zu ergreifen, die den Bedarf an rechtlicher Betreuung mindern.
Empfehlenswert sind zum Beispiel gemeindenahe Anlaufstellen, die über sämtliche sozialhilferechtlichen Ansprüche barrierefrei informieren und daneben Hilfe bei der Antragstellung anbieten. Damit wäre schon vielen geholfen, und eine rechtliche Betreuung könnte in zahlreichen Fällen vermieden oder ein ganzes Stück hinausgezögert werden.
Andere Bundesländer haben schon Wege zur Betreuungsoptimierung beschritten, die wir hier in Sachsen adaptieren könnten. Beispielhaft nennen möchte ich das Projekt „Betreuungsoptimierung durch Sozialleistungen“ aus Mecklenburg-Vorpommern. Es lohnt sich, genau hinzuschauen, wie das dort organisiert wird.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde? – Aus den Reihen der Fraktionen sehe ich keine Wortmeldungen.
Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Gemkow, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! In den vergangenen rund 25 Jahren ist im Freistaat Sachsen das Durchschnittsalter von 39,4 Jahren auf 46,5 Jahre angestiegen. Dieser Alterungsprozess wird anhalten. Nach den Prognosen des Statistischen Landesamtes wird der Altersdurchschnitt bis zum Jahr 2025 auf über 50 Jahre steigen. Dann wird voraussichtlich jeder dritte Sachse über 65 Jahre alt sein. Der Anteil der über 80-Jährigen wird bei circa 10 % liegen. Wer heute als Mädchen in Sachsen zur Welt kommt, der kann mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von knapp 84 Jahren rechnen. Sachsen ist im Bundesvergleich im Hinblick auf die Bevölkerung das zweitälteste Bundesland.