Protocol of the Session on June 19, 2014

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Das, was Sie jetzt zum Schuljahresanfang machen, ist das blanke Chaos. Sie führen nicht nur die Opposition an der Nase herum – das wäre nur die eine Seite –, sondern Sie führen die Öffentlichkeit, Sie führen die Eltern, Sie führen die Schüler vor und erklären sie für dumm, dass sie anscheinend Ihre Politik nicht durchschauen. Wenn der Ministerpräsident früh in der Presse mindestens

1 000 Lehrer verkündet und Herr Bélafi am Nachmittag 1 300 Lehrer sagt, erinnere ich mich an DDR-Zeiten. Da wurde auch schon am Nachmittag die Übererfüllung des Planes mitgeteilt, der früh beschlossen worden war.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Das war Frau Dr. Stange für die Fraktion SPD.

(Patrick Schreiber, CDU, steht am Mikrofon.)

Jetzt sehe ich den Wunsch nach einer Kurzintervention. – Doch nicht? – Also keine Kurzintervention.

Die FDP hätte jetzt das Wort. – Kein Redebedarf. GRÜNE? – NPD? – Dann treten wir in eine weitere Rednerrunde ein. Zunächst erhält die einbringende Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte, Frau Falken.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Langfristige Vorbereitung des Schuljahres“: Frau Stange hat schon gesagt – ich glaube, Frau Hermenau, Sie haben das auch gesagt –, dass man über ein Personalentwicklungskonzept im Lehrerbereich im Freistaat Sachsen eigentlich schon seit sehr vielen Jahren langfristig und ausführlich die Schuljahre hätte vorbereiten können. Sie kennen die Schülerzahlen, Sie kennen die Altersstruktur im Lehrerbereich, Sie kennen die Stundentafel. Ein solches Schuljahr muss man sehr langfristig vorbereiten.

Aber wenn ich das weglasse und nur gucke, wie man speziell dieses Schuljahr vorbereiten müsste, möchte ich Ihnen einfach noch einmal die Daten nennen: Seit März liegen die Bewerbungen der neuen jungen Lehrer auf dem Tisch. Auch diese Zahlen schwanken ständig. Ich will Sie jetzt gar nicht wiederholen. Aber auf jeden Fall sind es sehr, sehr viel mehr Lehrer, die sich im Freistaat Sachsen beworben haben, als wirklich angestellt werden.

Spätestens im April geben die Schulleiter ihre Meldungen für den Bedarf des kommenden Schuljahres ab. Das ist ein Org.-Erlass. Das kennen Sie alle. Da wird immer ein Jahr vorher festgelegt, was darin zu stehen hat, damit die Schulleiter auch wissen, was kommt, sprich Klassen- und Gruppenbildung. Im Mai durften die regionalen Stellen mit Genehmigung des Kultusministeriums – da wurde schon an dem großen Brett gezogen – 118 Lehrer einstellen. 118! Im Juni durften dann weitere 482 Lehrer eingestellt werden, davon eine sehr große Anzahl – die Zahlen sind alle schon gefallen, ich will sie nicht wiederholen – nur mit einer befristeten Einstellung. Von den unbefristeten Einstellungen sind bisher 75 % erfolgt – zumindest entnehme ich das der Zeitung; ob das stimmt, weiß ich nicht, aber da glaube ich vielleicht einmal der Zeitung – und die Verträge unterschrieben. Bisher, also vier Wochen vor Schuljahresende. Mit den unbefristeten Einstellungen ist man noch beschäftigt.

Im Juli, vielleicht auch schon nächste Woche, werden die Einstellungen für die zusätzlichen 185 Lehrerinnen und Lehrer, die die Frau Ministerin nun aus ihrem eigenen Haushalt herauskratzen muss, erfolgen. Übrigens, Frau Ministerin, ich erwarte von Ihnen, dass Sie uns heute sagen, woher Sie das Geld aus Ihrem Haushalt nehmen. Wenn Sie das irgendwo herauskratzen, entstehen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit an anderen Stellen Lücken. Vielleicht haben Sie in Ihrem Haus auch noch irgendwo Geld gebunkert. Das weiß ich nicht. Übrigens musste Herr Wöller, wenn ich mich recht erinnere, damals gehen,

als er so etwas gemacht hat. Das können Sie alles korrigieren, das ist alles kein Thema.

Die größte Unverfrorenheit ist aber, dass Sie weniger junge Leute unbefristet einstellen, als jetzt ausscheiden. Fast 100 Stellen weniger werden unbefristet eingestellt. Das heißt, diese jungen Leute bekommen nur einen befristeten Vertrag. Was soll ich als Politikerin denn davon halten? Was halten denn die Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern davon?

Das heißt doch ganz klar, dass Sie im nächsten Parlament, falls Sie da noch regieren, einen Stellenabbau im Lehrerbereich vorbereiten. Sonst macht das überhaupt keinen Sinn. Sie könnten doch wenigstens so viele unbefristete Lehrer einstellen, wie jetzt ausscheiden. Aber selbst das tun Sie nicht. Sie stellen Lehrer nur befristet für ein Jahr ein, und Sie haben auch noch befristet eingestellte Lehrer im System, die bis zum 31. Dezember tätig sind.

Eltern merken das schon ziemlich genau. Sie sehen ziemlich genau, wie lange dieser Klassenlehrer da ist. Sie fragen jetzt auch nach, wie lange der Lehrer tätig ist. Mitten im System einen Lehrer wieder herauszunehmen, das kann man den Schülerinnen und Schülern eigentlich nicht antun, insbesondere nicht in Klassen, in denen Integrationskinder sind. Das ist nicht zu leisten.

Ich will noch einmal auf die Äußerung eingehen, wir würden hier das Chaos beschreiben. Wir beschreiben nicht das Chaos, sondern das Chaos ist da. Ich will Sie an die Petition von gestern erinnern. Schauen Sie sich diese noch einmal an. Aus Ihrer Fraktion war auch jemand, der die Petition aus dem Riesaer Gymnasium in die Hand bekommen hat. 20 % Unterrichtsausfall! Wir waren gemeinsam bei dem Landesschülerrat. Dort ist eine Schülerin aufgestanden.

Die Redezeit ist abgelaufen, Frau Falken.

(Zuruf: Das ist doch die Regel!)

Was heißt, das ist die Regel?

Bitte letzter Satz!

Soll ich Ihnen die Regeln alle aufzählen, zum Beispiel die, wo die Klassenzusammenlegung in Leipzig trotzdem erfolgt, obwohl es anders in der Zeitung steht? Die Regel ist, dass das System so nicht weiter funktioniert, dass man an diesem System unbedingt etwas ändern muss.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Das war in der dritten Rederunde für die einbringende Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Falken. Nun ist die CDU an der Reihe. Das Wort ergreift erneut Herr Kollege Schreiber.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wissen, dass Frau Falken uns in jeder Debatte mit irgendwelchen Beispielen kommt, die für sich genommen sicherlich irgendwo eine Berechtigung haben.

(Marie-Luise Apostel, SPD: Individueller werden wir nicht!)

Man kann natürlich aus Einzelbeispielen auch immer auf alles schließen und dann behaupten, weil an einer Stelle irgendwo zu einem Zeitpunkt 20 % von irgendwas ausgefallen ist, dass das dann im ganzen Freistaat Sachsen der Fall ist. Aber wenn man sich im Nachgang diese Beispiele einmal genau ansieht, stellt sich meistens heraus, dass Frau Falken vielleicht zu wenig Auto fährt und das Telefon zu wenig nutzt, um sich den konkreten Fall einmal ganz konkret erklären zu lassen, was denn tatsächlich passiert ist.

(Zuruf der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE)

Deswegen möchte ich auch auf Frau Falken und ihre Horrorszenarien, die sie immer wieder hier im Plenum vorträgt, gar nicht weiter eingehen. Ich würde gern noch einmal auf Frau Dr. Stange eingehen und den Vorwurf, dass wir hier die Leute verdummen.

Frau Dr. Stange, das Verdummen der Leute, das machen Sie, indem Sie einfach falsche Fakten hier in den Raum stellen, die wir angeblich behauptet hätten. Niemand, weder die Staatsregierung noch Herr Bélafi als Direktor der Bildungsagentur, noch jemand aus der CDU-Fraktion hat behauptet, dass wir zum 01.08. 1 305 neue Lehrer einstellen oder dass wir zum 01.08. mindestens 1 000 neue Lehrer einstellen. Das hat überhaupt niemand gesagt. Sie müssen schon einmal unterscheiden, Frau Dr. Stange, zwischen „zum 01.08. einstellen“ und „jährlich mindestens 1 000 Lehrer einstellen“. Das Jahr geht an dieser Stelle nun einmal vom 01.01. bis zum 31.12., und da ist es korrekt, wenn man sagt, im Jahr 2014 sind dann 1 305 neue Lehrer eingestellt worden; denn befristete Stellen, wenn sie entfristet werden, sind sozusagen auch wieder zusätzliche Stellen, die zwar schon da waren, aber die theoretisch weg wären, wenn man sie nicht entfristet hätte. Punkt. Aus. Ende.

(Proteste bei den LINKEN und der SPD – Cornelia Falken, DIE LINKE: Sie zählen doch doppelt!)

So ehrlich müssen Sie an der Stelle einmal sein. Da bleibt man dann bei einer Zahl zum 01.08. – und die können Sie gern weiter leugnen – von 775 neuen Lehrkräften. Das heißt ganz klar, 590 – darüber sind wir uns ja hoffentlich einig, davon sind bisher ausgeschiedene 540 – plus weitere 185, da kommen Sie auf 775 nach Adam Ries, und das sind die Stellen, die zum 01.08. neu besetzt werden.

Frau Hermenau hat vorhin aus meiner Sicht ein sehr, sehr wichtiges und richtiges Thema angesprochen, nämlich: Was steht uns eigentlich an Lehrpersonal von den Hoch

schulen kommend zur Verfügung? Sie haben kritisiert, dass dann schulartfremd eingesetzt wird, dass sich logischerweise Lehrer, wenn sie für das Gymnasium studieren, gern am Gymnasium wiederfinden, oder dass sich Oberschullehrer gern an einer Oberschule wiederfinden. Das ist ganz klar.

Ich denke daran, was für Debatten wir bis vor zwei oder drei Jahren hier noch geführt haben zu dem damals von Frau Dr. Stange eingeführten Bachelor und Master im Lehramt, bei dem jeder das Gleiche studiert und erst später eine Spezialisierung stattfindet. Da ist ganz klar, dass, wenn alle das Gleiche studieren, wir kaum jemanden dazu bekommen, sich später für die Oberschule zu entscheiden.

(Zuruf der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Das haben wir in dieser Regierung erst einmal wieder rückgängig gemacht. Wir haben gesagt, die Studierenden sollen sich von Anfang an entscheiden, in welcher Schulart sie Lehrer werden wollen. Das ist genau der richtige Weg.

Deshalb kann es auch nicht sein, dass wir über den Durst hinaus 500 Lehrer einstellen, die uns jährlich 33 Millionen Euro kosten, wenn das im schlimmsten Fall alles Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte sind, die ich aber eben leider nicht brauche, weder an einer Oberschule noch an einer Grundschule.

(Sebastian Fischer, CDU: Richtig!)

Schon gar nicht brauchen wir sie – ich habe selber Geschichte studiert – in den nächsten fünf oder zehn Jahren an irgendwelchen Gymnasien.

Es gehört zur verantwortungsvollen Personalpolitik, dass ich mir nicht heute irgendwelche Lehrer ins System hole, die leider, wirklich leider das Falsche studiert haben. Warum haben sie das Falsche studiert? Ich komme wieder darauf zurück, Frau Dr. Stange: Das lag mindestens drei Jahre an Ihrem eigenen Verantwortungsbereich, weil sie an den Universitäten, die nun einmal dem Wissenschaftsministerium, dem Sie vorgestanden haben, unterstehen, nicht beraten worden sind, weil man den Studierenden nicht gesagt hat: Lieber Freund, studiere nicht Gymnasium Deutsch und Geschichte, sondern mache Mittelschule Mathe und Physik.

(Zuruf der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Logischerweise wird jemand, der Deutsch und Geschichte liebt, nicht auf einmal Mathe und Physik studieren. Aber es hat keinerlei Beratung stattgefunden. Man hat die Studenten einfach ins Blaue hinein studieren lassen. Das ist unverantwortlich. So leid mir das tut, findet das, Frau Prof. von Schorlemer, zum Teil heute immer noch statt.

Die Redezeit ist zu Ende.

Dort haben wir eine Baustelle, die geschlossen werden muss. Erst dann können wir uns hinstellen und sagen: Wir bilden bedarfsgerecht aus.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Das war Kollege Schreiber für die CDU-Fraktion. Jetzt kommt eine Kurzintervention von Frau Dr. Stange.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich möchte eine Kurzintervention machen. Ich möchte daran erinnern – das können Sie nicht wissen, Herr Schreiber –, dass im Jahr 2006 die damalige Große Koalition in ihrer Verantwortung in einem Kabinettsbeschluss entschieden hat, dass die Lehramtsausbildung auf Bachelor und Master umgestellt wird und alle Lehrämter gleichgestellt werden, also fünf Jahre studiert werden. Das war ein Kabinettsbeschluss in der Großen Koalition, bei der die Mehrheit, glaube ich, die CDU hatte.

(Patrick Schreiber, CDU: Und wer hat den eingebracht?)