Protocol of the Session on November 28, 2013

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich halte es durchaus für legitim – das hält eine Demokratie auch aus –, dass wir zur Asylpolitik unterschiedlichste Meinungen haben, die von weit rechts bis weit links reichen. Das ist in der Diskussion alles legitim. Aber es ist meines Erachtens geradezu perfide, meine Damen und Herren, diese Auseinandersetzung auf dem Rücken von Menschen auszutragen, die mittlerweile bei uns angekommen sind und um Hilfe ersuchen.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Da werden diese Menschen – ohne, dass man sie kennt – als Kriminelle und Asylmissbräuchler stigmatisiert.

(Zuruf von der NPD: Kriminell sind die Einwanderungspolitiker! Zu diesen gehören auch Sie!)

Jetzt schauen wir doch einmal in die Einrichtungen hinein, meine Damen und Herren: Nahezu 50 % der dort angekommenen Menschen sind Kinder unter 13 Jahren – unter 13 Jahren!

(Zuruf von der NPD: Trotzdem müssen sie nicht unbedingt einen Asylantrag haben!)

Meine Damen und Herren, jetzt frage ich Sie alle miteinander – auch Sie sind Mütter und Väter –: Welche Mutter oder welcher Vater auf der ganzen Welt mutet es seinem Kind zu, die Heimat zu verlassen und ins Ungewisse zu gehen, wenn dahinter nicht eine wirkliche Not steht?

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf von der NPD – Gegenruf von der CDU: Halt‘ die Klappe! – Gegenruf von der NPD: Sag' das doch euren Schreihälsen! Proleten!)

Meine Damen und Herren, deshalb ist es wichtig, dass es auch andere Signale aus Schneeberg gibt. Es gibt Friedensgebete, zu denen wir Christen uns versammeln und ein Zeichen für Nächstenliebe und für Toleranz setzen. Es gibt mittlerweile auch Besuche, die nicht von den Medien begleitet werden, obwohl sich Menschen aufmachen in das Heim – mit Spenden, mit Kleiderspenden, mit Spielzeug, Kontakt herstellen, Verständigung herbeiführen. Es gibt auch das überparteiliche Bündnis der Mitmenschlichkeit, das nicht aufgesetzt, sondern aus der Region heraus gewachsen ist.

Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle einen Satz sagen, den wir zur Kenntnis nehmen müssen und den ich in gewisser Weise auch selbstkritisch sage.

(Andreas Storr, NPD: Wo bleibt denn die Selbstkritik? Da bin ich jetzt aber gespannt!)

Sicherlich wäre es möglich gewesen, mit einer vergleichsweise besseren Kommunikation – auch bei allem Handlungsdruck, der in Chemnitz entstanden ist – die Probleme, die sich hier aufgestaut haben, zu umgehen. Wir können – das sollte für die Zukunft für uns gemeinsam bedacht werden – eine Willkommenskultur nicht nur propagieren oder einfach nur voraussetzen; diese Willkommenskultur muss wachsen. Und sie kann wachsen – wenn wir die Menschen mitnehmen, meine Damen und Herren.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ja! – Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Ich bin der festen Überzeugung, dass dies auch in Schneeberg gelingen wird.

(Alexander Delle, NPD: Wenn Sie mit Entlassungen drohen usw.! – Andreas Storr, NPD: Gut eingeübter Schönsprech, was wir uns hier anhören dürfen!)

Deshalb gestatten Sie mir zum Schluss ein sehr persönliches, ein ganz unpolitisches Wort. – Hören Sie doch einfach mal zu! – Meine Damen und Herren, ich wohne im Erzgebirge und ich bin dort verwurzelt; deshalb dieses sehr persönliche Wort. Das ist kein frommes Anhängsel, sondern meine zutiefst ehrliche Meinung dazu.

Am Sonnabendabend, um 18 Uhr, wird wieder ein Signal von Schneeberg ausgehen. Schneeberg wird hell erleuchtet sein – aber nicht durch den Schein von Fackeln, sondern durch den Schein von Lichtern, die in den Fenstern stehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP und ganz vereinzelt bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das ist kein falsches Pathos, sondern das ist Realität. Weihnachten und die Botschaft von Weihnachten ist bei den Erzgebirgern tief verwurzelt, und sie prägt auch unser menschliches Miteinander – unter uns selbst und auch zu Außenstehenden. Ich bin der

festen Überzeugung, dass uns dieses Miteinander und dieses Verständnis, das über Weihnachten hinausreicht, helfen werden, auch diesen dunklen Konflikt zu lösen.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon.)

Für die CDU-Fraktion sprach Herr Kollege Colditz. Jetzt gibt es eine Kurzintervention am Mikrofon 7; bitte, Herr Gansel.

Ja, Herr Präsident, ich finde es bedauerlich, dass ich hier diesen einstudierten Jubelchor unterbrechen muss, aber ich möchte – –

(Empörte Zurufe von der CDU)

Ich weiß, es war spontan, es war total spontan, weil es so eine herzerweichende Rede des Kollegen Colditz gewesen ist.

Ich möchte für die NPD noch einmal etwas klarstellen und den Vorwurf der „Menschenfeindlichkeit“ zurückweisen.

Was, verdammt noch mal! – und Sie sind ja angeblich Volksvertreter –, was ist daran menschenfeindlich, wenn sich deutsche Mitbürger gegen die durch Ihre Politik verursachte Asylantenschwemme friedlich zur Wehr setzen? Was ist daran menschenverachtend, wenn Bürger es nicht wollen, dass ihnen steueralimentierte Scheinasylanten vor die Nase gesetzt werden?!

(Stefan Brangs, SPD: Dreizehnjährige Jugendliche sind Scheinasylanten, ja?)

Oder sind Deutsche nach Ihrer Logik etwa keine Menschen, die das Recht haben, für ihre legitimen Interessen einzutreten? Menschen sind anscheinend nur irgendwelche Lampedusa-Flüchtlinge! Deutschen Bürgern werden anscheinend von Ihnen die gleichen Rechte abgesprochen. Aus Sicht der NPD ist es zutiefst menschlich nachvollziehbar – und darüber hinaus auch eine Frage des gesunden Menschenverstandes –, dass sich die Bürger in Sachsen Ihre Asylpolitik, die auf dem Rücken der Bürger stattfindet, nicht länger gefallen lassen!

Herr Colditz, Sie wissen auch, dass nach UNO-Angaben jedes Jahr weltweit um die 45 Millionen Menschen irgendwie auf der Flucht sind. Nach Ihrer tränenseligen Logik müsste Deutschland für fast alle dieser 45 Millionen Flüchtlinge noch die Pforten öffnen!

(Empörte Zurufe von den LINKEN und der SPD – Starke Unruhe)

Das ist Ihre „Willkommenskultur“ zu Ende gedacht! Aber nach Auffassung der NPD kann und darf Deutschland nicht das Weltsozialamt sein! Diese 45 Millionen Menschen, die jedes Jahr aus unterschiedlichsten Gründen – die mit Deutschland gar nichts zu tun haben – auf der Flucht sind, können und dürfen nicht nach Deutschland kommen! Insofern hat diese Debatte jetzt schon gezeigt,

dass die NPD die einzige Partei im Freistaat Sachsen ist, die sich noch den Interessen der Deutschen verpflichtet fühlt.

(Beifall bei der NPD – Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD – Holger Gansel, NPD: Machen Sie ein Futterpaket, dann werden Sie schlanker! – Weitere Zurufe)

Das war eine Kurzintervention. – Eine Reaktion erfolgt nicht. Wir können also in der Rednerreihe fortfahren und für die Fraktion DIE LINKE ergreift jetzt Herr Tischendorf das Wort.

(Anhaltende Unruhe)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angst, Sorge und Unkenntnis gehen in Schneeberg um. Herr Colditz hat es treffend auf den Punkt gebracht: Es ist die Angst und die Unkenntnis vor Unbekannten, vor den Asylbewerbern in der ehemaligen Kaserne.

Wir haben es gerade wieder erlebt: Die NPD nutzt es einmal mehr, um damit für ihre Vorwürfe – kriminelle Ausländer, Überfremdung im Erzgebirge – zu Felde zu ziehen. Es wird gegen Menschen gehetzt, die ihre Heimat verlassen mussten, die aus den unterschiedlichsten Gründen fliehen mussten; auch darüber hat Herr Colditz bereits gesprochen; das will ich nicht wiederholen. Aber die NPD nutzt das natürlich, um Lügen zu verbreiten. Straftaten, behauptet sie, würden Menschen begehen, die mit nichts zu beweisen sind.

(Beifall bei den LINKEN und der CDU)

Sie haben noch nicht ein einziges Beispiel gebracht, welche Straftaten in Schneeberg von den Menschen ausgegangen sind. Und dann sagt die NPD noch den Verantwortlichen vor Ort, sie liebt die erzgebirgische Tradition und will natürlich die Weihnachtsruhe einhalten, und aus diesen Gründen wird die NPD auf den Weihnachtsmärkten natürlich auf keinen Fall irgendwelche Aktionen starten.

In Wahrheit, meine Damen und Herren – daran sehen Sie die Scheinheiligkeit –, hat die NPD schon lange eine Plakataktion beantragt, um ganz Schwarzenberg zu plakatieren,

(Zuruf: Schneeberg!)

und das bis zum 6. Januar. So sieht Ihre Scheinheiligkeit aus! – Entschuldigung, Schneeberg, richtig.

(Holger Apfel, NPD: Als Weihnachtsgruß!)

Aber Sie haben ja angedroht, dass Sie noch überall hinziehen wollen.

Außerdem gibt es bei Facebook, im sozialen Netzwerk, schon die ersten Hinweise von Rechtsradikalen, wie man die Weihnachtsmärkte noch nutzen kann; wie man sich dort versammeln und trotzdem seine Interessen vertreten

kann, obwohl man keine eigene Veranstaltung anmeldet. So sieht also Ihre Zusage aus!

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist Zeit aufzuklären, was der Hintergrund für das Schüren von Vorurteilen der NPD wirklich ist. Viele, die aus ihrer Heimat fliehen, fliehen mitunter auch aus Angst vor Bürgerkriegen. Die Folge von Bürgerkriegen ist zunehmend das Problem, warum viele Menschen auch in Deutschland ankommen. Zuerst kommen sie in den unmittelbaren Nachbarländern an – ich nenne einmal Griechenland; Griechenland ist eines der ärmsten EULänder, das die meisten Lasten zu tragen hat – und werden dort auch von Nazis verfolgt. Dort kann man es genauso sehen, wie Sie es hier machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle müssen Verantwortung tragen. Wir müssen für ein tolerantes und weltoffenes Sachsen streiten. Hass und Menschenverachtung dürfen wir keine Chance geben. Das ist unsere Aufgabe, die wir in den nächsten Wochen haben.

Auf dem CDU-Landesparteitag hat Ministerpräsident Tillich erstmals selbstkritisch eingeschätzt: „Wir waren mit dem Zustrom in Chemnitz überfordert.“ Das ist eine richtige Erkenntnis – dem stimmt auch DIE LINKE zu –, aber es gilt jetzt, die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um Rechtsradikalen den Nährboden bei diesem Thema zu entziehen.