Protocol of the Session on September 17, 2015

Frau Klepsch, die Koalition kann aufgrund ihres Koalitionsvertrages und des Ergebnisses der Haushaltsverhandlungen 2015/2016 – ich bin völlig bei Ihnen, dass Bewegung dort längst hinein musste, und Gott sei Dank ist Bewegung hineingekommen – das Thema noch einmal thematisieren. Wir möchten daran erinnern, dass sich in

diesem Land etwas bewegt und nicht alles furchtbar, schlecht und finster ist und morgen das Abendland untergeht.

Es wird gefragt, warum wir diese Debatte eigentlich führen. Ich nehme für mich als Koalitionär in Anspruch, auch über die kleinen, schönen und netten Schritte in diesem Freistaat Sachsen zu sprechen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Vielleicht sollten wir so etwas mehr machen. Dann würden draußen auf der Straße nicht so viele Leute – ich meine nicht die Kita-Erzieher und -Erzieherinnen, ich meine eine andere Klientel, ich meine Bürger, die mittlerweile mit allem und jedem unzufrieden sind und jedes persönliche Problem auf die Straße projizieren – demonstrieren. Vielleicht sollten wir uns wieder mehr angewöhnen, über die positiven Dinge in diesem Leben und Freistaat zu sprechen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Unruhe bei den LINKEN)

Herr Zschocke, Frau Klepsch und Herr Wendt, nun komme ich auf die Standards zu sprechen. Ich habe die Punkte – vorhin auch im Vergleich zum Bundesland Niedersachsen oder zur Schweiz – nicht umsonst benannt. Nein, die Herausforderungen, die wir hier zu bestehen haben, sind nicht, höher, schneller und weiter zu sein. Die Herausforderung besteht darin, den Standard, den wir erreicht haben – 97 % aller Kinder im Freistaat Sachsen im Kindergartenalter werden in einer Einrichtung betreut, wir liegen damit sogar über dem Durchschnitt der ostdeutschen Länder bei der Betreuungsquote in der Kinderkrippe –, auf Dauer zu halten. Das berücksichtigen Sie in Ihrer Debatte, in der es um das Höher, Schneller und Weiter geht – wer gibt noch mehr Geld aus und wer macht sich noch beliebter? –, nicht.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Herr Zschocke, ich kann Ihnen die Zahl genau sagen. Die Personalschlüsselverbesserung vom 1. September 2015 bis zum 1. September 2018, wenn auch in der Kinderkrippe die fünf Kinder erreicht sind, kostet immerhin 176 Millionen Euro. Wir bewegen uns auf einem Niveau von über 600 Millionen Euro, was der Freistaat Sachsen als Land – das ist ein Drittel, wenn man von der Drittelfinanzierung ausgeht – für die Kindertagesbetreuung im Freistaat Sachsen ausgibt. Im gesamten Freistaat Sachsen – inklusive der Elternbeiträge und der kommunalen Anteile – werden 1,8 Milliarden Euro für die Betreuung von Kindergartenkindern, Krippenkindern und für Hort und Tagespflege ausgegeben. Wir können uns als Freistaat Sachsen, wenn man sich einmal die Relation zum Gesamthaushalt anschaut, sehen lassen. So ehrlich müssen Sie schon sein.

Herr Wendt, deswegen macht es keinen Sinn, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Sie können nicht den Betreuungsschlüssel von Baden-Württemberg mit dem unsrigen

vergleichen. Wenn Baden-Württemberg irgendwann an dem Punkt angekommen ist, dass 97 % aller Kinder im Kindergarten und über 50 % aller Kinder in der Kinderkrippe betreut werden, reden wir wieder über den Betreuungsschlüssel in Baden-Württemberg, Hessen, NordrheinWestfalen oder Niedersachsen. Wenn das erreicht ist, dann können wir wieder darüber reden, aber nicht heute.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Herr Wendt, ich nenne noch folgenden Punkt: In BadenWürttemberg, Sie sollten einmal recherchieren, werden zurzeit Sozialarbeiter und sogenannte Dorfhelfer in der Kita eingesetzt.

(André Wendt, AfD: Die werden doch nicht mit eingerechnet!)

So viel möchte ich zu diesem Thema, welche Qualität wir haben, ohne den einzelnen Personen etwas absprechen zu wollen, sagen. Die Qualität bemisst sich auch ein Stück weit nach der Ausbildung.

Ich komme nun zum letzten Punkt. Bei allem, was wir hier diskutieren, müssen wir uns über eines klar sein: Allein für diese Minischritte, wie Sie sie bezeichnen, vier Stück an der Zahl, im Kindergarten und in der Kinderkrippe, bedarf es bis zum Jahr 2018 2 200 Personen aus dem Bereich des pädagogischem Fachpersonals mehr, um diese Schlüsselverbesserung abzudecken.

Die Redezeit ist zu Ende.

Jawohl. – Wenn Sie sich hier hinstellen und von kleinen Schritten sprechen, dann bringen Sie bitte auch ein Konzept, wie Sie im Freistaat Sachsen das entsprechende Personal bereitstellen möchten.

Die Redezeit ist zu Ende!

Bringen Sie ein Konzept, wie Sie das bei allen Gedanken der Tariferhöhung, die momentan im Erzieherbereich diskutiert werden, finanzieren möchten. Ich bin sehr gespannt darauf.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Herr Schreiber sprach für die CDU-Fraktion. Nun folgt als Nächster Herr Kollege Mario Pecher für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es dürfte Sie nicht erstaunen, dass zu diesem Thema auch ein Finanzler das Wort ergreift. Wir hatten diese Debatte bereits im Rahmen des Haushalts. Ich hatte mich mit Frau Klepsch auseinandergesetzt.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wir erinnern uns!)

Ja, Sie erinnern sich. Es ging um die Mütze. Wo ist die Mütze? Wir sind am Anfang eines Weges, den wir in diesem Koalitionsvertrag gezeichnet haben. Ich möchte gar nicht so sehr auf das Geld eingehen, welches Herr Schreiber bereits erwähnt hat.

Das ist der Anfang eines Weges. Es ist uns gelungen, nach fünf Jahren Stillstand in diesem Bereich die Scheinwerfer auf Fernlicht zu stellen. Ich möchte auch daran erinnern, dass wir im zehnten Jahr von kreditfreien Haushalten sind. Alles, was wir jetzt hier vereinbart haben, ist ohne Kreditfinanzierungen möglich. Ich denke, das ist schon ein Alleinstellungsmerkmal des Freistaates Sachsen im Kontext der anderen Länder.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass es eben nicht einfach so ist, im Haushalt zu fordern, und dann packen wir noch 100 oder 150 Millionen Euro drauf. Dieses System Kita-Finanzierung ist im Ausgleich und im Kontext zwischen dem Freistaat Sachsen, den Kommunen und den Eltern zu betrachten. Das heißt, in jedem Bereich, in dem wir steuern und nachsteuern, müssen wir beachten, dass die anderen uns folgen können, dass sie sowohl in fiskalischer Hinsicht, in Hinsicht der Infrastruktur und in personeller Hinsicht mitmachen und mittun können. Deshalb haben wir das in diesen Stufen auch in Abstimmung mit den Kommunen so gemacht. Ich glaube, dass es der richtige Weg ist.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Zu den Vergleichen mit anderen Ländern. Es mag vollkommen richtig sein, dass in einer Kita irgendwo in diesem Land, wenn dort drei Betreuer auf sechs Kinder kommen, dies eine wunderschöne Sache ist. Es nützt unseren Eltern aber nichts, wenn sie die Einrichtungen gar nicht haben oder diese 14:00 Uhr schließen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Herr Schreiber hat es gesagt: fast 100 % Betreuungsmöglichkeit. Auch das muss man herausstellen. Es ist ja kein Zwang, Kinder in die Kita zu schicken. Dass die Eltern dies tun, dass sie ihre Kinder in diese Einrichtung geben, spricht für die Qualität und für das Vertrauen in dieses System.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Wenn man betrachtet, was wir hier im Freistaat machen, braucht man nur einmal das Musterland Bayern heranzuziehen. Dieses müsste, wenn es diese Quote zu ihrer Bevölkerung hat, 850 000 Kinder betreuen! Das ist, wenn ich richtig gerechnet habe, das Vierfache von dem, was wir bei 100 % machen. Ich kann meinem Kollegen Schreiber hier recht geben, denn ich glaube – Herr Zschocke mag ja recht haben, wenn er sagt, man könnte hier und da noch etwas machen, von der Drückerei bei den Koalitionsgesprächen abgesehen –, dass wir ein kleines bisschen stolz auf das Erreichte sein können, ohne satte Zufriedenheit, dass das reicht, aber stolz auf das

Erreichte. Das würde uns in dieser Debatte wirklich guttun.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Kollege Pecher sprach für die miteinbringende SPD-Fraktion. Die Fraktion DIE LINKE ergreift erneut das Wort. Frau Kollegin Klepsch, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, niemand, lieber Kollege Schreiber, hat hier alles schlechtgemacht. Es ist Ihre Debatte, die Sie angeregt haben, und nicht wir. Das will ich noch einmal herausstellen. Sie wollten heute wieder einmal über das Thema KitaBetreuung und -Qualität sprechen. Die Debatte zeigt doch, dass wir dauerhaft einen Dialog über Qualitätsstandards brauchen und natürlich auch über die Finanzierung. Da sind wir uns einig.

Aber wenn Sie nach einem Konzept fragen, Herr Schreiber, dann sage ich: Nehmen Sie doch bitte einmal die Anregung des Städte- und Gemeindetages und des Landkreistages zum letzten Haushaltsentwurf auf. Hier gibt es nämlich durchaus Anregungen, auch die Finanzierung vom Kopf auf die Füße zu stellen und damit nicht mehr dem Sozialgesetzbuch zu widersprechen, sondern die Eltern tatsächlich nach ihrer Leistungsfähigkeit bei der Finanzierung zu belasten jenseits der Frage, ob das nicht eigentlich beitragsfrei sein sollte, wie es LINKE und SPD in ihren Programmen wollen. Aber wir hätten noch finanziellen Spielraum.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

– Nein, danke.

Im Punkt 2 zu den Kosten. Herr Pecher hat jetzt noch einmal darauf hingewiesen, dass wir insgesamt mehr Geld aufwenden und dass Bayern mehr Kinder betreut. Ja, natürlich kostet die Kita-Betreuung mehr; wir haben aber auch deutlich mehr Kinder in den Kindertageseinrichtungen, nämlich aus zwei Gründen: Zum einen, weil die Geburtenrate in den beiden Großstädten Dresden und Leipzig erfreulicherweise steigt und weil wir zum anderen seit einem Jahr, nämlich seit 2013, einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz haben. Dieser führt natürlich dazu, dass es noch mehr Kinder gibt, die ab dem ersten Geburtstag in die Krippe gehen, und das kostet Geld.

Zu Bayern sage ich nur: Natürlich hat Bayern 800 000 Kinder in der Kindertagesbetreuung. Das ist mehr als in Sachsen. Aber dieses Bundesland hat ja auch deutlich mehr Einwohner als Sachsen und damit ein höheres Steueraufkommen. Da, Herr Pecher, vergleichen Sie Äpfel mit Birnen.

(Beifall bei den LINKEN)

Kommen wir zurück zum eigentlichen Qualitätsdialog. Das Thema ist mir sehr wichtig. Da müssen wir sicher über Hausaufgaben jenseits ihrer Vereinbarung im Koalitionsvertrag sprechen, die die Koalition mitnehmen muss, wie der Schlüssel in den nächsten Jahren verbessert werden soll. Ich betrachte diesen Dialog, den wir in den entsprechenden Fachausschüssen führen, als das gemeinsame Ringen aller Fraktionen um die Zukunft unseres Landes, denn in der Kindertagesbetreuung werden bekanntlich die Grundlagen für einen erfolgreichen Bildungsweg der Kinder und Jugendlichen gelegt.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns darüber verständigen, welches Personal mit welchen Qualifikationen in diesen Einrichtungen arbeiten darf. Hier appelliere ich an die Koalition. Weichen Sie bitte die Fachkräfteverordnung nicht auf. Sie sind auf dem besten Weg mit dem Beschluss, Assistenzkräfte in die Krippen ab 2017 hineinzulassen. Aber jede Form von Hilfskräften und Unterstützungskräften ist nicht nur ein Mehr an Personal, sondern sie ist auch eine Zusatzbelastung für die Einrichtungen, wenn es Hilfskräfte sind wie Sozialassistenten, die durch die Fachkräfte noch einmal extra angeleitet werden müssen. Ich glaube, hier tun wir den Krippenerzieherinnen und -erziehern keinen Gefallen, wenn wir die Assistenzkräfte hineinlassen. Das hat auch die Anhörung im Schulausschuss, die wir neulich zum Thema Erzieherbild hatten, noch einmal deutlich gemacht.

Ich erzähle Ihnen noch einmal das Beispiel. Wenn ein Sozialassistent, der mit Mühe und Not die mittlere Reife geschafft hat und in Deutsch eine Vier hat, plötzlich den Kindern in der Krippe die deutsche Sprache beibringen soll, dann weiß ich nicht, was am Ende dort herauskommt. Dem müssen wir Einhalt gebieten. Wir brauchen eine Debatte über die Qualitätsstandards und die Fachkräfteverordnung.

(Beifall bei den LINKEN)

Lassen Sie mich noch zwei Punkte nennen. Es ist zum einen die Fachberatung. Diese ist leider unterfinanziert, sie ist nicht so in der Menge der Fachberaterinnen und -berater mitgewachsen, wie die Gruppen und Einrichtungen gewachsen sind. Auch hier brauchen wir einen Ausbau. Warum? Wir haben einen Generationswechsel in den Kindertageseinrichtungen, der bewältigt werden muss, und wir haben auch neue Herausforderungen wie die Themeninklusion, interkulturelle Arbeit und Migration. Hier brauchen wir Qualität, die die Arbeit der Teams in den Einrichtungen sichert.

Daher ist es wichtig, dass wir uns heute noch einmal darüber verständigt haben, liebe Koalition. Sie wollten diese Debatte führen, aber Sie haben an meinen Ausführungen wie auch aus den Ausführungen der anderen Kollegen aus der Opposition gemerkt, dass es hier noch genug Hausaufgaben gibt, die erledigt werden müssen. Das heißt Qualitätsverbesserung ja, aber nicht auf dem Rücken der Fachkräfte und nicht auf dem Rücken der Kinder, sondern immer im Interesse einer guten Bildungsqualität in den Kitas.