Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sachsen liegt inzwischen im deutschen Vergleich Tourismuswirtschaft auf Platz 8. Das ist eine Verbesserung um einen Platz seit 2009. Mit einem Umsatz von 7,4 Milliarden Euro und über 200 000 Beschäftigten ist die Tourismuswirtschaft eine der wichtigsten Branchen des Freistaates.
Diese Entwicklung ist vor allem das Verdienst der Tourismusunternehmerinnen und -unternehmer und ihrer engagierten Beschäftigten, aber auch der Museen, Theater und Händler, denen es gelungen ist, schnell und vor allem richtig auf die vielen zunehmenden Nachfragen aus dem In- und Ausland zu reagieren, sodass sich Touristen in Sachsen wohl und willkommen fühlen. Sie alle haben viel Arbeit und Herzblut investiert, um den Tourismusstandort
Sachsen weiter nach vorn zu bringen. Die Qualitätsoffensive der letzten Jahre war ein entscheidender Baustein für diese positive Entwicklung.
Eine Herausforderung sehe ich deshalb in der weiteren Konzentration auf qualitativ hochwertige touristische Angebote, zugeschnitten auf die verschiedenen Akteure und Regionen. Dabei setze ich auf den Kultur- und Städtetourismus, den Ausbau des sanften und nachhaltigen Tourismus, zum Beispiel über Rad- und Wandertourismus, aber auch Gesundheits- und spezielle Familienangebote. Besonders am Herzen liegt mir darüber hinaus die Schaffung von mehr Barrierefreiheit in der gesamten Tourismuskette, gerade mit Blick auf die immer älter werdende Generation und die immer älter werdenden Gäste.
Bei allen Vorhaben bilden auch zukünftig Gastfreundschaft und Weltoffenheit das zentrale Fundament für den Tourismusstandort Sachsen. Deshalb finde ich es besonders bedenklich, dass es im Bundesdurchschnitt über 20 % ausländische Gäste sind, hingegen in Sachsen die Zahl von 2009 bis 2013 nur von 10 auf 11 % gestiegen ist. Hier gibt es großen Nachholbedarf und es bedarf einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller beteiligten Akteure.
Ein zweiter Punkt, bei dem sich dringend etwas ändern muss, ist die Fortentwicklung und Bereitstellung einer qualitativ hochwertigen Infrastruktur. Hier gibt es großen Nachholbedarf, und die aktuelle Staatsregierung hat in den letzten fünf Jahren die Situation alles andere als verbessert. Gerade die Erreichbarkeit touristischer Ziele im ländlichen Raum per ÖPNV ist laut einer Studie des SMUL sehr schlecht, vor allem am Wochenende. Tagesausflüge aus Dresden oder Leipzig ins Umland sind per ÖPNV kaum mehr möglich dank der Kürzungen von Schwarz-Gelb.
Im Bereich des Fernverkehrs wurde Sachsen vollkommen abgehängt. 1995 gab es noch 21 Fernverkehrshalte. Heute gibt es nur noch fünf. Im Bereich des Radverkehrs sprach die Radverkehrskonzeption von 2005 noch davon, jährlich einen touristischen Radweg zu eröffnen. Die neue Radverkehrskonzeption von 2014 verzichtet auf jegliche Art von Zielen und stellt alles unter Finanzierungsvorbehalt. Die Vermarktung touristischer Fahrradwege ist in Sachsen nicht vorhanden. Bis auf den Elberadweg wird nichts überregional vermarktet. Andere benachbarte Bundesländer sind dort schon deutlich weiter: Radroutenplaner, Apps, punktuelles und sachbezogenes Marketing.
Wir setzen uns dafür ein, dass es eine bessere Anbindung durch Bus und Bahn gibt. Der Rückzug aus den ländlichen Regionen schadet dem Tourismus. Wir setzen auf attraktive Angebote mit einem sachsenweit einheitlichen Tarifsystem, die kostenlose Radmitnahme sowie die stündlichen Erreichbarkeit aller sächsischen Großstädte mit der Bahn und den konsequenten Ausbau des sächsischen Radwegenetzes.
Dritter Punkt ist die Vermarktung Sachsen. Hier zeigen sich immer noch deutliche Defizite. Dies wurde offensichtlich bei der Anhörung zum Thema Tourismus in der
letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses. Der Vertreter des TMGS, der touristische Vermarkter des Freistaates, sah sich außerstande, auf ein gemeinsames Arbeiten mit der Staatsregierung und ihrer neuen Dachmarke „So geht sächsisch“ verweisen zu können.
Im Gegenteil, die Tourismusmarke „Sachsen – Land von Welt“ bleibt bestehen. Die Dachmarke, nun seit fünf Jahren mit Millionen Euro finanziert, bleibt vollkommen wirkungslos. Das kommt einer Verbrennung von Steuergeldern gleich.
Viertens, Finanzierung und Förderung. Wie wird nun eine Landesregierung ihrer Aufgabe im Bereich des Tourismus gerecht? Eine auskömmliche Grundfinanzierung der Destinationen ist nicht vorhanden. Nach aktuellen Angaben des Sächsischen Landestourismusverbandes gibt es ein Budgetloch von circa 30 Millionen Euro bei der Tourismusförderung im Freistaat. Unser wichtigstes Anliegen dabei ist es, den handelnden Akteuren möglichst viel Planungssicherheit zu geben. Wir setzen ausdrücklich auf die Eigenverantwortung der Kommunen und wollen deshalb ihre Spielräume erweitern. Kommunen brauchen rechtssichere Finanzquellen, um ihre touristischen Ziele zu erschließen und zu pflegen. Jede Gemeinde sollte dabei die Möglichkeit erhalten, eine zweckgebundene Abgabe zu erheben.
Bisher lässt der Freistaat die Regionen bei der Akquirierung neuer Finanzquellen allein in einem weitgehend rechtsfreien Raum. Der Freistaat wird seiner Verpflichtung nicht gerecht, der Tourismuswirtschaft einen zentralen Standpunkt in der neuen sächsischen Wirtschaftsförderungskulisse einzuräumen, um auch zukünftig die notwendigen Investitionen tätigen zu können. Hier würde gerade unser Ansatz eines Regionalbudgets und die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe den touristischen Akteuren deutlich helfen können.
Qualität, Service und der Mut zu Neuem und Innovativem zeichnen uns Sachsen aus. Die Qualitätsoffensive der letzten Jahre muss weiter fortgesetzt werden. Qualität ist nicht zuletzt wegen des hohen Wettbewerbsdrucks der einzig richtige Weg für Sachsens Tourismus.
Um diese hohe Qualität gewährleisten zu können, brauchen wir motivierte, engagierte und gut bezahlte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie sind der Garant für Service und Qualität. Gerade mit Blick auf Fachkräftemangel muss unser Augenmerk stärker ihnen gehören. Deshalb begrüßen wir die Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums zur Fachkräftekampagne im Tourismus in Zusammenarbeit mit den Landestourismusverbänden von vergangener Woche ausdrücklich – gerade vor dem Hintergrund, dass jeder zweite Betrieb im Gastgewerbe derzeit Personal sucht.
Aber gerade die Vertreter der Hotels und Gaststätten sind auch selbst gefordert. Wenn dann die Ausbildungsangebote stark sinken und das Gespenst des Mindestlohnes an
die Wand geworfen wird, aber gleichzeitig überhaupt keine Verbindung zwischen immer schwieriger werdender Suche nach Fachkräften und den schlechten Löhnen und schwierigen Arbeitsbedingungen gezogen wird, macht mich das sehr nachdenklich.
Nach den Aussagen der DEHOGA in dieser Woche wird es wegen des Mindestlohnes zu Kneipensterben kommen. Allein zwischen den Jahren 2000 und 2010 ging die Zahl der Gaststätten gerade in der ländlichen Region zurück. Ursache war bestimmt nicht der Mindestlohn, sondern eine zu wenig zahlungskräftige Klientel vor Ort,
hohe Konkurrenz der Caterer und Verlagerung der Feste und Feiern in Bürgerhäuser, Vereinsheime und zur Feuerwehr. Die derzeitigen Aussagen der DEHOGA-Vertreter – Teufelskreis der Lohnsteigerung – sind also wenig überzeugend.
Man sollte sich an dem gerade durch NGG und die sächsische Ernährungswirtschaft abgeschlossenen Tarifvertrag orientieren, der ein Mindestentgelt von 8,50 Euro vorschlägt.
Neben der Tourismusstrategie 2020 braucht der Tourismusstandort Sachsen, um sich noch besser weiterzuentwickeln, eine stärkere politische und administrative Beachtung in der kommenden Legislatur, die sich an konkreten Zielen und Handlungsansätzen orientieren muss. In diesem Zusammenhang braucht es eine wirkliche fachlich fundierte Zwischenbilanz anstatt Showanträge.
Als Vertreter der Gastronomie bin ich natürlich schockiert über diese mangelnde Realitätsbereitschaft der SPDFraktion. Ich darf einmal klar und deutlich sagen: Der Mindestlohn ist die Schlinge um den Hals der sächsischen Gastronomie.
Das Problem ist, dass die Bundesebene diese Schlinge momentan gerade schön langsam und genüsslich zuzieht.
Was ich weiterhin an der Bundesebene kritisieren darf, ist: Es gibt in Sachsen, in Deutschland eine einzige Branche, die im Koalitionsvertrag negativ erwähnt wird, und das ist wieder die Gastronomie. Hören wir doch bitte auf, auf einer Branche herumzuturnen, die harte und wichtige Arbeit leistet, und erkennen wir an, dass ohne gute Gastronomie, ohne gute und funktionierende gesunde Unternehmen in der Gastronomie Tourismus in Sachsen keine Zukunft hat.
Meine Damen und Herren, das war eine Kurzintervention von Herrn Abg. Fischer. – Frau Apostel, möchten Sie erwidern? – Das ist nicht der Fall.
Wir setzen mit der Aussprache fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abg. Weichert. Bitte sehr, Herr Weichert, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal fällt der Groschen reichlich spät – aber er ist gefallen.
Für eine kontinuierliche und gezielte Tourismusentwicklung bedarf es – neben der Zeit für Blüte und das Reifen von Früchten – vieler kleiner Schritte des Wachstums und der Entwicklung. Einer davon ist die Tourismusstrategie 2020 der Sächsischen Staatsregierung, die viele unserer tourismuspolitischen Ziele aufgegriffen hat; Herr Tischendorf hat es angesprochen.
Sie erinnern sich sicher an die Debatten und an die Expertenanhörung, die dazu führten, die Tourismusstrategie noch einmal gründlich zu überarbeiten, bevor sie – ein Jahr später als geplant – am Kabinettstisch das Licht der Welt erblickte.
Meine Damen und Herren, inzwischen gibt es eine gute und erfolgreiche Entwicklung des Tourismus. Die Zahlen sind bekannt – ein Rekordjahr nach dem anderen, 7,5 Milliarden Euro Umsatz, 217 000 Arbeitsplätze –; das alles lässt sich sehen.
Ja, es gibt auch eine erfolgreiche Destinationsentwicklung, zum Beispiel den Tourismusverband Sächsische Schweiz, der mit 56 % Eigenmittelanteil glänzt, oder den Tourismusverband Erzgebirge, dem es gelingt, im Zusammenschluss ehemals selbstständiger Splitterorganisationen eine schlagkräftige, grenzübergreifende Einheit zu schaffen, oder die inzwischen gemeinsame Vermarktung der Region Leipzig.
Allerdings, meine Damen und Herren, sind wir mit dem sächsischen Tourismus wirtschaftlich lediglich bundesdeutsches Mittelmaß, anstatt in der ersten Bundesliga zu spielen, in die Sachsen eigentlich und endlich aufgrund seines hohen Potenzials gehört. Wenn wir das wollen, müssen wir uns zukünftig den aktuellen Herausforderungen gezielter als bisher stellen.
Ein Punkt davon ist die Fachkräftesicherung. In Hotellerie und Gastgewerbe fehlen die Nachwuchskräfte, sodass bis zur Hälfte der inhabergeführten Betriebe nicht weiß, ob sie einen Nachfolger finden wird.
Wir haben im Vergleich zum Jahr 2003 ganze 67,6 % weniger junge Menschen in einem eingetragenen Ausbildungsverhältnis. Die Debatte auf den Mindestlohn zu verkürzen greift dabei zu kurz.
Des Weiteren besitzen lediglich 38 % der Betriebe im Gastgewerbe eine Ausbildungsberechtigung – das ist die andere Seite der Medaille. Das wird in Zukunft schwerwiegende Folgen für die Tourismuswirtschaft in Sachsen haben.
Ein zweiter Punkt. Gravierende Konsequenzen für das Gastgewerbe hatte auch das Hochwasser 2013 in großen Teilen von Sachsen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundeskanzlerin Merkel hat ihrerseits schon 2007 in Grönland festgestellt, welche Auswirkungen der Klimawandel hat. Mal wieder hatten grüne Themen die Bundes-CDU erreicht; allerdings ist die sächsische Landesregierung von diesen Erkenntnissen verschont geblieben. Mittlerweile hatten wir das zweite große Hochwasser in Sachsen innerhalb kurzer Zeit und wieder hieß es für die Branche, über die Finanzierung der SAB hinaus, mit mindestens 25 % der Schadenssumme, die Hochwasserschäden zu beheben.