Protocol of the Session on December 18, 2013

Ich habe in den letzten Monaten wenig politisch Aktive kennengelernt, die mit der FDP koalieren wollen.

(Heiterkeit im Saal)

Ausgerechnet jetzt kommt dieser Liebesbeweis von den LINKEN. Das ist interessant. Endlich, das nehme ich auch mit in unsere Gremien als FDP, bilden sich hier auch einmal für uns neue Machtoptionen.

(Heiterkeit im Saal)

Herr Gebhardt kann jetzt auch um mich werben.

Nein, nein, Spaß beiseite. Dass wir uns bei der kalten Progression einig sind, ist umso besser. Ich hätte mich natürlich gefreut, wenn im Bundesrat, als der entsprechende Vorstoß von Schwarz-Gelb kam, auch das Land Brandenburg, das von den LINKEN mitregiert wird, der Initiative beigetreten wäre. Das haben Sie leider nicht gemacht. Das ist wieder der Praxistest. Das Land Brandenburg hätte ruhig mitmachen können.

Ansonsten ist es bekannt, dass der Freistaat Sachsen in Bezug auf die Steuerpolitik eine eigene Sicht auf die Dinge hatte. Es hat sich erstens als einziges Bundesland, auch während der gesamten Legislatur, auf mögliche Steuersenkungen vorbereitet und zweitens hat es für diese

Steuersenkungen geworben. Es ist schön, wenn das hier im Hohen Haus mitgetragen wird.

Was die Rentenpolitik betrifft, sind wir uns einig. Es ist viel zu oft in die Rentenkasse eingegriffen worden. Es stimmt. Es werden artfremde Dinge aus dieser Kasse bezahlt. Man sollte dort endlich wieder Ordnung hineinbringen. Eines dürfen wir nicht vergessen: Wer den jungen Menschen in diesem Land heute erklärt, dass ihre Rente sicher ist, und nicht dazusagt, dass, wenn es so weitergeht, diese Rente viel kleiner als die Rente derer sein wird, die heute in die Rente eintreten, der lügt auch.

Wir müssen, wenn wir mehr Generationengerechtigkeit herstellen möchten, unser Rentensystem tatsächlich einmal vom Kopf auf die Füße stellen. Dazu gehört auch, dass wir aufgrund der europäischen Zinspolitik darüber nachdenken müssen, welche Sicherheit die private Vorsorge, die viele junge Menschen ergriffen haben, noch für die eigene Altersvorsorge bietet. Uns steht etwas bevor. Ganz im Ernst sage ich Folgendes: Wenn es jemand lösen kann, dann ist das nur eine Große Koalition. Wenn man eine solche Gestaltungsmehrheit in Bund und Bundesrat innehat, dann kann man das machen.

Die Zeit ist zu Ende.

Sie tun es nicht. Das ist Verrat an den jungen Leuten und der kommenden Generation, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Ich weise noch einmal auf Folgendes hin: Das war die Reaktion auf die Kurzintervention. Sowohl für die Kurzintervention als auch für die Reaktion gelten Zeitgrenzen.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Wir fahren in der Rednerreihe fort. Jetzt ist die NPDFraktion an der Reihe. Es spricht Herr Storr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Koalitionsvertrag, wenn man ihn durchliest, sieht wie ein Konvolut an Leerformeln, Belanglosigkeiten, Allgemeinplätzen, Beschwichtigungen, Absichtserklärungen und Verlautbarungen aus, die aber im Grunde genommen wenig Substanz haben.

Man kann fast auf jeder Seite irgendein Beispiel dafür finden, dass diese These belegt. Ich führe als Beispiel die kulturelle Bildung an. Dort heißt es im Koalitionsvertrag wie folgt – Zitat –: „Kulturelle Bildung erschließt neue Welten und trägt maßgeblich zur Persönlichkeitsbildung bei. Alle Kinder und Jugendlichen müssen Zugang zu kultureller Bildung haben. Mit dem Programm ‚Kultur macht stark‘ leisten wir einen Beitrag dazu, dass kulturelle Bildung in der Breite ankommt.“ Schön und gut. Das klingt gut. Wer möchte schon sagen, dass er dagegen sei.

Interessant ist jedoch, was nicht in diesem Koalitionsvertrag steht. Das ist ein riesiges Problem, welches auch in der öffentlichen Debatte überhaupt nicht diskutiert wird,

auch wenn der Bundestag kurz einmal darüber gesprochen hat. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hat im Jahr 2012 veröffentlicht, dass es zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland 7 Millionen funktionelle Analphabeten gibt. Zu diesem Problem äußert sich der Koalitionsvertrag nicht.

Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass man sich den eigentlichen Problemen dieses Landes nicht zuwendet. Es gibt Probleme, die man offensichtlich nicht anpacken kann oder anpacken möchte. Dazu schweigt man sich aus.

Es ist wie folgt: Ich habe mir nicht nur die 185 Seiten dieses Koalitionsvertrages angeschaut. Ich habe mir auch einmal – die Rückschau kann manchmal auch sehr interessant sein – den Koalitionsvertrag der damaligen Bundesregierung aus dem Jahr 2009 angeschaut. Wenn man sich diesen einmal durchliest, ich nenne beispielhaft nur den Bereich bzw. das Kapitel der Haushalts- und Finanzpolitik in diesem Koalitionsvertrag, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass das, was dort drinsteht, nicht das Papier wert. Es sind im Grunde genommen nur Leerformeln. Es sind interessanterweise die gleiche Sprache, die gleichen Leerformeln und Allgemeinplätze, die auch damals bedient wurden. Das macht deutlich, dass Koalitionsverträge nur Feigenblätter sind und über die Politik, die in den kommenden vier Jahren gemacht werden soll, sehr wenig aussagen.

Die Koalitionsverträge haben die gleiche Funktion. Sie haben die gleiche Sprache und den gleichen Stil. Sie sollen eine gewisse Form des Optimismus verbreiten: Man regiert alles, man hat alles im Griff, es gibt keine Probleme. Wo Regelungsbedarf besteht, werden neue Regelungen geschaffen. Das sind die Botschaften, die man verbreiten möchte, um den Bürgern Sand in die Augen zu streuen und ihnen deutlich zu machen, dass es keine wesentlichen Probleme in diesem Land gibt: Wir machen die Politik schon für euch. Ihr braucht euch eigentlich gar nicht mehr um die Politik zu kümmern. So findet heute Politik stilistisch in diesem Land statt.

Ich habe vorhin schon vom Analphabetismus gesprochen. Wir haben aber noch ein ganz anderes Problem, welches elegant umschifft wird. Das ist zum Beispiel die europäische Schuldenkrise. Wenn auch die Auswirkungen nicht akut spürbar sind, ist diese Schuldenkrise dennoch lange nicht überwunden. Schaut man sich einmal an, was dazu im Koalitionsvertrag steht, kann man zum Beispiel Folgendes lesen – ich zitiere –: „Unser Land konnte auf die internationale Finanzmarktkrise und den darauf folgenden Konjunktureinbruch sowie die Schuldenkrise in Europa entschieden reagieren. Die Politik hat dabei die Rahmenbedingungen geschaffen, die die Menschen in Deutschland entschlossen genutzt haben.“ Zu den Haftungsrisiken, die Deutschland in den letzten vier Jahren eingegangen ist und zu den TARGET2-Salden mit einer enorm hohen Summe, die zwar zuallererst Forderungen darstellen, von denen jedoch keiner sagen kann, dass die Forderungen auch einbringlich sind, wenn sie geltend

gemacht werden würden, dazu sagt der Koalitionsvertrag nichts.

Es ist wie folgt: Die Solidarität soll im Grunde genommen nur die Nachgiebigkeit gegenüber südeuropäischen Pleitestaaten bemänteln. Man hat noch nicht einmal den Willen, aktive gestalterische Politik – Ordnungspolitik – zu machen. Wenn man sich einmal die Rahmenbedingungen der Politik auf europäischer Ebene ansieht, findet sich ein doch sehr bemerkenswerter Satz im Koalitionsvertrag, der wie folgt heißt – Zitat –: „Wir wollen die EUVorgaben eins zu eins umsetzen.“

(Jürgen Gansel, NPD: Bravo!)

Was heißt das? Dieser Satz bedeutet, dass man gar keinen Einfluss nehmen möchte. Was von der EU kommt, das wird umgesetzt – widerspruchslos, ohne unsere eigenen Interessen im Auge zu behalten.

(Beifall bei der NPD)

Das kann keine verantwortungsvolle Politik sein.

Herr Storr, die Redezeit ist zu Ende.

In einer zweiten Runde werde ich weitere Ausführungen machen.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Es gibt den Wunsch nach einer zweiten Runde. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abg. Hermenau. Bitte, Frau Hermenau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Krauß, Sie haben als besonderen Erfolg vonseiten der CDU hervorgehoben, dass keine Steuererhöhungen im Koalitionsvertrag enthalten sind. Das stimmt. Es sind keine Steuererhöhungen im Koalitionsvertrag festgehalten. Es steht aber auch nicht darin, dass keine Steuererhöhungen kommen werden. Sie haben einen Gummiparagrafen formuliert. Darauf komme ich gleich zu sprechen.

Was mich umtreibt, ist Folgendes: Die Vorhaben, die Sie aufgeschrieben haben, müssen unter einem neuverschuldungsfreien Haushalt ab dem Jahr 2016 finanziert werden. Das ist Ihnen bewusst.

Wir haben zurzeit einen historischen Tiefstand in Bezug auf die Zinsen. Staatsanleihen sind sozusagen sehr günstig. Wir können uns günstig verschulden, sagen wir es einmal so herum. Wir haben sehr hohe Steuereinnahmen zu verzeichnen. Das sind zwei besonders günstige Momente, die Herrn Schäuble im Moment helfen, den Bundeshaushalt zusammenzuhalten. Er hat in den letzten Jahren keinen großen Ehrgeiz entwickelt, mehr zu tun. Von einer richtigen Aufgaben- und Ausgabenkritik habe ich auf Bundesebene nicht viel gehört.

Deswegen handelt es sich um eine gewisse Blase, wenn man behauptet, dass – bezogen auf die nächsten vier Jahre – all diese Wünsche auf ihrem Wunschzettel auch wirklich umgesetzt werden können. Ich glaube nicht daran. Der Beweis dafür ist, dass viele Vorschläge, Wunschzettel und Prüfaufträge aufgeschrieben wurden. Wenn irgendein Manna vom Himmel fällt, wird es gemacht. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist irgendwer schuld – im Zweifel die EU oder sonst irgendjemand. Für mich klingt das fast so, als wollten Sie mit der an vielen Stellen in diesem Koalitionsvertrag vorhandenen Lyrik und den Wunschzetteln nachholen, was beide größeren Parteien in den letzten Jahren versäumt haben – nicht nur in Sachsen, sondern auch an anderen Orten. Es ist nicht solide finanziert. – Das ist der erste Punkt.

Dieser Gummiparagraf zur Steuerpolitik zeigt ja eigentlich, dass beide Seiten ein klares Bekenntnis scheuen. Die einen tun das, indem sie sagen, sie wollen Steuerhöhungen, und die anderen tun es, indem sie sagen, sie wollen keine Steuererhöhungen. Beides wird nicht explizit gesagt.

Wenn Sie die Schuldenstandquote absenken wollen, so ist das im Moment vielleicht plausibel wegen guter Steuereinnahmen und niedriger Zinsen, aber auf Dauer nicht stabil.

Sie wollen starke Kommunen. Das höre ich gern. Was aber ist passiert? Bei der Wiedereingliederungshilfe wird statt der 4 Milliarden Euro, die ursprünglich bei der Aushandlung des Fiskalpaktes versprochen worden sind, 1 Milliarde Euro rübergereicht. Sie merken selbst, dass das Geld nicht reicht.

Natürlich werden wir jetzt abwarten müssen, was die Praxis der nächsten 100 Tage bringt, wie Sie sich bewähren, was da alles in Angriff genommen wird. Ich bleibe dabei: Sie machen Stillstand statt Strukturreformen. Und da hilft es auch nichts zu suggerieren, ein eventueller schwarz-grüner Koalitionsvertrag wäre präziser und härter gewesen. Sie haben kein Recht, einen schlechten Koalitionsvertrag mit der SPD zu machen, nur weil Sie mit uns keinen machen konnten. Also, ganz so einfach ist es nicht.

Die Besitzstandswahrung ist in diesem Koalitionsvertrag erfüllt. Das, was präzise aufgeschrieben ist, geht von dem Grundsatz aus: Hoffentlich ändert sich überhaupt nichts, hoffentlich wird es nicht schlechter, als es ist, und es darf sich nichts bewegen. Das ist das, was in klaren Aussagen festgeschrieben ist. Und das andere, nämlich die Strukturreform und die drängenden Zukunftsaufgaben, wird geprüft. Da wird Zeit gekauft, da wird Ratlosigkeit überdeckt.

Sie warten natürlich die Europawahl ab, das ist doch ganz klar. Sie haben einen riesigen Baukasten aufgeschrieben. In allen Größen gibt es Bausteine, in allen Farben gibt es Bausteine. Man kann es sich dann selbst zusammen bauen. Wie gesagt, ich hoffe darauf, dass die Länder wenigstens davon Gebrauch machen. Aber eigentlich schießt dieser Koalitionsvertrag mit Schrot in der großen

Hoffnung, dass schon irgendetwas aus den Zweigen fallen wird.

Kritik ist da natürlich kaum möglich. Das ist klar. Es ist ja alles aufgeschrieben, was man sich nur denken kann. Ich zeige einmal den Wunschzettel Umwelt: Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft, nationale Biodiversitätsstrategie umsetzen, kritisch die breite Massentierhaltung aufgreifen, Vorbehalte gegen Gentechnik anerkennen, Biomonitoring einsetzen. Umsetzen müssen Sie das alles, nicht aufschreiben und den Leuten erzählen, Sie wollten das vielleicht irgendwann machen. Sie müssen es umsetzen.

Das hätten Sie in der Landespolitik längst tun können. Dazu hätte es dieses Vertrages gar nicht bedurft. Sie haben darauf verzichtet, weil Sie sich ideologisch mit Schwarz-Gelb bei diesen ganzen Aufträgen im Wege stehen, die im Koalitionsvertrag formuliert worden sind. Das heißt, Sachsen wird wenig davon haben, dass solche Sachen in diesem Vertrag stehen, zumindest bis zur Landtagswahl, weil Schwarz-Gelb das ideologisch einfach nicht will. Dasselbe gilt für Städtebauprogrammmaßnahmen, für die Umsetzung der Behindertenkonvention und für die Umsetzung der Inklusion. Das sind alles Sachen, die wir in Sachsen längst beschlossen haben und hätten umsetzen können. Das ist alles nicht erfolgt.

Der nächste Wunschzettel ist vielleicht die Lyrik beim Datenschutz und bei der Freiheit im Netz. Am Ende kommt Vorratsdatenspeicherung dabei heraus. Und bei der Gesellschaftspolitik: Familien stärken, Gleichstellung, Integration und Zuwanderung gestalten, Mehrgenerationenhäuser. Beide Parteien haben aufgeschrieben, was sie sich alles wünschen würden, wenn Sie denn könnten. Sie regieren, Sie regieren!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Dulig, Sie wünschen?