Protocol of the Session on December 18, 2013

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Pellmann, wann ich den

Koalitionsvertrag bejubelt habe, müssen Sie mir noch sagen. Dazu müssten Sie mir die Stelle einmal zeigen. Ich habe besonders in den letzten Wochen versucht, nicht mit irgendwelchen ritualbehafteten Floskeln den Koalitionsvertrag zu bewerten; denn es kamen immer so schöne Schlagworte wie: „Das ist die sozialdemokratische Handschrift“, „Wer hat sich da durchgesetzt?“ oder „Das ist der beste Kompromiss aller Zeiten“. – Nein, ich glaube, dass uns damit ein vernünftiger Koalitionsvertrag gelungen ist. Das ist für mich die Kategorie. Es ist eine Absichtserklärung. Die Frage der Bewertung wird sowieso erst durch die konkrete Politik erfolgen.

Deshalb müssen wir jetzt sehen, inwieweit das, was als Grundlage gelegt wurde, eine gute Basis dafür sein kann, dass eine gute Politik gemacht wird. Es gibt aber trotzdem Kompromisse innerhalb des Koalitionsvertrages, die ich als gute Kompromisse bezeichnen würde. Ich finde nach wie vor, dass die Mindestlohnregelung eine gute Regelung ist. Wir stärken die Tarifbindung. Wir können schneller Tarife für allgemeinverbindlich erklären. Wir haben einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro ab dem 1. Januar 2015 und ohne Ausnahme dann ab dem 1. Januar 2017. Das ist ein guter Kompromiss.

Wir haben die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, die GRW, für Ostdeutschland gesichert, und zwar auf dem Niveau von 2009. Wir haben die Fortsetzung des Solidarpakts II aufgenommen. Es gab einige, die das belächelt und gefragt haben, wie man einen solch profanen Satz, dass wir den Solidarpakt II planungsgemäß umsetzen, hineinschreiben kann. Aber, Entschuldigung: Wir sind doch hier nicht in einem luftleeren Raum.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das stimmt!)

Wir haben Klagen gegen den Solidarpakt. Wir haben Meinungen aus den Ländern, die diesen sozusagen in Zweifel ziehen. Deshalb ist das nicht nur ein rhetorischer Satz, sondern das ist ein Satz, der für Ostdeutschland wichtig ist, weil er uns für die Zeit bis 2019 Sicherheit gibt; denn wir haben bis dahin auch einen neuen Länderfinanzausgleich auszuhandeln und wir haben über die Frage zu diskutieren, ob es einen Solidarpakt III geben wird, egal, ob das jetzt ein regionaler oder ein anders gestalteter sein wird. Dabei müssen wir aktiv sein. Ich glaube, dass gerade für Ostdeutschland gute Kompromisse gefunden wurden.

Dazu gehört auch die Rentenpolitik. Ich glaube, dass für das, was dort verabredet wurde – die Regulierung der Rente mit 67 für die nichtakademischen Bereiche, in denen vor allem körperlich schwere Arbeit geleistet wird –, ein Ausweg gesucht werden muss, der eine Rente ab 63 ermöglicht, nämlich nach 45 Beitragsjahren abschlagsfrei in Rente gehen zu können. Dazu gehören bis zu fünf Jahre Arbeitslosigkeit, weil wir die Lebensrealität abbilden müssen. Die Angleichung der Rentensysteme Ost und West ist das erste Mal wirklich verbindlich verabredet worden.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Wann?)

Wir müssen als Erstes einen Zwischenschritt machen, inwieweit wir durch die Mindestlohn- und Lohnangleichungspolitik eine Rentenangleichung bei circa 95 % haben, um dann zu sehen, ob wir einen zweiten Schritt selber machen müssen, um bis zum Ende des Solidarpaktes eine Angleichung der Rentensysteme Ost/West zu haben.

Denjenigen, die sagen, das sei nicht notwendig, weil eher der Osten bevorteilt ist, rate ich zur Vorsicht. Wir haben inzwischen neue Ungerechtigkeiten im Rentensystem, die dazu führen können, dass wir sogar verfassungsrechtliche Probleme bekommen. Deshalb ist es sinnvoll, jetzt, wo wir vielleicht noch aufgrund einer großen Mehrheit eine Solidarität der Länder bekommen können, diese Regelung zu treffen. Ich bin der Meinung, in vier Jahren wird es deutlich schwieriger sein, das Thema Rente im Sinne einer Ost-West-Angleichung zu regeln.

Das Thema Energiewende wird weiterhin ein großer Streitpunkt sein, aber ich glaube, das ist die größte Herausforderung, die diese Koalition annehmen muss. Der hier zugrunde gelegte Kompromiss ist vorher mit allen 16 Ministerpräsidenten verabredet worden. Die Grundlage war eine Verabredung, denn die Interessen der Länder sind sehr unterschiedlich. Das auszutarieren ist eine große Leistung gewesen. Am Schluss ging es nur noch um die Frage der Korridore und der Zeiträume, wann welcher Korridor gilt. Dort hat man einen Kompromiss gefunden. Wenn 16 Bundesländer dabei sind, heißt das auch, es war ein grüner Ministerpräsident genauso mit dabei wie ein linker Wirtschaftsminister aus Brandenburg. Das heißt, wir haben alle unseren Anteil daran, und entscheidend ist für mich, dass wir die Energiewende in den nächsten vier Jahren zu einem guten Ergebnis führen, weil es tatsächlich die zentrale Herausforderung ist.

Wir haben eine Entlastung der Länder im Bildungsbereich.

Die Redezeit!

Das ist für mich so wichtig, dass ich es dann in der zweiten Runde ausführen würde.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. Das war Herr Kollege Dulig für die SPD-Fraktion. Wir kommen jetzt zur FDP-Fraktion. Das Wort hat Herr Kollege Zastrow.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die GRÜNEN stören mit dieser Debatte ein bisschen den Weihnachtsfrieden. Da kann ich gar nicht anders, als mich daran zu beteiligen.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Wenn wir als FDP auf den Koalitionsvertrag in Berlin schauen, dann haben wir allen Grund, uns Sorgen zu machen. Dieser Koalitionsvertrag sägt nämlich ganz massiv an den Erfolgsgrundlagen unserer Gesellschaft, und wenn ich dieses Plus an Bevormundung, diese naive Staatsgläubigkeit an vielen Stellen in dem Koalitionsvertrag lese und sehe, dass man bei vielen Punkten mit den Konzepten eines untergegangenen Systems versucht, die Zukunft unseres Landes zu gestalten, dann bin ich mir nicht sicher, dass Deutschland in den nächsten Jahren das erfolgreichste Land in Europa bleiben wird.

Wenn ich lese, dass man sich auf eine Frauenquote oder einen Mindestlohn verständigt, dass man eine Mietpreisbremse beschlossen hat und die aus meiner Sicht falsche Energiewende weiter mit planwirtschaftlichen Rezepten zu Ende führen will – wissen Sie eigentlich, wie viel DDR aus diesem Koalitionsvertrag um die Ecke schaut?

(Lachen bei den LINKEN und der SPD)

Genau deswegen grinsen die LINKEN hier so frech und permanent, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Normalerweise müsste man vermuten, dass, wenn sich eine Große Koalition mit einer so großen Mehrheit auf einen Koalitionsvertrag verständigt, man bereit ist, große Lösungen für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unseres Landes zu finden. Leider ist es trotz dieser großen Mehrheit dazu nicht gekommen. Anstatt endlich über das Thema Generationengerechtigkeit nachzudenken, machen Sie diese Republik zu einem Rentnerstaat. Das tun Sie auf Kosten der jüngeren Generation, das tun Sie vor allem auf Kosten der Menschen, die in diesem Land den Karren ziehen und noch im Berufsleben stehen und all das bezahlen müssen, was Sie im Bereich Rentenpolitik machen.

(Widerspruch bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich kann mir kein besseres Bild vorstellen als den Minister, der gerade in der „Apothekenumschau“ blättert. Wenn das das Bild für die Zukunft unseres Landes ist, dann haben wir es hier.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte nie gedacht, dass ich in diesem Haus meinem Kollegen Pellmann von den LINKEN recht geben muss.

(Oh-Rufe von den LINKEN)

Was hier getan wird, ist tatsächlich eine Versündigung an der jüngeren Generation; denn wenn man überhaupt diese Rentengeschenke verteilen möchte, dann hätte man es aus Steuergeldern machen müssen. Man hätte niemals in die Rentenkasse greifen dürfen. Das ist ein einmaliger Vertrauensbruch, den die jungen Menschen zur Kenntnis nehmen müssen.

(Beifall bei der FDP)

Das ist ein Fehler, von dem ich hoffe, dass er noch korrigiert wird.

(Beifall bei der FDP – Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Das ist nicht das erste Mal passiert!)

Wir haben, Herr Dr. Pellmann, aber noch eine andere Situation, die mich sehr enttäuscht auf den Koalitionsvertrag schauen lässt. Wir haben als Freistaat Sachsen an vorderster Stelle in den letzten Monaten darum gekämpft, dass es ein kleines bisschen mehr Steuergerechtigkeit in diesem Land gibt und dass man denjenigen, die dafür gesorgt haben, dass Deutschland im Moment Rekordsteuereinnahmen auf allen Ebenen hat, ein Stück zurückgibt. Das war das Thema kalte Progression. Wir sind als CDU und FDP im Bundesrat an SPD, GRÜNEN und LINKEN gescheitert. Jetzt aber haben wir die einmalige Situation, dass die entsprechende große Mehrheit im Bundesrat und auch im Bundestag, dieses kleine bisschen Steuergerechtigkeit geben könnte. Nicht mal das, meine Damen und Herren, gönnt diese Große Koalition denjenigen, die in diesem Land den Karren ziehen. Das finde ich schoflig, meine Damen und Herren. Das kann einfach nicht sein. Wenn man schon eine Gestaltungsmehrheit hat, dann wäre es das Mindeste gewesen, dass man in diesen für Deutschland guten Zeiten den Berufstätigen ein bisschen von dem Erfolg, den sie selbst erwirtschaftet haben, zurückgibt. Das enttäuscht mich am meisten.

(Beifall bei der FDP)

Stattdessen wird die berufstätige Mitte unseres Landes weiter und zusätzlich belastet. Die Pflegeversicherungsbeiträge steigen an. Die gesetzlich vorgeschriebene Absenkung des Rentenversicherungsbeitrages kommt nicht. Es wird wahrscheinlich leider so sein, dass die unter Schwarz-Gelb beschlossene Abschaffung der Praxisgebühr für eine ganz, ganz lange Zeit die letzte Entlastung gewesen ist, die eine Regierung ihren Bürgern gegönnt hat. Das ist kein gutes Ergebnis.

Wir werden in den nächsten Monaten genau darauf schauen, wie in Berlin regiert wird. Ich glaube, einen Vorteil hat die Konstellation in Sachsen und natürlich auch die Konstellation in Berlin. Die Menschen werden im nächsten Dreivierteljahr sehen können, ob es einen Unterschied macht, mit wem beispielsweise die Union regiert. Ich bin mir sicher, es macht einen Unterschied, und das wird in den nächsten Monaten deutlich werden, meine Damen und Herren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP – Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Für die FDP-Fraktion sprach Herr Kollege Zastrow. Herr Dr. Pellmann trägt eine Kurzintervention vor.

Herr Präsident! Da der verehrte Kollege Zastrow mich ausdrücklich erwähnt und auf eine Übereinstimmung zwischen uns aufmerksam

gemacht hat, kann ich mir diese Steilvorlage nicht entgehen lassen und möchte das Hohe Haus darüber informieren, dass es sehr interessant ist, dass Kollege Zastrow ähnlich wie ich und meine Partei der Auffassung sind, dass man politische Entscheidungen, die sich auf die Rente auswirken, bitte schön aus Steuermitteln zu finanzieren hat. Ich füge allerdings ergänzend hinzu, dass das nicht das erste Mal passiert. Es ist schon mehrfach in die Sozialkassen eingegriffen und damit die Selbstverwaltung der Kassen unterminiert worden.

Des Weiteren möchte ich das Haus darauf aufmerksam machen, dass wir erstaunlicherweise eine weitere Übereinstimmung haben – –

(Zurufe von den GRÜNEN)

Ja, ja, ich bin völlig baff. Wir fordern beide – Herr Zastrow ist allerdings auf dem Weg, sich aus seiner Koalition zu verabschieden –, endlich die kalte Progression abzuschaffen. Das steht in unserem Wahlprogramm und in Ihrem auch. Sehen Sie, welch interessante Konstellationen sich kurz vor Weihnachten hier noch ergeben könnten.

(Heiterkeit bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das war nicht abgesprochen!)

Auf die Kurzintervention von Herrn Dr. Pellmann reagiert postwendend Herr Zastrow.

Ist das wirklich die Parteilinie?

(Lachen bei der FDP)

Ich habe in den letzten Monaten wenig politisch Aktive kennengelernt, die mit der FDP koalieren wollen.