Protocol of the Session on September 16, 2015

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Keine Sorge, ich werde jetzt keine Physikvorlesung halten.

(Frank Heidan, CDU: Das wäre vielleicht mal nötig!)

Das würde ich allerdings gern mal machen, aber nicht in diesem Rahmen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Da finden wir schon eine Lösung!)

Gern. – Sie alle wissen, Sachsen hat sich mit dem Energie- und Klimaprogramm 2012 ehrgeizige klima- und energiepolitische Ziele gesetzt. Der Ausbau der Windenergie spielt dabei eine wichtige Rolle. Dies funktioniert allerdings nur mit vorlaufender Planung, insbesondere zur Optimierung der Standorte, um einen Wildwuchs von Windenergieanlagen zu vermeiden.

Diese wichtige Aufgabe obliegt im Freistaat Sachsen den vier regionalen Planungsverbänden. Dieses planerische Vorgehen hat sich bisher klima- und energiepolitisch bewährt. Auch der Koalitionsvertrag spricht von einer regionalen Steuerung der Windkraftnutzung durch die Regionalplanung. Eine starre 10H-Regelung würde dem entgegenstehen – nicht zuletzt deshalb, weil die 10HRegelung zu einem Bauverbot neuer, ertragreicherer Anlagen als Ersatz alter Anlagen führen würde.

Außerdem würde das bestehende Planungssystem grundlegend geändert – was viele Anpassungen und Verzögerungen nach sich ziehen würde. Mit der neuen Regionalplanungsgeneration wäre dann nicht schon 2016/2017, also im nächsten Jahr, zu rechnen, sondern erst erheblich später. Das heißt, wir könnten erst erheblich später notwendige Änderungen umsetzen. Das muss man bedenken.

Meine Damen und Herren von der AfD, Ihr Ländervergleich – Sie sprechen ja nur vom Freistaat Bayern – ist unvollständig; denn alle anderen Bundesländer beabsichtigen aktuell nicht, von der Länderöffnungsklausel Gebrauch zu machen oder gar eine 10H-Abstandsregelung einzuführen. Richtig ist, dass sich Sachsen mit Bayern 2013 beim Bund dafür eingesetzt hat, den Ländern bei der Abstandsregelung Spielräume zu schaffen. Diesem Wunsch ist gefolgt worden.

Nach gegenwärtigem Stand der Prüfung haben wir keine Anhaltspunkte, die Anlass geben würden, vom bestehenden System abzuweichen. Das heißt, Konzentration statt der viel zitierten Verspargelung der Landschaft. Damit wird der Situation im Freistaat Sachsen bestmöglich Rechnung getragen.

Meine Damen und Herren von der AfD, Sie sagen es ja selbst: Gute Politik beachtet die teils sehr heterogenen Realitäten vor Ort, und genau wegen solcher regionalen

Unterschiede ist es sinnvoll, in einem gesetzten Rahmen vor Ort nach optimalen Lösungen bei der Standortauswahl von Windenergieanlagen zu suchen.

Dafür gibt es die mehrstufigen regionalen Planungsverfahren mit direkter Mitwirkungsmöglichkeit der Bevölkerung. Zugegebenermaßen ist dies kein einfacher Prozess; denn das Thema der Windenergienutzung bewegt aktuell sehr viele Menschen in unserem Land, wie die Vielzahl von Bürgerschreiben und letztlich auch die im Antrag genannten Kreistagsbeschlüsse zeigen.

Aus Sicht der Staatsregierung ist es aber ein notwendiger und auch lohnender Weg, die unterschiedlichsten Interessen unter einen Hut zu bringen. Kurz: Das bisherige Planungssystem der Steuerung der Windenergienutzung in Sachsen hat sich bewährt. Die Staatsregierung empfiehlt daher, den Antrag abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE, und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Das war Herr Staatsminister Prof. Unland, der für die Staatsregierung sprach. – Das Schlusswort hat jetzt für die einbringende AfDFraktion Herr Kollege Urban.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Herr Fritzsche, Frau Dr. Pinka, man kann die Debatte um die Abstandsregelungen nicht von der Debatte um den Sinn und Unsinn der Energiewende und den Ausbau der Windenergie trennen. Genau deswegen führen wir diese Debatte, weil wir wissen – das sagen Sie ja selbst und das sagen auch die Planungsverbände –, dass ein weiterer Ausbau der Windkraft mit einer Abstandsregelung nicht möglich wäre. Es geht also darum: Haben wir Platz für die Bürger, um im ländlichen Raum leben zu können, oder haben wir Platz für die Windkraft, um Geld zu verdienen? Das lässt sich nicht voneinander trennen.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Ja, eben!)

Es ist auch kein Wunder, dass die AfD zum zweiten Mal in diesem Jahr mit einem Antrag, betreffend die Abstandsregelungen bzw. den weiteren Ausbau der Windkraft, hier vorstellig wird, weil die Frist für die Nutzung der Länderöffnungsklausel das Jahresende 2015 ist; auch das wissen Sie.

Die viel beschworene Bürgerbeteiligung, die immer wieder angesprochen wird, ist bei den derzeitigen Planungsverfahren nur ein Alibi. Der Bürger, die Gemeinde kann es am Ende, wenn sie die Windkraft nicht will, nicht durchsetzen, sondern sie bekommt die Anlage vor die Nase gesetzt.

Über 50 Bürgerinitiativen in Sachsen setzen sich für eine flexible, bauhöhenabhängige 10H-Abstandsregelung ein. Angesichts der Untätigkeit der regierenden Parteien haben bereits vier Kreistage die Staatsregierung aufgefordert,

die 10H-Abstandsregelung einzuführen. Weitere Kreistage werden folgen; wir wissen das.

Der bisherige Ausbau der Windkraft in Sachsen hat nicht dazu beigetragen, dass erhebliche CO2-Mengen eingespart wurden. Damit entfällt die einzige Begründung für den subventionierten Ausbau der Windkraft.

Auf der anderen Seite sind die Schäden offensichtlich. Die sächsischen Windkraftanlagen haben inzwischen Tausende Vögel und Zehntausende Fledermäuse getötet.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: In 50 Metern Höhe werden sie geschreddert!)

Sie haben die heimatliche Landschaft Zehntausender Bürger in Sachsen nachhaltig geschädigt und mindern permanent deren Lebensqualität. Die Windkraftanlagen haben zu einer signifikanten Verteuerung der Stromversorgung der Verbraucher geführt, und sie haben einige wenige reich gemacht – ja, das stimmt.

Liebe Kollegen von den LINKEN, Ihre Partei wird auch deshalb gewählt, weil Sie die sozial Schwächeren vertreten.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Das kann man von Ihrer Partei nicht sagen!)

Schützen Sie Ihre Wähler in den ländlichen Regionen Sachsens vor den Interessen der wenigen Profiteure der Windkraft.

(Zuruf der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

Liebe Kollegen von den GRÜNEN, Umweltschutz ist nicht nur Klimaschutz. Sie wissen, dass CO2-Einsparungen in Deutschland, wenn sie denn überhaupt stattfinden, kaum Einfluss auf das Weltklima haben können. Schützen Sie deshalb Mensch und Tier nicht nur vor Straßenlärm und Gentechnik.

Liebe Kollegen von der CDU, Sie haben im Bundesrat die Länderöffnungsklausel durchgesetzt. Ihre Wähler erwarten von Ihnen die Einlösung Ihrer Wahlversprechen. Sie erwarten von Ihnen nicht, dass Sie den Ausbau der Windkraft mit allen möglichen Mitteln durchsetzen. Sie erwarten von Ihnen verbindliche Abstandsregelungen für Windkraftanlagen.

Sehr geehrte Abgeordnete des Sächsischen Landtags, hören Sie auf die Stimmen der betroffenen sächsischen Bürger und stimmen Sie unserem Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war das Schlusswort der einbringenden Fraktion von Herrn Kollegen Urban.

Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 6/2659 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Einzelne Stimmenthaltungen. Damit ist diese Drucksache nicht beschlossen und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 8

Ambulante Geburtshilfe und Hebammenversorgung in Sachsen sicherstellen

Drucksache 6/1874, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: GRÜNE, CDU, DIE LINKE, SPD, AfD, Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich erteile jetzt der Fraktion GRÜNE als Einreicherin das Wort. Es ergreift Herr Kollege Zschocke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Haftpflichtproblematik freiberuflicher Hebammen wird in den letzten Jahren heftig auf Bundesebene diskutiert. Zum Internationalen Hebammentag am 5. Mai gingen auch in diesem Jahr deutschlandweit wieder Tausende Hebammen und Eltern auf die Straße. Sie fordern eine schnelle Lösung, auch vonseiten der Politik.

Wir bringen heute diesen Antrag ein, um klarzumachen: Der Freistaat darf nicht zuschauen, wie die letzten Hebammen hier in Sachsen aufgrund der hohen Haftpflichtprämien gezwungen sind, ihren Beruf aufzugeben.

Zum Problem selbst: Die Hebammen sind gesetzlich verpflichtet, sich über eine Berufshaftpflichtversicherung abzusichern. Die Schadensfälle sind in den letzten Jahren leicht zurückgegangen, aber die Kosten pro Fall steigen drastisch an. Immer weniger Versicherer wollen dieses Risiko absichern. So sind die Beiträge seit 2009 um über 50 % angestiegen. Für die ambulante Geburtshilfe müssen freiberufliche Hebammen nun knapp 6 300 Euro im Jahr zahlen; im Jahr 2009 waren es noch 2 300 Euro.

Diese kaum bezahlbaren Beiträge haben auch in Sachsen zu großflächigen Hebammenverlusten geführt. Der Deutsche Hebammenverband geht davon aus, dass in den letzten fünf Jahren ein Viertel der freiberuflichen Hebammen gezwungen war, ihren Beruf aufzugeben. In Sachsen liegt die Zahl noch höher. Der Sächsische Hebammenverband schätzt ein, dass hier fast jede dritte freiberufliche Hebamme betroffen ist. Es gibt keine genauen Zahlen, aber die letzten etwa 70 Hebammen, die

überhaupt noch ambulante Geburtshilfe hier im Freistaat anbieten, sind akut in ihrer Existenz bedroht.

Eine verbindliche politische Lösung für dieses Problem auf Bundesebene gibt es nach wie vor nicht. Zu lange wurden die steigenden Haftpflichtprämien vom Bundesgesundheitsministerium ignoriert. Auch die geplante finanzielle Entlastung freiberuflicher Hebammen durch einen Sicherstellungszuschlag zum 1. Juli 2015 zeigt überhaupt keine Wirkung, weil nämlich die Verhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Hebammenverband in dieser Frage gescheitert sind.

Die Schiedsstelle ist angerufen worden; das Verfahren dauert an. Wie lange es noch geht, ist völlig unklar.