Protocol of the Session on April 9, 2014

dies mit seinem massiven Crystal-Konsum zu rechtfertigen versuchte.

Wir sehen also: Nazis konsumieren Crystal. Einige von ihnen handeln auch damit und finanzieren ihre politische Arbeit wahrscheinlich auch mit Drogengeld.

(Holger Szymanski, NPD: Was ist mit der extremen LINKEN? – Zurufe von den LINKEN)

Und gibt es da nicht vielleicht auch noch einen gewissen nostalgischen Effekt, wenn der Neonazi von heute zur Droge greift, die auch gern als „Hitler-Speed“ bezeichnet wird?

(Jürgen Gansel, NPD: In der NVA wurde es auch genommen! – Weitere Zurufe von der NPD)

Auch der Führer selbst soll in seinen letzten Jahren ohne seine morgendliche Pervitininjektion nicht mehr aus dem Bett gekommen sein.

Der uns heute vorliegende Antrag ist scheinheilig, er ist rassistisch und er ist von einer widerwärtigen Doppelmoral geprägt.

(Zurufe der Abg. Andreas Storr und Alexander Delle, NPD)

Deshalb kann man ihn nur ablehnen.

(Beifall bei den LINKEN)

Nachdem Frau Klinger gesprochen hat, sehe ich am Mikrofon 7 eine Kurzintervention. Herr Szymanski, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich möchte vom Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen, weil ich nicht so richtig den Sinn und Zweck dessen verstanden habe, was Frau Klinger uns hier aufgezählt hat.

(Zurufe der Abg. Klaus Tischendorf, DIE LINKE, Stefan Brangs, SPD, und Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Mir ist der Fall des ehemaligen NPD-Kandidaten natürlich auch bekannt. Das zeigt aber, das wir es hier mit einem gesamtgesellschaftlichen Problem zu tun haben, was sich durch sehr viele Gesellschaftsschichten zieht, auch durchaus in Ausnahmefällen bei NPD-Kandidaten.

(Unruhe im Saal)

Das kann durchaus sein. Das ist schlimm genug. Meine Partei hat sich dazu programmatisch längst geäußert. Sie wissen vielleicht, dass wir sogar die Abstimmung über die Einführung der Todesstrafe für Drogendealer fordern. Insofern handeln wir – im Gegensatz zu Ihnen – völlig konsequent. Ich sehe hier überhaupt keinen Widerspruch zu unserem Antrag.

(Beifall bei der NPD)

Gibt es eine Reaktion auf die Kurzintervention? – Das kann ich nicht erkennen. Gibt es weiteren Redebedarf in der ersten Rederunde? – Aus den Fraktionen heraus ist das nicht der Fall. Wir treten also in die zweite Runde ein. Die einbringende Fraktion hat bereits eine erneute Wortergreifung angekündigt. Bitte, Herr Schimmer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die amerikanische Kultserie „Breaking Bad“ schildert die Metamorphose eines schüchternen Chemielehrers zu einem eiskalten und strategisch handelnden Drogenboss mit dem Codenamen Heisenberg. Auch dieser Heisenberg produziert Crystal Meth, und sein schwer kriminelles Handeln führt schlussendlich dazu, dass in der Stadt Albuquerque in New Mexiko, in der die Serie spielt, ein Großteil der Bevölkerung ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch aus Junkies und Dealern

besteht. Diese böse Fiktion scheint nun tatsächlich zu einer noch viel böseren Realität zu werden, wobei dramatischerweise die Crystal-Sucht nicht unter dem azurblauen Himmel der Wüste von New Mexiko, sondern im Freistaat Sachsen grassiert.

Wie dramatisch die Lage tatsächlich ist, erfährt man auch aus Leserkommentaren, beispielsweise aus einem Kommentar, der unter dem Titel „Ein Gift für alle Lebenslagen“ von Karin Truscheit erschien und am 11. März 2014 auf das Netzportal der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gestellt wurde. Der Kommentator schrieb darin: „Ich kann aus Sachsen berichten, dass die Droge ganze Kleinstädte zu Ghosttowns macht. Die einen leben nur noch für die Droge, während andere sie aus Tschechien versorgen und in privaten Wohnungen verticken. Am öffentlichen Leben nehmen diese Leute nur anfangs teil, nach wenigen Monaten gar nicht mehr. Die Droge ist anfangs sehr günstig, deshalb wird sie bereits von Schülern gekauft.“

Wer das für eine übertriebene Einzeldarstellung hält, sollte noch zusätzlich den Artikel „Tante Crystal“ von Lydia Rosenfelder lesen, der am 15. Oktober 2011 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erschienen ist. Auch diese Reportage enthält einige erschreckende Zitate einiger ehemaliger Crystal-Junkies aus einer Suchtklinik in Großrückerswalde, so beispielsweise die Forderung – ich zitiere –: „Macht die Grenzen zu, sonst wird unsere Jugend ausgelöscht wie die Indianer; die haben sie mit Schnaps ausgerottet.“ Oder die Aussage – ich zitiere wieder –: „Bei mir auf dem Dorf an der tschechischen Grenze, da nehmen es schon die Zwölfjährigen. Crystal wird einem nachgeworfen.“

Solche Aussagen, meine Damen und Herren – da schließe ich mich meinem Vorredner Holger Szymanski an –, dokumentieren ein geradezu unglaubliches Totalversagen der Staatsregierung, die nicht einmal den Mumm hat, in persona ihres Innenministers Ulbig hier zu erscheinen und sich diese Debatte anzuhören, und insbesondere das Versagen dieses Innenministers.

(Holger Szymanski, NPD: Der kämpft gerade gegen rechts!)

Genau, er kämpft wahrscheinlich gerade wieder gegen rechts, es ist ja völlig egal, wenn hier diese Todesdroge weiter Verbreitung findet.

Ja, auch wir Nationaldemokraten hatten vor der Erweiterung des Schengen-Raumes um Tschechien und Polen im Jahr 2007 mit vielem gerechnet und auch davor gewarnt – mit einem sprunghaften Anstieg der Eigentumsdelikte, mit einem leichteren Spiel für Schlepperbanden und Menschenhändler und mit einer Zunahme der illegalen Zuwanderung. All dies hat sich leider bestätigt. Dass es allerdings darüber hinaus noch durch die Grenzöffnung zu einer geradezu explosiven Zunahme der Verbreitung der nach Auffassung vieler Experten derzeit gefährlichsten Droge der Welt im Freistaat kommen würde, das war leider selbst im allerschlimmsten Szenario kaum vorherzusehen.

Und immer noch ist es so, dass im sächsischen Innenministerium an der Dresdner Wilhelm-Buck-Straße die offensichtlichste und handgreiflichste Ursache der sächsischen Crystal-Flut hartnäckig ignoriert wird, nämlich der Zustand, dass die Todesdroge im sächsisch-tschechischen Grenzgebiet erst produziert und dann auf den dortigen Asia-Märkten relativ offen verkauft wird, sodass man sich gar keine Mühe macht, das Zeug zu verstecken.

Genau darauf macht auch der Suchtmediziner und profilierteste Kenner der Thematik, Dr. Roland Härtel-Petri, in seinem Buch „Crystal Meth – wie eine Droge unser Land überschwemmt“ aufmerksam, das – das muss ich unterstreichen – auf den Nachttisch eines jeden sächsischen Landtagsabgeordneten gehört. Besonders erhellend ist das Kapital „Das große Schweigen: was niemand sagen will“, in dem einige für das sächsische Politestablishment zutreffende sehr unangenehme Wahrheiten zur Sprache kommen. Die wichtigste dieser Wahrheiten lautet, dass die in Hunderten von Sonntagsreden beschworene und von der sächsischen Landespolitik wie eine Monstranz vor sich hergetragene reibungslose und grenzüberschreitende Zusammenarbeit von tschechischen und sächsischen Behörden letztlich eine sächsische Politlegende ist, während die Wirklichkeit viel trister aussieht. Dabei geht es eben nicht um bekannte Probleme wie Personalmangel, unterschiedliche Gesetz- und Sprachbarrieren und den Umstand, dass Grenzkontrollen oft nur noch sporadisch stattfinden, weil Tschechien dem Schengen-Abkommen beigetreten ist und die Schlagbäume entfernt wurden.

Das Crystal-Meth-Problem hat noch eine weit tiefer gehende, komplexere und beängstigendere Dimension. Dr. Roland Härtel-Petri führt dazu aus – ich zitiere –: „Dass oberflächliche Wahrnehmung und tatsächliche Realität weit auseinanderklaffen können, dafür ist auch das Thema Vietnamesen-Märkte ein Beispiel. Auf den ersten Blick scheint es sich um Aktivitäten mehr oder minder gut organisierter Krimineller zu handeln, die nahe der Grenze auf tschechischer Seite Crystal anbieten. Aber dies führt zu der Frage, warum diese Märkte existieren und warum sie immer noch existieren.

Eine naheliegende Lösung des Problems könnte vielleicht so aussehen: Ermittlungen auf die Märkte konzentrieren, sie schließen und damit den Geschäften mit Crystal einen schweren Schlag versetzen. Nur geschieht das nicht. Warum das so ist, auch darauf hat niemand eine Antwort. Zu dieser Antwort gehört, dass die auf den Märkten ansässigen Händler längst keine Kleinkriminellen mehr sind. Viele drehen das ganz große kriminelle Rad und verdienen kaum vorstellbare Summen mit ihren Aktivitäten. Und diese Leute sind nicht dumm. Ihr Einfluss reicht womöglich, was selbstredend auch niemand sagt, bis in die politischen Zirkel. Nicht nur auf lokaler Ebene, sodass die Betreiber der Märkte oder Marktstände vielfach sehr gut im Bilde sind, was die Politik im Hinblick auf den Umgang mit Crystal plant. Ob dieser Einfluss auch bis hinein in die Entscheidungsebenen von Polizei und Zoll in Tschechien reicht, kann bislang nur vermutet werden.“

Weiter beruft sich Härtel-Petri auf den stellvertretenden Leiter des Sachgebietes Synthetische Drogen beim Landeskriminalamt Bayern, Bernhard Kreuzer, und zitiert ihn wie folgt: „Kreuzer stellt die Frage, warum trotzdem immer noch Vietnamesen-Märkte existieren oder neu entstehen, auf denen statt mit üblicher Handelsware mit Crystal und Cannabis gedealt wird. Er fragt sich außerdem, warum vor allem kleine Drogenküchen geschlossen werden, die vermuteten großen Labors zur Produktion der Drogen für den deutschen Markt dagegen weitgehend unangetastet bleiben.“

Diese Fragen – ich bitte jetzt den Herrn Ministerpräsidenten, zuzuhören – sollten sich dringend auch die Sächsische Staatsregierung und der noch immer nicht anwesende Sächsische Innenminister stellen. Wer die CrystalSeuche wirksam bekämpfen will, der muss nicht nur den Polizeiabbau im Freistaat Sachsen beenden und die Präsenz der Bundespolizei im Grenzgebiet verstärken, der muss endlich auch einmal Tacheles mit den Ansprechpartnern in der Tschechischen Republik reden.

Die heutige Dimension des Crystal-Problems ist im Endeffekt auch dem Ausfluss der Unfähigkeit deutscher und sächsischer Politiker zu verdanken, gefährliche Entwicklungen im stets vergötterten EU-Ausland überhaupt auch nur anzusprechen. Dabei wäre die Schließung der als Drogenumschlagplätze missbrauchten Asia-Märkte nicht nur für Sachsen und Deutsche, sondern auch für die Tschechen ein Segen, die mit einem Heer von 30 000 Schwerstabhängigen den höchsten Preis für die CrystalSeuche zahlen müssen.

Haben Sie, meine Damen und Herren auf der sächsischen Regierungsbank, Sie, Herr Tillich, doch bitte endlich einmal den Mut, deutsche und sächsische Interessen im Bereich der Drogenbekämpfung auch gegenüber tschechischen Politikern, die Sie sicherlich bald wieder treffen werden, offensiv und selbstbewusst zu vertreten. Bitte, Herr Tillich, helfen Sie damit zahlreichen leidenden und drogenabhängigen Menschen dies- und jenseits der Grenze.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Herr Schimmer sprach für die einbringende NPD-Fraktion. Gibt es jetzt weiteren Redebedarf in dieser zweiten Rednerrunde? – Den kann ich nicht erkennen. Will die einbringende Fraktion eine dritte Runde eröffnen? – Bitte, Herr Schimmer, ich erteile Ihnen erneut das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Die Einwände heute waren ja sehr leicht vorauszusehen. Wir waren uns innerhalb der Fraktion natürlich hundertprozentig sicher, was heute kommen würde; wir haben alle gewusst, was uns an Scheinargumenten entgegengestellt werden würde, und Herr Karabinski und Frau Klinger haben das auch, wie erwartet, gebracht. Deshalb doch noch einmal einige Richtigstellungen.

Crystal wird nicht deswegen eine tolle Droge, weil auch in der Wehrmacht zeitweilig Pervitin konsumiert wurde. Tatsache ist aber – und da sollte sich vielleicht auch einmal DIE LINKE die Geschichte des Pervitins besser ins Bewusstsein rufen –, dass Pervitin bis in die Sechzigerjahre auch noch in der Bundeswehr verwendet wurde und bis 1988 auch in der NVA.

(Benjamin Karabinski, FDP: Macht es das besser?)

Nein, das macht es nicht besser, aber Sie fangen doch damit an, dass Sie nur selektiv aus der Geschichte zwölf Jahre wieder einmal herangezogen haben. Sie sind doch derjenige, der hier so tut, als ob Crystal-Konsum nur deswegen ein Problem wäre, weil es auch in der Wehrmacht Pervitin-Konsum gab. Sie haben doch mit dieser völlig blöden Schiene angefangen, Herr Karabinski!

Dieses Pervitin ist nicht mit dem heutigen Crystal vergleichbar. Es ist nur einen Bruchteil so stark dosiert, und genau das ist es. Es ist doch vollkommen egal, was in der Wehrmacht, was in der NVA und was in der Bundeswehr konsumiert wurde. Wir müssen heute Suchtgefahren abwenden und Suchtprävention leisten. Sie sind doch diejenigen, die alles – alles was hier debattiert wird – geradezu schon in pathologischer Manier immer auf den Zeitraum von 1933 bis 1945 zurückführen. Deswegen muss man diese Denkweise endlich einmal angreifen.

(Beifall bei der NPD)

Zu Frau Klinger: Ich glaube nicht, dass wir hier nur über böse Ausländer hergezogen sind. Für uns steht vollkommen fest, dass deutsche Drogenhändler – egal, mit welchem politischen Hintergrund – nicht besser sind als vietnamesische und tschechische und dementsprechend genauso bestraft gehören. Das steht für uns vollkommen außer Frage, Frau Klinger.

(Beifall bei der NPD)

Sie haben hier leider vollkommen am Thema vorbeigeredet. Sie haben nur mit dem Finger auf vermeintlich andere gezeigt, wo das Problem Ihrer Meinung nach beheimatet sein könnte. Ich könnte jetzt auch auf diesen billigen Trick zurückgreifen und mit dem Finger auf Ihre Fraktion zurückzeigen; aber ich mache es nicht, weil das diesem Problem gar nicht gerecht wird. Dieses Hin- und Hergeschiebe von Verantwortung ist einfach dumm.

Was ich noch als fast schon humoristische Einlage von Herrn Karabinski empfunden habe, war seine absolut lächerliche Behauptung, dass die Fundzahlen von Crystal, die so stark steigen, nur auf die verstärkten Kontrollen an der Grenze zurückzuführen sind. Herr Karabinski, ich muss mich wirklich fragen, ob Sie noch zurechnungsfähig sind. Sie scheinen ja auch nicht mehr so ganz zu wissen, was Sie hier vorn erzählen.

Soll das jetzt im Umkehrschluss heißen: Wenn wir jetzt keine Kontrolle an der Grenze mehr machen, dann ist das Drogenproblem erledigt? Es war schon mehr als lächerlich, dass Sie gesagt haben, diese Zuwachszahlen liegen nur an verstärkten Grenzkontrollen. Wie fürchterlich ist

das denn? Wie wenig Problembewusstsein muss man denn dazu haben?

(Benjamin Karabinski, FDP: Hören Sie doch richtig zu! – Dr. Johannes Müller, NPD: Problemlösung à la FDP!)

Ich höre Ihnen sehr gut zu, leider. Das sind Problemlösungen à la FDP, und deswegen werden wir Sie auch bei den nächsten Landtagswahlen ganz klar überholen. Herr Karabinski, lesen Sie doch bitte mal den Drogen- und Suchtbericht des Jahres 2013. Dort werden Sie sehen, dass die Zuwachszahlen beim Crystal-Konsum leider immer noch explodieren. Das hat nichts damit zu tun, dass an den Grenzen etwas mehr kontrolliert wird; sondern das hat mit einer tatsächlichen Problemlage zu tun, die Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen sollten. Im Drogen- und Suchtbericht 2013 steht, dass Crystal in Sachsen mittlerweile mit 41 % vor Cannabis die meistgenutzte Droge ist.