Protocol of the Session on December 18, 2013

Dass Frau Merkel für Europa den Rücken frei braucht, lasse ich einmal so stehen. Wir haben erst nach der Europawahl Klarheit, ob dieser Koalitionsvertrag die Tinte wirklich wert ist; denn die CDU wird ihr Landtagswahlprogramm erst nach der Europawahl machen, habe ich gehört. Das heißt, sie wird sich aus Modulen aus diesem Bundeskoalitionsvertrag auswählen, was ihr behagt oder was geht, und vielleicht ist das deutlich weniger, als wir jetzt alle denken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Hermenau hat für die einbringende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vorgetragen. Wir kommen jetzt zur weiteren Rednerfolge: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD, Staatsregierung, wenn gewünscht. Für die CDU-Fraktion ergreift jetzt Herr Kollege Krauß das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen von den GRÜNEN, dass Sie als Zaungäste über die Koalitionsverhandlungen sprechen, hat vor allem erst einmal damit zu tun, dass Sie sich das selbst eingebrockt haben. Erstens haben Sie den entsprechenden Wahlkampf gemacht, bei dem Sie vom Wähler abgestraft worden sind, weil Sie Verbotsorgien in den Vordergrund gestellt haben, bei denen Sie von A wie Autowerbung bis Z wie Zirkustiere alles verbieten wollten, und zweitens, als die Wahlen vorbei waren – auch da hätten Sie verhandeln können –, gab es keinen Ansprechpartner bei den GRÜNEN, weil Ihre Führung richtigerweise – allen voran Herr Trittin – erst einmal zurückgetreten ist. Letzten Endes standen Sie als Gesprächspartner überhaupt nicht zur Verfügung. Das wollen wir einmal vorwegschicken. Für uns war klar: Wir stehen in der Verantwortung, wir wollen das Land voran

bringen. Deswegen haben wir, glaube ich, mit den Sozialdemokraten einen guten Partner gefunden, mit denen man das machen kann.

Kommen wir zu Themen, die wichtig sind, die auch im Koalitionsvertrag auf Bundesebene stehen. Mir ist – man kann sagen, da hat man auch von Sachsen gelernt – die nachhaltige Haushaltspolitik wichtig. Ab 2015 wird es keine Neuverschuldung mehr geben. Das hört sich so normal an; wenn man aber weiß, dass seit über 40 Jahren der Staat immer mehr Geld ausgegeben hat, als er eingenommen hat, dann sieht man, dass wir an einer Epochenwende sind, auf die wir lange hingearbeitet haben, und dass wir die jetzt umsetzen können, dass wir jetzt die Früchte von dem ernten, was man in den letzten Jahren vorbereitet hat.

Wir haben andere Punkte, die uns wichtig sind: Wir wollen keine Steuererhöhungen für die Bürger haben. Wir wollen auch keine Euro-Bonds haben. Wir wollen uns nicht an den Verschuldungen der anderen Staaten beteiligen. All das sind Erfolge, die wir in diesem Koalitionsvertrag umgesetzt haben.

(Beifall bei der CDU)

Ein zweiter Punkt, Frau Kollegin Hermenau, den Sie angesprochen haben, betrifft die Energiewende. Eine der großen Herkulesaufgaben dieser Bundesregierung wird es sein, die Energiewende ins Lot zu bringen. Ich sage: Da steht nicht nur Lyrik im Koalitionsvertrag. Es geht natürlich auch um die Umsetzung. Ich weiß nicht, was Herrn Gabriel geritten hat, einen Grünen als Staatssekretär zu berufen, das weiß ich nicht – und auch noch einen von der FDP.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Aber bei der Umsetzung brauchen wir die GRÜNEN. Das ist zumindest ein Signal, das davon ausgeht. Da sind wir dann alle gefordert, das hinzubekommen.

Die Große Koalition bietet die größtmögliche Mehrheit im Bundesrat, die wir haben, und der Bundesrat ist notwendig, damit wir den Anstieg der Strompreise einbremsen können. Das ist Aufgabe der Politik. Ich glaube, das Dreieck, das man sich gesetzt hat – Umweltverträglichkeit, Bezahlbarkeit von Strompreisen und Energiesicherheit –, in ein Gleichgewicht zu bringen, ist die Herausforderung der nächsten Wahlperiode. Das muss die neue Bundesregierung hinbringen, und sie wird es auch hinbringen.

(Beifall bei der CDU)

Wir können uns gern einmal die Antworten der Wirtschaft anschauen, wenn Sie nach den erneuerbare Energien fragen. Die ist froh, wenn sie befreit ist. Ich habe bei mir im Wahlkreis eine Papierfabrik, die sagt: Wenn die EEGBefreiung wegfallen würde, würde das für uns Mehrkosten in Höhe von 900 000 Euro pro Jahr bedeuten.

(Zuruf von der FDP: So ist das!)

Ich habe in meinem Kreis ein älteres Ehepaar, das eine Stromheizung hat, weil ihnen das Mitte der Neunzigerjahre empfohlen wurde. Die bezahlen pro Jahr 3 500 Euro allein für Strom, und die Kosten steigen ständig. Die verstehen das nicht mehr, dass wir eine so hohe EEGUmlage haben.

Wenn an der Börse der Strompreis bei 3,7 Cent pro Kilowattstunde liegt und wir nächstes Jahr eine EEGUmlage, also eine Umlage für erneuerbare Energien, in Höhe von 6,3 Cent haben, dann ist die Brühe deutlich teurer als das Fleisch, und man kann niemandem mehr erklären, wie so etwas vollkommen aus dem Ruder gerät.

(Zurufe von den LINKEN)

Das muss man einbremsen, und das wird man tun.

Wir haben beim Thema Rente über Parteigrenzen hinweg Gemeinsamkeiten, wenn es darum geht, eine bessere Absicherung für von Invalidität betroffene Menschen, die aus Krankheitsgründen ausscheiden, zu schaffen. Das ist unstrittig. Oder auch das, was wir im Koalitionsvertrag als solidarische Lebensleistungsrente bezeichnen, ist eine Forderung, die auch die GRÜNEN mitgetragen haben. Darin bestehen Gemeinsamkeiten.

Wir haben das Thema Mütterrente aufgenommen. Wir sagen, dass diejenigen, die Kinder erziehen und dafür sorgen, dass es später Beitragszahler gibt, eine Besserstellung bekommen, als es derzeit der Fall ist. Dafür bin ich dankbar. Wenn man mit den alten Menschen spricht, verstehen sie es. Es war ihnen ein Herzensanliegen, dass das kommt. Das war auch eines der wichtigsten Themen für die CDU. Dieses Thema ist dreimal wichtiger als das Thema, was hier rauf und runter diskutiert wird: Die Frauenquote in Dax-Konzernen interessiert keine Sau. Ich kenne keine Frau, die in einem Dax-Konzern ist. Aber ich kenne sehr viele Menschen, die zum Beispiel als Bäcker(in) gearbeitet oder ganz einfache Tätigkeiten ausgeführt haben, die das Thema Rente interessiert und die als Frau die Erziehungsleistung übernommen haben und deswegen auch eine anständige Rente haben wollen.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege!

Ich möchte noch auf die Rente mit 63 eingehen. Auch das sehen wir sicherlich etwas kritischer, was die Zukunftsfähigkeit anbetrifft. Aber darüber können wir in der nächsten Runde noch sprechen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Wir schreiten erst einmal in der ersten Runde weiter. Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Herr Dr. Pellmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die GRÜNEN

haben bei dem Thema der heutigen Aktuelle Debatte de facto drei Thesen aufgestellt. Wie das Ganze ausgehen wird, werden wir spätestens in vier Jahren sehen. Aber eines ist aus unserer Sicht bereits heute klar: Fortschritte, die wir vor allem auf sozialem Gebiet dringend brauchen, sind in diesem Koalitionsvertrag schwer bzw. überhaupt nicht zu erkennen. Hinzu kommt, dass alles – auch das, was vermeintlich nach vorn weisen könnte – unter Finanzierungsvorbehalt steht oder mit Prüfaufträgen zu überantworten ist.

Insgesamt – das kann man aus unserer Sicht bereits heute sagen – handelt es sich um einen Koalitionsvertrag des Stillstands und des Verwaltens. Von daher können wir als LINKE wenig Hoffnung in das setzen, was gestern mit der neuen Bundesregierung auf den Weg gebracht wurde.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Ich sage Ihnen eines: Wenn Herr Dulig und Herr Gabriel in Jubelchöre über das ausbrechen, was sie erreicht haben, dann kommen mir Zweifel; denn wenn man sich das Dokument genau anschaut, dann ist eines eindeutig: Es trägt vornehmlich die Handschrift der Union. Insofern, verehrte Damen und Herren der SPD, kann ich bestimmte Dinge, die Sie in Ihrem Wahlprogramm als Kernbotschaften verankert hatten, nicht erkennen.

Weshalb haben Sie nicht ernsthaft darum gekämpft bzw. sogar Ihre Unterschrift davon abhängig gemacht, dass es – Frau Hermenau hat es genannt – eine Bürgerversicherung oder Steuergerechtigkeit gibt? Es wird zu Steuererhöhungen kommen müssen, aber leider nicht dort, wo wir sie gemeinsam wollten, nämlich bei den Besserverdienenden. Wo bleibt die Korrektur bei den Hartz-IV-Sätzen? Ich hatte in den letzten Jahren manchmal den Eindruck, dass Sie von der SPD in diesem Hohen Haus schrittweise von dem, was unter Gerhard Schröder passiert ist, abrücken wollen. Ich lese nichts darüber, dass Sie den Regelsatz von Hartz IV für die Betroffenen endlich auf ein erträgliches Maß anheben wollen.

Ich komme zum Thema Rente, weil das ein Thema ist, über das gegenwärtig am meisten diskutiert wird. Ich will es mit einigen Schlagworten kurz zusammenfassen:

Erstens. Ja, es ist anerkennenswert, dass Sie, die Koalitionäre, endlich erkennen, dass die Altersarmut schon jetzt gewaltige Probleme mit sich bringt und auch künftig noch bringen wird. Das Konzept, das Sie bezüglich der Rente anbieten, reicht für eine wirksame Bekämpfung der Altersarmut nicht aus.

Zweitens. Sie bleiben bei der Beibehaltung der Dämpfungsfaktoren, die unter Gerhard Schröder eingeführt und von der Regierung Merkel umgesetzt worden sind. Das führt bereits heute dazu, dass wir eine Realrente von unter 50 % des vorhergehenden Nettolohns haben – bei Kohl waren es 53 %. Und es wird weiter nach unten gehen. Das ist kein Beitrag zur Bekämpfung von Altersarmut.

Drittens. Die Rente mit 67 Jahren bleibt. Wenn jetzt hervorgehoben wird, dass die Rente mit 63 Jahren käme,

dann sage ich Ihnen: Die Mehrheit der künftigen Rentner, insbesondere in Ostdeutschland, wird davon nichts haben. Im vergangenen Jahr hatten die wenigsten Neurentner 40 Beitragsjahre. Wo sollen 45 Beitragsjahre herkommen? Wie soll das realisiert werden?

Viertens. Ostdeutsche werden bei der Rente weiterhin benachteiligt. Die Annäherung des Rentenwertes Ost an den aktuellen Rentenwert West wird weiterhin verschoben – bestenfalls in die nächste Legislaturperiode. Was soll das? Ich spreche noch nicht einmal davon, dass im Koalitionsvertrag kein Sterbenswörtchen über einen Sozialausgleich für in der DDR geschiedene Frauen zu finden ist.

Fünftens. Die sogenannte Lebensleistungsrente ist nichts anderes als eine Mogelpackung, denn sie hat Vorbehalte: 40 Beitragsjahre müssen erreicht sein und 30 Jahre muss in eine private Altersvorsorge eingezahlt sein. Ich frage Sie: Wer kann das in Ostdeutschland aufweisen?

(Alexander Krauß, CDU: Ab dem Zeitpunkt der Einführung! Erzählen Sie keinen Unsinn!)

Ja, das werden wir sehen.

Sechstens. Ich komme zur Mütterrente. Ich bin dafür, dass Mütter, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, gleichgestellt werden mit den Müttern, die danach Kinder geboren haben. Aber mit einem Rentenpunkt, den Sie zusätzlich geben wollen, gleichen Sie die Ungerechtigkeit nicht aus. Sie wird etwas gemildert. Aber jetzt kommt es: Sie bedienen sich dabei aus der Rentenkasse, obwohl es eine politische Entscheidung war, die, bitte schön, aus Steuermitteln zu finanzieren ist. Sie versündigen sich damit an den Beitragszahlern.

(Beifall bei den LINKEN – Alexander Krauß, CDU: Wer hat die Beitragszahler geboren? Das sind doch die Mütter!)

Ihre Redezeit ist abgelaufen!

Insofern machen Sie eine gute sozialpolitische Leistung zu einer Fehlleistung.

Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Dr. Pellmann.

Ja, Herr Präsident, ich fasse zusammen: Aus meiner Sicht strahlt der Koalitionsvertrag Mutlosigkeit, Kraftlosigkeit und Einfallslosigkeit aus.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Herr Dr. Pellmann für die Fraktion DIE LINKE. Für die SPDFraktion spricht jetzt erneut Herr Kollege Dulig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Pellmann, wann ich den