Protocol of the Session on September 16, 2015

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Sonne und Wind, die an guten Tagen das Land vollständig mit Strom versorgen können, noch ein Stück weit davon entfernt sind, die gewohnte und für unseren Wirtschaftsstandort notwendige Versorgungssicherheit zu garantieren.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Daher ist in Deutschland momentan ein Energiemix vernünftig, in dem auch die sächsische Braunkohle mit ihren modernen, effizienten Kraftwerken ihren Platz hat.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Die heimische Braunkohle versorgt uns nicht nur sicher mit Energie; Braunkohle ist zugleich ein wertvoller Rohstoff. Wir werden auch in Zukunft über die stoffliche Nutzung reden und diese weiterentwickeln.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Sachsen kann auf eine wertvolle Rohstoffstrategie setzen. Das passt zu unserem Industrieland. Denn wie heißt es so schön? Alles kommt vom Bergwerk her.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Die Braunkohle ist Strukturkern ganzer Regionen. Im mitteldeutschen Braunkohlerevier um Leipzig und in der Lausitz sind es 3 300 Arbeitsplätze, die direkt von der Braunkohle abhängig sind. Über 10 000 Menschen und ihre Familien leben von der Braunkohle. Wir tragen gemeinsam die soziale Verantwortung für die Menschen und die regionale Weiterentwicklung der Braunkohleregion. Durch Erhalt oder Schaffung von Arbeitsplätzen Arbeit in den betroffenen Regionen zu sichern hat für uns oberste Priorität.

Was heißt das für die öffentliche Verwaltung? Eine starke Wirtschaft braucht einen starken Staat. Eine erfolgreiche Wirtschaft braucht eine stabile Gesellschaft und einen starken Staat. Ein starker Staat ist weder ein autoritärer Staat noch ein Staat der Regelungswut. Es ist ein Staat,

der Freiheit sichert, der angemessene Rahmen setzt und klug reguliert. Es ist ein Staat, der Kreativität fördert und nicht hemmt. Es ist ein Staat, der die Schwachen schützt. So ein Staat braucht Geld und bestes Personal. So wie ein Schiff nur Kurs mit einer guten Crew halten kann, so benötigen Investoren eine verlässliche und flexible Verwaltung. Aber auch die Bürgerinnen und Bürger verlangen nach einer handlungsfähigen Verwaltung, die ihren Bedürfnissen in den unterschiedlichsten Lebenslagen gerecht wird.

Der Druck auf die Verwaltung zu mehr Agilität und Schnelligkeit, um auf veränderte wirtschaftliche, rechtliche und soziale Zusammenhänge zu reagieren, ist dabei merklich gestiegen. Nicht zuletzt entscheidet daher die Ausstattung, Motivation und Kompetenz des Personals über den Gesamterfolg einer effizienten Verwaltung. So eine Verwaltung ist dann auch selbst innovativ, etwa wenn sie die Ausschreibungen nicht nur nach dem Prinzip der kurzfristigen Wirtschaftlichkeit vornimmt, sondern vom Auftragnehmer innovative Lösungen abfordert.

Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes haben in den vergangenen Jahren wesentlich dazu beigetragen, die öffentlichen Haushalte zu entlasten. Dies gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Beamtinnen und Beamte gleichermaßen. Aber auch in Zeiten von Sparsamkeit und Schuldenbremse müssen Personal und Ausstattung des öffentlichen Dienstes stimmen. Eine weitsichtige Personalpolitik, egal ob in Verwaltung oder Unternehmen, richtet sich deshalb vor allem nach dem tatsächlichen Bedarf und den Aufgaben. Nicht ohne Grund haben viele Unternehmen auch in der vergangenen Krisenzeit am Fachpersonal festgehalten. Für die öffentliche Verwaltung ist es wichtig, wieder klug in die Zukunft zu investieren und die Personalstruktur bedarfsgerecht weiterzuentwickeln.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Deshalb haben wir eine eigene Kommission eingesetzt, die die Grundlagen dafür schaffen wird.

Wir stehen in Sachsen vor sehr spezifischen Herausforderungen. Diese hängen zusammen mit unserer besonderen demografischen Entwicklung, der geografischen Lage und den strukturellen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft, aber sie hängen auch vom technologischen Wandel und der Zuwanderung ab. Wir müssen unsere Spielräume auch zur Stärkung des öffentlichen Dienstes nutzen. Wir wollen, nein, wir müssen die Attraktivität des öffentlichen Dienstes für gut qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich steigern. Andernfalls wird es schwer, das Schiff auf Kurs zu halten. Die öffentliche Verwaltung wird künftig stärker mit der Privatwirtschaft um geeignetes Personal konkurrieren. Dies kann nicht allein über die Lohnhöhe erfolgen. Man wird Alleinstellungsmerkmale wie attraktive Arbeitsbedingungen und Sicherheit betonen müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Große Herausforderungen stehen vor uns. Mit einer wahrhaftigen sozialen Marktwirtschaft, einer starken Demokratie und in einem großen Miteinander von Politik und Gesellschaft können wir sie meistern. Wir schaffen das moderne Sachsen. Wir, das ist nicht allein die Staatsregierung. Es ist ein einladendes Wir. Die große Aufgabe können wir nur gemeinsam lösen, jede und jeder an seinem Platz, die Unternehmer, die Beschäftigten, die Vereine, Kirchen, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften, die Künstler und Kulturschaffenden, die Politik, die Regierung, die Verwaltung, wir alle hier in Sachsen.

Wir schaffen das! Das ist zwar eine Aussage, die wir in den letzten Tagen häufiger gehört haben, wobei wir damit im wahrsten Sinne des Wortes an unsere Grenzen gekommen sind. Aber es ist unsere Haltung, unsere Motivation, das Mutmachen vor der großen Aufgabe.

Wir schaffen das moderne Sachsen, ein modernes Sachsen, das Tradition und Innovation verbindet, das unsere Industrie in „Industrie 4.0“ und unsere gesamte Wirtschaft in das digitale Zeitalter überführt und dabei die Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand für alle gewährleisten will. Wir schaffen das moderne Sachsen. Wir holen den zweiten Schwung. Packen wir es an!

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung – Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das war die Fachregierungserklärung des Staatsministers für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Martin Dulig. Die Staatsregierung kann so lange reden, wie sie will. Allerdings bin ich nach § 86 unserer Geschäftsordnung verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass die Redezeit um eine Minute und 36 Sekunden überzogen worden ist. Die Fraktionen könnten, so sie den Antrag stellen, ihre Redezeit entsprechend verlängern. Ich sehe, Herr Kollege Scheel, Sie wollen das.

Vielen Dank, Herr Präsident, für den freundlichen Hinweis. Wir würden gern von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.

Damit erhält jede Fraktion eine Minute und 36 Sekunden zusätzliche Redezeit.

(Christian Piwarz, CDU: Wir würden verzichten!)

Wir treten jetzt in die Aussprache zur Fachregierungserklärung ein. Das Wort ergreift für die Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Brünler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Sie hatten für heute eine Fachregierungserklärung mit dem dynamisch wirkenden Titel „Wir schaffen das moderne Sachsen“ angekündigt.

Damit haben Sie es geschafft, den Spannungsbogen zu halten – ist doch das Thema hinreichend unkonkret –, sodass jeder hineininterpretieren kann, was er oder sie mag.

Folgt man dem Duden, so ist modern, was dem aktuellen Zeitgeist, der aktuellen Mode entspricht. Heute sind wir schlauer, was in Ihren Augen modern ist: Es ist AIDA. Sie haben zu Beginn gesagt, Sie meinen damit nicht die Kreuzfahrtflotte, also muss Ihre Inspiration wohl die versklavte äthiopische Königstochter sein,

(Heiterkeit bei der CDU)

die sich zum Ende des Stückes als Verzweiflungstat bei lebendigem Leibe in einem unterirdischen Gewölbe einmauern lässt.

(Zuruf von der CDU: Das gibt es auch noch als Marketingkonzept!)

Bei solchen Zukunftsperspektiven gehen unsere Vorstellungen von „modern“ irgendwie auseinander; aber sei es drum! Feststellen muss man allerdings, dass zu Modernität in Ihren Augen

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

auch eine gehörige Portion Marketing gehört,

(Zuruf von der CDU: AIDA!)

wahrscheinlich in der Hoffnung, dass niemand hinter die Fassade schaut, wenn sie nur imposant ausgeleuchtet ist und gut genug klingt. Das ist ja dann irgendwie doch wieder große Oper, und insofern passt AIDA auch.

(Zuruf von der CDU: Wie bei Ihnen!)

Meine Damen und Herren, ohne Frage ist die derzeitige gute Konjunkturlage in Deutschland auch in Sachsen spürbar. Das freut alle hier im Hohen Hause. Ein Grund zur Selbstzufriedenheit ist das allerdings nicht, ist doch diese Entwicklung auch nach Einschätzung des Konjunkturmonitors der Landesbank Baden-Württemberg bzw. ihrer nunmehrigen Tochter, der Sachsen Bank, vorrangig der gesamtdeutschen Konjunkturentwicklung geschuldet. Spezifisch sächsische Impulse vermögen zumindest die Wirtschaftsforscher nicht zu erkennen. Anders formuliert: Der Anteil der Politik an der derzeitigen Entwicklung ist eher überschaubar, oder, weniger wohlwollend ausgedrückt: Nichts zu tun und ohne Konzept zu sein schafft kein modernes Sachsen, ganz gleich, was immer man nun unter „modern“ verstehen mag. Daran ändern auch ständige neue Fachallianzen und Gesprächsgruppen nichts, wenn unterm Strich nichts dabei herauskommt. Im Gegenteil, wenn ich Ihnen, Herr Staatsminister, so zuhöre, dann fällt mir der alte Kalauer ein: „Wenn du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis“.

Meine Damen und Herren, der derzeit größte Marketinggag der Staatsregierung ist die Geschichte von Sachsen als Pionier der digitalen Transformation. Hieß es ursprünglich, Sachsen bräuchte seine eigene digitale Agenda, da die Ziele der Bundesregierung in dieser Frage nicht

ausreichend seien, so wird der Freistaat nunmehr mit Sicherheit diese Ziele klar verfehlen. Sachsen kommt derzeit bei dem bis 2018 festgesetzten Mindeststandard einer Breitbandanbindung von 50 Mbit auf eine Haushaltsabdeckung von deutlich unter 50 %. Das liegt um 20 % unter dem Bundesschnitt. Hinzu kommt ein starkes Stadt-Land-Gefälle, wobei der Ausbau der Infrastruktur gerade im ländlichen Raum deutlich langsamer voranschreitet als im Rest der Bundesrepublik – vom selbst ernannten Vorreiter zum Anwärter auf die rote Laterne.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Hört, hört!)

Statt sich damit auseinanderzusetzen, feiert die Staatsregierung ein bisher komplett wirkungsloses Programm zur Einrichtung kostenloser WLAN-Hotspots an touristisch relevanten Orten als alles entscheidenden Wurf. Das nützt nur niemandem, wenn es vor Ort überhaupt keine digitale Infrastruktur gibt, auf der die Hotspots aufsetzen könnten.

Dieser Totalausfall wird auch in einem anderen Punkt deutlich: Auf mehrere Kleine Anfragen zum Ausbaustand der Breitbandverbindungen und der damit zur Datenübertragung verwendeten Technologien lautete die Antwort entweder, davon wisse man nichts, das fiele nicht in den eigenen Zuständigkeitsbereich, oder es wurde sich, um das Thema zu umschiffen, auf die in den EU-Dokumenten hierzu festgeschriebene Technologieneutralität zurückgezogen. Dumm nur, dass die Physik das mit der Technologieneutralität anders sieht und die einzige derzeit verfügbare zuverlässige Lösung photonische Datenverbindungen sind, die zumindest bis zum Grundstück bzw. Gebäude anliegen.

Nach Aussage des Bundesverkehrsministeriums können in Sachsen derzeit lediglich 4,3 % aller Haushalte und Unternehmen auf solche superschnellen Glasfaserleitungen zugreifen, die Downloadraten von 50 MBit je Sekunde und mehr garantieren. Die Bundesregierung weiß offenbar genauer, was hier im Freistaat vorgeht; denn, wie gesagt, die Staatsregierung konnte oder wollte hierzu keine Auskunft geben.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Hört, hört!)

Inzwischen liegt die Hoffnung auf schneller zu realisierenden Mobilfunklösungen. Zwar dümpelt Sachsen auch hier im hinteren Drittel der Bundesländer herum, und LTE ist, technologisch bedingt, auch kein vollwertiger Ersatz für leitungsgebundene Anschlüsse, aber es geht eigentlich nur noch darum, wenigstens halbwegs Gesicht wahrend davonzukommen; denn spitze ist Sachsen durchaus – allerdings erst am unteren Ende der Skala. Rund ein Drittel aller Anschlüsse in Sachsen verfügt nicht einmal über eine Downloadrate von 16 MBit je Sekunde, was so ziemlich der Grenzwert für das ist, was noch als schnelles Internet durchgeht.

Sehr geehrter Herr Staatsminister, Sie haben es selbst gesagt: Diese digitale Infrastruktur ist Grundvoraussetzung, um bei Zukunftsthemen wie „Industrie 4.0“ dabei zu sein. Momentan sieht es ganz danach aus, als rutsche Sachsen immer weiter zurück – bemerkenswert für einen

Bereich, der laut Koalitionsvertrag eines der Kernelemente Ihrer Wirtschaftspolitik sein soll und zu dem Sie fortlaufend blumige Worte finden!

Wir haben in der Regierungserklärung auch von guter Arbeit als Schwerpunktthema gehört. Das nehmen wir als LINKE mit Freude und Genugtuung zur Kenntnis, entdecken wir doch hier in der Tat einen längst überfälligen Paradigmenwechsel. Dabei sind wir gern bereit, Sie zu unterstützen, hat Sachsen doch besonders viel aufzuholen. Der Freistaat belegt den letzten Platz bei der betrieblichen Mitbestimmung und ist dafür Spitzenreiter beim Niedriglohn. In keinem anderen Bundesland erhalten mehr ausgebildete Fachkräfte und Hochschulabsolventen

lediglich Mindestlohn. Ebenso geht der Aufschwung an Langzeitarbeitslosen und Menschen mit multiplen Vermittlungshindernissen bisher vorbei. Dass sich hier etwas ändern muss, darin sind wir uns einig; aber Grund zu überbordender Freude besteht trotz allem nicht, ist doch auch hier viel Marketing und wenig Substanz im Spiel. Ein eigenes, in sich konsistentes und auf die sächsischen Bedürfnisse abgestimmtes Landesarbeitsmarktprogramm sucht man vergeblich.